Der Junge im Bus von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 7: Die Sache mit den Gefühlen ------------------------------------- Vorwort: Derek ist ein Idiot! Etwaige, diesbezügliche Hassnachrichten bitte an mich. Ich leite sie weiter! Liebe Grüße Eure Ginger ____________________________________________ Stiles kam, dank des unerwarteten Taxiservices eine halbe Stunde zu früh. An einem der Tische vor seinem neuem Arbeitsplatz saß ein gutaussehender Typ mit dunkelblonden Haaren und rauchte. Das Café war noch geschlossen und der Fremde stellte fest: „Du musst Stiles sein! Ich bin Ethan. Wir arbeiten heute zusammen.“ Er streckte ihm die Hand hin und Stiles ergriff diese: „Wir haben noch einen Augenblick. Setz´ dich doch!“ forderte Ethan und nahm noch einen Zug aus seinem Glimmstängel, der so gar nicht wie eine gewöhnliche Zigarette roch: „Willst du?“ fragte Ethan: „Macht dich locker!“ Stiles schüttelte den Kopf und versuchte nonchalant zu klingen, als er sagte: „Das ist noch ein bisschen zu früh am Tag für mich!“ Obwohl kleine Sheriffssohn natürlich in Wirklichkeit noch nie Gras geraucht hatte. „Coole Karre, die dich gerade abgesetzt hat.“ kommentierte Ethan: „Und das heiße Teil am Steuer? War das dein Lover?“ „Das war Derek!“ erwiderte Stiles versonnen, als ob das irgendwas erklären würde. Ethan verstand ihn dennoch: „Ach, das ist dann wohl der Kerl, der sich nicht entscheiden kann, wie? Danny hat so etwas angedeutet, als wir gestern telefoniert haben.“ Stiles blickte seinen neuen Kollegen überrascht an und nickte dann bloß zur Antwort. Als Ethan seinen Joint aufgeraucht hatte, warf er ihn achtlos zu Boden und trat ihn mit dem Absatz seiner Bikerboots aus. Stiles betrachtete seinen neuen Kollegen neugierig aus dem Augenwinkel. Danny hatte nicht gelogen: Ethan war ein wirklich attraktiver Kerl, kräftig, athletisch und mit einem ansteckenden, sonnigen Lächeln: „Hast du schon mal als Kellner gearbeitet?“ Wollte der Blonde nun von ihm wissen. Stiles schüttelte ertappt den Kopf und Ethan lachte: „Na, macht nichts. Das ist keine Raketenwissenschaft oder so. Du kriegst das schon hin. Versuch´ einfach, unsere Gäste nicht allzu oft mit ihren Getränken zu begießen, dann passt es schon! Und falls es doch passiert, biete ihnen an, sie wieder trocken zu lecken. Das versöhnt sie dann mit Sicherheit wieder.“ Stiles lachte und tat, als hole er sich einen Notizblock hervor: „Warte, das muss ich mir aufschreiben! Punkt eins: GÄSTE ABLECKEN! Danke für die Info!“ Ethan kicherte: „Du bist lustig! Das hilft in unserem Job enorm. Ich zeige dir jetzt, wie der Kaffeeautomat funktioniert. Wir nennen ihn `den Drachen´, weil er nicht mehr ganz richtig funktioniert und immer mal wieder siedendheißen Dampf ausspuckt und dir, wenn du ungünstig stehst, den Arsch verbrüht. Und das kann einem für ein paar Tage echt das Liebesleben versauen, also sieh´ dich vor!“ Stiles lachte höflich, während er verzweifelt bei sich dachte: `Welches Liebesleben? Ein Soloflug auf dem nächtlichen Balkon etwa?´ Der Drachen konnte ruhig kommen! Das hatte keinen Schrecken für ihn! Vermutlich wäre ER sogar die einzige Art von Liebesleben, die Stiles für lange Zeit haben würde. Nachdem Ethan Stiles die Handgriffe am Kaffeeautomaten gezeigt hatte, ohne dass einer von beiden währenddessen Verbrennungen zweiten Grades erlitten hätte, waren die anderen Getränke dran. Stiles fand, dass es irgendwie ironisch war, dass er nun die Spirituosen ausschenken würde, die zu trinken ihm noch verboten waren: „Wenn die Leute Cocktails bestellen, dann findest du die Herstellungsweise hier in diesem Hefter.“ Ethan hielt ihm eine bebilderte Mappe mit den Rezepten vor die Nase: „Aber du kannst mir dann auch Bescheid sagen, wenn du nicht weiterweißt.“ Stiles nickte. Sie gingen die gesamte Getränkekarte durch und besprachen sie, doch dieser Schuppen bot überdies auch eine beachtliche Anzahl von Kuchen und Torten an, die morgens von einer benachbarten Konditorei geliefert wurden, sowie eine kleine Auswahl Snacks, die in der kleinen Küche aufgewärmt oder zubereitet werden mussten. Zumindest dieser Teil der Arbeit würde für einen versierten Koch wie Stiles ein Kinderspiel werden! Nachdem Ethan und Stiles die Tische abgewischt, Karten, sowie Zuckerstreuer und Milchkännchen auf diesen verteilt hatten, öffneten sie die Tore und dann strömten auch schon die ersten Gäste herein: Ein paar Anzugträger, die noch schnell einen Kaffee und ein Croissant vor der Arbeit wollten, ein offenbar ganz frisch verliebtes Frauenpaar, welches die Augen nicht einmal für den kurzen Moment voneinander nehmen konnte, in dem Stiles ihre Bestellung aufnahm und drei Kerle um die sechzig mit affektierter Sprechweise und schrillen Outfits, die Stiles mit vielsagendem Blick erklärten, dass sie Lust auf etwas Süßes hätten! Und außerdem noch Kuchen wollten! Als Stiles hinter den Tresen zurückkehrte, um die Bestellungen umzusetzen und Ethan einen hilflosen Blick von ihm auffing, erklärte dieser lachend: „Die drei sind total harmlos! Sie sind lustig, wollen bloß ein bisschen flirten und geben gutes Trinkgeld. Soll ich vielleicht lieber ihren Tisch übernehmen?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Ich schaffe das!“ beteuerte er und Ethan ließ der dramatisch-heroische Tonfall seines neuen Kollegen ein klein wenig schmunzeln. Eineinhalb Stunden nachdem Derek Stiles abgesetzt hatte, würde er ein geschäftliches Treffen haben. Am anderen Ende der Stadt! Er hatte also ein bisschen Zeit zu vertrödeln und da war er im Castro-Distrikt gerade richtig, denn er hatte eine Idee. Er fuhr ein wenig durch die Straßen und fand dann genau das, wonach er gesucht hatte. Es sollte sich schnell zeigen, dass Ethan recht hatte: Kellnern WAR keine Raketenwissenschaft und die Arbeit ging Stiles leicht von der Hand. Es kam ihm entgegen, dass er so schmal war, so dass er sich mühelos zwischen den Tischen hindurchschlängeln konnte, um Bestellungen zu servieren oder Tische abzuräumen. Und bislang war es glücklicherweise noch nicht nötig gewesen, irgendwen abzulecken. Stiles flottes Mundwerk kam bei den Leuten gut an. Er flirtete nach allen Seiten und ein Kerl; vielleicht ein bisschen zu alt für ihn, aber trotzdem irgendwie süß, steckte ihm sogar seine Telefonnummer zu. Am frühen Nachmittag fiel Stiles Blick einmal aus dem Fenster und da sah er eine vertraute Gestalt vorbeischlendern. Dummerweise hatte die Person ihn auch gesehen und machte auf dem Absatz kehrt, um ins Café zu kommen: „Ja Hallo!“ säuselte Peter und zog dass `o´ unnötig in die Länge: „Was machst du denn hier, Prinzessin?“ „Arbeiten!“ sagte Stiles knapp: „Was denn? Hat mein Neffe dir etwa den Geldhahn zugedreht? Dieser Schuft!“ empörte sich Peter übertrieben: „Dann komm´ doch zu mir Stiles. Bei mir musst du nicht arbeiten. Also wenigstens nicht im herkömmlichen Sinne!“ Stiles verzog das Gesicht: „Ach komm´ schon Peter!“ stöhnte er: „Das ist echt widerlich! Außerdem findest du doch bestimmt auch jemanden, den du nicht dafür bezahlen musst, oder.“ Peter setzte ein anzügliches Grinsen auf: „Es kommt darauf an, wie dringend ich etwas will, kleine Jungfrau!“ erklärte er, schlang ungefragt die Arme um Stiles und legte ihm beide Hände auf den Arsch: „Übrigens gefällt mir dein verheißungsvolles Outfit.“ fügte er an und freche Finger suchten sich nun ihren Weg in das Loch, dass Stiles in seine Jeans geschnitten hatte: „H-hey, moment Mal!“ Stammelte der Junge und entwand sich der Umarmung: „Ich muss jetzt echt weiterarbeiten, Peter!“ „Soll ich dich vielleicht nach deiner Schicht abholen, Süßer? Wenn du willst, stellen wir etwas an. Etwas Aufregendes!“ Wollte Peter wissen, der Stiles Herzschlag und körperlicher Verfassung entnehmen konnte, dass seine Chancen bei diesem Jungen am Ende möglicherweise doch gar nicht so schlecht standen. Dennoch beeilte sich Stiles zu sagen: „Nein Danke, Peter. Ich habe schon eine Verabredung mit deinem Neffen.“ „Du weißt, dass er dich niemals ranlassen wird, oder Stiles?“ fragte Peter mitleidig: „Wer sagt, dass ich das überhaupt wollen würde?“ schnappte Stiles. Peter lachte ein wenig: „DU sagst mir das. Das verrät mir dein rasender Herzschlag und der beschleunigte Atem, wenn du bloß seinen Namen aussprichst; die leichte Röte, die dir jetzt gerade ins Gesicht schießt und ich kann es außerdem an dir riechen, Stiles!“ Der Junge blickte ihn ärgerlich an: „Was für ein Blödsinn! Du kannst meinen Herzschlag nicht hören und du kannst schon gar nicht riechen, was ich fühle. Du versuchst bloß, mir unter die Haut zu gehen, um mich zu ärgern, aber du irrst dich! Da ist gar nichts!“ „Wenn du meinst, Stiles.“ sagte Peter mit einem mitfühlenden Grinsen, für das Stiles ihm am liebsten die Fresse poliert hätte. Dann verabschiedete Peter sich mit den Worten: „Wir sehen uns!“ und war verschwunden. Ethan, der die Szene von Ferne beobachtet hatte, kam nun zu Stiles herüber und fragte: „Wow! Kennst du eigentlich NUR gutaussehende Kerle?“ „Kerl eins und Kerl zwei sind miteinander verwandt. Vielleicht liegt´s daran?“ brummte Stiles missmutig: „Und was wollte Kerl zwei nun von dir?“ wollte Ethan wissen: „Mich stalken, bis ich mich eines Tages für ihn hinlege!“ Schimpfte Stiles. Ethan kicherte: „Klingt nicht wie der schlechteste Deal auf der Welt. Ich persönlich mag´s, wenn sie ein bisschen Erfahrung mitbringen.“ „Verflucht! Er hat mir Geld dafür angeboten! Und zwar nicht zum ersten Mal!“ empörte sich Stiles. Nun lachte Ethan noch ein bisschen lauter: „Also auf meiner Pro- und Contra-Liste käme das eindeutig auf die Pro-Seite?“ Stiles zog überrascht die Augenbrauen hoch und machte sich nun daran, eine Kaffeebestellung für eine ältere Dame umzusetzen, wobei ihn beinahe dabei die Rache des Drachens dabei erwischt hätte. Er schaffte es gerade noch eben so, seine Hüfte zur Seite zu drehen. Der erste Arbeitstag war für Stiles wie im Flug vergangen. Es hatte Spaß gemacht, er hatte nette Leute kennengelernt, er mochte seinen Kollegen Ethan irgendwie und die Arbeit selbst fiel ihm nicht schwer. Nun war es fünf Uhr und Danny kam mit einem großen schlaksigen Lockenkopf herein, der sich ihm als Isaac vorstellte, um ihn und Ethan abzulösen. Ethan hatte zwischendurch einen Dienstplan erstellt. Diese Woche würde Stiles mit wechselnden Kollegen in der Frühschicht arbeiten, am Wochenende hatte er frei und nächste Woche hätte er dann die Spätschicht von fünf bis elf in der Nacht, plus aufräumen: „Die Wochenenden teilen wir unter uns auf.“ erklärte ihm Ethan: „Ich habe mir gedacht, da du der Neue bist, lassen wir dich diese Woche erst Mal außen vor.“ Stiles bedankte sich dafür mit einem kleinen Lächeln. Ethan grinste zurück und verkündete „Und jetzt kommt der gute Teil! Zahltag!“ Der Mindestlohn in Kalifornien betrug zehn Dollar. Das bedeutet sechzig Dollar für Stiles ersten Arbeitstag. Doch dann kam noch das Trinkgeld hinzu und selbst Ethan staunte nicht schlecht: „Zweiundsiebzig Mäuse an einem Wochentag in der Frühschicht, wenn die Leute noch nicht so betrunken sind, dass sie nicht mehr rechnen können? Glückwunsch Stiles! Dein Flittchenlook, gepaart mit deiner flinken Zunge machen sich definitiv bezahlt. Soviel hatte ich in vergleichbaren Situationen höchstens, wenn ich mit meinem Bruder hinter dem Tresen ein bisschen `Zwillingsaction´ betrieben habe.“ Stiles blickte Ethan fragend an und dieser erläuterte: „Aus irgendeinem bescheuerten, kranken Grund macht es die Leute an, sich vorzustellen, es mit Zwillingen zu treiben und Aiden und ich haben gelegentlich damit gespielt, indem wir die Musik ein bisschen lauter gedreht und miteinander getanzt haben. Das hat die Trinkgeldkasse jedes Mal klingeln lassen. Und es war hierbei auch völlig Schnuppe, dass mein Bruder eigentlich gar nicht schwul ist. Es hilft einfach, wenn man die Fantasie der Leute ein wenig ankurbelt. So wie du mit deiner Jeans, Stiles!“ Der Angesprochene kratzte sich verlegen am Hinterkopf und grinste schüchtern: „Werd´s mir merken!“ murmelte er: „Dann fragte er verstört. Du bist schwul und dein Zwillingsbruder nicht? Ich dachte, das wäre genetisch?“ Kopfschüttelnd und grinsend erwiderte Ethan: „Blödsinn! Sexuelle Orientierung und Identität sind ein bisschen komplizierter als das. Und das ist unser Glück, denn sonst hätten sie in der Vergangenheit mit Sicherheit schon einen Weg gefunden, um solche wie uns schon pränatal auszusortieren. Stiles zuckte ein wenig zusammen bei der Vorstellung und dachte an seinen Dad. Hätte dieser sich wohl einen anderen Sohn gemacht, wenn er gekonnt und vorher schon geahnt hätte, dass sein eigener derart missglücken würde? Stiles schluckte hart. Schließlich überließen er und Ethan nun das Feld Isaac und Danny und verließen das Café gemeinsam: „Und? Was hast hast du heute noch vor?“ wollte Ethan wissen: „Ich gehe nachhause zu Kerl eins, hoffe das Kerl zwei heute einfach mal nicht uneingeladen vorbeikommt und wenn der Abend gut läuft, werde wir erst Lasagne essen und dann werde ich bei irgendeinem alten Film Kerl eins auf die Schulter sabbern, in der traurigen Gewissheit, dass dies die einzige Form der Körperlichkeit sein wird, die jemals zwischen uns stattfinden wird.“ „Dich hat´s ganz schon erwischt, oder?“ fragte Ethan. Stiles nickte bloß. Einem Impuls folgend umarmte er seinen neuen Kollegen kurz und verabschiedete sich dann. `Endlich wieder Geld in der Tasche!´, dachte Stiles glücklich. Und das Erste, was er davon kaufen wollte, war ein Geschenk für Derek, nur hatte er leider nicht die blassesten Ahnung, was das sein könnte. Das einzige, von dem Stiles sicher wusste, dass Derek es mochte, waren alte Filme und Bücher, doch von beidem hatte Derek schon eine Menge und Stiles wusste nicht, was ihm in seiner Sammlung noch fehlen mochte. Also lief Stiles durch die Straßen in der verzweifelten Hoffnung, ganz zufällig auf das perfekte Geschenk zu stoßen. Ein aussichtsloses Unterfangen! Oder etwa nicht? Was Stiles nämlich plötzlich in einem der Schaufenster entdeckte, war genau das, wonach er niemals gesucht hätte, weil er nicht geahnt hätte, dass er es für Derek hätte wollen können. Und es war absolut vollkommen! Es war ein kleiner schwarzer Wolf aus Plüsch, mit grimmigem Gesichtsausdruck und gefletschten Zähnen, aber dennoch: Es war doch bloß Plüsch! Und genauso war Derek! Er betrat das Geschäft ohne überhaupt darauf zu achten, was hier überhaupt verkauft wurde, trat zu dem Mann an dem Verkaufstresen und sagte aufgeregt: „Ich hätte gern das Kuscheltier aus dem Schaufenster. Was kostet es?“ „Der kleine Wolf? Der gehört nicht zum Sortiment. Er ist bloß Dekoration. Vielleicht findest du hier ja etwas anderes, was dir gefällt mein Junge?“ erwiderte der Verkäufer. Stiles riss enttäuscht die Augen auf und sagte: „Bitte, Sir! Ich muss ihn haben! Er ist das perfekte Geschenk für einen ganz besonderen Menschen!“ Der Kerl hinter dem Tresen musterte Stiles belustigt. Er war recht groß und kräftig, Afroamerikaner, hatte ein freundliches, breites Gesicht, mit einem etwas mysteriösen Lächeln. Stiles blickte sich in dem Geschäft um und konnte gar nicht genau sagen, was dies hier eigentlich für ein Laden war? Am besten könnte man es wohl als `Homosexuellenausstatter´beschreiben. Es gab Ständer mit Postkarten mit Regenbogenfahnen, frechen Sprüchen und mit weiblichen oder männlichen Akten. An einer Wand gab es Bücher; allesamt zu queeren Themen. Es gab Anstecker und T-Shirts mittels derer man Anderen seine sexuelle Orientierung mitteilen konnte, DVDs, regenbogenfarbenen Schnickschnack und etwas versteckt im hinteren Winkel des Ladens auch ein paar Sextoys. Eigenartig! Der Inhaber dieses Ladens schien so gar nicht hierher zu passen. Stiles konnte ihn sich eher als Grundschullehrer vorstellen. Oder als Kartenleger auf einem Jahrmarkt, wegen seines geheimnisvollen Lächelns. Oder nein: eigentlich sah er aus wie ein Tierarzt! „Bitte Sir!“ versuchte Stiles es noch einmal: „Ich habe sechsundneunzig Dollar! Die gebe ich ihnen, wenn sie mir den Plüsch-Wolf verkaufen!“ Der Verkäufer lachte leise: „Das muss ja ein besonderer Freund sein, wenn du bereit bist, so viel Geld für ein wertloses Stück Stoff auszugeben, nur um ihn glücklich zu machen.“ Stiles grinste ertappt: „Er hat mein Leben gerettet. Er...er ist einfach der Beste!“ bestätigte er. Der Ladeninhaber nickte schmunzelnd, holte den kleinen Wolf aus dem Schaufenster und sagte: „In Ordnung! Gib´ mir fünfzehn dafür!“ Stiles blickte ihn überrascht an: „Wirklich?“ fragte er unsicher. Der Verkäufer zuckte mit den Schultern: „Wer bin ich, mich einer so wichtigen Sache entgegenzustellen?“ Stiles zahlte und stopfte seine Beute in seinen Rucksack, ehe der Verkäufer es sich anders überlegen konnte: „Danke Sir!“ murmelte er. Der Angesprochene lachte: „Du kannst mich Alan nennen, Kleiner!“ sagte er und streckte ihm die Hand entgegen: „Stiles!“ erwiderte der zufriedene Kunde und ergriff die hingehaltene Hand. Nach dem glücklichen Geschäftsabschluss stöberte Stiles noch ein wenig in der Auslage des Geschäfts herum und arbeite sich langsam und unauffällig zu den Sextoys vor. Ehrfürchtig blieb er vor einem gigantischen, aber abgesehen davon sehr naturalistischen Dildo stehen und betrachtete ihn, als sei er eine fremde Lebensform. Nach einer Weile traute er sich sogar das Ungetüm in die Hand zu nehmen. Stiles zuckte zusammen, als Alan ihm unvermutet eine Hand auf die Schulter legte: „Du solltest vielleicht lieber mit so etwas hier anfangen, wenn du ein bisschen üben willst, Stiles.“ sagte er lachend und drückte ihm einen rosa-hellblau melierten phallusförmigen Delfin in die Hand: „Und dies hier könnte auch hilfreich sein.“ Alan reichte Stiles einen kleinen Plug und eine Flasche Gleitgel. `Verdammt!´ dachte Stiles. Hatte er die Worte `spätes Mädchen´ etwa auf seiner Stirn stehen? „Danke?“ sagte er brummend und es klang eigentlich mehr wie eine Frage: „Fünfundzwanzig Mäuse für das Starterset. Ist ein Schnäppchen!“ gab Alan zurück. Stiles ließ den Kopf hängen: „Ist es wirklich so offensichtlich, dass ich bloß eine ahnungslose Jungfrau bin?“ wollte er wissen. Alan lächelte: „In meinen Laden kommen viele Kids wie du; jung, auf der Suche nach sich selbst, ein bisschen verloren...Es wird besser, Stiles! Versprochen!“ Dann fügte er hinzu: „Ich hab´ vorhin gesehen, dass du bei den Jungs im Café arbeitest. Das ist doch ein guter Anfang, oder nicht? Bei ihnen bist du gut aufgehoben.“ Stiles blickte ihn überrascht an und nickte dann: „Das Gefühl habe ich auch.“ Erwiderte er. Dann fügte er leise hinzu: „Ich will nicht, dass die Anderen wissen, dass ich noch nie...ich meine, dass ich noch keine Ahnung habe. Es ist so wahnsinnig peinlich!“ Alan lachte: „Von mir erfährt bestimmt keiner etwas!“ versicherte er: „Und es ist gar nicht peinlich. Ich war einundzwanzig bei meinem ersten Mal.“ Stiles blickte ihn überrascht an, doch Alan zuckte bloß mit den Schultern: „Ich war wahnsinnig schüchtern. Und irgendwann hatte ich dann so lange gewartet, dass es mir wie eine viel größere Sache vorkam, als es das am Ende war.“ „Das Gefühl kenne ich!“ erwiderte Stiles und fügte dann mit einem schiefen Grinsen hinzu: „Ich denke, ich nehme das `Starterset´.“ Alan nahm das Geld entgegen und schenkte Stiles noch ein weiteres mysteriöses Lächeln: „Vielleicht schaust du irgendwann mal wieder rein und erzählst mir, wie dein Einkauf angekommen ist?“ Der Angesprochene schaute ihn mit großen Augen an und Alan stellte lachend klar: „Ich meinte das Kuscheltier, nicht die Toys. Diese Erfahrung darfst du sehr gern für dich behalten.“ „Und wenn ich nun aber unbedingt genau DARÜBER sprechen wollte?“ fragte Stiles zwinkernd Alan lachte: „Dann solltest du damit in eine Talkshow gehen, wie jeder normale Mensch.“ „Abgemacht!“ gab Stiles lachend zurück. Dann verabschiedete er sich. Wieder auf der Straße stellte er fest, dass es mittlerweile bereits Viertel vor sechs war und er beeilte sich, nachhause zu kommen, um Derek nicht länger auf sein versprochenes Abendessen warten zu lassen. Als er die Tür aufschloss, zeigte sich allerdings schnell, dass Stiles noch nicht allzu sehr vermisst worden war, denn bei Derek auf dem Sofa saß eine wunderschöne Frau und die beiden turtelten und lachten miteinander. Augenblicklich wich das Blut aus Stiles Kopf, Armen und Beinen und zog sich schmerzhaft in seiner Körpermitte zusammen. Stiles schaffte es gerade eben so zu sagen: „Hi! Da bin ich wieder.“ Derek sah ertappt aus und er erkundigte sich: „Hey, Stiles. Wie war dein erster Arbeitstag?“ „Fein!“ antwortete Stiles knapp. Er hielt der Fremden die Hand hin, stellte sich vor und wollte dann wissen: „Also dann Lasagne für drei?“ Die Schönheit, die sich ihm als Braeden vorstellte, schüttelte lächelnd den Kopf: „Nein Danke! Ich muss bald wieder los.“ Derek erklärte: „Braeden ist meine...ich meine wir sind...“ Offensichtlich wusste er selbst nicht, wie dieser Satz weiterging, also richtete er seinen Blick hilfesuchend auf die Frau in seinem Arm, die grinsend sagte: „Ich glaube, so etwas wie uns nennt man `Part-Time-Lovers´, Baby!“ Stiles wünschte sich gerade, dass er die Einladung Peters vom frühen Nachmittag angenommen hätte, denn dann würde er jetzt wohl unter diesem liegen und sich zeigen lassen, wie man die Toys, die er heute erworben hatte, fachgerecht benutzte, anstatt seinem Herzen dabei zuzuhören, wie es ganz langsam und Stück für Stück in tausend kleine Scherben zersprang. „Braeden ist beruflich viel unterwegs, aber wenn sie gerade mal in der Stadt ist, dann treffen wir uns.“ erklärte Derek und aus irgendeinem Grund klang es wie eine Rechtfertigung. „Aha!“ machte Stiles und hackte auf die Zwiebeln vor sich ein, damit er eine gute Erklärung für die Tränen haben würde, die er in diesem Moment anrollen spürte: „Was machen sie beruflich, Braeden?“ fragte er; nicht weil es ihn wirklich interessierte, denn er hatte gerade beschlossen, diese Frau aus tiefster Seele zu hassen; da konnte sie noch so wunderschön und sympathisch ein. Er tat es nur, um nicht durch allzu schlechtes Benehmen sofort zu offenbaren, wie er sich gerade fühlte: „Ich arbeite für die Regierung.“ Gab die Fremde zurück, was viel Raum für Spekulationen ließ: „Sie tut immer so geheimnisvoll.“ erklärte Derek schmunzelnd: „Ich weiß auch immer noch nicht genau, als was sie wirklich arbeitet.“ Dann küsste er sie. „Aha!“ machte Stiles wieder und versuchte nicht hinzuschauen, sondern sich voll und ganz auf´s Kochen zu konzentrieren. Verflucht! Verflucht! Verflucht! Gab es kein Gesetz, dass Männern, in die Stiles verliebt war verbot, in ihrer eigenen Wohnung schöne Frauen küssten? Wenn nicht, dann sollte wirklich schleunigst eins verabschiedet werden. Braeden erhob sich, kam zu Stiles um den Küchentresen herum und bemerkte: „Schade, dass ich keine Zeit mehr habe, denn es riecht wirklich verführerisch!“ Sie streckte Stiles die Hand entgegen, welcher diese zögerlich ergriff. Erstaunlich fester Händedruck für so eine kleine, zierliche Person: „Es hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Stiles.“ „Geht mir ebenso.“ log Stiles. Und zu seinem eigenen Ärger musste er feststellen, dass es schwer werden würde, diese Frau zu hassen, denn sie war so nett. Derek brachte seine Teilzeitliebhaberin noch zur Tür, was eine Weile dauerte und Stiles versuchte das Kichern und die eindeutigen Kussgeräusche zu ignorieren, die zu ihm herüberschallten. Als er die Lasagne in den Ofen schob, dachte er, dass es früher besser war, als die Menschen noch Gasöfen hatten, mit denen man sich auf dramatische Art und Weise umbringen konnte. „Alles in Ordnung bei dir, Stiles?“ Fragte Derek, als sie beide wieder allein waren: „Du bist so komisch.“ „Alles O.K.!“ behauptete Stiles und ließ sich auf das Sofa fallen: „Ein bisschen Heimweh. Das ist alles.“ Derek stutzte, doch er sagte nichts dazu, sondern fragte stattdessen: „Und die Arbeit? Gefällt sie dir?“ Stiles zuckte mit den Schultern und lächelten leise: „Ja! Es ist ziemlich cool. Mein neuer Kollege Ethan ist wirklich heiß. Und single! Ich hätte heute beinahe zum ersten Mal in meinem Leben Gras geraucht.“ Dereks Augen weiteten sich entsetzt, doch Stiles ignorierte das und sprach einfach weiter: „Außerdem war dein Onkel kurz da und hat angeboten mich dafür zu bezahlen, seine exklusive kleine Nutte zu sein.“ Derek knurrte leise: „Und ein gutaussehender Kerl Anfang fünfzig hat mir seine Telefonnummer gegeben. Ich hatte sowieso den Eindruck, ich komme ganz gut an. Ich wurde den ganzen Tag von Kerlen angeflirtet. Ethan meinte, das würde sich auch am Trinkgeld bemerkbar machen.“ Aus irgendeinem Grund schien Derek überhaupt nicht zu gefallen, was Stiles zu berichten hatte: „Klingt ja toll!“ knurrte er: „Von der Jungfrau zum Drogenstrich in nur einem Tag! Was für eine Karriere! Deine Geschichte sollten sie verfilmen und jedes Jahr zu Weihnachten in der Glotze bringen!“ Stiles lachte: „Keine Sorge. Ich bin immer noch eine arme, kleine Jungfrau und werd´s wohl auch bleiben. Ich will´s nämlich nicht mit dem Erstbesten tun, sondern mit jemand Besonderem.“ Derek schaute ihn eigenartig an, doch er sagte nichts. Eine Weile später war die Lasagne fertig und sie schien Derek ausgesprochen gut zu munden, auch wenn sie mit Stiles bitteren Tränen gewürzt war. „Hast du sie gern?“ traute der Jüngere sich irgendwann zu fragen: „Wen? Braeden?“ fragte Derek zurück. Stiles verdrehte die Augen und schnaubte: „Nein, Angelina Jolie! Natürlich Braeden, oder waren hier in der letzten Stunde noch andere Frauen, mit denen du rumgemacht hast?“ „Dutzende!“ Behauptete Derek grinsend, doch Stiles war nicht zum Scherzen aufgelegt. Er stellte geräuschvoll ihre Teller zusammen und ließ sie mit dem anderen Geschirr in die Geschirrspülmaschine krachen. „Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund, warum du meine Küchenutensilien misshandelst, Stiles?“ erkundigte sich Derek: „Gibt es einen besonderen Grund, dass du auf meine Fragen nicht antwortest?“ Schnappte Stiles. Plötzlich stand Derek hinter ihm: „Bist du eifersüchtig, Stiles?“ fragte er sanft. Den Angesprochenen traf beinahe der Schlag: „Natürlich nicht!“ sagte er viel zu schnell und scheuerte wie besessen auf imaginären Flecken auf der Anrichte herum „Ein bisschen besorgt vielleicht. Willst du, dass ich von hier verschwinde, damit du mit Braeden allein sein kannst?“ „Braeden hat heute keine Zeit und außerdem hat sie ihre eigene Wohnung in der Stadt, wo wir allein sein können, wenn wir das wollen!“ Allein sein! Der Code für: Sex miteinander haben! Verdammt! Nun legte Derek eine Hand auf Stiles Schulter, unter welcher dieser zu Eis erstarrte: „Ich habe dich gern hier bei mir! Und wir haben doch die Verabredung, dass ich es dir sage, wenn sich daran etwas ändern sollte.“ Stiles nickte und schlang die Arme um seinen eigenen Körper. Da fiel Derek etwas ein: „Moment Mal!Ich hab´ doch etwas für dich!“ Er ging ins Schlafzimmer hinüber und kam mit mehreren Einkaufstüten aus Boutiquen zurück: „Ich war heute einkaufen, doch ich hätte das Zeug vorher anprobieren sollen. Alles zu klein! Vielleicht ist etwas dabei, was du bei der Arbeit tragen kannst?“ erklärte Derek Stiles durchstöberte den Tüteninhalt und seine Augen wirden immer größer. Es handelte sich um mehrere Skinny-Jeans und Oberteile. Nichts davon sah aus wie etwas, was Derek jemals anziehen würde; nicht mal unter Androhung von Todesstrafe. Eins der Oberteile bestand aus neongelb- und orangenem Latex. Hauteng! Dann gab es ein T-Shirt, von dem offenbar die Rückseite fehlte, denn hinten wurde es lediglich von Bändern zusammengehalten. Ein anderes Teil hatte mit Straßsteinen das Wort `Slut´ auf die Vorderseite geschrieben. Dies hielt Stiles in die Luft und fragte: „Du bist sicher, dass du das nicht für dich selbst willst? Du würdest bezaubernd darin aussehen. Und Braeden würde es sicher an dir lieben!“ Derek lachte und Stiles machte die Feststellung: „Du bist losgegangen und hast Arbeitskleidung für mich gekauft. Warum?“ Derek zuckte die Achseln: „Du kannst doch nicht immer in demselben T-Shirt und der selben schrottreifen Jeans herumlaufen, oder? Und wenn es die Trinkgeldkasse klingeln lässt...ich nenne es eine Investition in die Zukunft eines jungen Menschen. Und wenn es mit dem Kellnern nicht klappt, kannst du immer noch jederzeit in die Pornobranche einsteigen!“ Stiles wusste selbst nicht genau, warum er ausgerechnet jetzt heulen musste. Er trat auf Derek zu und legte diesem die Hände in den Nacken: „Danke!“ sagte er und schmiegte seinen Kopf an Dereks Schulter. Und scheinbar hatte dieser sich mittlerweile an derartige Zudringlichkeiten gewöhnt, denn er ließ Stiles einfach gewähren und entgegnete: „Gern geschehen, Kleiner! Habe ich denn deinen wenigstens Geschmack getroffen?“ Stiles lachte gegen Dereks Brust: „Ich würde es eher so ausdrücken: Es erfüllt seinen Zweck!“ „Und du wirst so unglaublich billig darin aussehen. Das wird ganz toll!“ antwortete Derek gespielt begeistert: „Willst du mich etwa auf den Strich schicken?“ empörte sich Stiles scherzhaft: „Nur wenn es finanziell ganz hart kommt!“ gab Derek nüchtern zurück: „Da bin ich aber erleichtert.“ entgegnete Stiles, löste sich wieder von Derek und dann sagte er: „Ich habe übrigens auch etwas für dich!“ Er kramte in seinem Rucksack, peinlich darauf bedacht, Derek nicht sehen zu lassen, was er, abgesehen von seinem Geschenk sonst noch so gekauft hatte. Dereks Geschenk war in Seidenpapier eingeschlagen und der Ältere nahm es mit fragendem Blick entgegen: „Öffne es!“ forderte Stiles. Derek wickelte den Plüschwolf aus und ihm gingen beinahe die Augen über. Mit einem Blick forderte er eine Erklärung: „Das bist du, Grummelwolf: zähnefletschend und knurrend, aber im Grunde kuschelig und weich.“ murmelte Stiles und fand seine Idee plötzlich gar nicht mehr so toll. Derek hatte die feste Absicht, ernst zu bleiben, doch als er Stiles ängstlichen Gesichtsausdruck sah, musste er lachen: „Danke Kleiner!“ sagte er und hielt sein angebliches Ebenbild aus Plüsch zum Vergleich neben seinen Kopf. Dann nahm er das Zottelviech mit ins Schlafzimmer, wo der kleine Derek einen Ehrenplatz auf dem Nachttisch erhielt. Stiles lächelte erleichtert. „Und nun?“ fragte Derek, als er wieder bei ihm war: „Schauen wir wieder einen Film?“ Stiles nickte stumm und eine halbe Stunde später lag er mit einer Schale Erdnüsse neben Derek auf dem Sofa, den Kopf auf dessen Schoß gebettet und ließ sich das Haar kraulen, während sie `Ist das Leben nicht schön?´ auf DVD schauten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)