Verborgen in Stille von Strichi ================================================================================ Kapitel 30: Susanne ------------------- Bei diesem Kapitel muss ich mich wirklich sehr bei meinem Liebsten bedanken, der mich motiviert hat und vorallem unterstützt! Danke! Ohne deine Hilfe wäre das Kapitel sicher nicht so gut und schnell fertig geworden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Wir schafften es nicht mehr die Finger voneinander zu lassen. Immer wieder stachelten wir uns gegenseitig an erneut übereinander herzufallen. Die Leidenschaft, die uns gefangen hielt, ließ uns nicht aus ihren Fängen. Schweiß bedeckte unser beider Körper und ich blickte erschöpft zu ihm hinauf und auch Jack schien ausgelaugt zu sein. Schwer atmend drehte ich mich auf die Seite und Jack kuschelte sich an meinen Rücken. Mein Rücken brannte leicht und auch Jack hatte einige Kratzspuren auf seinem Rücken und seinem Hintern. „Jack… müssen wir heute noch irgendwann los“, fragte ich erschöpft und lehnte mich entspannt an ihn und hoffte, er sagte nein. Immer wieder strich mir Jack durch die Haare und nach einem Moment antwortete er: „Nein… erst morgen früh.“ Ich nickte leicht und war erleichtert und seufzte zufrieden auf. Wir schwiegen und als ich etwas sagen wollte hörte ich mein Handy summen. Ich seufzte genervt und war unschlüssig, ob ich hinauf sehen sollte oder nicht. Vorwürfe brauchte ich an diesem Tag nicht! Dafür war ich zu glücklich mit Jack! Ich entschied mich dennoch dafür und sah die Nummer meiner Schwester. Ich zögerte und betrachtete den Namen auf dem Display. Wollte ich jetzt wirklich mit ihr sprechen? Würde es Jack vielleicht sogar stören? Ich spürte seinen Kopf auf meiner Schulter und stellte fest, dass er auf den Namen geschaut hatte. Vermutlich hätte er mir das Handy abgenommen, wäre es mein Vater gewesen. „Willst du nicht ran gehen“, fragte Jack ruhig und streichelte mir über die Schulter. Unschlüssig blickte ich über meine Schultern und sah kurz in sein Gesicht. Er gab mir den ersehnten Halt und ich schaffte es das Gespräch anzunehmen. „Wo bist du“, hörte ich die besorgte Stimme meiner Schwester aus dem Telefon, noch bevor ich sie begrüßen konnte. Ich schloss kurz die Augen, genoss es ihre Stimme zu hören und sammelte mich eher ich ihr antwortete. „Ich bin einfach mal weg. Zuhause ist es echt… Ich brauch einfach mal Abstand, Jenny. Ist doch nicht so tragisch“, meinte ich leise und schluckte. Ich konnte mir denken, dass meine Mutter vermutlich panisch bei meiner Schwester angerufen hatte. Wie besorgt sie vermutlich war, wusste ich nicht. Tatsächlich wäre Jenny auch die Person gewesen, die ich vermutlich aufgesucht hätte, wäre Jack nicht an meiner Seite. „Was ist passiert Jazzy“, Besorgnis war in Jennys Stimme deutlich zu hören. Ich seufzte schwer, wollte ich doch immer noch nicht meine Familie verraten. Ich wollte gerade nicht an meine Probleme denken. Ich wusste, sie würden mich früh genug wieder einholen… „Kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nicht…“, meinte ich nach einem kurzen Moment und seufzte schwer. Wie sollte ich dieses Gespräch beginnen? „Jasper, du kannst mit mir reden, dafür bin ich doch da“, vernahm ich ihr sanfte wohltuende Stimme in meinem Ohr. Gequält schloss ich die Augen. Wollte nicht, dass ihre sanfte Stimme meine Zunge löste. Ich wollte nicht, dass meine Probleme mich einholten. Vor allem jetzt noch nicht. Schwer durchatmend sagte ich zu ihr: „Ich komm dich bald besuchen und dann reden wir. Mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut…“ Doch Jenny ließ nicht locker. Verstehen konnte ich sie diesbezüglich, würde ich mir in ihrer Situation auch Sorgen machen und alles wissen wollen. „Aber Jasper, wo bist du und mit wem. Jetzt verschweig mir das doch nicht alles, bitte“, meinte sie weiter, leichte Panik war in ihrer Stimme zu hören. „Wie gesagt, mir geht es gut…ich bin auch nicht alleine“, begann ich zögernd. Unsicher, ob ich es jemanden erzählen durfte, mit wem ich weg bin. Ich spürte Jacks Kopf immer noch auf meiner Schulter und wusste, dass er jedes Wort von ihr verstand. „Bist du mit dem komischen Nachbarn etwa weg? Mum sagte der sei auch verschwunden und du wärst häufiger bei ihm“, forschte sie weiter nach und mein Schweigen, was darauf folgte, war eine Zustimmung. „Lass mich mit ihm sprechen“, forderte Jenny energisch auf und noch bevor ich protestieren konnte nahm Jack mir mein Handy aus der Hand. Er drehte sich auf den Rücken und raunte ein tiefes: „Ja“, in den Hörer. Ich vernahm Jennys leise Stimme: „Wo seid ihr und was wollt ihr da.“ Jacks Auge taxierte mich und ernst klingend grummelte er in das Handy: „Wenn er es nicht sagen will, werde ich es auch nicht tun. Ihm geht es gut.“ Ich wusste, dass Jenny sich damit nicht zufriedengeben würde und so war es auch. „Das ist ja toll, dass ihr alle meint es geht ihm gut! Ich kenne dich aber nicht und meine, nein, unsere Mutter macht sich Sorgen!“ Jacks Blick war ungerührt und tonlos sagte er: „Ach, macht sie sich das? Aha…“ Es klang so, als ob er ihr nicht glauben würde. Anscheinend verwirrte Jenny die Aussage, denn stumm blieb es am anderen Ende der Leitung. Es schien, als müsse sie sich beruhigen und nach einem Augenblick hörte ich sie wieder sprechen...leiser. Ihre Worte waren zu leise, als das ich sie verstehen konnte. Dieses Mal war es an Jack einen Augenblick zu schweigen, bevor er anfing zu sprechen: „Wenn er es dir nicht sagt, werde ich es dir auch nicht sagen, dass ist nicht meine Angelegenheit.“ Nach einem Moment sprach sie weiter. Erneut verstand ich nicht genau was sie sagte. Doch Jack blickte zu mir und unschlüssig starrte ich in sein ernstes Gesicht. Es schien, als ringe er mit sich und nach einem Moment sagte er: „Wir kommen in drei Tagen vorbei. Dann siehst du, dass es ihm gut geht…“ Verblüfft von dieser Aussage starrte ich ihn regelrecht an. Er würde mich zu meiner Schwester bringen und mich dabei sogar begleiten? Meinte er das wirklich ernst? Ich hatte ihm gesagt, wie wichtig sie mir war, dies war kein Geheimnis für ihn. Ich hörte Jenny leise meinen Namen sagen und Jack reichte mir das Handy wieder. „Ja“, raunte ich hinein und Jenny seufzte schwer. „Pass auf dich auf Jazzy, ja? Wenn der dir was tut weißt du, wie du schlagen musst und dann mach das auch! Er sagte er bringt dich in drei Tagen zu mir… Ich hoffe er hält sich daran… Wenn was ist geh zur Polizei!“ Jenny war besorgt und es tat mir leid, ihr die Sorge nicht nehmen zu können, doch wollte ich das nicht über Telefon mit ihr besprechen und auch nicht jetzt. Kurz schloss ich meine Augen und sagte: „Okay Jenny, wir sehen uns.“ Ich legte schnell auf wollte nicht noch mehr Besorgnis hören. Mir ging es schließlich gut! Ich wollte, dass heute ein toller Tag ist! Ich wollte mich freuen, dass Jack an meiner Seite war, mich liebte und dazu stehen konnte! Wir sahen einander an und Jack zog mich in seine Arme. Drückte mich an seine kräftige Brust, was mich entspannen ließ. „Deine Schwester sorgt sich ziemlich um dich“, meinte er und seine Stimme hatte einen fast schon sanften Ton. Ich nickte, lehnte mich an ihn und seufzte zufrieden auf. „Ja… Sie ist immerhin meine Schwester. Wir stehen uns eigentlich schon nah, auch wenn sie leider nicht mehr bei uns wohnt“, meinte ich leise und drückte meine Lippen auf seine bärtige Wange. „So etwas ist gut“, raunte Jack, drückte mich in die Kissen und stahl sich in mein Sichtfeld. „Hast du wirklich gar keine Familie“, fragte ich, ohne lange darüber nachzudenken was ich sagte. Jack schüttelte den Kopf und blickte mich kurz an, bevor er langsam anfing mit zögerlicher Stimme zu erklären: „Ich habe sie nie kennengelernt. Ich weiß nicht mal ob John mein eigentlicher Name ist… Vermutlich waren sie Soldaten und deswegen bin ich in das Militärwaisenhaus gekommen.“ „Belastet es dich gar nicht“, wollte ich leise von Jack wissen. Nachdenklich sah er hinunter in mein Gesicht und strich mir durch die Haare. Ehrlich klangen seine Worte, als er meinte: „Früher Mal. Heute nicht mehr. Das ändert nichts mehr. Was soll ich für Menschen empfinden, denen ich scheinbar so egal war?“ Ich nickte leicht und war überrascht von seiner Antwort. Ohne wirklich darüber nachzudenken stahl sich das Wort, Wut, aus meinen Mund und unschlüssig blickte Jack mich an. Er schwieg und ich dachte über seine Worte nach. Ich glaubte ihm seine Worte, doch war es für mich schwer vorzustellen ohne Familie aufzuwachsen. „Du hast echt nie etwas über deine Eltern herausgefunden“, fragte ich und auch meine Hände strichen durch seinen braunen Schopf. Er schüttelte nur den Kopf. „Ist aber nicht mehr wichtig“, meinte Jack und klang ein wenig ernst, „jetzt brauche ich auch keine Eltern mehr.“ Unschlüssig, was ich von dieser Aussage halten sollte, nickte ich leicht und drückte ihn zu mir. „Ich könnte mir nie vorstellen, wie es sein soll ohne Familie aufzuwachsen“, murmelte ich nachdenklich und zog ihn neben mich ins Bett. Jack ließ es geschehen und verknotete sein Bein mit dem meinigen. Seine Finger strichen über meinen Rücken und über mein Gesäß, als er langsam zu erklären begann: „Eine Familie muss nicht immer im Blut verbunden sein. Meine Freunde und Kameraden bei der Army waren meine Familie. Sie waren…mir sehr wichtig.“ Ich wusste nicht, ob ich ihn verstand oder nicht, aber ich glaubte es. War Eric für mich doch auch fast wie ein Bruder und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, stand er mir in vielen auch näher wie meine ältesten Brüder. Sachte nickte ich Jack zu und kuschelte mich an ihn. „Ich denke, wenn ich Jenny sehe, sollte ich ihr sagen, dass ich schwul bin“, meinte ich und ich spürte wie Jack den Druck um meinen Körper verstärkte, als wollte er mir Halt geben. „Was denkst du, wie sie es auffassen wird“, meinte er ruhig und besonnen. Ich dachte über meine Antwort nach, bevor ich langsam anfing zu antworten: „Eigentlich denke ich, wird sie jetzt sicher nicht so schlimm reagieren. Ich denke verwundert… Aber sicher nicht angewidert. Ich habe mich nur beim letzten Mal nicht getraut es ihr zu sagen. Dafür… dafür war ich damals noch nicht bereit.“ „Das ist ja auch deine Entscheidung“, meinte Jack und seufzte als ich ihn leicht kraulte. Wieder war diese Stille angenehm und beide schienen wir zufrieden. Doch so angenehm dieser Moment auch war und so glücklich ich mich fühlte, drangen seine Worte wieder in mein Gedächtnis. Ein schlechtes Gewissen gegenüber jemanden der Tod war, war seltsam und ich versuchte es zu verstehen, doch gelang es mir nicht. Vielleicht lag das auch daran, dass ich erst siebzehn war. Vielleicht fehlte mir dafür tatsächlich die Lebenserfahrung. Ich dachte an heute Nachtmittag, wie Jack weinend vor dem Grab der mir fremden Frau gehockt hatte. Wo seine Trauer so greifbar war. Ich wollte ihm eine Stützte sein, doch die Sorge, dass ich es nicht schaffen würde, wuchs auf einmal in mir. Ich verfluchte mich für diese Sorge, doch schaffte ich es nicht sie zu verhindern. Ich streichelte seine Brust, strich die einzelnen Narben leicht mit den Fingerspitzen nach. „Jack, würdest du mir von der Frau erzählen, die dir so viel bedeutet hat“, bat ich ihn vorsichtig, lehnte mich auf den Ellbogen und blickte tief hinein in sein markantes Gesicht. Er wich meinen Blick schnell aus und wollte schon die Hand von mir nehmen, doch ich hielt sie auf. Er sollte sich nicht verkriechen oder zurückziehen. „Jack“, hauchte ich sanft und blickte ihn freundlich, liebevoll in die Augen. Gequält sah er mich an und leise fragte er: „Muss das heute sein?“ Ich überlegte, ja wir waren gerade zusammen gekommen, doch stand diese Geschichte einfach so offen im Raum und nicht nur diese. Auch, was ich während des Fluges hierher gesagt bekam, hatte ich nicht vergessen. Doch ich war mir sicher, dass diese Geschichten ineinander übergingen. „Ja Jack“, meinte ich leise zu seiner gestellten Frage, „es muss heute sein… Erzähl mir von ihr.“ Ich betrachtete seine Regung im Gesicht und es sah aus, als ob er gerade jemand gänzlich anderen in mir sah. Vermutlich sie. Als ich ihn erneut auffordern wollte zusprechen begann er mit leiser aber äußert sanft klingender Stimme zu sprechen: „Sie war wundervoll. Ich war zehn als ich zu ihr kam und sie begann mich nach und nach auszubilden. Sie war alles für mich. Wir waren nicht einfach Lehrer und Schüler. Wir lebten jeden Tag zusammen. Sie kannte mich wie kein anderer Mensch zuvor. Sie war immer sehr streng gewesen, aber darin auch noch liebevoll“ Ich runzelte die Stirn und fragte leise: „Wie hieß sie eigentlich?“ Jack blickte zu mir und antwortete leise: „Susanne, aber so habe ich sie eigentlich nie wirklich genannt… Sie war mein Boss und das war auch ihr Codename. Alle haben sie so genannt. Sie war eben der Boss.“ „Wieso warst du so jung“, fragte ich leise, „Und wieso hat man dich ausgewählt?“ Schwer seufzend dachte Jack wohl über seine Antwort nach und erklärte murmelnd: „Vermutlich, weil sie mein Potenzial gesehen hatte. Ich war … immer etwas besser als andere in meinem Alter und hatte dazu als Kind eine gewisse Aggressivität. Ich wusste nicht wohin mit ihr. Sie schien von Anfang an zu wissen was ich fühlte. Eigentlich hat sie mir beigebracht, mit mir selber zurecht zu kommen.“ Er machte eine kurze Pause während er sprach und schien über seine Worte nachzudenken. „Ich habe nie mit einem Menschen mehr Zeit gemeinsam verbracht als mit ihr. Sie lehrte mich alles, alles was ich kann und was ich weiß. Nicht nur kämpfen, auch Philosophie und Ethik. Sie war eine Person, zu der ich immer aufgesehen habe.“ „Und dann habt ihr euch ineinander verliebt“, fragte ich vorsichtig und fragte mich gleichzeitig wie alt sie wohl gewesen war. „Es war keine normale Liebe… Es war etwas… anderes. Wenn ein Mensch, alles für dich ist, geht es tiefer.“ Es schmerzte diese Worte zu hören und ich wusste nicht, ob ich sie wirklich verstand, doch ich wollte mehr wissen, also nickte ich. „Es muss schrecklich gewesen sein, als du herausgefunden hast, dass sie eine Spionin war, oder“, fragte ich leise und äußerst bedacht. Doch Jacks schnaufen verwirrte mich und grimmig wurde sein Gesicht. „Sie war keine Spionin… Sie war immer auf der Seite der Vereinigten Staaten“, meinte er leise, aber verbittert klang seine Stimme. Ich runzelte die Stirn und fragte einfach weiter, wollte endlich, dass dieses große Geheimnis nicht mehr zwischen uns stand. Doch ich brauchte ihn nicht auffordern weiter zu sprechen. „…. Während eines Einsatzes wurden einige Langstreckenraketen mit Nuklearsprengkopf gestohlen und ein Irrer hat sie auf eine Fabrik abgefeuert, mitten in Russland. Kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn das an die Öffentlichkeit gelangt wäre?“ Perplex starrte ich ihn an und blinzelte einige Male verwirrt. „Davon hat man gar nichts gehört… von einer Atombombe“, murmelte ich, denn so etwas wäre durch die Medien gegangen! Jack nickte und grinste freudlos. „Ich hab dir schon einmal gesagt, dass nur das wenigste in den Medien wirklich berichtet wird… Doch eigentlich begann alles ganz anders… Wir sollten einen Raketenwissenschaftler aus russischer Gefangenschaft befreien, der spezielle Waffe entwickelte. Ich sollte ihn raus holen und Boss wollte sich einschleusen und ihr Vertrauen gewinnen, um noch mehr Informationen zu bekommen. Außerdem ging es um einen Haufen Geld, dass die Amerikaner für sich haben wollten. Man sagte mir nicht, dass es ein Plan war und als Boss und ich uns gegenüberstanden, dachte ich, sie hätte uns verraten. Um das Vertrauen des russischen Kommandanten zu gewinnen hatte sie die Raketen bei sich… Doch dass er eine zündete und auf seine eigenen Landsleute feuerte, änderte einfach alles... Nun brauchte die Regierung einen Schuldigen. Die Wahl des Schuldigen fiel natürlich auf den amerikanischen Verräter. Das Verhältnis war wegen der Kuba Krise sowieso immer noch sehr unterkühlt. Boss ließ sich darauf ein um einen Krieg zu verhindern. Sie gab sich als Spion aus und lief offensichtlich über. In Russland war sie ein Monster, dass hunderte Unschuldige getötet hat und in Amerika war sie eine Verräterin…“ Ich lauschte Jacks Erzählung und konnte kaum glauben, dass sie real waren. Denn es klang wie aus einem Actionfilm. „Und du wusstest es die ganze Zeit nicht“, fragte ich leise, wagte kaum noch zu atmen. Verbittert schüttelte Jack den Kopf. „Keiner sagte mir etwas davon. Mein Auftrag lautete, den Wissenschaftler zu befreien und seine gebauten Konstruktionen zu zerstören…“ „Hast du das alles alleine geschafft“, fragte ich ehrfürchtig, klang es doch viel zu viel für eine Person. „Ich hatte Hilfe, zwei Kontaktleute. Adam und Eva, sie halfen mir auch wenn ich es bei Adam erst ganz zum Ende hin wusste… Ohne ihre Hilfe wäre ich nicht mehr am Leben.“ Ich schwieg und lauschte gebannt der Geschichte. Erst nach einigen Augenblicken fragte ich vorsichtig: „Und dann? Was ist dann geschehen?“ Jack schwieg und vorsichtig strich ich mit meiner Hand seine Seite entlang. Er zuckte und blickte mich emotionslos an. Als versuche er diese Gefühle von sich abzuspalten, doch es gelang ihm nicht. „Als die Raketen einschlugen, wurde die Mission unterbrochen und ich wurde abgeholt. Nachdem alle davon sprachen, dass Boss Schuld daran sei, wurde die Mission umgekrempelt. Ich hatte drei Tage Pause, dann wurde ich wieder im feindlichen Gebiet abgesetzt… Ohne Ausrüstung…“ Als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte erklärte er: „Wenn ich irgendwelche Ausrüstung verloren hätte, die auf Amerika zurückzuverfolgen sind, hätte die Regierung das nicht erklären können. Deswegen musste ich mir alles vor Ort besorgen.“ So wie er sprach klang es, als sei er in den nächsten Laden gegangen und habe sich dort für die Mission eingedeckt. „Nach und nach hab ich mich dann durchgekämpft…bis zu diesem verrückten russischen Kommandanten, der mich leider geschnappt hat, als ich den Wissenschaftler raus bringen wollte. Er hat seinen Fluchtversuch nicht überlebt. Ich hab in der darauf folgenden Folter mein Auge verloren.“ Beendete er seine Erzählung. Sein Blick war an die Wand gerichtet, doch sah er durch sie hindurch. Als sei er wieder dort. Dort im Feindesland, dort wo er das Schlimmste in seinem Leben wohl erlebt hat. „ Eva hat mir geholfen zu fliehen. Zurück nach Hause konnte ich aber nicht, solange die Mission nicht abgeschlossen war. Mit Evas Hilfe ging ich wieder zurück...Ich bin mir nicht sicher, wie oft Boss mir geholfen hat. Als ich das zweite Mal in der Anlage war, war dort nur der Kommandant in einer Art Panzer. Wir hatten Glück. Das Ding war nie ganz fertig geworden und so hat er sich in dem Ding versehentlich selber gegrillt. Es gab einen Kurzschluss durch Überhitzung“. Jack fiel es scheinbar immer schwerer weiter zu sprechen je näher seine Geschichte zum Ende rückte. Er sammelte sich einen Moment, bevor er weiter sprach. „ …Wir hätten nach Hause gehen können. Doch ich musste mich um den vermeintlichen Verräter kümmern. Ich wusste genau, dass sie die USA nie verraten würde. Als ich sie fand wartete sie auf einer weißen Blumenwiese auf mich. Das Feld war fast kreisrund und passte überhaupt nicht zum Rest der Landschaft dort. Ich war nicht da, um zu Kämpfen. Ich wollte sie Überreden mit mir zu kommen. Die Regierung hatte den Plan beschlossen, also konnten diese Schlipsträger auch alles wieder richtig stellen. Aber sie wollte nicht. Sie sagte mir, dass sie einsehen musste, dass man selbst der Regierung nicht trauen kann. Die Freunde von heute können deine Feinde von morgen sein, hatte sie gesagt. Wir sind Soldaten und müssen uns den Gegebenheiten anpassen. Sie sagte mir, sie habe mich nicht großgezogen und zu dem Mann gemacht, der ich heute bin, damit wir jetzt gegeneinander kämpfen.“ Jack machte wieder eine Pause um sich zu sammeln. Während er all dies erzählte, sah er mich nicht an. Er war an diesem Ort, von dem er erzählte. Durchlebte jede Sekunde erneut. Erst nach einem Moment sprach er leise weiter: „ Alles hat sie für ihr Land gegeben. Und genau diese Leute ließen sie nun fallen, weil sie von ihrer Lüge nicht zurück treten wollten. Als sie mir von ihrem persönlich Leid erzählte, habe ich sie das erste Mal in meinem Leben weinen sehen. Was genau sie zum Weinen brachte, möchte ich nicht erzählen…“ Weiterhin lauschte ich seine Worte, so still, als habe selbst die Welt aufgehört sich zu drehen. Dass er mir nicht sagen wollte, was sie ihm sagte beeindruckte mich, wie viel Treue er ihr auch jetzt noch zollte. Mit schwacher Stimme fing er erneut an zu berichten: „Dann bedankte sie sich. Sie bedankte sich dafür, dass ich zugehört hatte. Ich glaube, sie wollte etwas anderes sagen… Jedes einzelne ihrer Worte hat sich in meine Erinnerungen eingebrannt“. Was er mir als nächstes sagte, mussten ihre Worte sein. Ich bemerkte, dass Jack leicht anfing zu zittern als er weiter sprach. Sein ganzer Körper war angespannt: „Ich habe dich großgezogen, Ich habe dich geliebt, gab dir Waffen und Wissen. Es gibt nichts mehr, was ich dir noch geben könnte... Du bist ein wundervoller Mann, Jack… Sie hat gesagt sie habe noch nie jemanden mit so klaren Augen gesehen.“ Mit diesen Worten konnte Jack seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Erschüttert sah ich den Tränen nach, welche seine Wange benetzen. Ich wusste nicht, ob ich ihn anfassen durfte, sollte. Also ließ ich es bleiben. Ich traute mich kaum zu fragen was dann passierte, doch Jack sprach ohne mein Nachfragen weiter. „Sie griff mich an und wir…wir haben gekämpft. Ich weiß nicht mehr was passiert ist. Das nächste, was ich wieder weiß ist, dass sie am Boden lag und ich kniete neben ihr… ich habe sie erschossen. Ich habe die Frau umgebracht, die mir so viel bedeutet hat. Die mein Leben war. Sie sagte mir, sie wolle das ich es tue und nicht irgendjemand anderes. Ihre Hand lag die ganze Zeit auf meinem Knie. Sie hat mir in die Augen gesehen, bis zum letzten Moment…“ Seine Stimme wurde brüchig und seine Atmung unruhig. Ich versuchte ihn zu beruhigen doch er wurde immer fahriger. Eine Panikattacke vielleicht? Schweiß trat auf seine Stirn und ich vermutete, dass dieser Eiskalt war. Ich nahm seine Hände, mit denen er sich immer wieder nervös durch die Haare fuhr. Das Zittern wurde stärker und so drückte ich ihn feste an mich, so fest, wie ich konnte. „Atme Jack…Atme ruhig… Ich bin da…du bist nicht allein“, sagte ich immer wieder und drückte seinen Kopf an meine Schulter. Ich spürte die Tränen, die mein T-Shirt benetzten und streichelte ihn einfach weiter, bis das Zittern nachließ. Wieviel Zeit verstrichen war, wusste ich nicht. Ich blickte Jack traurig an, sah in seinem Gesicht die Trauer, die Wut und Verzweiflung. Ich strich ihm durch die Haare und als ich seine Wange streichelte suchte sein Auge das meinige. Wir blickten uns lange an, was er in meinen Augen genau sah, blieb sein Geheimnis. Ich dachte an seine Geschichte, die so traurig und unvorstellbar schien. Surreal hätte ich sie bezeichnet, würde dieser starke Krieger nicht gerade so nach Fassung ringen. Ich vermutete, dass er nie jemanden so sehr in sein Inneres hat schauen lassen, wie mich gerade. Eigentlich hätte ich stolz darauf sein sollen, doch das war ich nicht. Ich wollte ihn nicht weinen sehen, nicht weil er Schwäche zeigte oder es nicht zu ihm passte, sondern weil ich ihn liebte. Jemanden leiden zu sehen, der einem so viel bedeutet, schmerzte. Und auch, wenn es nur ein kleiner Teil dessen war, was Jack an Leid und Schmerz fühlte, glaubte ich zu verstehen. Vorsichtig begann ich zu sprechen, was ich dachte und was mir in dem Moment selbst irgendwie Angst machte: „Irgendwie werde ich die Frau nie ersetzten können, oder?“ Traurig blickte Jack mich an, doch seine Worte, die mit einer fast nicht gekannten Sanftheit gesprochen wurden, verblüfften mich: „Jasper, das will ich gar nicht. Du und sie ihr seid nicht zu vergleichen. Ja, ich habe sie geliebt. Aber liebe ist nicht immer gleich. Du bist das Beste, was mir in der letzten Zeit passiert ist. Du hilfst mir, mehr als du ahnst. Ich versuche alles zu planen um für jede Eventualität gerüstet zu sein, doch dich habe ich nicht kommen sehen. Seit ich dich kenne, ist es nicht mehr so….“ Er beendete den Satz nicht. Ich vermutete, dass ihm diese emotionalen Worte schon überraschten. Ich konnte mir vorstellen, dass er nie jemanden solche Worte je mitgeteilt hatte. Es war mir egal, mit welchem Wort er den Satz beenden wollte, einsam, traurig, düster, es konnte alles sein und alles wäre mir recht gewesen. Ich drückte ihn liebevoll an mich. Ich war mir sicher, dass ich es schaffte es zu akzeptieren, dass er noch jemanden so sehr geliebt hatte, dass er an der Erinnerung festhielt. Wenn Susanne, oder Boss, diesen Menschen zu dem gemacht hat, was er heute ist, konnte ich ihr nur danken. Es war sein gutes Recht und seine Vergangenheit, seine Erinnerungen. Jack liebte mich, ließ sich bei mir fallen. Teilte mir sogar seine Gefühle mit. Er traute sich vor mir zu weinen. Diese Tatsachen erfüllte mich mit Stolz und leise sagte ich: „Jack, es tut mir wirklich so sehr leid, dass du das tun musstest. So sehr, dass… kannst du dir nicht vorstellen. Ich hoffe wirklich, dass ich dir ein wenig helfen kann… na ja mit diesen Erinnerungen zu leben…“ Ein warmer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht und seine Hand strich über meine Wange, während er mich schweigend betrachtete. Er sagte nichts zu meiner Aussage und ich hätte mir gewünscht, seine Gedanken lesen zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)