Fall into the Sky von Schangia (Soukoku Short Story Collection) ================================================================================ Kapitel 6: Stitch these wounds with me tonight ---------------------------------------------- Die Luft in dem kleinen Zimmer war stickig und roch viel zu stark nach dem Desinfektionsmittel, das Chuuya reichlich auf einen Wattebausch aufgetragen hatte. Wortlos griff er nach Dazais Arm, der ob der plötzlichen Berührung nicht so sehr zusammenzuckte wie üblich. Dazai hasste das Gefühl von fremden Fingern auf seinen Narben, also behielt er die Verbände, auch wenn die Wunden längst abgeheilt waren. Doch wenn es Chuuya war, der mit einer Sanftheit über die unebene Haut fuhr, die man ihm gar nicht zutraute, konnte er es gerade so ertragen. Im Moment war Dazai jedoch zu sehr damit beschäftigt, die Wand anzustarren, so als würde er sich vorstellen, was er sehen könnte, wenn sich dort tatsächlich ein Fenster befunden hätte. »Dazai.« Es machte Chuuya unruhig, wie anstandslos sein Freund die Prozedur über sich ergehen ließ. Für gewöhnlich würde er Witze reißen, würde ihm völlig absurde Fragen stellen oder Diskussionen beginnen, die von trivialen Dingen wie den Zutaten für seinen Lieblingskaugummi bis hin zu tiefgründigen Fragen wie nach dem Sinn des Lebens reichen konnten. Er war sonst nicht ruhig, war nicht totenstill, während Chuuya mit mittlerweile viel zu geübten Fingern über seine Arme fuhr. »Oi, Dazai!« Chuuyas Stimme klang immer ein wenig höher, wenn Panik in ihr mitschwang. Dieser Wechsel in seiner Tonlage war häufig der Wendepunkt in seinen Interaktionen mit Dazai, und auch diesmal reagierte sein Freund. Er riss seinen Blick von der Wand los und starrte Chuuya an. »Hör auf mit dem Scheiß, verstanden?« Er sprach leiser als sonst, belegt. Fast schon zärtlich strich er über die Wunde auf Dazais Arm, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen. Sie war etwa eine Woche alt, und anders als die zahlreichen kurzen, horizontalen Schnitte war diese länger, reichte von seinem Handgelenk bis hin zur Armbeuge. Vor einer Woche hatte Dazai das erste Mal aufrichtig versucht, sich das Leben zu nehmen, und als Chuuya ihn in seinem Zimmer gefunden hatte, kaum bei Bewusstsein und voller Blut, war irgendetwas in ihm zerbrochen. Aber er wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Er hatte es schon nicht gewusst, als Dazais ständige Versuche noch etwas Komisches hatten, und jetzt, da er den Ernst dahinter sah, fühlte er sich so hilflos wie noch nie in seinem Leben. »Was soll denn aus dir werden, falls ich mal nicht da bin?«, versuchte Chuuya es mit Humor, obwohl ihm die Kehle brannte und er wusste, dass es nichts bringen würde. Es war nicht Dazais Lächeln, das ihn seine eigene Galle im Mund schmecken ließ, sondern die Erleichterung, die sich so klar aus seiner geflüsterten Antwort heraushören ließ. »Dann ist es endlich vorbei.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)