Fall into the Sky von Schangia (Soukoku Short Story Collection) ================================================================================ Kapitel 1: Here's to your perfect weapon ---------------------------------------- Wenn ein Mensch in diese Welt geboren wurde, wusste meist niemand sofort, ob er eine Fähigkeit in sich trug oder nicht. In den seltensten Fällen konnte der Säugling seine Kräfte nicht kontrollieren und machte so auf sie aufmerksam, doch an sich manifestierten sich die Fähigkeiten erst später, wenn die Menschen bereits älter waren. Für Chuuya war es reiner Zufall gewesen, dass sich seine Fähigkeit bereits in so jungen Jahren gezeigt hatte. Er und Dazai hatten herumgealbert, in einem seltenen, friedvollen Moment der Ruhe, und Dazai hatte behauptet, er könnte keinen Rückwärtssalto schlagen. Also hatte Chuuya beleidigt geschnaubt, ordentlich Anlauf genommen und war auf die Wand zugelaufen, um sich daran abzustoßen. Und dann war er die Wand hoch gelaufen, solange bis er kopfüber von der Decke hing und genauso belämmert dreinblickte wie Dazai direkt unter ihm. Es hatte quälend lange Sekunden des Staunens gebraucht, bis sie verstanden hatten, was geschehen war, und am Ende waren es Dazais Augen gewesen, die am meisten vor Aufregung gestrahlt hatten – sogar dann noch, als Chuuyas Kraft erschöpft gewesen, er von der Decke hinabgefallen und mitten auf einem laut lachenden Dazai gelandet war, der damals noch nicht stark genug gewesen war, Chuuya zu fangen. Dazai dachte gerne daran zurück; vor allem, weil die Erinnerung daran, wie er seine eigene Fähigkeit entdeckt hatte, ihm nachts den Schlaf raubte. Die Hafenmafia war kein sicherer Ort, schon gar nicht für Kinder. Obwohl sie beide sich dessen bewusst waren, gaben sie sich gerne der Illusion hin, dass sie unantastbar waren. Bis Dazai eines Tages einfach auf offener Straße entführt wurde, während Chuuya – der seine Fähigkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend kontrollieren konnte – hilflos zusehen musste. Warum genau sie es auf Dazai abgesehen hatten, wusste heute keiner von beiden mehr, aber vielleicht hatten sie das auch nie herausgefunden. Jedenfalls ließ Mori seine besten Männer ausschwärmen, um Dazai und seine Entführer ausfindig zu machen. Es dauerte nicht einmal zwei Stunden, bis sie die Bande Kleinkrimineller in einem alten Lagerhaus gefunden hatten, doch für Chuuya fühlte es sich an, als wären mehrere Tage vergangen, die er nur hilflos hatte ausharren können. Als Hirotsu die Tür sprengte und alle anwesenden Mitglieder mit gezogenen Waffen in das Lagerhaus strömten, war das Schlimmste bereits vorbei. Dazai saß an die hintere Wand gelehnt, das Gesicht mit Schrammen und getrocknetem Blut überzogen. Die Männer, die ihn offensichtlich gefoltert hatten, schienen größere Angst vor ihm zu haben als vor den mehreren Dutzend Mafiamitgliedern, die sie umzingelt hatten, denn sie sahen ihn an, als wäre er kein Mensch, sondern ein Monster. Und vielleicht war er das auch. Mit leerem Blick stand Dazai auf, klopfte seine Kleidung ab, und lief auf Mori und Chuuya zu, der ihn mit einer Mischung aus Sorge und Vorsicht ansah. »Einer von ihnen besitzt die Fähigkeit, der Luft Sauerstoff zu entziehen. Seht zu, dass ihr ihn fasst, bevor er versucht euch zu ersticken«, warnte er mit heiserer Stimme, ohne jemand bestimmten anzusprechen, ehe er kurz hustete. Dann blieb er vor Mori stehen, ohne Chuuya eines Blickes zu würdigen, sah jedoch auch an dessen Augen vorbei. Obwohl es vor wenigen Sekunden noch furchtbar laut gewesen war mit all den Rufen und Warnschüssen, hielt nun jeder von ihnen den Atem an. Mori wartete geduldig darauf, dass Dazai weitersprach. »Ich weiß jetzt, was meine Fähigkeit ist.« Als Dazai endlich wieder das Wort ergriff, lief es Chuuya eiskalt den Rücken herunter. Da war keine Freude in seinem Gesicht, keine Aufregung und kein Triumph. Nur ein tiefer Abgrund und etwas, das Chuuya noch nie zuvor in seinen Augen hatte schimmern sehen. »Ich kann die Fähigkeiten anderer annullieren, solange ich sie berühre.« ›Deswegen bin ich noch am Leben‹ hing unausgesprochen in der Luft zwischen ihnen. Seit diesem Tag war etwas an Dazai anders. Seine Fähigkeit hatten ihn verändert, so wie Fähigkeiten jeden veränderten, der sie entdeckte. Doch in Dazais Fall war es schwerwiegender: es war so, als hätte er aufgehört, ein richtiger Mensch zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)