Die Kräfte in dir von secret_of_stars ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Sichtwechsel zu Yuri Irgendwie hatte ich den ganzen Tag so ein komisches Gefühl. So etwas hatte ich noch nie zuvor gespürt. Stundenlang irrte ich ziellos umher, in der Hoffnung dieses mir unangenehme Gefühl loszubekommen. Schließlich ließ ich mich erschöpft auf einem verfallenen Haus nieder. Die Sonne war bereits verschwunden. Das hatte ich nicht mal mitbekommen. Es wurde schnell dunkel. Sterne funkelten kurz am Himmel bevor eine große Regenwolke die kleinen Lichter verdeckte. Als es anfing zu regnen, dachte ich nicht einmal daran Unterschlupf zu suchen. Die Tropfen prasselten auf meinem Umhang, den ich zum Schutz über meinen Sachen trug. Kurz vergaß ich das Gefühl, welches mich stundenlang geplagt hatte. Ein Moment der Ruhe. Und dann ganz plötzlich fühlte ich es noch stärker als zuvor, doch ich versuchte es weiter zu ignorieren. Dann fiel mir etwas ins Auge. Eine Frau, kaum jünger als ich. Irgendetwas an ihr war besonders. Das Bild, dass sie abgab, verdrehte meine Sinne. Das rote Blut auf ihrem Körper, das grüne Gras unter ihr und ringsherum die verfallenen Häuser. Der Regen gab dem ganzen eine einzigartige Stimmung. Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als ich mich wieder rühren konnte. Ich sprang von dem Haus und landete lautlos. Desto näher ich kam desto stärker wurde auch das Gefühl. Ihre orangen Augen schienen zwar auf mich gerichtet zu sein, aber ihr Blick ging durch mich hindurch. Dann schlossen sich ihre Augenlider. Ich kniete mich neben sie. Ihr weißes Haar schimmerte unnatürlich in der Dunkelheit. Könnte ich nicht in der Nacht perfekt sehen, wäre mir nie aufgefallen wie schwer sie verletzt war. An ihrem Armen waren überall Schnitte und der Rest ihres Körpers war nicht weniger unversehrt. Ich entschied mich ihr Leben zu retten. In meinen Armen fühlte sie sich beunruhigend leicht an. Sie fror, also legte ich ihr meinen Umhang um. Schnell lief ich durch den Regen, immer darauf achtend niemand anzutreffen. Was würde man wohl denken, wenn man mich mit einer halbtoten Frau in den Armen auf der Straße sehen würde? Egal, ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Mittlerweile war es fast stockdunkel und selbst für mich wurde es langsam schwieriger alles zu erkennen. Den Weg zu meinem Versteck fand ich dennoch mühelos. Bevor ich es betrat, schaute ich mich genau um. Eine kleine Schutzmaßnahme um sicherzustellen, dass mir auch niemand gefolgt ist. Auch dieses Mal fand ich nichts, dass meine Aufmerksamkeit erforderte. Von außen sah mein Versteck aus wie eine Ruine, doch im Inneren wurde man vom Gegenteil überzeugt. Ich legte die Frau auf das Bett und suchte meinen Notfallkasten. Ich wusste nicht, ob ich ihr trauen kann, deshalb entschied ich mich meine Kräfte nicht zu benutzen, jedenfalls nicht um die Wunden vollständig verschwinden zu lassen. Schließlich fand ich, was ich gesucht hatte. Das Problem war, dass ihr Oberteil im Weg war. Ich lief rot an. Nein, so einfach ging das nicht oder doch? Ohne mich auch nur einen Millimeter zu bewegen, starrte ich sie an. Reiß dich zusammen Yuri. Wenn du das hier jetzt nicht machst, stirbt sie wahrscheinlich. Das Oberteil war so sehr zerrissen, dass man es eh nicht wieder angezogen hätte. Mit einem präzisen Schnitt zerteilte ich es so, dass man es wie Jacke ausziehen konnte. Vorsichtig richtete ich ihren Körper auf und zog ihr den Fetzen Stoff aus. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals hoch. Ich schüttelte mich und schaute mich jede einzelne Verletzung sorgfältig an und entschied mich, bei den Einstichen zu beginnen. Also streckte ich Mittel- und Zeigefinger zusammen aus und hielt sie knapp darüber. Sanftes grünes Licht schien mir aus den Fingern zu fließen und unter ihnen schloss sich die Wunde. Das gleiche machte ich auch bei den anderen Einstichen und Schnitten. So sah es aus, als hätten sie sich auf natürlichem Weg geschlossen. Und was mache ich mit ihr, wenn sie aufwacht? Ich kann ihr ja nicht einfach sagen, dass sie verschwinden soll. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als sie eine Weile bei mir wohnen zu lassen. Ich stand auf. Wenn sie aufwacht, sollte sie besser etwas anhaben, sonst werde ich womöglich noch als Perverser abgestempelt. Ich kramte durch die wenigen Klamotten, die ich hier im Versteck besaß. Und wer hätte es gedacht, natürlich fand ich nichts, was ihr auch nur annähernd zu passen schien. Was jetzt? Sie könnte jeden Moment aufwachen und wäre dann noch immer halbnackt auf dem Bett. Mein Herz begann zu rasen. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie sie dann darauf reagieren würde. Denk nach, denk nach, denk nach! Dann kam mir ein Geistesblitz. Unter den anderen Klamotten lag noch ein anderes Kleidungsstück. Schnell holte ich es heraus. Es war ein lilanes Hemd. Yuto hatte mir es vor langer Zeit mal geschenkt. Ich finde ja, dass es mir gar nicht wirklich steht und deshalb hatte ich es noch nie angehabt. Vorsichtig zog ich es ihr an. Ich hatte Recht, ihr stand es wirklich sehr viel besser. Ich wollte gerade den letzten Knopf zu machen, als sie sich plötzlich bewegte und etwas unverständliches sagte. Erschrocken wich ich zurück. Hastig schnappte ich mir den nächsten Stuhl und setzte mich. Ob sie bemerkt hatte, dass ich gerade nur wenige Millimeter von ihr entfernt gewesen war um diesen Knopf zu schließen? Anscheinend nicht, nochmal Glück gehabt. Schläfrig schaute sie sich um. „Wo bin ich? Ist das hier das Leben nach dem Tod?“ „Für mich siehst du noch recht lebendig aus. Naja hätte ich dich nicht gefunden, wärst du jetzt sicherlich wirklich tot.“ „Pah ich hab nicht um deine Hilfe gebeten.“, sagte sie schnippisch und richtete sich auf. „Hey du solltest dich vielleicht noch nicht so ruckartig bewegen. Deine Verletzungen waren ziemlich ernst.“ Sie blinzelte kurz und schaute dann erschrocken an sich herunter. Dann lief sie rot an. „Sag mal spinnst du!?“ Genau das hatte ich befürchtet. „Hör mir bitte zu. Ich musste dir das Oberteil ausziehen, weil ich deine Verletzungen sonst nicht richtig behandeln konnte.“ „Ja klar doch. Warte ich hab's. Du willst dich bei mir einschmeicheln, damit ich dir sage, warum ich so komisch bin.“ Sie stand auf und lief in Richtung Ausgang. „Warte! Ich hab wirklich nicht...“ „Lass es einfach! Du bist doch nur einer wie die anderen! Lass mich einfach in Ruhe! Und denk nicht mal dran mir zu folgen!“ Und weg war sie. Ich schaute ihr hinterher. Ihr silbernes Haar wehte sacht im Wind. Mit so einer Reaktion hatte ich überhaupt nicht gerechnet. War das der Dank dafür, dass ich ihr Leben gerettet hatte? Und was meint sie mit komisch? Für mich sah sie aus wie eine ganz normale junge Frau. Oh man, sind eigentlich alle Frauen so schwer wie die hier? Hoffentlich nicht. Fakt ist, dass ich sie nicht einfach gehen lassen konnte. Wenn ihr so was nochmal passiert, habe ich keine Lust sie nochmal zusammen zu flicken. Dennoch gefällt mir ihre Art irgendwie. Schon von diesen wenigen Momenten konnte ich kurz in sie blicken. Sie lebt lieber allein, darum war sie auch mir gegenüber so feindlich. Und dann was ich am aller interessantesten finde: Diese besondere Aura, die sie umgibt. Ja, sie hat eindeutig ein großes Geheimnis. Ihre Augen, die so wütend schauten, riefen innerlich eigentlich nur nach Hilfe. Ich frage mich, was es sein könnte. Ich bin mir sicher, dass es ihr Leben total auf den Kopf gestellt haben muss. Warme Sonnenstrahlen rissen mich aus meinen Gedanken. Die Sonne war bereits aufgegangen und läutete den neuen Tag ein. Ich musste automatisch lächeln. Mit einem Satz war ich auf den Dächern, bereit ihr bis in die Unendlichkeit zu folgen. Ich hatte definitiv jemand besonderes gefunden. Das sagten mir nicht nur meine Sinne, sondern auch meine Seele. 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