Von Asen & Devas von Flos_Sapientiae ================================================================================ Kapitel 14: Wodans Auge für Kalis Hand -------------------------------------- Der Regen fiel weiter. Es war still im Haus. Es wurde immer kälter, weil niemand Feuerholz im Herd in der Küche nachlegte, wo wir waren. Lisabeth hatte sich unweit von mir an die Wand gesetzt, tief in Gedanken und Sorgen. Ich lag immer noch auf Agnis Körper. Meine Augen waren wund vom Weinen und hatten keine Tränen mehr. Meine Kehle war rau vom Heulen, Schreien und Jammern. In mir war jeder Wille abgestorben, jede Wunde die Agni am Leib hatte, spürte ich in meiner Brust. Aber sterben tat ich nicht… warum konnte ich nicht einfach sterben und erlöst werden? Warum diese ganze Ungerechtigkeit, grad wo ich so glücklich war? Warum hatten wir es nicht verhindern können? Obwohl sein Körper nun kälter als vorher war, kuschelte ich mich inniger an seine Brust. Lisabeth sah auf. Das war die erste Regung die ich seit Ewigkeiten von mir gab. Von außen war ich wohl schon tot. Sie war verzweifelt. All ihre Versuche mich zu trösten waren ohne Erfolg. Sie wusste nicht was sie tun sollte, fühlte sich hilflos. „Wie Soma es grad ergeht? Ob er es schon weiß? Er weint bestimmt auch… Ich würde gerne zu ihm, aber ich kann Wigburg nicht allein lassen… nicht in diesem Zustand…“ Sie setzte sich vorsichtig auf und näherte sich. „Wigburg?“ Ich reagierte nicht, nicht mal wie sie meine Schulter berührte. „Schwesterherz… hast du Hunger? Soll ich den Herd einheizen um uns warme Milch zu machen?“ Keine Reaktion. „Wigburg…“ „Lass mich in Ruh…“ Das waren die ersten Worte die ich seit Stunden sagte. Aber sie klangen schwach, traurig und müde. „Bitte… nur ein bisschen… um zu Kräften zu kommen…“ „Ich sagte, lass mich in Ruh…“ Lisabeth streichelte wieder mir den Rücken, auch wenn sie wusste dass es nicht half. „Wigburg… Ich weiß, es tut weh… aber ändern können wir es nicht mehr… und… er wollte dass wir uns in Sicherheit bringen…“ „Was nützt das jetzt nun?! Du hattest Recht, wir hätten die beiden nicht alleine lassen sollen… Er wäre jetzt noch am Leben…“ Dabei verkrallte ich meine Finger in seine Kleidung. „Ich… ich weiß aber… du hast ihn gehört… Er… er wollte dass wir sicher sind… Wir alle, die Menschen, die ihm wichtig sind… Er hat sich für uns geopfert…“ „Das hätte er nicht tun müssen!“ Ich hatte wieder Tränen in den Augen. „Mein Leben lang hab ich nur Ungerechtigkeit erlebt! Aber bei ihn… Es war das erste Mal wo ich mich gefühlt hatte dass ich angenommen werde… dass ich nicht störe… dass ich…“ Meine nächsten Worte gingen in meinen Schluchzern unter. „Seit ich ihn kenne, scheint es als hätte ich nie als Ausgestoßene leben müssen!! Ein Leben ohne Agni kann ich mir nicht vorstellen… Er ist der einzige der mich nie weggeschickt hat… oder versucht hat mich zu verbiegen… wie Papa, Oma Inge, Opa Wolfgang, Thomas, Matthias und sogar Sahra, Luise und Julia, diese Verräterinnen die sich Freunde nannten…“ Ich streichelte zärtlich sein blutverschmiertes Gesicht. „…Für ihn war ich keine Hexe… kein Monster… Kein wertloser Dreck…“ „Ich weiß, er war eine der wenigen Menschen die dich angenommen hat wie du bist. Ich bin mir aber auch sicher dass er dich deswegen auch mochte. Aber, er hatte mir auch mal gesagt, dass er an dir sehr bewundert, dass du nie aufgibst. Und deshalb darfst du nicht aufgeben!“ „Ich habe deshalb nur weiter gemacht, weil es auch immer was gab wofür es sich zu kämpfen lohnte. Aber jetzt… Es gibt nichts mehr für mich… Er war alles für mich…“ „Wenn du jetzt aufgibst, verrätst du sein Opfer!“, sagte Lisabeth verzweifelt. „Er wollte dass wir alle weiterleben, nicht nur um für Soma da zu sein! Wir alle dürfen nun nicht aufgeben, besonders du! Wodans Auge muss für Kalis Hand weiterleben!“ „Wodans Auge… für Kalis Hand…?“ Meine Stimme war auf einmal seltsam entspannt. „Wodans Auge für Kalis Hand… natürlich…“ „Wigburg?“ Ich richtete mich auf, nun saß ich breitbeinig auf Agnis Bauch. „Wodans Auge für Kalis Hand… Das ist doch ein fairer Tausch oder nicht?“ „Wigburg, wovon redest du?“, fragte Lisabeth besorgt. „Weißt du noch? Wie Oma von unserer Stammmutter erzählt hat?“ „Ja, die Völva, die Wodan wiedererweckt hat um sie nach Baldurs Träumen zu befragen…“ „Und Oma sagte, ich hätte einige Fähigkeiten die Wodan hat…“ Mein Blick, vorhin leblos und leer, war nun entschlossen und gefasst. „Das mit den Runen weiß ich aber… Wigburg! Du hast doch nicht etwa vor…?!“ „Das wäre eine Möglichkeit… Auf die Art zu sterben, hatte er nicht verdient, oder Agni?“ Ich lächelte gelöst während ich sein kaltes, totes Gesicht streichelte. „WIGBURG!!! Das kannst du nicht machen!!! Das funktioniert nur bei denen die du zum König erwählt hast, so hat Oma es dir gesagt! Und du hast doch Soma gewählt!!“ „Ja… und ich bleibe bei meiner Wahl…“ „Und… wenn du es tust, stirbst du! Das war doch die Bedingung! So hat Oma es dir gesagt!“ „Ich weiß… und ich bin bereit diesen Preis zu zahlen… So oder so, werde ich wohl nicht mit ihm zusammen sein… Aber…“ Ich holte nochmal tief Luft um mehr Kraft in meine Stimme zu legen. „Wenn es ihm dadurch möglich ist, sein Versprechen meinem König und Freund einzuhalten, ist es mir das wert!“ „NEIN!!“ Lisabeth riss mich von Agni weg. „Das lasse ich nicht zu!! Wir haben schon Agni verloren, dich gebe ich nicht auch noch her!!“ „Lass mich los!!! Ich werde es tun! Und nicht mal du wirst mich aufhalten!! Lass mich los, Lisabeth!!!“ „Nein, werde ich nicht!! Das würde Soma auch nicht wollen, dass du dich opferst!“ „Wodan!“, rief ich voll verzweifelter Inbrunst, während ich versuchte mich aus Lisabeths Griff zu entwinden. „Wodan, bitte sag mir wie meine Vormutter ihren König rettete! Ich weiß dieser Mann da ist nicht mein König, aber er bedeutet meinem König viel und ist genauso unschuldig und rücksichtslos ermordet worden wie dein geliebter Sohn Baldur! Zeig mir wie ich ihn zurückhole, wenn es sein muss nimm mein Leben, Wodan! Ich bin bereit es herzugeben!“ Kaum hatte ich es gesagt, erschlaffte mein Körper urplötzlich und die Rune erglühte. „Wigburg? Wigburg!“ „Weißt du zu ritzen?... Ja…“, sagte ich benommen wie in einem Zwiegespräch, während die Rune stärker leuchtete. „Schwes…ter?“ „Weißt du zu erraten?... Ja… Weißt du zu färben?... Ja…“ Lisabeth erkannte die Fragen. Sie waren aus der Edda, aus dem Havamal, jenen Teil den angeblich Wodan persönlich geschrieben hatte. Sprach da grade Wodan selbst mit mir? „Weißt du zu erforschen?... Ja… Weißt du zu bitten?... Ja… Weißt du Opfer zu bringen?... Ja… Weißt du wie man sendet?... Ja… weißt du wie man tilgt?... Ja… So sei es…“ Ich stand auf und ging zu Agnis Leiche, Lisabeth konnte vor Angst keinen Muskel bewegen. Nur dumpf fühlte ich wie Blut aus meinem rechten, heißen Auge floss, die Wunde an meiner Hand blutete auch wieder. „Wi…Wigburg…?“ Ich setzte mich wieder auf Agnis Bauch und küsste seine kalten Lippen. Vielleicht würde ich nie mehr die Gelegenheit dazu haben. Indische Gewürze und Blut schmeckte ich, auch wie ich noch einmal sein Gesicht streichelte, dann knöpfte ich seinen Sherwani auf, so dass seine Brust freilag. Ich wusste nun was ich machen muss, als hätte ich es schon immer gewusst. „Veit ek at ek hekk, vindga meiði á, nætr allar níu, geiri undaðr, ok gefinn Óðni…[Havamal, Odhins Runenlied 138, 1-2] “, begann ich beschwörerisch aufzusagen, während ich mit meinem eigenen Blut ein Symbol auf Agnis Brust malte: Ein Kreis mit sich kreuzenden Linien und Runen am Rand, es erinnerte an einen Kompass. „…sjálfr sjálfum mér, á þeim meiði, er manngi veit, hvers hann af rótum renn. Við hleifi mik sældu, né við hornigi, nýsta ek niðr, nam ek upp rúnar, œpandi nam, fell ek aptr þaðan... [Havamal, Odhins Runenlied 138, 4-6 & 139]“ „Wigburg, hör auf damit!!!“, schrie Lisabeth verängstigt. Nachdem ich die Edda-Verse auf gesagt hatte, murmelte ich unverständliche Worte, bewegte mich vor und zurück, wie ein Pendel, dabei hatte ich eine Hand auf Agnis Brust, im Zentrum des Symbols was ich mit meinem Blut gezeichnet habe, auf seinem Herzen. Meine Augen leuchteten orange, waren heiß wie bei Fieber und nun floss auch Blut aus dem anderen Auge. „Wigburg! Hör auf! Bitte!!!“ Lisabeth fühlte, dass es schlagartig kalt wurde, Nebel entstand in der Küche, dieser bildete einen Ring um mich und Agni, die letzte Glut im Herd erlosch, Lisabeths Angstschweiß floss eiskalt über ihre Haut, ihr Atem bildet Wölkchen wie im Winter und sogar der Regen der an die Fensterscheibe klopfte, gefror zu Eis. Als ob sämtliche Wärme plötzlich im Raum aufgesaugt wurde, von mir! Und in Agnis Körper geleitet wurde!! „HÖR AUF! BITTE!“ Lisabeth durchbrach den Nebelring und wollte mich wegzerren, spürte dann aber wie kalt mein Körper war und wie ihr die Körperwärme aus den Händen entzogen wurde, wie Wasser durch einen Strohhalm. Die Hände wurden taub und steif, sie konnte mich nicht mehr loslassen. „Wigburg!! Hör auf!! Bitte hör auf!! Ich will nicht dass du stirbst!!“ „Ljóð ek þau kann, er kannat þjóðans kona, ok mannskis mögr, hjálp heitir eitt, en þat þér hjálpa mun, við sökum ok sorgum, ok sútum görvöllum... [Havamal, Odhins Runenlied 146]“ Dann wurde es taghell und komisch leuchtende Bänder erschienen, mit Bildern darauf. Diese schienen in Agnis Herz zu wollen. „Was ist das?!“ Das hatte ich gesagt, da war mein Verstand wieder etwas klar... Grell Sutcliff ahnte nix böses, er freute sich über seine neue Dauerwelle, die er vorhin vom Friseur bekommen hatte und wollte heim, denn es war ja Feierabend. Doch plötzlich begann es in seiner Tasche zu zittern. Verwundert zückte er sein Todesnotizbuch raus, welches bebte und, noch plötzlicher, aufklappte! „Was zum?!!!“ Flimbänder flogen raus! In die Richtung wo er grad noch die letzte Seele geerntet hatte! „Was hat das zu bedeuten!? He, momentmal!!“ Er sah die Seite an wo die Bänder rausfliegen. „Das ist doch... HE!!! Den habe ich doch grad fertig gemacht!!! Was soll das?!! Zurück!!!“ Er versuchte mit seiner Kettensäge die Bänder zu zerteilen, aber die wichen immer aus, wie Schlangen. Er konnte sie partout nicht zerteilen! „WAS SOLL DAS?!! WAS GEHT HIER VOR?!!“ „Woahhh!!! Unglaublich!!“ „Othello?!“ Der etwas exzentrische Todesgott mit den wilden grünen Haaren, Laborkittel und Birkenstock-Sandalen, war grad aufgetaucht und sah mit leuchtenden Augen der Begeisterung diesem Schauspiel zu. „Waaahnsinn!!! Ich hab schon einiges über Schamanismus gehört, aber so eine mächtige Beschwörung habe ich noch nie in Echt gesehen?!!“ „Was hat das zu bedeuten Othello?!! Ist hier ein Schamane im Einsatz?!“ „Also wenn ich mir die cinematografischen Aufzeichnungen ansehe… Ha!! Das sind ja nordische Runen am Rand! Eine Völva oder Wala muss hier am Werk sein!!!“ „Was für ein Ding?!“, fragte Grell verwirrt. „Das sind ausschließlich weibliche Seherinnen, Zauberinnen und Schamaninnen. Die Völvas sind hauptsächlich in Nordeuropa zu finden, in Mitteleuropa werden sie Walas genannt. Ich habe während meiner Ausbildung mal gehört, dass einige echte matriarchiatische Familienclans gegründet haben, die von den Menschen heutzutage ignoriert werden. Außerdem habe ich Gerüchte gehört dass einige dieser Völvas, den Segen großer Götter tragen. Von von Wodan und Freia gesegnete Seherinnen habe ich schon gehört, aber ich hätte nicht gedacht dass diese Gerüchte wahr sind!!!“ „Du willst doch nicht etwa sagen, dass so eine Person dafür verantwortlich ist?!!“ Othello nickte nur und suchte in seinem Notizbuch nach Informationen. „Mal sehen… mal sehen… Sutcliff! Ist diese junge Frau in dem heutigen Jagdgebiet gewesen?“ Er zeigte die Seite seinem rothaarigen Kollegen. „Elisabeth Felicia Renate Herman… nicht dass ich wüsste aber, ist die verwandt mit einer Wigburg Antonia Inge Herman? Die habe ich nämlich gesehen!“ Othello blätterte weiter. „Ja, das sind Schwestern! Enkeltöchter der momentanen Großmeisterin von Wodans Walas in Hessen, Deutschland: Renate Smets, geborene Haas.“ „Also die ältere der Schwestern habe ich weinend auf der Leiche dieses Inders gesehen, diesem Arshad Satyendra Iyer. Du glaubst doch nicht etwa, dass dieses Mädchen ihre Macht nutzt um ihren Liebsten zurück zu bekommen?“ „Naja, nur Walas und Völvas mit den Segen von großen Todesgöttern können das, aber es müssen auch Bedingungen erfüllt werden, die nix mit der eigenen Liebe zu tun haben. Und wenn sie nicht genug Energie zur Verfügung haben, sterben sie, weil sie ihre eigene Energie dafür verschleudern.“ „Was für Energie?“ „Naja, die sie aus Licht, Wärme oder anderen Lebewesen gewinnen. Wenn ein anderes Wesen sie in diesen Vorgang berührt, erhöht das ihre Chancen das zu überleben.“ „Jemand muss die beiden aber hassen sonst hätte dieser jemand nicht auf ihren Seiten rumgeschmiert!“, grummelte Grell verärgert. „Was? Du meinst die Flecken auf den Herzen der beiden und ihren geplanten Todesdaten? Ach ja, stimmt! Die beiden sind durch ein Teufelsband an irgendwelche Teufel gebunden. Dann kann die sowieso nicht sterben, wenn dieser Teufel an dem sie gebunden ist, nicht will dass sie stirbt. Diese Teufel müssen aber gepfuscht haben, das sind sehr schwache Bänder!“ „Hmmmm… ich meine William hatte was erzählt…“, murmelte Grell mit mordlüsternden Augen. „Ach ja!! Ich wollte eigentlich sagen, der Verdächtige zu den ganzen Vorkommnissen, ist in der Nähe! Komm mit!“ „Hrmpf… Dann komm ich heute nicht rechtzeitig in den Feierabend… aber dann will ich einen Zuschlag! Davon könnte ich mir neue Schuhe kaufen…“ Und Grell folgte Othello. „…Þat kann ek it tólpta, ef ek sé á tré uppi, váfa virgilná, svá ek ríst, ok í rúnum fák, at sá gengr gumi, ok mælir við mik…[Havamal, Odhins Runenlied 157]“ „Schwesterherz!! Hör auf!!! Du stirbst noch!!!“ Während ich schon einige Verse wie in Trance weiter aufsagte, waren dazu passende Bänder zu sehen. Darauf waren bewegte Bilder zu sehen, ich nahm sie aber nur schwach wahr. Bei einem sah man meinen und Agnis Ausflug in den Wald im Winter um Somas Medizin zu besorgen. Bei einem anderen war der Currywettbewerb zu sehen, ein anderes wo Agni offenbar im Palast in Indien zu sehen war und dann wie er und Soma hinter uns zur Walpurgisnacht schlichen. „Sind das… Erinnerungen?“, fragte Lisabeth sich, während ich ermattet mich gegen sie lehnte. Lisabeth erschrak, wie sie fühlte wie kalt mein Körper inzwischen war. Sogar kälter als Agnis Leiche. „Schlaf nicht ein!!! Bitte, schlaf nicht ein!!“ „Geht… es… zu Ende?“ Lisabeth wollte an mir rütteln, als sie aber von den Bändern abgelenkt wurde, die neue Bilder zeigte. Lisabeth erkannte, es musste irgendwo aber nicht in England stattfinden, so fremd war ihr die Umgebung. „Wer ist das?“, fragte sie, wie sie einen jungen Mann mit langen weißen Haaren sah. Schwach hob ich den Kopf und sah was Lisabeth sah. „Wer…?“ „Moment?!“ Obwohl der Mann sadistisch grinsend einen andern zusammen schlug, schien Lisabeth ihn zu erkennen. „Ist das… Agni?!“ „Was?“ Jetzt sah ich aufmerksamer hin und… ich konnte nicht fassen was ich sah. „Wieso verletzt er ihn?!“ „NEIN!!!“, schrie ich. „DAS ist nicht mein Agni!!! Er könnte sowas nie…!“ „Das IST unser Agni!“, sagte Lisabeth, ebenso fassungslos. „Wa… warum?!“ „Ni… niemals!!! Dieses Monster ist nicht…“ Ich wollte nicht glauben was ich sah. Die Bilder änderten sich wieder und man sah wie dieser Mann verhaftet wurde und zum Galgen geführt wurde. Er wehrte sich nicht und schien mit allem abgeschlossen zu haben. „Warum? Und wie…“ Bis Lisabeth Somas Stimme hörte und er auftauchte. Er schnitt dem Delinquenten die Haare ab. „Es… ist… Agni…“, sagte ich schwach, ich war völlig fertig. Jetzt war die Ähnlichkeit größer und man konnte es nicht abstreiten. Soma sagte etwas, bevor der Verurteilte mit Tränen offensichtlicher Dankbarkeit auf die Knie fiel und offenbar auch seinen Dank ausdrückte. Dieser warme Glanz seiner Augen war derselbe, den ich von Agni so liebte. So ist er Somas Butler geworden? Dann aber sprudelten unwillkürlich die nächsten Verse aus mir raus. Mein Geist war wieder betäubt. „Bitte!!! Wann hört das auf…?“, fragte Lisabeth sich nur und zitterte vor Kälte. Dann… der letzte Vers!!! Das letzte Band mit den bewegenden Bildern verschwand in Agnis Brust, der Nebel löste sich auf. „Es ist vorbei…“ Lisabeth fühlte Erleichterung aber dann kippte ich zur Seite. „WIGBURG!!!“ Blut floß mir immer noch aus den Augen aber nun auch aus der Nase und ich hustete Blut. „WIGBURG!!!“ „Li…sabe… Schmerz… Hilfe…“ Ich fühlte mich als ob ich eiskalte Säure getrunken hätte und diese mein inneres verätze aber auch gleichzeitig als ob Teile von meinem inneren gefroren wären. Jede Bewegung, sogar jeder Atemzug schmerzte. Lisabeth wusste nicht was sie tun sollte. „I…ich geh Hilfe holen! Halte durch!“ Und sie rannte raus aus der Küche und aus dem Haus. „La… lass mich nicht allein…“ Dann war alles schwarz und still. Lisabeth ignorierte den Regen der auf sie niederprasselte als sie den Pferdestall hinter der Villa betrat, wo die Pferde für die Kutsche standen. Eines der Pferde holte sie raus und schwang sich drauf, ohne Sattel und Zaumzeug konnte sie ja reiten. „Ruhig… ruhig…“, versuchte sie das nervöse Pferd zu beruhigen, während sie ein eckiges R auf das Pferd zeichnete. „Mit Reid sei gezeichnet. Reite wie der Wind, sei wieder frei wenn ich mein Ziel erreicht habe. Und Ho!!“ das Pferd bäumte sich wiehernd auf und galoppierte los, als Lisabeth ihm sacht aber bestimmt in die Flanken trat. „Schnell!!! Schnell!!“ Das Pferd wurde wirklich schnell, Lisabeth war es zwar gewöhnt sich nur an der Mähne fest zu halten, aber mit so einer Geschwindigkeit hatte sie nicht gerechnet und bekam sogar Angst, runter zu fallen. „Zu Fräulein Sieglinde… Sie kann Wigburg helfen… Ich darf keine Zeit verlieren!“ Nach kurzer Zeit und völlig durchnässt kam sie im Wald am Haus des kleinen Fräuleins. Kaum war sie vom Pferd gesprungen, hämmerte Lisabeth mit beiden Fäusten auf die Tür des Hauses des Fräuleins. „FRÄULEIN SIEGLINDE!!! HERR WOLFRAM!!! BITTE!!! MACHT AUF!! SIE STIRBT!!!“ „WER ZUM TEUFEL MACHT SO EINEN KRACH!!!??“ Wolfram hatte, ganz nach seiner Art, die Tür auf gerissen und erst mal laut zur Begrüßung gebrüllt. „Oh! Fräulein Elisabeth?“ Sie ignorierte dass sie fast die Tür an den Kopf gekriegt hatte. „Herr Wolfram… Wo ist Ihre Herrin?“ „Lisabeth?“, hörte man vom Fräulein selber, das auf ihren mechanischen Spinnenbeinen bei der Treppe stand. „Du bist ja ganz nass?! Komm rein sonst erkältest du dich!“ „Keine Zeit!! Wigburg liegt im Sterben!“ Alle anwesenden waren geschockt. „Was?“ „Ich weiß nicht was genau passiert ist. Aber… Wir dürfen keine Zeit verlieren! Bitte, Herr Wolfram, Fräulein Sieglinde! Wir müssen sie retten! BITTE!!!“ Sie ist sogar auf die Knie gefallen und hatte sich an Wolfram geklammert. „Hmmm naja… Ciel hat gesagt wir dürfen das Haus nicht verlassen, aber…“ „Schon gut. Ich gehe mit und hole das Fräulein Wigburg. Es gab schon genug Tote für heute.“ Sieglinde zögerte kurz. „…Es ist besser wir versorgen sie… solange es nicht zu spät ist… Wolfram! Pass auf Lisabeth auf, beschütze sie und lass sie keinen Moment aus dem Auge!“ „Ja!“ Und er ging mit Lisabeth raus und holte sein Pferd. „Können Sie ungezäumt reiten?“, fragte Lisabeth während, sie unbemerkt sein Pferd mit Reid zeichnete. „Ich habe im Krieg gedient, da muss man auf alles vorbereitet sein. Auch auf Verletztentransport auf ungezäumten Pferden.“ „Gut…“ Und sie rasten los. Sieglinde sah besorgt den beiden durchs Fenster nach. „Nicht auch noch Wigburg…“ Bis sie etwas hinter sich hörte. Soma war von seinem Krankenbett aufgestanden und hielt sich am Türrahmen fest. „He! Hab ich nicht gesagt dass du Ruhe brauchst?!“ „Lisabeth! Ich habe ihre Stimme gehört? Wo ist sie?!“, fragte Soma völlig durch den Wind. „Beruhige dich! Sie kommt gleich wieder. Wolf ist bei ihr. Sie holen Wigburg. Ich weiß nicht genau was passiert ist, aber Lisabeth sagt, Wigburg läge im Sterben…“ „NEIN, NICHT AUCH NOCH SIE!!! Wie konnte das passieren? Hat sie versucht sich was anzutun um Agni in den Tod zu folgen?“ „Ich weiß es nicht, aber glaubst du wirklich dass sie deshalb so leidet?“ Soma hörte nicht zu und sah durchs Fenster. „Lisabeth… bitte komm so schnell wie möglich zurück… Ich finde keine Ruhe bis ich sehe dass es dir gut geht…“ Durch den strömenden Regen, kamen Lisabeth und Wolfram angeprescht. Wolfram wunderte sich schon etwas über die Geschwindigkeit der Pferde, aber Lisabeth drängte zur Eile. „WIGBURG!!! WIGBURG!!!“ Sie kamen in die Küche und fanden mich, regungslos am Boden wie auch Agni. „Wigburg!! Sag doch was!! Schwester!!“ „Grundgütiger! Sie ist eiskalt!“, sagte Wolfram als er mich am Arm fasste. Aber dann legte er sein Ohr über meine Nase. „Aber sie atmet… sehr schwach…“ „Sind Sie sicher?!“ „Im Krieg gegen die Franzosen habe ich mehr als genug Tote gesehen und das Fräulein Wigburg ist nicht tot, aber stark unterkühlt. Warum sie unterkühlt ist und warum das Blut hier ist, kann ich mir aber nicht erklären…“ Lisabeth war aber erleichtert. „Sie muss aufgewärmt und der Kreislauf stabilisiert werden. Keine Sorge, Fräulein Elisabeth… Deiner Schwester wird es wieder besser gehen.“ Dann warf er einen Blick auf Agni. „Warum ist seine Kleidung offen? Behandelt man so einen gefallenen Kämpfer?!!“ Empört knöpfte Wolfram den Sherwani von Agni zu. Lisabeth fiel auf, dass das Symbol das ich mit meinem Blut auf seine Brust gemalt hatte, verschwunden war. „Wart ihr beide das?!“ „Ich nicht! Aber Wigburg! Sie… liebt Agni. Sie hat stundenlang auf seiner Leiche gelegen und geweint. Sie hat in ihrem Schmerz auch seine Kleidung geöffnet und ihn an der Brust geküsst.“ Obwohl Lisabeth immer noch sich wundert wie das Symbol verschwunden war, hatte sie noch fix eine Lüge zusammenspinnen können. „Aha… Tapferer Kamerad… Schade um ihn.“ Dabei salutierte er knapp, wie er wieder aufgestanden war, als ihm aber noch was auffiel. „Ähm, Fräulein… Wie lange ist der werte Herr Agni schon tot?“ „Ich glaube… 3 oder 4 Stunden? Warum fragen Sie?“ „Und wieso hat sich Schorf an seinen Wunden gebildet?“ „Wie? Schorf?“ Lisabeth sah auch hin und konnte zuerst ihren Augen nicht trauen. An Agnis Auge hatte sich eine leichte Kruste Schorf gebildet. Das konnte unmöglich sein!! „Das…das…“ Nun legte Wolfram sein Ohr über Agnis Nase. Sein Blick sprach Bände. „Unglaublich!! Der atmet auch, schwach und unregelmäßig!“ „Er lebt?“, fragte Lisabeth mit Tränen in den Augen. „Ja, Inder müssen wohl zäher sein als Deutsche, Franzosen und offenbar auch Engländer … Er wär ein famoser Soldat.“ „Äh… ähm… Ja! Er muss sehr zäh sein.“, unterstützte sie Wolframs Annahme. Sie konnte nicht glauben was sie grade vernommen hatte. „Wir nehmen ihn auch mit, kannst du deine Schwester tragen?“, fragte Wolfram während er Agni zuerst mit nem Rautek-Griff aufrichtete. „Ja!“ Lisabeth eiferte Wolfram nach, wenn auch mit der Hilfe der Rune Ur. Im Gamstragegriff, den er bestimmt im Militär oft anwenden musste, trug Wolfram Agni raus und hob ihn auf sein Pferd. Dann half er Lieschen mich aufs Pferd zu heben. Sie hatte dabei heimlich Tränen des Triumphs vergossen. „Wie wird sich Soma freuen, wenn er hört das Agni lebt, und wie stolz Oma und Mama sein werden wenn sie hören, dass du die erste unter uns bist, die das überlebt hat.“ Endlich zurück beim Haus von Fräulein Sieglinde! Zuerst wurde ich reingetragen. „Ohje!!! So kalt! Und wenig Puls! Bettruhe und warme Kochsalzlösung!“ „Ja.“ Und ich wurde hoch getragen. Soma, der wieder nicht in seinem Bett blieb, sah das und war über meinen Zustand schockiert. „Wigburg?“ „Sie lebt noch… grade noch…“ „Lisabeth?“ „Ich bin hier unten!“, hörte er ihre Stimme und ein Stein fiel von seinem Herz. „Lisabeth!! Den Göttern sei Dank…!“ Er stürmte die Treppe runter, trotz dass Sieglinde protestierte. „Soma! Du kannst dir nicht vorstellen wie…“ Den Satz konnte sie nicht vervollständigen, weil Soma sie völlig überraschend auf den Mund küsste. „Ach so… verstehe… Deshalb warst du so nervös.“, grinste Sieglinde dreckig, während Wolfram wieder raus ging. Lisabeth wurde rot aber erwiderte. „Soma, alles ist wieder gut… alles ist wie…“, wollte Lisabeth sagen, als Soma sich wieder von ihrem Mund löste. „Es tut mir so leid… für Wigburg…“, schluchzte dieser allerdings. „Ich bin schuld dass Agni… und jetzt wird Wigburg mich dafür hassen… nur weil er mich beschützen wollte…!“ „Soma… beruhige dich wieder… Wigburg wird dich nicht hassen. Außerdem…“ „Prinz Soma, Verzeihung wenn ich unterbreche…“ Wolfram kam grad wieder rein, Agni im Gamstragegriff. Allerdings hatte Wolfram vergessen sprachtechnisch wieder auf English umzuschalten und sprach deutsch. „… ich muss aber sagen dass Euer Diener wirklich gutes Beispiel an Tapferkeit und Zähigkeit ist.“ „Was? Wa… Agni?“ „Er lebt.“, sagte Lisabeth mit Freudentränen. „Wolfram hat ihn grade gelobt.“ „A…aber…“ „Sebastian und Ciel müssen sich geirrt haben.“, sagt Sieglinde auf English und sah sich Agni an. „Die Temperatur ist höher als bei Wigburg, aber wir müssen operieren. Wolfram, bereite dafür alles vor!“ „Ja.“ „Wie kann das…?“, wollte Soma fragen aber Lisabeth umarmte ihn. „Wir haben Agni wieder.“ Während sie Soma umarmte, flüsterte sie ihm ins Ohr: “Wigburg hat was gemacht um Agni zurück zu holen. Sie hat die Macht ihres Auges verwendet.“ „Wirklich?“ „Und dir Lisabeth, empfehle ich ein warmes Bad. Vielleicht Lavendelöl dazu, zur Beruhigung der Nerven.“, wandte Sieglinde sich an Lisabeth. „Ok…“ „Ich möchte ihr beim Bad helfen.“, mischte sich Soma ein. „Ich möchte auch was machen!“ Lisabeth wurde rot und wollte protestieren. „Na gut… Ich brauche sowieso Wolf im OP und du lässt dich nicht aufhalten… Macht aber keinen Unsinn ihr beide!!“ „Aber…“, wollte Lieschen widersprechen, doch Soma unterbrach sie schon wieder: „Keine Sorge. Ich werde nix machen.“ Er bemerkte aber, dass Lisabeth blass geworden war. „He, alles gut… gehen wir.“ Und er legte den Arm um sie, während er mit ihr zur Treppe ging. „Das Bad ist oben, da müsste auch eine Flasche Lavendelöl sein. Und wie gesagt, keinen Unsinn machen! Wolf und ich operieren Agni und kümmern uns danach um Wigburg.“ Im Bad konnte, wenn auch mit viel Überwindung, Lisabeth sich ausziehen und ins warme Wasser begeben, Soma hatte beim Ausziehen draußen gewartet, weil er schon gemerkt hatte dass sie sich wie ein verwundetes und verschrecktes Tier benahm. Später, wie sie in der Wanne saß, wusch Soma, der nicht in der Wanne saß, Lisabeth mit einem Schwamm den Rücken. Auch wenn er es als Prinz nicht gewöhnt war, machte er es mit Freude. Lisabeth hatte den Kopf gesenkt und zitterte leicht. „Ich bin so froh dass dir nix passiert ist. Das mit Agni hat mich schon zerrissen, aber wenn dir was passiert wäre…“ Lieschen sagte nix, aber Soma nahm sie von hinten in den Arm. „Ich wollte dir eigentlich sagen, dass ich dich liebe, aber dann ist das alles hier passiert…“ „Wir hätten euch nicht allein lassen sollen… Wir haben es gesehen, in unserer Vision in der Walpurgisnacht… Tut mir leid dass wir euch im Stich gelassen haben…“ „Ach, das ist unwichtig… Wir standen alle unter Schock und haben nicht mehr dran gedacht. Mach dir keine Vorwürfe, Priya…“ „Priya?“ „Geliebte… Wigburg hat dich beschützt und Agni gerettet, da ist es halb so schlimm. Wenn wir wieder in Indien sind, wird Wodan zum Dank dafür einen Schrein in unserem Tempel bekommen, ganz sicher!“ Während er sie aber inniger umarmt hatte, hatte Lisabeth noch doller gezittert und sogar angefangen zu weinen. „Was ist denn? Warum weinst du?“ „Bibibibi… bitte, fass mich nicht an wenn ich nackt bin…“ „Wieso?“, fragte Soma irritiert und lockerte seine Umarmung. „Ich… ich… ich fühle mich schrecklich…“ „Wieso schrecklich? Das schlimmste ist vorbei, wir sind alle zusammen, ich liebe dich, also es gibt keinen Grund sich schrecklich zu fühlen.“ „Das ist es nicht… Es ist so dass… Sebastian…“ Soma reagiert geschockt: „Was?! Was ist mit ihm?“ „Er… hat mich und Wigburg vergewaltigt!“ Da begann sie lauter zu weinen, weil ihr die Erinnerung, die Scham und der Ekel in ihr hochkamen. „W…was?!!! Etwa bevor man mich gefunden hat?!“ Soma war deutlich wütend geworden was Lisabeth noch doller zum Weinen brachte. „Oh! Tut mir leid! Ich wollte nicht wütend werden oder dich zum Weinen bringen!“ „Nein… viel früher… In der Nacht wo er angeblich ermordet wurde… Wigburg hatte er zuerst… und mich hatte er im Schlaf über…“ Weiter konnte sie nicht reden weil sie nur noch Kraft zum Weinen hatte. Soma nahm Lisabeth wieder in den Arm, er wusste sonst nicht wie er sonst sie trösten konnte. „Lieschen… das tut mir leid… Bitte weine nicht! Alles wird wieder gut, aber du hättest mir doch was sagen können…“ „Ich… ich hab mich so geschämt! Ich fühlte mich beschmutzt und benutzt! Ich konnte dir nicht mehr ins Gesicht sehen ohne daran zu denken! Ich hatte Angst davor was du über mich denken würdest…“ „Dass du das tollste Mädchen bist, das ich kenne! Dass du in mir nie einen Prinzen gesehen hast und mich magst wie ich bin! Dass ich mit niemanden so viel erlebt habe, wie mit dir.“ „Dabei kennen wir uns doch nur fast ein Jahr…“ Dabei hatte sich Lisabeth umgedreht und sah Soma direkt ins Gesicht. Er lächelte sanft. „Und das reichte schon um mir so viel zu zeigen. Ich hab meine Heimat und meinen Palast schon nicht mehr vermisst, das hätte ich vor einem Jahr nicht gedacht. Und dass ein Mädchen, das mir ein Armengericht vorsetzt oder mich mit einem Schlitten entführt, mir mal mehr bedeutet als alle Schätze und Juwelen aller Könige, die vor meinem Vater herrschten. Was dir passiert ist, ändert nix an meinen Gefühlen, ich liebe dich immer noch über alles.“ „Soma…“ Immer noch flossen Tränen aber sie fühlte Erleichterung. „Es tut mir aber auch sehr Leid was dir widerfahren ist… Ich schäme mich fast ein Mann zu sein…“ „Tu das nicht! Du hast mir das nicht angetan. Ich… hab nur Angst berührt zu werden und…“ „Das kriegen wir beide hin und Wigburg wird das mit Agnis Hilfe auch schaffen. Ich werde dir deine Angst und die Schmerzen vertreiben…“ Sacht küsst Soma ihre Stirn. Voll Dankbarkeit küsste Lisabeth ihm aber auf den Mund und hielt ihn umschlungen. Die Tränen die sie nun hatte waren die der Dankbarkeit. „Ich liebe dich… Ich liebe dich, Soma!“ Sie konnte wieder lächeln und war glücklich. „Zusammen schaffen wir das! Du, ich, Wigburg und Agni…“ „Ja!“ Doch dann fiel Lisabeth was ein. „Äh, Apropos Agni… Sag mal… Hatte er lange Haare bevor er in deinem Dienst war und hatte er seine Rechte nicht bandagiert?“ „Woher weißt du das?! Agni hat dir das wohl kaum erzählt?“ „Nein, hat er nicht. Aber… Wigburg und ich haben es gesehen…“ Und sie erzählte was ich gemacht habe und was sie und ich gesehen haben. „… Und dann kamst du, bist zum Galgen rauf gehüpft und hast ihm die Haare samt den Strick durchgeschnitten. Wir haben nichts verstanden, weil es in eurer Muttersprache zu hören war.“ Soma war überrascht von der Genauigkeit der Erzählung. „Das ist haargenau so passiert… Das habt ihr echt gesehen?“ „Ja! Wigburg wollte zuerst ihren Augen nicht trauen, bei dem was sie sah, aber ich glaube das könnte erklären warum Agni Wigburg nichts gesagt hat über seine Gefühle.“ „Ja… schon, kann sein… aber das allein glaube ich, ist es nicht. Da ist bestimmt was anderes, weil er weiß das Wigburg schon was an Wahrheit vertragen kann.“ „Soma… Wer war Agni? Nicht als Vorwurf oder so!!! Meine Meinung über ihn hat sich nicht geändert und meiner Schwester würde ich ihn nicht ausreden! Nein, ganz bestimmt nicht!! Du weißt wie wichtig sie mir ist und ich würde jederzeit Wigburg Agni anvertrauen. Auch nachdem was ich gesehen habe, denn er hat sich völlig geändert! Er ist mein bester Freund und das bleibt er auch.“ „Also gut… Agni… sein alter Name war Arshad…“ „Ja! Den Namen hab ich gehört! Nur wusste ich nicht dass das ein Name ist…“ „Ja… Er war ursprünglich Sohn einer Priesterfamilie, er war Brahmane. Er stammte aus der höchsten aller Kasten, der höchsten sozialen Schicht unserer Gesellschaft.“ „Oh… ein Priestersohn… und dann hat er dennoch…“ Lisabeth war die Spucke weggeblieben. „…wer weiß warum er so schlimme Dinge getan hat und ich kann es auch nicht verstehen. Naja, damals hatte es mich auch nicht gekümmert, ich hatte das nur von meinem Vater gehört. Es fiel ihm schwer Agni verhaften zu lassen, geschweige denn ihn zu verurteilen…“ „Ja, bestimmt. Bei deinem Vater, dem König, war es bestimmt so als wenn er sich gegen eure Götter wenden würde. Nur Wahnsinnige würden sich an meinem Onkel vergreifen, der ja auch Priester ist.“ „Genau… es ist eine Todsünde einen Brahmanen zu töten, aber Vater hatte keine Wahl…“ „Warum hast du trotzdem Agni das Leben geschenkt?“ „Ich weiß nicht…“, meinte Soma verunsichert als er nachdachte. „Ich fand dass er gut in meinem Training wäre und dass ich ihn noch gebrauchen könnte… Schon witzig…“ Er lächelte verlegen. „Es war im Nachhinein gut so… Auch wenn das sehr gewagt und auch gefährlich war, du hast zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Du hast einen Kriminellen von der Straße geschafft und verhindert, dass deine Leute eine Todsünde begehen. Und dafür, dass er sich so positiv verändert hat, gibt es eigentlich keine bessere Belohnung als die Frau die er liebt.“ „Hehe… Ja, ich hatte Agni schon vorgeschlagen Wigburg einen Antrag zu machen.“ „Sie wäre verrückt wenn sie „Nein“ sagt!! Und auch wenn mein Vater was dagegen haben würde, den Segen meiner Mutter hätten die beiden schon, allein weil ihr uns in der Walpurgisnacht vor den Mädchenhändlern gerettet habt.“ „Das sind gute Aussichten!“ „Ja! Das wünsche ich mir so sehr für Wigburg, dass sie endlich glücklich ist und nur Agni kann das!“ „Und ich werde dich glücklich machen!“, sagte Soma lächelnd und küsste verspielt sie auf die Wange. „Allein dass du das sagst macht mich glücklich…“ Dabei hatte sie ihre Stirn an seine gedrückt und ihn fast zu sich in die Wanne gezogen. Ich fühlte was… Wärme?... Ja, es war Wärme… Sie floß in meinen Adern, wie ein Fluss… oder… auf jeden Fall, die Wärme floss durch mich… erreichte jeden Winkel meines tauben Körpers und dann… Wie ein Blitz!!! Ich hatte grad die Augen aufgerissen und schnappte nach Luft als ob ich grad aus dem Wasser aufgetaucht wäre. „Wigburg!“ „Schwester!“ Ich lag noch auf den Rücken, sog die Luft immer wieder ein, wie ein Fisch auf dem Land. Ich erkannte Soma, gekleidet in einem Schlafanzug und Lisabeth, auch fürs Schlafen angezogen und dann, dass an meiner Hand ein Schlauch hing, der an einer Flasche mit klarer Flüssigkeit befestigt war. „Fräulein Sieglinde hat dich wieder hingekriegt!“ „Was…“ Meine Zunge war schwer. „Was ist passiert?“ „Du bist zusammen gebrochen… und hast Blut gehustet…“ Sofort kamen mir die Bilder in den Kopf. „Du hattest Schmerzen, darum hatte ich das Haus verlassen um Hilfe zu holen.“ „Ich… lebe…“, sagte ich schwach, während ich die Hand hob, meinen Verband sah und die Kanüle in meinem Arm stecken. Auch erkannte ich den Ärmel eines Nachthemdes, man hatte mich umgezogen. „Ja, du lebst.“, sagte Lisabeth glücklich und hielt meine Hand. „Und sind froh darüber!“, fügte Soma zu. „Lisabeth sagte, du hast unglaubliches gemacht.“ „Ich lebe…“ Dabei tropfte mein Bewusstsein wieder in meinen Geist. Ja, ich lebe… Ja, den Runenzauber hatte ich vollbracht, aber dass ich lebe, bedeutet… „Ich lebe… ich… VERSAGT!!!!!!“ Und fing wieder an zu heulen. „Lieschen… warum hast du mich nicht sterben lassen?!“ Mit der Reaktion hatten die beiden wohl nicht gerechnet. „Was meinst du damit, Wigburg?“, fragte Soma. „Normalerweise stirbt die Trägerin von Wodans Auge wenn sie jemanden von den Toten zurück holt…“ „Und dass ich lebe bedeutet Agni ist immer noch…! Ich hab versagt… Er wird nie wieder zu mir zurückkommen… Ich will nicht mehr ohne Agni…!“ „Wigburg!“ Batsch!! Lisabeth hatte mir eine Ohrfeige verpasst! Das hatte sie noch nie gemacht! „Entschuldige, aber ich musste dich ruhig stellen.“, sagte Lisabeth beschämt. „Also, nochmal ganz ruhig und von Anfang an: Du hast es geschafft, du hast Agni zurückgeholt UND du hast überlebt.“ „Lisabeth sagte, dass du sehr schlimm gelitten hast. Und sogar Blut gehustet hast. Und dass ihr beide Agnis Erinnerungen gesehen habt.“ „Agni… lebt wieder?“, fragte ich, mein Verstand betäubt von Ungläubigkeit, während in meinem Herz schwache Hoffnung aufglimmte. Meine Schwester und mein bester Freund würden mich doch nicht anlügen, oder? „Das glaub ich nicht…“ „Doch, glaub uns. Auch Sieglinde und ihr Khansama haben gesehen dass Agni lebt.“, sagte Soma mit einem Lächeln und Lieschen nickte zu. „Nur wie du das gemacht hast, wissen nur wir 3, Schwesterherz. Oma wird so stolz sein, auch wenn Agni nicht dein König ist.“ „Ich glaube es erst wenn ich es sehe!“ Ich richtete mich ächzend auf, zog die Kanüle aus meiner Hand und wollte aufstehen, doch meine Beine gaben nach als wären sie Pudding und ich fiel hart auf den Boden. „Au!“ „Ach, Wigburg…“ „Überanstrenge dich nicht.“ „Wir bringen dich zu ihm, Schwesterherz.“ „Und dann musst du uns glauben.“ Die beiden hoben mich auf, grade als Fräulein Sieglinde auf ihren mechanischen Beinen reinkam. „He! Du bist schon wach? Leg dich wieder hin!“ „Wir bringen sie zu Agni, sie will ihn sehen.“, sagte Lisabeth. „Oh Nein!!! Sie soll sich ausruhen! Sie ist geschwächt!“ „Aber wenn Wigburg Agni sieht, wird es ihr besser gehen. Nur ganz kurz, dann kommt sie wieder zu Ruhe.“ Sieglinde grummelte genervt. „Na gut, aber nur ganz kurz und nur dann wenn es ihr besser geht!“ „Bestimmt.“ Und Sieglinde geleitete mich, während ich von Lisabeth und Soma gestützt wurde. Ich wollte es immer noch nicht glauben. Mein Agni ist doch zurück zu mir gekommen? Bin ich tatsächlich die erste Trägerin von Wodans Auge die das überlebt hat? Die es an jemanden durchzogen hat, der nicht mein König ist? Warum ist es mir gelungen? Nun waren wir im Raum wo Sieglinde eigentlich ihre Tinkturen und ähnliches aufbewahrte und Wolfram noch fix ein Bett hinstellen konnte und… da war er… „Agni…?“ „Ja, wir haben ihn operiert, allerdings mussten wir auch ne Bluttransfusion durchführen, da er sehr viel Blut verloren hat.“, erklärte Sieglinde. „Was?“ „Wolfram hatte das ja im Krieg gegen die Franzosen gesehen wie es geht und dank Blavat wissen wir wie genau es geht und zum Glück haben sowohl Wolfram, als auch Lisabeth und Agni die Blutzusammenstellung von Canopus. Agni konnte Blut von zwei Menschen bekommen und somit wieder stabil werden.“ Dabei zeigte Lisabeth auf ein kleines Pflaster auf ihren Unterarm, während Sieglinde weiter erklärte. Ich hörte nicht zu, sondern starrte nur auf Agni, der mit verbundenen Oberkörper und Auge da im Bett lag. Wieder flossen heiße Tränen, während ich mit wackeligen Beinen auf das Bett zugehe. Es ist wahr? Ich griff nach seiner Hand. Sie war warm! Warm wie zu Lebzeiten! Dann legte ich das Ohr auf seine Brust. „Bu bumm, Bu Bumm, Bu Bumm…“ es schlägt, ganz deutlich, sein Herz! „Du… du bist…“ „Glaubst du es nun jetzt?“ Aber ich hörte es nicht weil ich wieder laut weinte. Ich kniete dabei am Bett und hielt seine Hand an mein Gesicht. „Oh, meine Güte…“, staunte Sieglinde. „Jetzt sind die beiden endlich wieder zusammen…“ Auch Soma hatte Tränen der Rührung. „Er wird trotzdem dafür zahlen… was er getan hat…“ Da hatte Soma allerdings einen finsteren Ausdruck. „Wann wird er wieder aufwachen?“, fragte Lisabeth. „Wenn wir Glück haben, morgen… Er hatte aber wirklich mächtiges Glück und ich hoffe Ciel hat eine Erklärung dafür.“ „Ich auch…“, sagte Lisabeth besorgt, nahm Somas Hand und sah mir zu wie ich meine Erleichterung, Schmerz und in gewisser Weise Zorn ausheulte und Agnis Hand hielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)