Zum Inhalt der Seite

Verborgen in Stille

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eine bessere Zukunft

Ich schlief schlecht, denn immer wieder kamen schlechte Erinnerungen, die mich einholten und ich konnte sie nicht abschütteln. Ich hatte Angst vor dem Verhör und noch größere Angst, dass sich zwischen Jack und mir was verändert hatte. Etwas, auf das ich keinen Einfluss hatte und etwas was ich nicht wollte. Ich wünschte mir manchmal, dass ich die Zeit zurückdrehen konnte. Doch dies war natürlich unmöglich. Jack sagte nicht häufig, dass er mich liebte, doch wenn, dann klang es nie so. Fast wirkte es verzweifelt. Doch ich wollte mir nicht zu viele Gedanken machen! Vielleicht übertrieb ich auch einfach nur mal wieder. Doch ließen mich eben jene Gedanken nicht schlafen…

Zudem verfolgte mich der Schatten, welcher sich ab und zu in meinen Vater verwandelte. Immer noch ließ dieser mich, wenn ich schlief, nicht zur Ruhe kommen, so auch heute. Auch wenn das nervige Piepen der Geräte weg war, erdrückte mich, als ich wach war, die Stille. Fast schien es, als könnte man es mir gerade einfach nicht Recht machen. Als die Nachtschwester hineinkam und sah, dass ich noch wach war, bot sie mir eine Schlaftablette an. Ich wollte endlich schlafen, obwohl ich immer noch Angst davor hatte. Letzten Endes nahm ich sie an und fand endlich wieder etwas Schlaf. Im Krankenhaus ließ es sich nicht gut schlafen. In regelmäßigen Abständen wurde die Tür geöffnet. Die Schwestern mussten mehrmals pro Nacht nach den Patienten sehen. Wenn sie sich auf dem Flur in der Nähe meines Zimmers unterhielten, hörte man jedes Wort. Und wenn ein Patient in den Nebenräumen nach einer Krankenschwester klingelte, dann ertönte ein leises Klingel-Geräusch. Erholsam war bis jetzt keine der Nächte gewesen. Zwar fühlte ich mich kräftiger und stärker, doch sehnte ich mich nach Jack und meinem Bett. Vermisste den vertrauten Geruch, die Wärme und so vieles mehr. Vermisste es ihn an meinem Rücken zu spüren und auch Didi fehlte mir, schaffte es dieser kleine Hund doch immer mich aufzuheitern.

Die Schlaftablette wirkte jedoch so gut, dass ich erst nach Sonnenaufgang wirklich wieder wach wurde. Tatsächlich schien mein Körper den Schlaf dringen nötig zu haben, denn erneut fühlte ich mich stärker als am Tag zu vor. Doch langsam aber sicher wusste ich nicht mehr, wie ich mich hinlegen sollte, denn zu langes Liegen auf dem Rücken schmerzte, als auch liegen auf der Seite.

Als der Arzt zur Visite in mein Zimmer kam, war das Frühstück, eine ganze Scheibe trockenes Brot, bereits abgeräumt worden. Dieser Arzt war schon älter, vermutlich hatte er viel Berufserfahrung. Ich versuchte mir gar nicht erst die Namen zu merken. Es waren einfach zu viele in den letzten Tagen gewesen. Er untersuchte meine Verletzungen, fragte, wo es besonders weh tat. Tatsächlich waren die Schmerzen erträglich, außer das brennen auf dem Rücken. Er schaute nach den Pflastern und kam zu dem Entschluss, dass die Verbände auf meinem Rücken erneut gewechselt werden sollten. Die Entzündungsgefahr sei zu hoch. „Das tut mir leid, Junge“, sagte er mit ruhiger mitfühlender Stimme, „aber, dass ist nur zu Ihrem Wohl…“ Ich wusste, es war vermutlich richtig, doch war diese Prozedur einfach nur eine reine Folter! Jedoch zeigte er sich auch begeistert, dass ich so schnell Fortschritte machte und ich von Tag zu Tag fitter wirkte.

„Dann kann unser Sozialdienst ja schauen, dass Sie bald in die Reha kommen. Wenn Sie da auch so gute Fortschritte machen, wäre das grandios“, sagte er freundlich und schaute auf einen Zettel auf dem vermutliche irgendwelche weiteren Werte standen, die ich eh nicht verstanden hätte. Ich nickte leicht und betrachtete meine geschundene Schulter, die Worte Jacks kamen mir in den Sinn und traurig betrachtete ich meine Schulter. „Sagen Sie“, begann ich zögerlich, „ich hab wirklich gerne Baseball gespielt und sollte eventuell ein Stipendium bekommen… wird das wohl wieder…?“ Die Stirn runzelnd betrachtete der Arzt mein Gesicht.

Tatsächlich erschien ein entschuldigender Ausdruck und mir sank das Herz in die Hose. „Ich vermute, dass Sie die Schulter irgendwann wieder vernünftig benutzen können, sodass Sie im Alltag keine Probleme haben sollten. Jedoch befürchte ich, dass nach einem so komplizierten Bruch eine Sportkarriere nicht mehr möglich ist. Jedenfalls nicht, wenn Sie dabei die Schultern belasten müssen.“ Ich seufzte schwer und blickte auf die Bettdecke. Die Wahrheit konnte einfach scheiße sein. Trauer erfüllte mich und Enttäuschung durchflutete meinen Körper. Bitter nickte ich und strich mir mit der linken Hand durch die Haare. Ich wollte meinen Traum einfach noch nicht aufgeben.

„Sie sind noch jung Mr. Hale. Sie haben sicher viele andere Talente. Sie werden sicher was finden, da bin ich mir ziemlich sicher. Sie sollten sich nun eh auf anderes konzentrieren. Wieder gesund werden. Ach…die Schwestern teilten mir zudem mit, dass heute so um halb zwei noch ein Beamter der Polizei vorbeikommen wollte um Sie zu befragen. Wissen Sie das schon?“ Ich nickte leicht und sah in das Gesicht des Doktors. Ich merkte, wie sich meine Gesichtszüge versteinerten und ich fast gequält die Augen schloss. Der Arzt schien meine Bedenken zu bemerken und mitfühlend war sein Blick. Zeigten meine Verletzungen wirklich so sehr was passiert war? Oder war es eher mein Verhalten?

„Sollte das noch zu viel für Sie sein, würde ich Sie bitten, dass Gespräch umgehend abzubrechen.“ Ich nickte und als der Arzt mir noch mal eindringlich in die Augen sah, wandte er sich ab und ging zu seinem nächsten Patienten.

Ich hoffte Jack würde schnell kommen, schließlich hatte er es versprochen. Ich schrieb ihm und fragte, wann er vermutlich kommen würde. Auch informierte ich ihn darüber, dass die Polizisten gegen 13 Uhr 30 kommen würden. Tatsächlich antwortete er schnell darauf, dass er gegen 13 Uhr da sein würde, was mich erleichtert aufseufzten ließ. Wenigstens war ich dann nicht alleine, wenn die Polizei kam. Ich hoffte, dass nun alles wieder normal sei. Das, egal welches Problem gerade da war, er dieses gemeinsam mit Adam und Miller regeln könnte.

Während ich wartete, schrieb ich Eric, dass ich wieder wach sei. Tatsächlich hatte ich ihn bis jetzt vergessen. Er antwortete nicht sofort, natürlich! Es war vormittags und Eric in der High School. Als vermutlich kurz Pause war, schrieb er, dass er mich so schnell es geht besuchen möchte. Er fragte, was passiert sei. Ich antwortete ihm, dass ich mich freuen würde, wenn er kommt. Doch das Wissen, was genau geschehen war, behielt ich vorerst für mich. Es war kein Gespräch, welches man über Chatnachrichten führen sollte. Ich wollte es, wenn ich es ihm sagte, persönlich berichten. Ich konnte gar nicht abwarten, dass es endlich 13 Uhr wurde. Doch je länger man auf die Uhr starrte, desto langsamer schien die Zeit zu vergehen.

Als die Krankenschwestern mich mitnahmen, um mir meine Pflaster erneut zu wechseln, musste ich das erste Mal seit dem Vorfall auf eigenen Beinen stehen. Denn anders als auf der Intensiv, wurde der Verbandswechsel nicht im Zimmer durchgeführt. Ich war äußerst wackelig auf den Beinen und ein Pfleger stützte mich. Als ich sah, wie schmal meine Beine in der Zeit geworden waren, erschrak ich. Wie schnell Muskeln abbauen konnten!

Ich wusste was passieren würde, als sie die Pflaster lösten und dennoch war es kaum erträglich. Wieder erzitterte mein Körper und ich war froh, als ich wieder in meinem Zimmer war. Doch ein Gutes hatte es auch. Fast eine ganze Stunde war vergangen! Während ich über das anstehende Verhört nachdachte, hoffte ich, dass ich danach endlich wieder nach vorne sehen konnte. In eine Zukunft die bunt war und nicht schwarz.
 

Kurz nach dem Mittagessen betrat Jack das Krankenzimmer, auf dem ich immer noch alleine war. Ich vermutete, doch war ich mir nicht sicher, dass Jack seine Finger dabei mit im Spiel hatte. Doch er konnte auch nicht in allen Bereichen Einfluss haben! Das war nicht möglich, da war ich mir ziemlich sicher. Er lächelte, doch irgendwie war sein Lächeln anders, als ich es kannte. Distanzierter. Fast ein wenig aufgesetzt wie eine Maske, die er früher so häufig zeige. Er nahm neben dem Bett Platz und betrachtete mein Gesicht. Angespannt sah er aus. Als habe eine innere Unruhe Besitz von ihm ergriffen. Etwas, was mich beunruhigte. Schließlich war er es, welcher immer einen kühlen Kopf wahren konnte.

Er fragte mich, wie es mir geht und ich antwortete wahrheitsgemäß. Ich berichtete davon, dass die Verbandswechsel auf meinem Rücken eine reine Folter waren, dass sie schmerzten und ich hoffte, dass bald nicht mehr machen zu müssen. Er nickte ernst und schaute mich mit seinem eisblauen Auge mitfühlend an. „Jack… irgendwas ist anders… Bitte sag mir, was plötzlich los ist. Ich habe mir auch meine Gedanken gemacht… Bin ich…ich weiß auch nicht... in größerer Gefahr als ich glaube? Und weswegen sind Adam und dieser Miller bei dir?“

Jack seufzte schwer und lehnte sich in dem Stuhl zurück. „Alles Später Kleiner, nach dem Verhör okay“, meinte er wieder in einer zu beruhigenden Tonlage, welche mich nervös machte.

Doch viel Zeit zum Protestieren blieb mir nicht. Es klopfte an der Tür und zwei Männer betraten das Zimmer. Beide schienen in ihren Vierzigern zu sein. Einer war recht kräftig und hatte ein wettergegerbtes Gesicht, der andere war untersetzter, jedoch wirkte er ebenfalls sehr sportlich. „Jasper Hale“, fragte der Beamte mit dem wettergegerbten Gesicht mit ruhiger und entspannter Stimme.

Ich nickte und als sie sich als Polizeibeamte auswiesen, wappnete ich mich innerlich vor dem anstehenden Verhör. Er fragte, ob ich wüsste, dass sie kommen und ich nickte. Der kleinere der beiden Männer betrachtete skeptisch Jack und noch bevor irgendjemand was sagen konnte meinte ich: „Ich will, dass er dabei bleibt!“ Überrascht sahen sich die Beamten an und der wettergegerbte fragte: „In welcher Verbindung stehen sie zueinander?“ Ich blinzelte einige Male. Zu sagen, dass Jack mein Freund war, traute ich mich nicht mehr. Nicht vor Beamten und Kollegen meines Vaters. Jack erkannte meine aufkommende Angst und sagte schnell: „Ich bin ein guter Freund und Nachbar. Ich habe auch das ein oder andere mitbekommen und kann etwas zur Aufklärung hinzufügen.“ Überrascht sahen die Männer zu Jack und unschlüssig nickten sie, wohl immer noch skeptisch. Vermutlich lag es auch an seinem Aussehen. Die Augenklappe und die Narben, für mich schon fast unsichtbar, waren für Fremde einfach so prägnant, dass es wohl wieder mal abschreckend wirkte. „Was haben Sie denn mitbekommen Mr. …“, fragte der kleinere Mann, vermutlich kein allzu netter Zeitgenosse. Jack kramte in seiner Hose und holte eine zerfledderte lederne Geldbörse hervor und kramte nach seinem Ausweis. Der kleinere Polizist nahm den Ausweis entgegen und betrachtete ihn. Er schrieb sich wohl Name und Geburtsdatum ab und reichte ihn Jack wieder. Er nickte stumm seinem Kollegen zu, welcher seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete.

„Wir wollen gerne wissen, was genau vorgefallen ist. Die Angaben, die von deiner Mutter gemacht wurden, stimmen nicht mit dem überein, was wir am Tatort vorgefunden hatten“, meinte einer und lächelte mich tatsächlich freundlich an. Doch auch dieses nette Lächeln konnte mich nicht beruhigen. Es waren Kollegen meines Vaters! Sie kannten ihn vermutlich, jedoch wusste ich es nicht.

„Sie kennen meinen Vater“, fragte ich vorsichtig und der Polizist nickte leicht. Er sah meine Zweifel. Sicher waren sie ausgebildet worden im Deuten von Mimik und Gestik und so fügte er freundlich hinzu: „Vom Sehen. Allerdings hab ich im alltäglichen Geschäft nicht viel mit der Verkehrspolizei zu tun. Was du sagst, wird vertraulich behandelt. Aber bezüglich deines Vaters muss ich sowieso sagen, dass er seit mehreren Tagen nicht mehr zur Arbeit erschienen ist. Er ist auch nicht mehr erreichbar. Deswegen ist auch die erste Frage: Hast du vielleicht eine Vermutung wo er sein könnte.“ Geschockt sah ich die Polizisten an und fast schon automatisch wanderte mein Blick zu Jack. Doch unschuldig war sein Blick. Als ich ihn ansah zuckte er nur mit den Schultern. Fragend wandte er sich an die Polizisten: „Er hat nichts hinterlassen? Haben sie schon mal bei seiner Freundin gesucht. Mit der hat er ja noch ein Kind…“ Skeptisch betrachteten die Polizisten Jack und mich und schüttelten den Kopf. „Nein, auch da ist er nicht. Also habt ihr beide auch keine Ahnung, wo sich dein Vater aufhalten könnte“, fragten sie und ich schüttelte den Kopf.

Immer noch raste mein Puls und die Angst schnürte mir die Kehle fast zu. „Was ist bei dir Zuhause passiert“, fragte der größere der Beiden freundlicher und lächelte mich leicht an.

Ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Mit zittriger Stimme begann ich zu berichten. Doch den Grund, weswegen mein Vater die Beherrschung verloren hatte, versuchte ich wegzulassen. Ich erzählte, dass er auf meinem Rechner Sachen gefunden hatte, die ihn wütend gemacht haben. Wie er ausflippte. Die Bilder dessen was geschehen war, tauchten in meinem Kopf auf. Es lief wie ein schlechter Film vor meinem inneren Auge ab. Die Polizisten, welche sich auf Stühle neben dem Bett gesetzt hatten, schienen sich ab und zu etwas auf Blöcken zu notieren.

Einer hob die Hand und unterbrach mich. „Mr. Hale, Jasper, dass klingt wirklich schrecklich, aber wir brauchen auch den Grund dafür… So leid es mir tut, den musst du uns schon sagen. Anhand deiner Verletzungen und dem Muster wissen wir schon, wie die Tat an sich ablief“, meinte der breitere der Beiden und klang erstaunlich vorsichtig. Ich rang mit mir, etwas was ich sicher nicht gut verbergen konnte. Ich schluckte und seufzte leise, als ich leise murmelnd sagte: „Mein Vater kam nicht damit klar, dass ich schwul bin… Er hat es an diesem Abend herausgefunden…“ Tatsächlich schämte ich mich sogar dafür. Ich blickte auf den Boden, wollte den Männern nicht ins Gesicht sehen und hätte mich dafür selbst schlagen können.

Daran war nichts, aber auch gar nichts Schlimmes! Die Menschen, die es nicht verstehen konnten, machten daraus etwas Verbotenes. Überrascht sahen mich die Beiden an und Jack fügte grimmig hinzu: „Dazu kommt noch, dass John Hale seine Familie tyrannisiert. Seit ich nebenan wohne, ist es immer schlimmer geworden, hatte ich zumindest im Gefühl. Er schlägt seine Frau und seinen Sohn.“ Fragend sahen mich die Beamten an und schienen wissen zu wollen, ob ich Jacks Worte bestätigen konnte. Bitter nickte ich und nuschelte: „Jack hat Recht. Häufig schlägt er Mum und auch mich hat er des Öfteren geschlagen.“ Sie nickten beide und schrieben sich ihre Notizen auf, sollten die Polizisten etwas gegen Homosexuelle haben, verbargen sie es hervorragend.

Ich dachte nach, was ich von meinem Vater gehört hatte und was ich selbst alles erleben durfte. Ich sah den Polizisten an, welcher mir näher saß und erklärte leise: „Ich weiß, dass mein Vater rassistisch ist und auch Probleme deswegen auf der Arbeit hat.“

Wieder nickten sie nur, natürlich durften sie sich nicht in die Karten schauen lassen. Vermutlich eben so wenig wie Jack. Sie nickten und machten sich erneut Notizen und sahen sich kurz an. Vielleicht hatten sie auch erwartet, dass ich mich benehme wie mein Vater, doch sicher war ich mir nicht. Sie fragten, wie es sonst Zuhause gewesen sei und ehrlich antwortete ich. Das Vater cholerisch war, Mutter sich immer mehr zurückzog und wie die Gewalt immer mehr zunahm.

Grimmig sah der kleinere der Beiden mich an und erklärte sachlich: „Das haben wir regelmäßig. Häusliche Gewalt kommt in allen Gesellschaftsschichten vor. Meistens beginnt alles harmlos. Es ist eine reine Gewaltspirale, aus der man frühzeitig ausbrechen muss. Ich hoffe, dass deine Mutter es schafft nicht mehr zu ihm zurückzugehen.“ Ich nickte leicht und erneut flackerten meine Augen kurz zu Jack.

Die Polizisten folgten meinem Blick und während ich Jack anschaute, fing ich an zu sprechen: „Er hat mir geholfen. Mich… unterstützt und mir beigestanden. Ich wollte nicht, dass er irgendwem davon erzählt. Als Dad mich vor einer Woche angegangen ist, war es Jack, der mir das Leben rettete. Er kam rein und… na ja, was genau passiert ist weiß ich nicht mehr…“ Jack seufzte und setzte an meiner Erzählung an: „Ich hab gesehen, wie Jasper auf der Treppe lag und blutete. Ich hab John von seinem Sohn weggezerrt und ihn vor die Haustür befördert…“ Ich wusste, dass er einige Details ausließ, ob wegen mir oder der Polizei konnte ich nicht beurteilen. Skeptisch sahen sich die Polizisten kurz an und der größere der Beiden bat Jack am nächsten Tag auf das Präsidium zu kommen. Er stimmte gleich zu und nach einem kurzen Augenblick erhoben sich die beiden Männer.

„Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was sie ergänzen möchten, rufen Sie uns an“, sagte der Wettergegerbte mit tiefer Stimme und reichte mir eine einfach weiße Visitenkarte. Ich nickte, betrachtete die Karte und schaute nur kurz auf, als die Beiden das Zimmer verließen¬. Stille legte sich über den Raum und erschöpft betrachtete ich ein hässliches Bild mit einer Vase und vertrockneten Sonnenblumen.

„Ich dachte es wird schlimmer“, murmelte ich in die aufkommende Stille hinein. Jack nickte ernst und schien grüblerisch auf den Boden zu starren. Während wir so schwiegen, hörte ich Menschen an unserem Zimmer vorbei gehen. Meine Gedanken kreisten und nach einem kurzen Moment fragte ich: „Wo ist mein Vater?“ Jacks Blick flackerte zu mir. „Hast du doch gehört“, fing er an zu sprechen, „er scheint untergetaucht zu sein.“ Ich lachte bitter auf und meinte kopfschüttelnd: „Nein! Sag die Wahrheit.“

Missmutig sah Jack zu mir und fast schon unschuldig sagte er: „Ich fand es sinnvoll ihn nach der Aktion mal was von seiner eigenen „Medizin“ schlucken zu lassen.“ Verständnislos sah ich ihn an und fragte ernst, fast schon erschrocken klingend: „Was hast du getan?!“ Ernst und ohne Emotionen schaute Jack mich an. Kühl, abgebrüht klangen seine harschen Worte: „Ich habe ihm deutlich gemacht, dass er dich nie wieder so anfassen darf! Und ich denke, er hat es so langsam verstanden.“

Selten hatte ich Jack so eiskalt gesehen. Er hatte mir schon öfter gesagt, dass er Menschen gefoltert und sogar wohl schon ermordet hatte. Doch nie konnte ich mir das besser vorstellen, wie in diesem Moment. Seine Aussage konnte einfach alles bedeuten! So sehr ich meinen Vater auch hasste, war ein unverständlicher Teil in meinem Inneren der nicht wollte, dass ihm etwas zustieß! Besonders nicht wegen mir! Wir sahen einander an. Lange, schweigend.

„Ich will wissen, was du getan hast“, sagte ich leise murmelnd zu ihm. Jack ahnte vermutlich was in mir vorging. Schon seit wir uns kannten war ich für ihn wie ein offenes Buch. Er wusste praktisch immer was in mir vorging. Doch ich konnte gerade auch den Soldaten in Jack sehen. Derjenige, der darauf trainiert war in solchen Ausnahmesituationen Ruhe zu bewahren. Einen Mann, der vermutlich eine andere Einstellung zu der Frage des Rechts und Unrechtes hatte, ebenso zu der Bestrafung dessen was Unrecht war.

Als er antwortete, hatte seine Stimme nichts von ihrer Kälte verloren und ich wusste, dass ich grade mit dem Soldaten Jack zu tun hatte, nicht mit dem Mann, den ich liebte. „Ich habe ihn gewarnt. Dir nichts mehr anzutun. Ich warne nur einmal. Er hat es schon einmal nicht begriffen. Ich denke jetzt weiß er es!“ Ich schüttelte den Kopf und auch ich wurde etwas energischer, als ich ihn aufforderte: „Jetzt rede endlich! Und weich nicht ständig aus verdammt!“

Ich sah, wie Jack wegsah, kannte er mich einfach zu gut! „Es kann sein“, begann er nach kurzem Schweigen, „dass er ein Handgelenk gebrochen hat… Außerdem wollte Ozelot was ausprobieren…“ Verwirrt sah ich ihn an und fragte: „Wieso Ozelot?“ Unschuldig sah er mich an und unschuldig wirkten auch seine Worte, als er sagte: „Jeder hat seine Stärken… Die von Ozelot sind das schießen und das Verhören von Verdächtigen. Er bekommt alles raus was er möchte…“

Verwirrt sah ich ihn an und meinte: „Ein Verhörspezialist?“

Jack nickte und ließ nicht von seinen Emotionen nach außen. Er meinte: „Ich kann das auch ein wenig, aber ich fand jemand der noch mehr darauf geschult ist, sei besser für den Job.“ Ich erinnerte mich an den blonden fröhlichen jungen Mann, der sicher grade mal zwanzig war. Es klang nicht nach Verhör und dessen war ich mir sicher! Was wollte er denn auch herausfinden?! Wir redeten von Folter!

Ich erinnerte mich an Adams offenes und fröhliches Gesicht und konnte es mir nicht vorstellen!

Doch dann schlichen sich die Erinnerungen in mein Gedächtnis, als Jack damals lachte, als ich meinte, dass von Adam keine Gefahr auszugehen schien.

Ich merkte noch rechtzeitig, dass Jack schon wieder nicht auf meine Frage geantwortet hatte und so forderte ich ihn erneut auf mir zu sagen, was mit meinem Vater geschehen war. Fast schon genervt seufzte Jack und meinte mit gereizten Unterton: „Na gut. Er hat ein bisschen leiden müssen. Adam hat sich um ihn gekümmert… Ich will ihn leiden sehen. Jeden Tag, den du im Koma lagst, sollte für ihn ein Tag sein, den er nicht vergisst. Er prahlt immer, dass der die Methoden in Guantanamo so gut findet….“ Er beendete diesen Satz nicht und ließ mich meine eigenen Schlüsse ziehen: „Ich hab vielleicht auch deinen kleinen Bruder mal kurz besucht. Wollte schauen, ob er sich um den auch keine Sorgen macht.“

Fassungslos sah ich ihn an. „Du kannst das Kind mit sowas traumatisieren“, meinte ich aufgebracht. Jack zuckte mit den Schultern. „Ja und?“, kommentierte er gleichgültig und fügte, nach meinen entsetzten Gesichtsausdruck schnell hinzu, „denkst du wirklich ich hab einem Kind was angetan?“

Ich schüttelte den Kopf, denn tatsächlich konnte ich mir sowas nicht vorstellen! „Jazz… ich will, dass er eine gerechte Strafe erhält!“ Bitter nickte ich, denn eigentlich wollte ich das auch, nur eben ohne Folter! Guantanamo! Waterboarding, schoss mir als erstes durch den Kopf! Ich wollte das nicht! Fand es einfach nur unmenschlich.

„Ich verspreche dir, dass ich deinen Vater nicht umbringe“, meinte Jack ruhig. Ich glaubte ihm, doch war da auch Skepsis und so forderte ich ihn auf: „Und auch nicht irgendwer deiner Freunde, ja?“ Daraufhin schwieg Jack und ich wusste, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.

Ich sah, wie Jack leicht nickte, doch er sagte ernst: „Er kommt trotzdem nicht ungestraft davon… Dafür sorge ich!“

„Ich will auch, dass er bestraft wird, aber lass doch erstmal schauen, was die Gerichte noch machen… Hör auf damit, Jack! Ich glaube nicht, dass ich mit einem Mann zusammen sein kann, von dem ich weiß, dass er meinen eigenen Vater foltert!“

Ich sah, wie Jack mit sich rang. Hatten ihn diese harten Worte von mir getroffen? Als wir einander ins Gesicht sahen, nickte er: „Na gut… Aber sollte mir das Urteil nicht passen…“ Ich hob beschwichtigend die Hände und raunte: „Du hast ihn doch schon bestraft… Glaubst du das reicht nicht?“

„Wenn es nach mir geht, würde dieser Mensch nicht mehr aufstehen können. Ich verspreche dir, ich bringe ihn nicht um. Mehr verspreche ich nicht!“

Ich wollte nicht mit Jack streiten, vor allem nicht wegen meines Vaters. Denn eigentlich war es dieser Mensch nicht wert, dass ich deswegen solche Probleme mit Jack hatte, zumal noch anderes im Raum stand. Also nickte ich und irgendwie war ein Teil in meinem Inneren auch zufrieden, dass Dad eine Strafe erhalten hatte, die ihm zusetzte!

Wieder legte sich Schweigen auf das Gespräch, doch schnell durchbrach ich sie. „Was hat es mit diesem David auf sich“, fragte ich Jack direkt. Ich sah, wie er durchatmete. Sein gerade noch so distanzierter Blick wandelte sich. Fast schon traurig sah er mich an.

Er schaute kurz gen Boden und raufte sich mit beiden Händen durch die Haare. Als ich schon nicht mehr damit rechnete, dass er etwas sagte, begann er leise zu sprechen: „Ich hab Mist gebaut. Ich hätte mich nicht von dir überreden lassen sollen, dich mit nach Arlington zu nehmen. Die falschen Leute haben von dir gehört… Dieser David ist einer davon…“

Ich blinzelte verwirrt und fragte gleich: „Was heißt das?“

Jack blickte mich kurz an und erklärte: „Es bedeutet, dass du in Gefahr bist. Ich versuche gerade deinen Namen überall zu löschen. Der ist auf den falschen Listen aufgetaucht… Doch er war hier, Jazz. Er kennt deinen richtigen Namen! Ich wollte dich nie in eine solche Gefahr bringen…. Du hast keine Ahnung wie leid es mir tut!“ Ich schluckte und sah an die Decke. Als ich darüber nachdachte, wollte ich mehr erfahren und bat Jack mir zu erzählen, wer genau dieser Mensch sein soll. Ich sah, wie er kurz mit sich rang, doch vermutlich hatte ich einfach ein Recht darauf mehr zu erfahren!

„Er war mein Vorgesetzter und auch ein Freund, dachte ich. Er hat die Mission geleitet, in der ich Boss, Susanne, verloren habe“, er schwieg kurz. Wütend wurde sein Blick und ich hatte das Gefühl, dass kurz Hass in seinem Auge aufblitzte, etwas, was ich bis jetzt nur gesehen hatte, wenn er Dad ansah: „… Er wusste alles. Er wusste von Anfang an, dass nur einer von uns wieder kommen würde... Wir gingen nicht als Freunde auseinander.“ Er sah kurz zu mir herüber und schwieg. Ich glaubte ich verstand immer noch nicht, wieso dieser Typ jetzt so gefährlich war.

„Er meint ich würde ihm etwas schulden, dafür, dass ich ihn ein wenig beklaut habe. Ich soll wieder für ihn arbeiten. Er meinte ganz großkotzig er würde mich bitten, als Freund. Bevor er es mit guten Argumenten versuchen müsste.“ Er warf mir einen alles sagenden Blick zu. Er drohte ihm mit mir! Aber wie wollte Jack das wieder ausbügeln?

„Jack bitte! Ich will nicht auch noch dich verlieren. Ich weiß nicht, ob ich das alles so durchhalte“, meinte ich verzweifelt. Er konnte mich einfach nicht verlassen! Das durfte er nicht! Egal, wie edel seine Absichten vielleicht auch waren!

Traurig schaute Jack mich an, doch als er meinen fast schon flehenden Gesichtsausdruck sah, nickte er. Er griff nach meiner Hand und drückte kurz seine Lippen auf meine. „Es tut mir einfach leid, Jazz. Ich hätte viel vorsichtiger sein müssen! Ich versuch das so hinzubekommen und wenn es nicht anders geht, mach ich eben noch einen Einsatz für ihn…“ Doch was ist, wenn er es einmal schaffte Jack für sich arbeiten zu lassen, würde dieser David es dann nicht immer darüber versuchen?! Mir war klar, dass Jack dasselbe dachte. Doch ich wollte mir nicht vorstellen, dass ich wirklich in so großer Gefahr war!

Ich bat Jack bei mir zu bleiben. Ich sah, wie er mit sich rang und vermutlich nickte er schweren Herzens. Doch als Jack ging, hatte ich Angst. Ich wusste, dass meine Sicherheit ihm über alles ging! Ich hatte einfach Angst, dass Jack nicht wieder kommt um vielleicht so mein Leben zu retten. Ich hatte nicht das Gefühl sonderlich in Gefahr zu sein und dadurch verstand ich Jacks Panik einfach nicht. Ich wollte sie auch einfach nicht verstehen!

Doch Jack hielt sein Versprechen und ich war erleichtert. Weiterhin besuchte er mich. Meine Schwester kam auch am nächsten Tag und am übernächsten. Und am Tag darauf. Sie war danach ständig da und ich war froh nicht mehr alleine dort zu sein. Sogar meine Oma machte sich auf den Weg zu mir. Doch keiner meiner Brüder meldete sich. Weder John, Jason noch Jackson. Doch es war mir gleich. Wichtig war, dass Jack da war. Ich hoffte, dass nun endlich eine gute, nein, bessere Zukunft bevorstand.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Pitchermaus
2016-12-29T12:59:23+00:00 29.12.2016 13:59
Oh ha, das nenne ich mal ein informatives Kapitel. Kein Baseball mehr für Jazz. Die Nachricht muss wirklich har für ihn gewesen sein. Kann mir seine Verzweiflung darüber gut vorstellen und mitfühlen. Nicht nur, dass er seinen Traum vom Profi begraben muss, Spot allgemein wird für ihn wahrscheinlich erst einmal nicht möglich sein. Für jemanden wie Jazz, der gerne und viel Sport macht, sicherlich keine schönen Aussichten.
Dass Jazz Angst hat Jack zu verlieren kann ich mir vorstellen. Jack verhält sich ja auch nicht seinem sonstigen Verhaltensmuster entsprechend. Wobei sein Handeln bezüglich Jaspers Vater wieder ganz seiner Art entspricht. Es ist natürlich klar, dass Jazz mit Jacks Handeln nicht ganz einverstanden ist und ich kann seine Bedenken auch verstehen. Irgendwie geht Jack da doch etwas zu weit und man möchte meinen, dass es Jack besser wüsste als Selbstjustiz auszuüben. Auf der anderen Seite, ist das für mich irgendwie auch ein Beweis dafür, wie wichtig Jazz für Jack ist und wie viel dieser ihm bedeutet. Zu mal ich mir auch vorstellen kann, dass Jacks Reaktion und Handeln bezüglich Jaspers Vater, noch durch seinen ehemaligen Vorgesetzten angestachelt wurde. Wie sich da die Situation gewendet hat hört sich nicht nach einem guten Ende an. Und für Jazz ist das sicher auch nicht leicht, ebenso wenig wie für Jack. Bin mal gespannt, wie Jacks weiteres Vorgehen aussieht. Für Jazz hoffe ich, dass Jack eine andere Lösung finden wird, als sich von Jazz zu distanzieren.
Von:  chaos-kao
2016-12-17T22:41:56+00:00 17.12.2016 23:41
Du könntest dem armen Jazz Pflaster bzw. Wundauflagen mit Silberbeschichtung verpassen: Desinfizieren und verkleben nicht mit der Wunde - zumindest nicht so heftig wie normale Wundauflagen. Dann ist der nächste Verbandswechsel angenehmer für ihn ... außer du willst ihn leiden sehen, dann hab ich nix gesagt ;)
Und ich bin gespannt was bei den polizeilichen Ermittlungen heraus kommt ... und in welchem Zustand Jazz's Vater wieder auftauchen wird ^^''


Zurück