Der Junge im Bus von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: Der Junge im Bus --------------------------- Derek rammte wütend seine Hände in die Hosentaschen und starrte sein Auto an, als wollte er es ermorden. Dumm nur, dass er dafür zu spät kam, denn sein Camaro war bereits tot; sprang einfach nicht mehr an! Und weit und breit niemand, den er bitten konnte, ihm Starthilfe zu geben. Er ließ seinen Wagen ungern um diese Zeit, es war beinahe Mitternacht in dieser Gegend stehen, doch was sollte er machen? Morgen würde er sich um einen Abschleppdienst kümmern, doch jetzt wollte er erst einmal einfach nur noch nachhause. Er fragte die kleine, elektronische Frau, die in seinem Handy wohnte und sie gab ihm die Auskunft, dass drei Straßen weiter ein Bus fuhr. Wenn er diesen bis zur Endhaltestelle nähme, wäre er beinahe schon vor seiner Haustür. Derek streichelte noch einmal über die Motorhaube, als würde er sich von einem Freund verabschieden und dann setzte er sich in Bewegung. Einen Augenblick später stand er mit einigen anderen müden Gestalten an der Bushaltestelle und wartete. Es war Ende Oktober und für kalifornische Verhältnisse ungewöhnlich frisch. Nasse, dunstige Luft war von der San Francisco Bay her in jeden Winkel der Stadt gekrochen. Der Nebel und die grellen Lichter der Großstadt verbargen den Vollmond am Himmel, doch Derek spürte ihn dennoch in den Eingeweiden. Wie immer machte er ihn ein klein wenig unruhig. Das würde sich wohl niemals ändern, ganz gleich, wie alt er wurde. Endlich kam der Bus. Beim Fahrer löste Derek sein Ticket und dann suchte er nach einem Sitzplatz, denn er hatte keine Lust, die vierzig Minuten Fahrtzeit stehend in dem schaukelnden Gefährt zuzubringen. Der einzig freie Platz allerdings befand sich gegenüber einem jungen Mann, welcher die Augen geschlossen und die Beine unverschämt weit ausgestreckt hatte. Der Fremde schlief möglicherweise und darum sagte Derek lauter und zugegebenermaßen auch unfreundlicher, als eigentlich nötig: „Darf ich mal?“ Der Junge schreckte auf und blickte ihn verstört an. Seine Augen hatten in dieser Beleuchtung die Farbe von Honig: „Entschuldigung!“ murmelte er müde und zog sein Fahrgestell ein. Erst danach schien der Bursche Derek richtig wahrzunehmen und begann, sein Gegenüber beinahe schon ein wenig dreist zu mustern. Derek verdrehte die Augen. In dieser verflixten Stadt wurde er wirklich permanent angemacht! Anscheinend gab es irgendetwas an ihm, dass schwulen Kerlen suggerierte, dass er auf ihrer Speisekarte stünde. Er verschränkte genervt die Arme vor der Brust. Offensichtlich bemerkte der kleine Kerl sofort, dass sein Interesse unerwünscht war. Er sah ertappt aus, senkte die Augen zunächst zu Boden und einen Augenblick später schloss er sie ganz einfach wieder. Nun da es ungefährlich war, weil seine Neugier nicht mehr fehlinterpretiert werden konnte, begann Derek seinerseits, den Jungen zu mustern. Im Grunde genommen gab es da gar nichts Besonderes an ihm: Vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt, im Grunde gutaussehend, wenn auch ein wenig heruntergekommen; hellbraunes Haar, das mal wieder einen frischen Schnitt vertragen könnte, blasse Haut, zerrissene Jeans, ramponierte Stoffturnschuhe, roter Kapuzenpullover, ein wenig fleckig. Bei sich trug er einen kleinen, vollgestopften Rucksack, den er im Klammergriff hielt, als habe er Angst, jemand könnte ihm diesen stehlen. Und Derek ahnte, dass sich in dieser Tasche möglicherweise alles befand, was dieser Bengel besaß. Da war etwas in den Gesichtszügen des Jungen, woran Dereks Blick hängen blieb; Anspannung, etwas Gehetztes, Verlorenes und um seinen Mund spielte ein verletzlicher Zug. `Zweifellos ein Ausreißer!´ dachte Derek bei sich. Kids wie ihn richtete die große Stadt in kürzester Zeit zugrunde. Er konnte den Magen des Jungen knurren hören. Ganz offensichtlich hatte dieser schon seit einiger Zeit nichts mehr zu Essen gehabt. Gegen seinen Willen spürte Derek, wie der Knabe, der ihm gegenüber saß an sein Herz rührte, aber was sollte man machen. Wenn man anfing, sich um all´ die Streuner in dieser Stadt zu kümmern, dann wurde daraus ganz schnell ein Vollzeitjob und Derek hatte im Grunde wirklich andere Sorgen. Der Junge schien mittlerweile fest eingeschlafen zu sein und seine Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. Außerdem lockerte sich dadurch auch der Griff um seinen Rucksack. Dereks Blick fiel nun auf den Kerl neben dem Schlafenden und dieser witterte in jenem Augenblick offenbar seine Chance, sich unrechtmäßig zu bereichern. Derek funkelte ihn böse an und knurrte leise: „Denk´ nicht mal dran!“ An der nächsten Haltestelle stieg der glücklose Dieb mit einem wehmütigen Blick zurück auf die vermeintlich leichte Beute aus. Je näher der Bus der Endhaltestelle kam, umso mehr lichteten sich die Reihen und bei den letzten vier Stationen gab es nur noch drei Personen im Fahrzeug; den Fahrer, Derek selbst und den schlafenden Jungen. Als sich die Bustüren ein letztes Mal öffneten, erhob sich Derek und begab sich in Richtung Ausgang. Der Junge indes schlief einfach weiter und als der Fahrer dessen gewahr wurde, kam er fluchend hinter seinem Lenkrad hervor: „Es ist doch immer dasselbe!“ Schimpfte er. Aus irgendeinem Grund hielt Derek inne und wartete ab, was geschah. Der Busfahrer, ein großer, übergewichtiger, kräftiger und brutal aussehender Kerl Anfang vierzig, hatte den Jungen mittlerweile am Schlafittchen gepackt und schüttelte ihn unnötig grob wach: „Hör zu, du kleiner Punk! Das hier ist kein Nachtasyl und ich hab´ jetzt Feierabend, also verpiss´ dich, ehe ich die Cops rufe!“ brüllte er und nun ohrfeigte er den Burschen auch noch, der offensichtlich gar nicht wusste, wie ihm geschah und der hilflos im Griff des körperlich überlegenen Kerls zappelte. Derek hatte selbst keine Ahnung, warum er sich nun einmischte, denn eigentlich war er müde, wollte bloß nachhause und überhaupt ging ihn das Ganze doch gar nichts an, richtig? Dennoch rief er: „Hey Kumpel. Ganz ruhig! Der Bursche hat dir doch gar nichts getan. Er ist lediglich im Bus eingeschlafen. Das ist ja wohl kein Verbrechen, also lass´ ihn jetzt gefälligst los.“ Der Busfahrer fuhr wütend zu Derek herum. Er war größer als dieser und schwerer war er in jedem Fall auch, doch Derek hatte keinen Grund, sich davon allzu beeindruckt zu zeigen. Er richtete sich zu voller Größe auf und ließ in seinem engen Shirt unverhohlen Brustmuskeln und Bizeps spielen. Anstatt sein Wort weiterhin an den Fahrer zu richten, sagte er nun zu dem Jungen: „Na, komm Kleiner! Lassen wir den Hulk hier seinen Feierabend machen und steigen aus; was meinst du dazu?“ Der Bursche entwand sich dem Griff des Aggressors, schnappte sie seinen Rücksack und folgte Derek eilig aus dem Fahrzeug. Der Fahrer schaute den beiden feindselig hinterher und murmelte etwas, das klang wie `Gottverdammte Schwuchteln!´, doch als Derek sich noch einmal auf dem Absatz umdrehte und ihn streng musterte, hatte er dann doch nicht den Mumm, es ein weiteres Mal zu wiederholen und trottete stattdessen zurück in den vorderen Bereich des Busses. Als sie draußen waren, bedankte der Junge sich knapp bei Derek und schenkte ihm einen misstrauischen Blick: „Nichts zu danken!“ gab Derek schulterzuckend zurück, wandte sich zum Gehen und eigentlich hätte es damit gut sein können. Er hatte seine gute Tat für heute vollbracht wie ein wahrer Pfadfinder und hätte nun selbstzufrieden nachhause trotten können, aber nein! Er musste sich ja unbedingt noch einmal umschauen und erkannte dann, dass der Junge sich auf der kalten, unbequemen Bank der Haltestelle für die Nacht einrichtete. Der Bursche hatte seine Kapuze hochgeschlagen und den Rucksack, vermutlich gleichermaßen aus Sicherheitsgründen, wie auch als Schutz gegen die Kälte vor den Bauch geschnallt. Das würde eine unbequeme, kalte und gefährliche Nacht für den Kleinen werden. Seufzend machte Derek also kehrt und erkundigte sich: „Hey Junge! Soll ich dich vielleicht auf einen Kakao oder so etwas einladen? Das Diner auf der anderen Straßenseite hat noch geöffnet.“ Sogar in Dereks eigenen Ohren klang es, als habe er dem Jungen gerade Hundewelpen und Süßigkeiten versprochen, damit er ihm in einen dunklen Keller folgte und auch der Knabe selbst fragte nun skeptisch: „Wieso? Was willst du von mir?“ Derek war froh, dass man sein Erröten in der Dunkelheit nicht sah. Er überspielte seine Peinlichkeit, indem er grob erwiderte: „Wie bitte? Ich will doch bloß nett sein, du kleines Arschloch! Christliche Nächstenliebe, weiter nichts!“ Dann drehte er sich ruckartig um und ging. Es dauerte etwa eine halbe Minute, ehe Derek hörte, wie der Junge hinter ihm her gerannt kam: „Hey, du! Tut mir leid!“ murmelte er unbehaglich: „Du warst heute echt nett zu mir. Nicht nur wegen des Busfahrers. Auch vorher schon, als du den Typ verjagt hast, der meinen Rucksack klauen wollte!“ Verflucht! Das hatte der Junge also mitbekommen! Derek errötete schon wieder! Was war er? So ein verdammtes, zwölfjähriges Schulmädchen? Der Junge fuhr fort: „Ich habe einfach nicht so gute Erfahrungen gemacht, seit ich hier in der Großstadt bin, wenn ich mich auf `die Freundlichkeit von Fremden´ verlassen habe!“ Er malte hierbei Anführungszeichen in die Luft. Derek schaute den Burschen ratlos und ein klein wenig mürrisch an und dieser erläuterte hilflos: „Na, das ist ein klassisches Filmzitat. Das kennt man doch! Blanche sagt das; in `Endstation Sehnsucht´. Sie habe sich immer auf die Freundlichkeit von Fremden verlassen“ Derek zog genervt die Augenbrauen hoch. Nun war es definitiv: Der Kleine WAR schwul! Kein heterosexueller Junge in seinem Alter würde jemals diesen alten Schmachtfetzen zitieren. Oder überhaupt kennen! „Verstehe!“ brummte der Ältere: „Also los, Blanche! Besorgen wir dir `nen Kakao!“ Der Knabe sah aus, als wollte er etwas einwenden, doch er tat es nicht. Im grellen Neonlicht des Diners konnte Derek nun ganz deutlich sehen, wie unendlich müde sein Gegenüber sein musste. Die letzte Nacht, die er komplett durchgeschlafen hatte, musste wohl schon eine Weile zurückliegen. Ihre Bedienung war eine rundliche, mütterlich wirkende, kleine Frau Anfang fünfzig mit Pudeldauerwelle, die trotz der späten Stunde putzmunter wirkte: „Was kann ich euch bringen, Jungs?“ wollte sie wissen. Derek bestellte den versprochenen Kakao und weil der Magen des Jungen nicht zu knurren aufhören wollte, auch noch zwei Burger mit French Fries und je einen kleinen Salat. Als die Kellnerin fort war, sagte der Junge unbehaglich: „Ich kann mir das aber nicht leisten.“ Derek schnaubte: "Hast du mir nicht zugehört? Ich habe doch gesagt, ich lade dich ein!“ Im Gesicht des Jungen stand deutlich zu lesen, dass er sich fragte, wo der Haken sein mochte, doch er sagte nichts: „Wie kommt es eigentlich, dass du an Bushaltestellen schläfst?“ Wollte Derek nun wissen: „Wo sind deine Eltern?“ Der Bursche blickte unglücklich zu Derek hinüber: „Ich sprech´ darüber nicht gern.“ gab er leise und unglücklich zurück: „Bist du von zuhause abgehauen?“ bohrte Derek dennoch weiter. Sein Gegenüber nickte: „Gewalttätige Eltern?“ fragte der Ältere nun. Der Junge blickte verstört auf: „Was? Nein!“ rief er aus. Sein Vater hatte nicht ein einziges Mal in seinem Leben die Hand gegen ihn erhoben. Allein der Gedanke daran war absurd und das konnte er so nicht im Raum stehen lassen. Und so seufzte der Junge und begann nun doch noch, dem Fremden seine Geschichte zu erzählen, auch, um nicht darüber nachdenken musste, wie sehr er seinen Vater und sein Zuhause vermisste: „Es war an meinem achtzehnten Geburtstag. Mein bester Freund und ich hatten ein bisschen gefeiert und auch ziemlich viel getrunken. Irgendwann haben wir...“ er stockte, weil er nicht wusste, wie dieser Kerl auf das reagieren würde, was vorgefallen war: „...na ja, er und ich haben ein bisschen rumgeknutscht. In genau diesem Moment kam mein Dad vom Dienst und hat uns erwischt.“ Sein Gastgeber wirkte nicht sonderlich überrascht über seine Enthüllung. `War es etwa so offensichtlich, was er war?´ fragte sich der Junge verunsichert. Er selbst war sich seiner Sache ja noch nicht einmal zu hundert Prozent gewiss und so sagte er: „Es ist nicht, was du denkst! Scott und ich haben nur herumgealbert. Wir haben so etwas vorher noch nie gemacht und sind nicht verliebt ineinander, oder so! Aber mein Dad...er hat mich so eigenartig angeschaut...so, als würde er mich gar nicht mehr erkennen...so, als wäre etwas...absolut verkehrt mit mir. Danach war es zwischen uns nicht mehr wie vorher. Wir haben kaum noch geredet. Ich dachte, nach dem Schulabschluss würde es irgendwann auch mal wieder besser werden, doch so war es nicht. Ich habe diesen Blick irgendwann einfach nicht mehr ertragen. Und so habe ich eines Nachts ein paar Sachen gepackt und bin abgehauen.“ Und nun stand dem Jungen doch noch das Wasser in den Augen. Derek reichte ihm wortlos eine Serviette aus dem Spender auf dem Tisch und fragte, um seinen Tischnachbarn abzulenken: „Sag´ mal, wie heißt du eigentlich, Kleiner?“ „Stiles.“ erwiderte dieser und zog unglücklich und lautstark den Rotz hoch. „Huh?“ machte Derek und riss überrascht die Augen auf: „Was ist das denn für ein Name? DER wäre doch mal ein guter Grund, um von zuhause wegzulaufen, denn der grenzt an Kindesmisshandlung, aber doch nicht die Tatsache, dass dein Dad dich komisch anschaut. Hast du mit ihm überhaupt mal offen über die ganze Sache gesprochen? Hast du ihm gesagt, dass du schwul bist?“ Stiles Stimme überschlug sich beinahe: „Also erstens habe ich mir den Namen selbst ausgesucht, weil er mir gefällt, denn in Wahrheit ist es mein wirklicher Name der, der zum Weglaufen ist und zweitens habe ich nie gesagt, dass ich schwul wäre!“ „Aber das bist du, oder?“ wollte Derek wissen. Stiles blickte unsicher zu ihm auf, zuckte mit den Schultern und flüsterte: „Ich weiß es nicht.“ Derek runzelte die Stirn: „Was soll das denn heißen? So etwas weiß man doch! Ich meine, schläfst du mit Jungs oder mit Mädchen? Das würde uns schon mal einen Anhaltspunkt geben.“ Stiles sah aus, als wollte er sich am liebsten in den Ritzen der `Schaumstoff-mit-kotzgrünem-Plastik-bezogenen-Sitzbank´ verkrümeln, doch er antwortete nicht. Derek verstand, was hier los war und konnte sich mit Ach und Krach ein schallendes Lachen verkneifen. Er biss sich hierfür fest in die Innenseite seiner Wangen: „Noch Jungfrau, hmm!“ machte er stattdessen halbwegs ernst. Stiles sackte so tief in die Sitzbank hinab, dass er beinahe unter dem Tisch verschwand und Derek beeilte sich, zu versichern: „Hey, ist doch nicht schlimm! Ich finde es sogar ganz süß, dass du dich aufhebst!“ Der Junge knurrte: „Es gibt aber einen feinen Unterschied zwischen `sich aufheben´ und `einfach übrigzubleiben, weil niemand einen will´!“ Nun konnte Derek einfach nicht mehr an sich halten und er lachte doch noch ein wenig. Stiles grollte: „Auch, wenn du das Essen zahlst muss ich dir leider trotzdem sagen, dass du ein Vollarsch bist!“ Derek grinste schief: „Tut mir echt leid, Kleiner! Ich lache bloß, weil das Blödsinn ist. Ich bin vielleicht der Falsche, das zu beurteilen, denn ich bin nun einmal nicht...SO, aber mit dir ist doch alles in Ordnung, soweit ich sehen kann. Nur weil du noch nicht den Richtigen gefunden hast, bedeutet das nicht, dass es ein Problem mit dir gibt. Du bist doch noch so jung, Stiles!“ Dann schüttelte er den Kopf: „Also an den Namen muss ich mich erst noch gewöhnen!“ „Pfft!“ machte Stiles verächtlich: „Wie heißt DU denn überhaupt?“ „Derek!“ gab der Ältere zurück. Stiles zog ungläubig die Augenbrauen hoch: „Das ist doch ein Name für irgend so einen gruseligen, alten Sack!“ Er schüttelte den Kopf und wiederholte verächtlich: „Derek? Mit so einem Namen würde ich mich echt nicht so weit aus dem Fenster lehnen und mich über die Namen anderer Leute lustig machen, Mister!“ Derek grinste immer noch: „O.K., das habe ich verdient. Verrätst du mir denn nun auch, wie dein wirklicher Name lautet?“ Stiles schmunzelte zurück: „Kommt nicht in Frage!“ erwiderte er entschlossen: „Diese Info ist Top Secret. Den habe ich nicht einmal meinem besten Freund verraten.“ „Na dann muss er ja wirklich grauenhaft sein.“ gab Derek zurück. In diesem Moment kam die Kellnerin mit ihrer Bestellung zurück und da zeigte sich, dass Dereks mit seiner Annahme, dass Stiles vollkommen ausgehungert war, richtig gelegen hatte, denn dieser stürzte sich auf die Mahlzeit, wie ein hungriger Löwe, so dass der Ältere, der eigentlich gar keinen rechten Appetit hatte, ihm auch noch seine Pommes überließ. Der Junge blickte ihn so dankbar an, als habe Derek ihm eine Niere gespendet. Dem Älteren, welchem diese übergroße Dankbarkeit mehr als unangenehm war, zuckte lediglich unwirsch mit den Schultern und behauptete, es sei ohnehin zu spät für Kohlenhydrate. Nach dem Essen bedankte sich Stiles noch mehrmals für die Einladung und nachdem Derek gezahlt hatte, Stiles war nicht entgangen, dass dieser der Kellnerin ein ziemlich üppiges Trinkgeld dagelassen hatte, wollte sein Gastgeber wissen: „Und was machst du nun, Stiles? Wo wirst du schlafen?“ Statt einer Antwort zuckte der Junge mit den Schultern und deutete mit dem Kinn auf die Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite. Derek runzelte die Stirn und murmelte dann ein knappes: „Na, dann pass´ gut auf dich auf, Kleiner!“ und wendete sich zum Gehen. „Danke! Für alles!“ rief Stiles ihm noch ein weiteres Mal hinterher. Derek nickte, ohne sich umzuwenden und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Verflucht kalte Nacht! Da mochte man nicht einmal einen Hund vor die Tür jagen. Derek glaubte selbst nicht, was er als nächstes tat. Er machte kehrt und fragte Stiles: „Ich wohne einen Block von hier. Willst du nicht lieber auf meiner Couch schlafen? Da gibt es keine Obdachlosen, die dir deinen Rucksack klauen wollen. Und auch nur ein Minimum an Ratten und Waschbären, die dich im Schlaf anknabbern möchten.“ Verflucht nochmal, er legte es wohl darauf an, Pfadfinder des Jahres zu werden, dachte Derek, von sich selbst gleichermaßen überrascht, wie auch genervt. Stiles sah mehr als skeptisch aus, und so knurrte Derek mürrisch: „Was ist denn das für ein Blick, hmm? Also gut, jetzt noch einmal in aller Deutlichkeit, Stiles: Ich bin nicht andersrum! Aber selbst wenn ich es wäre; denkst du allen Ernstes, dass ich es dann nötig hätte, kleine Jungs wie dich in mein Apartment zu locken, um sie im Schlaf anzufallen?“ Stiles funkelte ihn böse an: „Erstens bin ich kein kleiner Junge mehr, sondern ich bin achtzehn! Und zweitens habe ich ja nicht gesagt, dass du es nötig hättest, denn du bist wirklich heiß, aber vielleicht ist es ja ein Sport für dich? Woher soll ich das wissen? Ich kenne dich schließlich nicht.“ Überraschenderweise grinste Derek nun: „Du findest mich heiß, hmm? Klingt, als wäre ich derjenige, der nervös werden sollte, wenn wir allein in meiner Wohnung wären.“ Nun war es einmal an Stiles, rot zu werden: „Was könnte ich schon gegen deinen Willen mit dir anstellen, bei deinem Bizeps?“ schnappte er. „Du könntest eine Waffe bei dir tragen!“ gab Derek schmunzelnd zu bedenken: Stiles schüttelte den Kopf: „So ein Unsinn! Filz mich, wenn du das denkst! Du darfst mich gern ganz genau untersuchen!“ Der Junge überdachte seine Worte noch einmal. Dann riss er plötzlich erschrocken die Augen auf und stotterte: Das…das war kein unsittliches Angebot oder so! Fuck! Du weißt, wie ich das gemeint habe, oder?“ Derek begann zu kichern: „Ja, Stiles! Ich weiß, wie du das gemeint hast. Also was ist nun? Kommst du mit? Wenn du willst, darfst DU mich auch genau untersuchen. Und nein; auch das ist kein unsittliches Angebot!“ Stiles nickte: „Also gut! Ich komme mit dir. Aber nur, weil ich mittlerweile so müde bin, dass es mir egal wäre, ob du mich aus dem Tiefschlaf reißt, um mir meine Jungfräulichkeit zu rauben.“ Er hielt einen Moment inne und fügte dann kindlich hinzu: „UND deshalb, weil du mir mit der Vorstellung von menschenfressenden Waschbären Angst gemacht hast.“ In seinem Kopf sah Stiles das sorgenvolle Gesicht seines Vater. Und er hörte die Stimme von Scotty, die rief: „Alter, das kannst du nicht machen. Was, wenn der Kerl ein Axtmörder ist?“ `Tja, Leute!´ sagte er innerlich zu sich selbst: `Irgendwo muss ich schließlich schlafen.´ Und so folgte der behütete Kleinstadtjunge dem großen, muskulösen, älteren Kerl, den er gerade erst kennengelernt hatte in seine Wohnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)