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Verborgen in Stille

von

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Meine Geschwindigkeit

Meine Geschwindigkeit
 

Am nächsten Morgen wachte ich früher auf als ich dachte und fragte mich, warum? Doch wenn ich darüber nachdachte, wusste ich genau was mich so nervös machte. Der Grund war Jack. Ich wollte mehr erfahren über diesen Mann. Also stand ich früher als für mich üblich auf und zog mir bequeme Sachen an. Unten in der Küche schlang ich einige Toasts herunter, nahm mein Handy und war schon gegen halb neun vor seiner Tür und klopfte. Ich war mir ziemlich sicher, dass er schon wach war.

Erst hörte ich nichts bis leise kläffen sich der Tür näherte und eine tiefe Männerstimmte sagte streng: „Aus!“ Die Tür öffnete sich mir. Ich sah Jack in sein Auge er hatte die gleiche lederne Augenklappe wie am Tag zuvor aufgesetzt und ich fragte mich, ob er sie ab und zu absetzte. Er raunte mir ein Morgen zu und ließ mich eintreten. Ich schaute zu Jack und war erneut angetan von seinem Aussehen. Das grüne T-Shirt was er trug spannte ich über seine breite Brust. Seine dunkel braunen Haare fielen ihm locker und leicht zerzaust in den Nacken. Er trug schwarze Shorts die ihm über die Knie gingen und kräftige muskulöse Unterschenkel zeigten. Mein Blick klebte förmlich an ihm. Didi kläffte mich schwanzwedelnd an und brachte mich in die Realität zurück. Er setzte sich auf seine Hinterläufe und machte Männchen.

Ich lachte leise, beugte mich herunter und streichelte den kleinen Welpen während ich fragte: „Ist der immer so gut drauf?“

„Ja, meistens… Wie kommt es das du jetzt schon hier bist? Ich dachte du kommst später.“

„Ach“, meinte ich und zuckte mit den Schultern während ich mich zu ihm drehte, „bin irgendwie früher wach geworden. Und da ich was zu tun hatte, bin ich aufgestanden.“

Jack nickte mir stumm zu und verschwand Richtung Küche. Erneut schaute ich ihm nach. Ja, schoss es mir durch den Kopf, wenn ich einen Typen will dann so jemanden. Ich genoss den Anblick seines muskulösen Rückens und mein Blick blieb an seinem Hintern hängen der in der Hose leider schlecht zu erkennen war. Ich hörte ihn im Kühlschrank kramen und als er wiederkam hielt er eine Tasse in der einen Hand und reichte mir mit der anderen eine gekühlte Flasche Kakao.

Überrascht schaute ich auf das Etikett und blickte fragend in sein Gesicht.

„Nicht richtig? Dachte du hättest gestern gesagt statt Kaffee trinkst du Kakao“, meinte er und trank aus einer großen Tasse aus welcher es dampfte. Es schien, dass er mich ebenfalls stumm musterte. Ich hoffte ich hatte meine Blicke vor ihm verstecken können. Ich war mir jedoch nicht sicher.

„Ja schon, aber ich dachte nicht…also das du dir das gemerkt hast“, meinte ich auf den Kakao schauend. Die Geste brachte mich zum Lächeln. Ich öffnete die Flasche und trank einen großen Schluck. „Danke“, meinte ich fröhlich, verschloss die Flasche und drehte sie etwas in der Hand.

Ich schaute mich in der Wohnstube um und stellte fest, dass Jack die Couch verschoben hatte und einen dunkelroten Fernsehsessel aus Leder dazugestellt hatte. Einige Kartons standen herum, die meisten geöffnet. Der Fernseher und eine Stereoanlage standen bereits auf einem Sideboard. Daneben lag ausgepackt, eine wie es aussah, unfertige Kommode. Ich erkannte den Stil und musste grinsen während ich ihn fragte: „Ernsthaft? Du gehst nach Ikea?“

Er sah zu der Kommode und kratze sich fast etwas verlegen am Hinterkopf eher er antwortete: „Ich wollte nur ein Regal.“

Ich lachte leise, denn das kannte ich von meiner Mutter, wenn sie diesen Laden betrat und ich meinte: „Kenn ich. Hast du wenigstens an das Regal gedacht?“

Er nickte und deutete auf einen kleinen noch verschlossenen Karton. Ich konnte mir diesen muskulösen Mann mit Augenklappe schlecht in diesem Laden vorstellen. „Man muss durch den ganzen Laden laufen. Und überall waren Kerzen“, sagte er als Erklärung und begann sich die Anleitung anzuschauen.

„Hast du noch mehr gekauft was du nicht wolltest?“

„Ja. Kerzen…und eine Pfanne. Und einen Topf“

Lachend ging ich zu ihm hinüber und schaute mir die Anleitung an. Nebenbei fragte ich: „Und gestern noch in der Nachbarschaft umgeschaut?“

Jack nickte und fing an Schrauben zu sortieren während er antwortete: „War gestern im Supermarkt um die Ecke. Hab die Verkäuferin erschreckt. Die dachte ich wollte sie ausrauben. Komische Leute hier.“ Ich war mir nicht sicher, doch ich glaubte einen Moment lang den Anflug eines Grinsens in seinen Mundwinkel gesehen zu haben. Es sah so aus als habe er sich darüber amüsiert. Ich kannte den Laden an der Ecke und prustete los. Ja die Frau die da meistens Arbeitete war schon komisch. Und wenn ein großgebauter und kräftiger Mann, mit grimmigem Gesicht, noch dazu mit einer Augenklappe, alleine hineinkam, könnte das für sie bedrohlich aussehen. „Ließ dich nicht mal Didi freundlicher wirken“, fragte ich, während ich den Boden der Kommode suchte.

„Den hat sie glaub ich gar nicht wahrgenommen“, meinte Jack Kopfschüttelnd, während er begann Schrauben in das Holz zu drehen.

„Oh man… Geiler Eindruck Jack“, meinte ich grinsend während ich nur den Kopfschütteln konnte. Jack zuckte mit den Schultern und grinste mich kurz an. Wir arbeiten eine Weile schweigend an der Kommode. Generell wirkte Jack eher schweigsam, doch ich empfand es nicht als unangenehm. Für einen Soldaten sprach er zudem recht leise, ich hatte erwartet, dass so jemand häufiger lauter Sprach, von Berufswegen alleine schon. Außerdem viel mir auf, dass er häufiger ein wenig nuschelte bei seinen Antworten. Man verstand ihn zwar immer noch, doch seine Worte wirkten vor sich hin gebrummelt, immer wenn er über etwas nachzudenken schien.

„Wie alt bist du eigentlich“, fragte ich nach einer Weile als die Seiten der Kommode schon mit dem Boden verbunden waren. Ich konnte es durch die Augenklappe, die Narben und die Falten nicht einschätzen.

„24“, meinte er knapp und schlug auf das Brett damit es feste mit den Dübeln verbunden war, „Und du?“ Ich reichte ihm ein weiteres Brett und war unschlüssig. Ich wollte ihn gerne mehr kennenlernen, hatte nur noch keine Ahnung wie ich es anstellen sollte. Vielleicht war ich ihm zu jung wenn ich ehrlich war…

„Wie alt sehe ich denn aus“, fragte ich frech grinsend und zog eine Schraube nach.

„Hm…weiß nicht…So um die 20“, meinte Jack und musterte mein Gesicht stirnrunzelnd.

„Okay…gut.“ So hatte ich jedenfalls nicht gelogen, dachte ich zufrieden. Bevor er weitersprach fragte ich schnell: „Sag mal glaubst du aus Didi wird echt ein Wachhund?“

Jack schaute zu dem Hund hinüber der gleich anfing mit seinem Schwänzchen zu wedeln als man ihn beachtete.

„Hm. Ja, der muss nur richtig trainiert werden. Dann ist der sicher nützlich“, nickte Jack leicht und baute nebenbei eine Schublade zusammen. Ich betrachtete wieder sein Profil. Der Bart der sich über sein Kinn und die Wangen zog, den kräftigen Hals und die Lippen die sich gerade zusammen gepresst hatten während er die Anleitung erneut zu Rate zog. Ich schluckte leicht und wandte mich von dem Bild ab bevor ich darüber nachdachte wie es wäre diese Lippen einfach zu küssen… Wie er darauf reagieren würde?

„Ich hoffe du kommst mit meinem Vater aus, sonst versucht er es dir hier schwer zu machen“, meinte ich um mich selbst von meinen Gedanken abzulenken. Ich setzte nebenbei die von Jack gebaute Schublade in die Kommode.

Jack schnaubte, zog die Augenbrauen rauf und grinste mich leicht an während er fragte: „Glaubst du wirklich, ich lasse mich ärgern? Wenn er mich nerven sollte hab ich noch eine Tür. Die kann ich schließen.“

Auch ich grinste leicht, ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass dieser Mann meinen Vater als nicht sehr beeindruckend empfinden würde. „Mein Dad meint er muss die Nachbarschaft beschützen. Er ist bei der Polizei und der Scheriff hier“, erklärte ich das Verhalten meines Vaters und grinste schräg.

Jack schaute mich an bevor er die trockene Gegenfrage stellte: „Sehe ich aus als ob ich Schutz brauche?“

„Nein“, lachte ich, „aber vielleicht meint Dad ja er muss die Nachbarschaft vor dir schützen.“ Nein, Jack sah aus als ob er nie Schutz brauchte. Auch er schien sich über meine Aussage ziemlich zu amüsieren. Als Jack mir die nächste Schublade reichte viel mein Blick auf seinen Unterarm über den sich eine lange Narbe zog, die ich vorher nicht wahrgenommen hatte. An dem selben Arm schien er noch mehrere kleinere Narben zu haben die zum Teil schon sehr verblasst waren. Doch die eine große die sich den Unterarm entlang zog zeichnete sich deutlich von den anderen verblassteren ab.

Ohne darüber nachzudenken fragte ich ihn was damit passiert sei und deutete dabei auf seinen Unterarm. Auch Jack sah hinunter, hob den Arm und betrachtete nachdenklich die Narbe. Er strich darüber. Er schien kurz in Gedanken zu sein. Er murmelte: „Ach Helikopterunfall.“

„Was ist da passiert“, fragte ich und schaute ihn neugierig an.

„Uns hat ein Raketenwerfer gestreift. Der Helikopter ist abgestürzt“, er zuckte mit den Schultern, als ob es das normalste der Welt sei. „Ich mag die Dinger nicht“, fügte er hinzu, „die werden immer so schnell abgeschossen.“

„Wie kann man sowas überleben“, fragte ich ehrfürchtig und mit geweiteten Augen.

„Mit mehr Glück als Verstand. Ich wurde irgendwie rausgeschleudert bevor wir aufgeschlagen sind. Ein Trümmerteil hat mich erwischt“, sagte er ruhig und sachlich, doch es erschien ein Distanzierter Ausdruck auf seinem Gesicht.

„Oh man“, staunte ich und dachte an die ganzen Medaillen die im Schlafzimmer waren, „deine Familie muss wirklich stolz auf dich sein.“

„Wieso“, war eine Gegenfrage, mit der ich nicht gerechnet hatte. Sie ließ mich verwirrt dreinschauen, schließlich wurde uns von Kindheitsbeinen an eingetrichtert auf unsere Nation stolz zu sein.

„Na ja“, begann ich und klag unsicher, „Ich meine du bist doch…ein Held. Da wird deine Familie sicher stolz auf dich sein.“

„Hab keine“, entgegnete er kurz nur und stand auf als er die letzte Schublade fertig gebaut war. Ich nahm sie und setzte sie in die Kommode. Frustriert stellte ich fest: „Ich habe das Gefühl ich trete von einem Fettnäpfchen ins nächste. Tut mir leid Jack.“

Er winkte ab und endlich änderte sich seine sonst eher Monotone Stimme. Versöhnlich antwortete er mir: „Schon gut. Kannst du nicht wissen Kleiner. Wieso fragst du so viel?“

Ich schaute kurz hinauf in sein Gesicht und stand ebenfalls auf während ich ihm erklärte: „Ich finde dich interessant.“

Er musterte mich kurz. Ich war mir unschlüssig wie ich seinen Blick deuten sollte. Er grinste leicht, verschränkte die breiten Arme vor der Brust und fragte mit seiner tiefen Stimme: „Woran liegt das?“

Du siehst geil aus! Ich will dich! Weiß nur nicht wie ich das anstellen soll…. Ich dachte einen Moment über meine Antwort nach und entschied mich zu sagen: „Weiß nicht, finde dich interessant und würd dich gerne kennen lernen…ja.“ Jack grinste nun anders, als einen Moment zuvor. Er begann die Kommode den richtigen Platz schieben.

„Ist es schwer für dich hier als Schwuler zu leben“, fragte Jack als wäre es das normalste der Welt und ging zu dem kleinen Regal, was er auspackte.

Ich nickte unschlüssig in Gedanken versunken. Als ich mich fing und antwortete ich hastig: „Wie kommst du denn darauf? Ich bin nicht schwul.“ Ich klang fast etwas hysterisch.

Jack schaute hinüber und sein Blick scannte mich einmal vom Kopf bis Fuß. „Sicher? Dafür schaust du mir aber sehr interessiert nach.“

Ich fühlte mich ertappt wusste nichts zu sagen und schaute Jack entsetzt an. „Ähm…“, war meine weniger intelligente Kommentar dazu. Mir war es unangenehm, dass er meine Blicke gemerkt hatte und ich spürte wärme mein Gesicht aufsteigen.

Jack schaute mich erwartungsvoll an und meinte nach dem er einen Moment gewartet hatte: „Kommt da noch was?“

Ich sah mit Rehaugen zu ihm rüber und wusste nicht viel was ich sagen sollte. Also versuchte ich allgemein zu antworten: „Also auf unserer…ich meine auf meiner High School war einer der war offen Schwul und…na ja die anderen haben den schon fertig gemacht du… Also leicht hatte der es jetzt nicht.“

Jack nickte verstehend und fragte mich mit beinahe sanfter Stimme: „Hast du deswegen Angst das zu zugeben?“ Die Frage klang fast schon etwas beiläufig. Als wäre es keine große Sache über so etwas zu reden.

Konnte oder wollte ich darauf antworten? „Hm… ich weiß nicht…ich glaub nicht…ich hatte ja auch schon eine Freundin mit der ich zusammen war…“, meinte ich nachdenklich und dachte an Viola.

„Und mit der war es aber nicht so toll wie du es dir vorgestellt hattest“, es war keine Frage die Jack formulierte es war eine reine Feststellung. Der Mann konnte mich lesen wie ein offenes Buch!

Ich seufzte schwer, wusste nicht was ich dazu erwidern sollte, doch Jack schien keine Antwort mehr zu verlangen. Er öffnete den Karton in dem sich das Regal.

Ich sah ihm dabei zu und setzte mich auf den roten Sessel. Als Didi zu mir gehuschelt kam streichelte ich den Hund.

„Das muss ja nicht daran gelegen haben, dass sie ein Mädchen war.“

„Klar bestimmt“, sagte Jack trocken. Mir war klar, dass er keine meine Ausreden für bahre Münze nehmen würde.
 

Nach einer Weile des Schweigens schaute Jack zu mir herüber: „Du weißt schon, dass es nicht schlimm ist schwul zu sein oder? Oder Bi oder sonst was.“

Ich nickte leicht, war mir aber selbst nicht sicher ob ich mir gerade glaubte. „Ja, ich hab ja auch nichts dagegen“, antwortete ich, „ Ich bin nicht mein Vater.“ Nach einem Moment beobachtete ich weiter den Hund vor mir. Jacks abschätzenden Blick konnte ich jedoch auf mir fühlen. „Warum tust du dich dann so schwer“, fragte er und schraubte die einzelnen Bretter zusammen.

Ich seufzte auf. Eigentlich sollte ich mich freuen. Ich könnte ihm endlich alle Fragen stellen die ich schon lange fragen wollte. Er kannte meine Freunde nicht und so brauchte ich auch eigentlich keine Sorge zu haben, dass er es weiter erzählen würde. Dennoch kannte ich diesen Menschen kaum vor mir. „Ich bin nicht schwul“, meinte ich und versuchte dabei selbstsicher zu klingen. Etwas was mir auf dem Baseballplatz immer gelang, hier gerade nicht. Jack blickte mir ins Gesicht und ließ keine Gefühlslage erkennen. Nach einem Moment nickte er. Fügte dem nicken ein: „Wenn du das sagst, wird es stimmen.“ Hinzu. Frustriert schaute ich ihn an. Er glaubte mir nicht, dafür brauchte ich kein Genie sein. Dennoch wollte ich mich nicht drängen lassen. In dieser persönlich Krise von mir, bestimmte ich das Tempo und nicht irgendwer anders. Ich werde mich nicht drängen lassen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Adisa
2017-05-04T06:48:34+00:00 04.05.2017 08:48
Ich mag es, dass Jazz sein eigenes Tempo beim Outen bestimmt. ^^


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