Konvergenzstreben von Valenfield ================================================================================ Prolog: #0 - Vom Pläne Schmieden -------------------------------- Im Nachhinein betrachtet war „Wahnsinn, Bokuto-san“ eventuell nicht die ideale Art und Weise gewesen, auf die um sechs Wochen verspätete, inzwischen fast unerwartete Sprachnachricht zu antworten, die Keiji am Samstagmorgen bekommen hatte. Mal ganz davon abgesehen, dass diese ihm eigentlich nur mitgeteilt hatte, dass besagter Bokuto auch in seinem Volleyball-Club der Universität das Ass und der Beste! Hey, hey, hey!! war. Problematisch war nicht etwa, dass Keiji vermutete, Bokuto könnte ihm böse sein und es sarkastisch auffassen – Sarkasmus war nämlich eine Sprache, der der naive Wirbelwind kaum mächtig war. Aber zwei Tage später ließ ihn dennoch nicht der Gedanke los, dass er etwas anderes hätte antworten sollen. Irgendetwas, was dazu geführt hätte, wieder regelmäßige Nachrichten zu bekommen. Denn auch wenn er eigentlich den Plan gehabt hatte, zu warten, bis Bokuto selbstständig begriff, dass er sich gerne weiterhin jeden Morgen melden konnte, auch wenn sie sich nicht mehr täglich sahen, kam Keiji so langsam aber sicher der Gedanke, dass er darauf auch noch die nächsten zwölf Jahre warten könnte. Er musste sich also irgendetwas überlegen, um seinen Wunsch subtil genug anzudeuten, dass er nicht verzweifelt klang, aber eindeutig genug, dass auch ein Einfaltspinsel wie Bokuto es verstand. Für jeden, der Keiji kannte, wäre es wahrscheinlich ein Bild für die Götter gewesen, wie er leicht vornüber gebeugt an seinem bis auf zwei Bücher akkurat aufgeräumten Schreibtisch saß und förmlich Löcher in sein Smartphone starrte. Es schien fast, als erhoffe er sich dadurch Hilfe von dem Gerät. Einen grandiosen Tipp, was er schreiben sollte. Das hauptsächliche Problem an der Sache war, dass er sich zwar deutlich ausdrücken musste, damit Bokuto begriff, was er von ihm wollte, gleichzeitig aber auch niemand war, der mit seinen Gedanken und Gefühlen ins Haus fiel. Und dass Bokuto wochenlang jedem davon erzählte, wie sehr Keiji seinen Helden, den er schon zu ihrer Zeit auf der Fukuroudani Akademie vergöttert hat vermisst hatte, war ein Szenario, auf das er gleichermaßen verzichten konnte wie wollte. Entschlossen legte er sein Smartphone zur Seite und reichte nach einem Notizblock. Er musste diese ganze Sache anders angehen. Inzwischen glaubte er, so gut wie jede von Bokutos Schwächen zu kennen. Dementsprechend sollte es auch keine große Schwierigkeit sein, seinen Charakter genügend zu analysieren, um die ideale Nachricht zu erstellen. Eine, die seinen eigenen Wunsch nach morgendlichen Begrüßungen erfüllte, ohne dass er sich jegliche Form von Blöße geben musste. Schließlich war Keiji ein ziemlich intelligenter Mensch und hatte wenig Probleme damit, andere zu berechnen. Eines sollte ihm jedoch noch einmal schmerzlicher klar werden, als je zuvor: Bokutos Dummheit kannte manchmal wirklich keine Grenzen. Und es stand Keiji noch bevor, von dieser Tatsache brutal erschlagen zu werden. Kapitel 1: #1|3|5 - Von Noten, Notizen und Novellen --------------------------------------------------- Der Plan war fürchterlich simpel. So simpel, dass Keiji vermutete, dass er auffliegen könnte. Gleichzeitig war er allerdings fest davon überzeugt, dass sogar Bokuto irgendwie anbeißen musste. Und das, wenn möglich, ohne Wind davon zu bekommen, auf was Keiji eigentlich aus war. Er würde Bokuto jeden zweiten Tag eine Nachricht schicken und bei jeder Weiteren hoffen, dass sie genügte, um ein sanftes Klicken in dessen Kopf zu verursachen, das ihn dazu brachte, sich wieder so zu benehmen, wie früher. Es war ein ruhiger, völlig entspannter Sonntagvormittag und Keiji hatte bereits gefrühstückt, sich mit seinen Schularbeiten auseinandergesetzt und sicher gestellt, dass er genügend frische Kleidung für die kommende Woche hatte. Sein Alltag war vollkommen durchgeplant, und so gesehen wusste er nicht, ob er das als gut empfand, denn nun hatte er keine Ausrede mehr, nicht den ersten Punkt auf seiner Liste abzuarbeiten.   #1 – Die Noten thematisieren   Zwar war Bokuto niemand, den die Schule und Lernen allgemein wirklich besonders zu interessieren schienen, aber nun ging er auf eine Universität. Folglich lag selbst ihm hoffentlich genug an seinen Erfolgen in den einzelnen Fächern, dass er Keiji durch einen kleinen Anstupser wieder über seine doch eher mittelmäßigen Noten – über deren Durchschnittlichkeit er aber hinwegblickte, denn schließlich war er der Allerbeste!! – bis ins kleinste Detail berichten würde. Beinahe ein wenig nervös griff Keiji also zu seinem Smartphone, dass er seit der Ideenflaute am Vorabend nicht mehr angerührt hatte, und tippte mit kaum erkennbar geröteter Nasenspitze eine Nachricht, von der er bei sich selbst niemals gewagt hätte, sie auch nur zu denken.   Du hast dich noch kein Mal über die Notengebung beschwert, Bokuto-san.   Die Intention war offensichtlich: Wenn Bokuto sich über die Noten beschwerte, hieß das natürlich, dass er mehr Nachrichten senden würde. Völlig simpel. Zwar hatte er nicht geglaubt, besonders lange auf eine Antwort warten zu müssen, war aber dennoch durchaus erstaunt, als weniger als eine Minute darauf ein kurzer Ton signalisierte, dass eine Nachricht eingegangen war. In jedem anderen Falle hätte er vielleicht darüber die Augen verdreht, eine Sprachnachricht zurückzubekommen, aber in diesem speziellen Falle war das vielleicht besser so. Alleine der Gedanke an die orthografische Folter der Chatverläufe von Kuroo und Bokuto, welche Letzterer ihm hin und wieder – viel zu oft für Keijis Geschmack – gezeigt hatte, ließ ihm beinahe schwindelig werden. Nein, bei Bokuto war es wirklich besser, wenn man eine Sprachnachricht bekam, denn dann verstand man auch wirklich, was er einem mitteilen wollte – auch wenn Keiji inzwischen auch dazu in der Lage war, Bokutos oftmals falsche Kanji richtig einzuordnen. Er wagte es, auf den Abspielknopf zu drücken, und ließ sich von derart herrlicher Naivität berieseln, dass es ihm ein dünnes Schmunzeln auf die Lippen zauberte.   „Nicht nötig, schließlich bin ich ja der Beste. Hey, hey, hey!!“   Wieso hatte er noch gleich gehofft, dass dieser Versuch auch nur ansatzweise eine Chance hatte, Erfolg zu erzielen? Aber noch war er nicht bereit, seine erste Nachricht als vergebens abzutun. Frühestens am nächsten Abend würde er beurteilen können, ob die Nachricht ausreichte, um Bokuto wachzurütteln.   #3 – Über die Uni sprechen   Leider wurde es weitaus schneller Montagabend und schließlich auch Dienstagmorgen, als Keiji sich eingestehen wollte. Leicht enttäuscht musste er feststellen, dass seine Andeutung wohl um Einiges zu subtil gewesen war, aber das hieß nicht, dass er aufgab. Andererseits bedeutete es genauso wenig, dass ihm die Sache inzwischen angenehmer war, weswegen er zum ersten Mal, seit er denken konnte, beinahe zu spät zum Unterricht gekommen wäre. Nun, zum ersten Mal seit dieser einen kaum erwähnenswerten Geschichte, bei der er Bokuto kurz vor Unterrichtsbeginn noch einen Mathematikcrashkurs hatte geben müssen, der aber offen gesagt ohnehin ein Tropfen auf dem heißen Stein gewesen war. Denn die zweite Nachricht, die beinahe noch banaler und sinnloser war als die Erste, hatte ihm eine Menge Überwindung abverlangt und ihn die Zeit vergessen lassen.   Die Notizen bezüglich deiner Wahlfächer liegen noch bei mir, Bokuto-san.   Er entschied sich dagegen, im Unterricht einen Seitenblick auf sein Handy zu riskieren, denn dann würde er sofort antworten wollen, egal, was Bokuto nun gesagt hatte. Und das war absolut nicht Teil des Plans. Mal davon abgesehen, dass er keine Möglichkeit haben würde, die Nachricht anzuhören. Deswegen wartete er geduldig bis zum Ende der Stunde und verließ das Klassenzimmer dann derart zügig, dass einige seiner Mitschüler ihm einen verwunderten Blick zuwarfen, den er nur noch aus dem Augenwinkel bemerkte. Seine Aufmerksamkeit galt nämlich schon der Nachricht, die er nun abhörte.   „Akaashi!! Wann soll ich denn so eine Liste gemacht haben?!“   Dabei klang Bokuto derart belustigt, dass es den Anschein erweckte, als sei er auf seine grenzenlose Faulheit – zumindest, was das Lernen betraf – tatsächlich auch noch stolz. Wenn man es ganz genau betrachtete, stimmte es allerdings, dass er diese Liste nie angefertigt hatte. Genau genommen hatte er halb-bewundernd und halb-schlafend daneben gesessen, während Keiji sich die Mühe gemacht hatte, im Internet und in Büchern alles Nützliche über Bokutos Wahlfächer zu recherchieren. Ob er damals gehofft hatte, dass Bokuto sich die Notizen zu Herzen nehmen und sie als eine Art Lernanker nutzen würde, konnte Keiji im Nachhinein nicht mehr sagen, auch wenn er in aller Ehrlichkeit vermutete, dass er es einfach als Möglichkeit ausgenutzt hatte, sich zusammen mit Bokuto mit etwas Anderem als immer nur Volleyball zu beschäftigen. Nicht, dass er das zwangsläufig laut aussprechen würde. Tatsache war in diesem Moment nur, dass auch sein zweiter Versuch nicht wirkte, als würde er auf Erfolg hinzielen. Und eine weitere Nachricht zu schicken, in der er erklärte, dass er selbst die Liste angefertigt hatte, wäre nicht nur gegen seine eigenen Spielregeln, sondern würde darüber hinaus auch noch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf das Szenario hinauslaufen, in dem Bokuto sich vor seinen neuen Freunden als Keijis Held und Epitom der Göttlichkeit darstellte. Für den Moment blieb ihm also nur, abzuwarten, ob sich irgendetwas ändern würde, und spätestens am Donnerstag zu seinem dritten Punkt auf der Liste zu greifen.   #5 – Den Ehrgeiz wecken   Zu seiner eher geringen Verwunderung kam auch der Donnerstag schneller, als ihm lieb war. Doch dieses Mal war er wenigstens darauf vorbereitet, seine Nachricht so zügig abzuschicken, dass es ihm nicht beinahe Ärger mit dem Dekan einbringen würde, indem er wieder gerade so pünktlich kam.   Der jährliche Novellen-Wettbewerb beginnt bald wieder, Bokuto-san.   Es war eigentlich ein Wettbewerb für etwas jüngere Schüler, ungefähr im Alter derer, die gerade erst neu auf die Oberschule gingen. Aber da Bokuto literarisch – und auch sonst geistig – manchmal ohnehin auf dem Level eines Fünfjährigen war, glaubte Keiji nicht, dass das ein großes Problem darstellen würde. Dieses Mal musste er etwas länger auf die Antwort warten. Genau genommen so lange, dass er vorher die erste Unterrichtsstunde hinter sich gebracht hatte, aber vielleicht bedeutete das ja, dass Bokuto sich ausnahmsweise ein paar Gedanken darum gemacht hatte, was er antwortete?   „Ich reiche einfach meine Geschichte vom letzten Mal ein, hey, hey hey!!“   Mit Mühe und Not vermied Keiji es, seinen Kopf in die nächstbeste Zimmertür rasen zu lassen. Mal ganz davon abgesehen, dass es fürchterlich idiotisch war, einen Beitrag einreichen zu wollen, der schon im Vorjahr keine Chance gehabt hatte, glaubte Keiji nicht, dass darauf noch etwas folgen würde. Beinahe ein bisschen verzweifelt brachte er den Unterricht hinter sich, und hoffte ausnahmsweise, dass es schnell Samstag werden würde, damit er seinen Plan noch mal genauer durchgehen konnte. Irgendwo schien er einen gravierenden Fehler gemacht, irgendeine Variable nicht mit einberechnet zu haben. Selbstverständlich war ihm innerhalb von mehr als zwei Jahren nicht entgangen, dass Bokuto sehr schwer von Begriff war, und zu ihm durchzudringen manchmal weitaus schwieriger sein konnte als den Aokigahara lebendig zu durchqueren. Aber damit konnte Keiji trotzdem nicht hinnehmen, nach fast einer Woche immer noch nicht mal den leisesten Hauch von Erfolg gehabt zu haben. Er akzeptierte es einfach nicht! Als er jedoch gerade auf die Sporthalle zusteuerte, um das Volleyballtraining einzuleiten – was nicht immer ganz einfach war, denn er hatte nicht mal einen Bruchteil von Bokutos Talent, Leute zu motivieren – verkündete ihm sein Smartphone, dass er noch eine weitere Nachricht bekommen hatte, und er war sich ziemlich sicher, von wem die stammte, hielt also noch mal inne.   „Akaashi!! Diese Bibliothek ist sooo langweilig!“   Er hörte die Nachricht zwei mal ab, bevor er glaubte, dass er sie bekommen hatte, und schmunzelte dann über seinen eigenen Erfolg. Eventuell war der Plan in seiner aktuellen Form also doch noch nicht zum Scheitern verurteilt. Leider spiegelte die Sprachnachricht erschreckend genau Bokutos Intelligenz wieder, denn Keiji zweifelte keine Sekunde daran, dass die Worte mitten in besagter Bibliothek durch den Raum gebrüllt worden waren.   Riskiere lieber nicht dein Handy, Bokuto-san. Sonst wird dir noch langweiliger.   Als er nicht innerhalb von einer Minute eine Antwort bekam, schloss er für einen Moment seufzend die Augen. Das war nun wirklich der ungünstigste Zeitpunkt für so etwas gewesen. Zum ersten Mal, seit er seinen Plan in die Tat umzusetzen begonnen hatte, verfluchte Keiji sich dafür, nicht einfach mit der Tür ins Haus geplatzt zu sein. Andererseits würde Bokuto sein Handy schon irgendwann wiederbekommen, und bis dahin hätte Keiji genügend Zeit, an seiner Strategie zu feilen, um endlich Früchte von dieser Aktion zu tragen. Schließlich musste er lediglich dafür sorgen, dass seine Nachrichten absolut idiotensicher dafür sorgten, dass Bokuto begriff, was Keiji von ihm wollte. Und er dachte nicht im Traum daran, einfach aufzugeben. Kapitel 2: #7|9|10 – Von Springbrunnen, Stränden und Sporthallen ---------------------------------------------------------------- Nachdem Keiji am späten Freitagabend eine mehr als beleidigt klingende, aber sehr kurze Sprachnachricht darüber erhalten hatte, dass Bokuto sein Handy weggenommen worden war, was furchtbar und unerträglich gewesen zu sein schien, auch wenn es nicht mal zwei Tage angehalten hatte, war er beinahe für einen Moment hoffnungsvoll gewesen. Es war eine Nachricht gewesen, die er auf keine Weise hatte initiieren müssen – in jedem Falle ein Fortschritt. Leider war seine Antwort - „In der Bibliothek schreit man nicht“ - auf taube Ohren gestoßen und so lag es am frühen Samstagvormittag wieder an ihm, einen Punkt seiner Liste abzuhaken.   #7 – Auf alte Gewohnheiten hinweisen   Der Springbrunnen ist nicht mehr abgeriegelt, Bokuto-san.   Es war ihm schon vor etwa eineinhalb Wochen aufgefallen, aber zuerst hatte er es für nicht erwähnenswert gehalten. Die Rede war von einem Springbrunnen auf dem Weg zwischen der Fukuroudani Akademie und Bokutos Lieblings-Imbiss, an dem sie zusammen bereits unzählige Male vorbeigekommen waren. Vor ein paar Monaten war der Brunnen aber wegen Restaurationsarbeiten abgesperrt worden, was für Bokuto natürlich ein fürchterliches Desaster gewesen war, denn irgendwo anders zu sitzen als direkt am kühlen Wasser, war für ihn nicht in Frage gekommen. Prinzipiell war diese Information absolut unnütz, allerdings hatte Bokuto steif und fest behauptet, der Brunnen würde für immer!! so bleiben, und auf Keijis Einwand, dass das keinen Sinn ergab, erwidert, dass er das erst noch beweisen müsse. Vorsorglich hatte er deswegen natürlich ein Foto gemacht, was er nun hinterherschickte, bevor Bokuto auf die Idee kam, ihm zu antworten, dass er das nicht glaubte. Wie erwartet erhielt er nur wenige Sekunden später eine Antwort.   „Dann müssen wir da bald wieder hin, hey, hey, hey!!“   Schmunzelnd legte Keiji sein Handy zur Seite und beschloss, sich um seine Schulaufgaben zu kümmern. Wenn er Bokuto jetzt sagen würde, dass er ein wenig zu weit weg war, um spontan vorbeizukommen, um in seinen Lieblings-Imbiss zu gehen, würde er ihn damit wahrscheinlich nur dazu bringen, es gerade deswegen zu tun, und dafür wollte er nicht die Verantwortung tragen. Andererseits kam er nicht drum herum, beinahe ein wenig hoffnungsvoll zu dem blinkenden Bildschirm herüberzublicken, als er noch eine Nachricht bekam. Manchmal war es ein Segen, dass er niemand war, mit dem die Leute den ganzen Tag Gespräche führen wollten – so wusste er meist gleich, wer ihn gerade kontaktiert hatte.   „Akaashi! Wann spielen wir wieder zusammen?“   Verwirrt blinzelte Keiji, denn die Nachricht kam irgendwie aus dem Nichts – er hatte nicht damit gerechnet und war unsicher, was er darauf antworten sollte. Technisch gesehen hatte die Frage nichts mit seinem eigens aufgestellten, zugegeben recht albernen Spiel zu tun, in dessen Verlauf er sich vorgenommen hatte, nicht mehr als eine Nachricht pro Tag zu schreiben, also sprach nichts dagegen, etwas zu erwidern.   Wenn es die Zeit zulässt, Bokuto-san?   „Bei dir lässt die Zeit nie etwas zu, Akaashi!“   Das...war gar nicht so weit hergeholt, denn tatsächlich war es meist Keiji gewesen, der abgelehnt hatte, auf irgendwelche Straßenfeste mitzugehen oder bis spät in die Nacht Volleyball zu spielen, selbst vor einem Wochenende. Während Ersteres daran lag, dass er kein großartiger Freund von Menschenaufläufen war, hatte Letzteres eher damit zusammengehangen, dass er gern Volleyball spielte, aber nach einigen Stunden nicht mehr die gleiche Motivation aufbringen konnte wie Bokuto – abgesehen davon, dass es mit vorangehender Zeit immer schwieriger wurde, dessen Gefühlsschwankungen zu regulieren, selbst wenn es nur beim Training war. Nun ließ sich jedoch nicht leugnen, dass er sich öfters die Zeit zurückwünschte, zu der sie beide gemeinsam zur Schule gegangen waren. Bokuto hatte dafür gesorgt, dass Keiji Volleyball noch mehr mochte als vorher, hatte geredet und geredet, aber selten ernsthaft eine Antwort erwartet. Er war eine Konstante gewesen. Nervtötend? Ja. Und dennoch immer da, sollte man wirklich einmal jemanden brauchen, der einen aufmunterte. Seine gute Laune war, wenn auch oftmals schwer zu ertragen, gleichzeitig ansteckend gewesen. Im Gegenzug hatte Keiji als Bokutos Ruhepol fungiert, kannte alle seine Schwächen, wusste, wie man ihn in schlechten Zeiten aufmuntern und motivieren konnte, und war zumeist derjenige gewesen, der sich bei ihren Mitmenschen rechtfertigen musste, wenn Bokuto sie beide in eine unangenehme Situation gebracht hatte. Und dennoch hatte es ihn nie gestört.   Ich schätze, ich kann ein freies Wochenende einrichten.   „Natürlich, schließlich bin ich der große Bokuto! Hey, hey, hey!!“   #9 – Pläne schmieden   Es hatte Keiji sehr viel Selbstbeherrschung gekostet, nicht weiter auf das Gespräch von vor zwei Tagen einzugehen, aber erneut wollte er nicht derart verzweifelt wirken, dass Bokuto irgendwo damit angab, sein Held zu sein. Und selbst ihm würde auffallen, wenn Keiji ungewöhnlich viele Nachrichten schrieb, und das auch noch, ohne dazwischen Zeit vergehen zu lassen. Am Montag wartete er bis nachmittags, bevor er seine Nachricht schrieb, da er sich ziemlich sicher war, dass darauf ein Gespräch folgen würde, und er keine Lust hatte, dass dieses vom Unterricht unterbrochen wurde. Das Volleyballteam hatte heute nur ein kurzes Training gehabt, da einige der Mitglieder des ersten Jahres verhindert waren, und Keiji offen gesagt nicht glaubte, dass es viel Sinn ergab, gerade zu Beginn des Jahres ohne sie zu spielen, wenn sie ernsthaft integriert werden sollten. Als er allerdings auf sein Handy sah, durfte er feststellen, dass Bokuto ihm ausnahmsweise zuvorgekommen war und eine Sprachnachricht geschickt hatte. Keiji schmunzelte. Die Erfolge wurden größer.   „Der Strand, Akaashi!! Der Strand!“   Was ist damit, Bokuto-san?   „Da gehen wir hin, wenn du Zeit hast!“   Unsicher zog er eine Augenbraue hoch. Das Wetter versprach, noch lange gut zu bleiben, was bedeutete, dass sie insbesondere am Wochenende unnötig viele Menschen am Strand antreffen würden. Andererseits wusste er ganz genau, wie Bokuto reagieren würde, wenn er ihm einen so eindringlichen Wunsch einfach abschlug. Er hatte also zwei Möglichkeiten. Entweder, er sagte zu, und sah über die Tatsache, dass ihnen beim Beachvolleyball – zu dem Bokuto ihn nötigen würde – kleine Kinder dazwischen hüpfen, Bokuto sich wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen und Keiji die Sache ausbaden dürfen würde, geflissentlich hinweg, oder aber, er wagte es, sich zu weigern und etwas anderes vorzuschlagen, in dem absoluten Wissen, dass Bokuto beleidigt sein und eine Woche nicht mit ihm sprechen würde, selbst wenn Keiji ihn jeden Tag mit zweihundert Nachrichten bombardierte – was er ohnehin niemals tun würde. Er seufzte und entschied sich für die Alternative, die ihm zum aktuellen Zeitpunkt weniger problematisch schien.   Sicher, Bokuto-san. Ich gebe dir Bescheid, wenn es sich einrichten lässt.   „Am besten bald, Akaashi!!“   Darauf schrieb er nichts mehr, wissend, dass ihre Auffassung von bald gewaltig auseinanderging. Für Bokuto hieß das meistens so etwas wie jetzt sofort, für Keiji eher vielleicht in zwei, drei Wochen. Dennoch musste er zugeben, sich beinahe darauf zu freuen, dass ihn wieder jemand zwei volle Tage derart penetrant zutexten würde, dass er sonntagabends seelenruhig ins Bett fallen konnte, in dem Wissen, für die nächsten acht Stunden keinen Ton hören zu müssen. Es war eine eigenartige Form von Glückseligkeit, aber es war eine.   #10 – Gemeinsame Leidenschaften aufgreifen   Die Sporthalle war, bis auf Keiji selbst, menschenleer, und eigentlich hatte er sich nur vergewissern wollen, dass er sie tatsächlich abgeschlossen hatte, um sich dann auf den Heimweg zu machen. Es war Dienstagabend und sie hatten länger trainiert als an irgendeinem anderen Tag des bisherigen Schuljahres. Früher hätte Keiji das nicht gestört. Aber früher wäre auch Bokuto dabei gewesen, der es nicht zuließ, dass man vor Eintritt der absoluten Dunkelheit seine Motivation verlor. Was Keiji dazu gebracht hatte, die Halle doch noch einmal zu betreten, hätte er nicht sagen können, aber nun saß er hier, am Rand der Mittellinie, wo normalerweise das Netz enden würde, und starrte förmlich ein Loch in sein Handy. Ihm war schon in den letzten Wochen aufgefallen, was er nach dem heutigen Training nicht mehr leugnen konnte, aber es fiel ihm schwerer als anderen Menschen, es zuzugeben. Zu behaupten, er hätte vergessen, dass noch keine zwei Tage seit seiner letzten Nachricht vergangen waren, wäre eine Lüge, aber wer könnte ihm bei seinem eigens erdachten Spiel schon einen Vorwurf machen? Ohne dich ist die Sporthalle ziemlich einsam, Bokuto-san.   „Du glaubst mir ja nicht, dass wir wieder zusammen Volleyball spielen sollten!“   Warum denkst du, dass ich das nicht glaube?   „Du hast dir immer noch keine Zeit für mich genommen, Akaashi!“   In Anbetracht der Umstände, dass Bokuto sich sechs Wochen lang nicht bei ihm gemeldet hatte, hielt Keiji diese Aussage für durchaus überholt, schließlich hatten sie gerade einmal vor zwei Tagen ausgemacht, an einem freien Wochenende zum Strand zu gehen. Normalerweise wüsste er es besser, als darauf hinzuweisen, aber heute war ihm nicht danach, seine eigenen Regeln einzuhalten.   Wir hatten sechs Wochen keinen Kontakt.   „Siehst du? Sechs Wochen hattest du keine Zeit für mich, den großen, besten Bokuto!“   Du hast dich nicht gemeldet.   „Du hast dich noch viel mehr nicht gemeldet!“   Er gab auf. Bokuto zu erklären, dass es nicht das Gleiche war, wenn Keiji sich meldete, weil er selbst nicht die gleiche Begeisterung aufbringen konnte, wenn er ein Gespräch initiierte, war völlig hoffnungslos. Im Kern war die Aussage natürlich korrekt, aber während er zu Beginn geglaubt hatte, dass es nicht lange dauern könnte, bis Bokuto sich wieder meldete, hatte er irgendwann ehrlich gesagt stumm akzeptiert, dass wohl selbst ihr energiegeladenes ehemaliges Ass an der Universität nicht mehr genügend Zeit hatte, sich regelmäßig zu melden. Statt also irgendeine Erklärung aufzubringen, die Sinn ergeben hätte, beschloss Keiji, das zu tun, was bei Bokuto immer funktionierte – auf sein Ego anspielen.   Ich dachte, damit würde ich dir den Erfolg nehmen, dich zuerst zu melden.   Nichts. Eine Minute, zwei. Hatte er sich zu weit auf die Metaebene gewagt und Bokuto verwirrt? Es war entweder das – was dazu führen würde, dass er vom Thema ablenkte und urplötzlich über etwas Anderes zu sprechen begann – oder er schmollte darüber, seinen eigenen Erfolg selbst so lange hinausgezögert zu haben. Keiji überlegte, wie er das Ruder herumreißen und das Gespräch in eine andere Richtung lenken könnte, als sein Handy erneut eine Nachricht ankündigte.   „Akaashi! Das Essen hier ist nicht halb so gut wie in der Schulmensa!“   Definitiv verwirrt. Er schmunzelte und machte sich endgültig auf den Weg, die Sporthalle zu verlassen, denn schließlich würde er morgen früh fit sein müssen. Es gab nichts, was er auf diese inhaltslose Aussage erwidern könnte, um ernsthaft das Gespräch aufrecht zu halten, also gab er Bokuto einfach das, was er lesen wollte.   Ich habe nächstes Wochenende Zeit, Bokuto-san.   „Hey, hey, hey!!“ Kapitel 3: #11|12|13 - Von Eigenheiten, Eulen und Erinnerungen -------------------------------------------------------------- #11 – Alte Angewohnheiten ansprechen   Es war Mittwochvormittag, als Keiji endgültig beschloss, seine 'Zwei-Tage-Regel' über Bord zu werfen. Für gewöhnlich war er ein sehr geduldiger Mensch, andererseits war es derart normal für ihn geworden, außerhalb von Unterrichts- und Schlafenszeit keine ruhige Minute zu bekommen, dass es inzwischen beinahe unangenehm für ihn war, wenn zu lange niemand da war, der mit ihm redete. Alles in allem kam er dadurch zu dem Schluss, dass es sicherlich in Ordnung wäre, sich einmal täglich zu melden, zumal es hierbei um Bokuto ging, der wahrscheinlich wenige Minuten nach Nachrichteneingang schon wieder vergessen würde, eine bekommen zu haben.   Du solltest dir notieren, dass wir uns nächstes Wochenende treffen.   „Das kann ich mir problemlos merken!“   Du kannst dir gerade so deinen eigenen Geburtstag merken, Bokuto-san.   „Den muss ich mir nicht merken, schließlich erinnerst du mich daran, hey, hey, hey!!“   Das war auf der einen Seite zwar eine ziemlich dümmliche Aussage, entsprach andererseits aber der Wahrheit und erinnerte Keiji daran, dass Konoha einmal völlig fassungslos festgestellt hatte, dass Bokutos Dummheit, wenn man sie einfach nur aus einem anderen Blickwinkel betrachtete, manchmal ziemlich genial und clever war. Er gluckste kaum hörbar, bevor er antwortete.   Ich habe es mir auch notiert.   „Die Menge deiner Notizbücher reicht für eine Lebzeit, Akaashi!“   Da du täglich mindestens eines verlegen würdest, bezweifle ich das, Bokuto-san.   „Akaashi!! ...Das kannst du überhaupt nicht beweisen!“   In Wahrheit könnte er das sehr wohl, indem er Bokuto einfach ein Notizbuch zum Geburtstag schenkte und sich am nächsten Tag danach erkundigte, aber er sparte sich den Aufwand, weil es keinen sonderlichen Zweck erfüllte. Stattdessen beschloss er, es für den Moment dabei zu lassen und sich auf den Rückweg zu seinem Klassenraum zu machen. In spätestens anderthalb Wochen, wenn sie sich sahen, würde Keiji dieses Desaster aufklären. Zwar hoffte er immer noch, dass Bokuto vorher begriff, jedoch packten ihn so langsam aber sicher die ersten Zweifel darüber. Sich nicht über die Flut an Nachrichten – und das war es, wenn man überlegte, dass sie von Keiji kamen – zu wundern, grenzte an ein Ding der Unmöglichkeit, und jeder andere hätte sich längst erkundigt, ob bei ihm alles in Ordnung war. Anderthalb Wochen, bis selbst dieser naive Dorftrottel verstehen musste, was hier vorging. Oder, wie Keiji seufzend feststellte, auch nicht. Schließlich ging es hier um Bokuto.   #12 – Schein-Komplimente machen   Es war bereits später Abend, als Keiji sich am Donnerstag mit einem Snack in den Händen auf den Heimweg machte. Die ältere Dame im Laden hatte beinahe enttäuscht ausgesehen, dass er alleine unterwegs gewesen war, und vielleicht noch enttäuschter, dass er sich fast zwei Monate lang nicht mehr bei ihr hatte blicken lassen, um eines seiner Lieblings-Onigiri zu verspeisen. Aber irgendwie war es Keiji ohne Bokuto bisher nicht in den Sinn gekommen, sich die Mühe zu machen, irgendwo anzuhalten, statt gleich zuhause zu essen.   Die ältere Frau im Eckladen hat gefragt, wo ich meine Eule verloren habe.   „Woah, du hast eine Eule, Akaashi? Das hast du mir nie erzählt!“   Sie meinte dich.   Eine längere Pause trat an, als überlege Bokuto, wie er darauf antworten könnte, ohne sich Blöße geben zu müssen. Keiji war überzeugt davon, dass ihm nichts einfallen würde.   „Sie weiß wenigstens, was sie an mir hatte. Hey, hey hey!!“   Ein paar hundert Yen alle paar Tage? Beeindruckend, Bokuto-san.   „So ist es, Akaashi! Ich bin eben einfach der Beste!“   Ja, genau das musste es sein, dachte Keiji sich und ließ sein Handy wieder in seine Schultasche fallen. Wie sonst würde sich auch erklären, dass seine Zeit derart dominant davon beherrscht wurde, diesem aufgedrehten Idioten klarzumachen, dass… Vielleicht sollte Keiji sich einfach nur deutlicher darüber ausdrücken, dass er ihre gemeinsame Zeit vermisste. Das wäre idiotensicher.   #13 – In Erinnerungen schwelgen   Als Keiji am Freitag nach dem Training sein Handy in der Hand drehte, wurde ihm zum ersten Mal bewusst, dass er nun schon fast zwei Wochen völlig erfolglos damit verbracht hatte, irgendwie zu versuchen, halbwegs eindeutig, aber nicht zu verzweifelt zu Bokuto durchzudringen. Offen gesagt hatte er sich das Ganze doch etwas einfacher vorgestellt, und so langsam gingen ihm die Anhaltspunkte auf seinem Notizzettel aus. Erneut, als würde es sich bald in eine Art Ritual verwandeln, saß er in der Sporthalle und starrte förmlich Löcher in die Wände. Einige der Erstklässler hatten ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei, als er abgewinkt hatte, sich auf den Heimweg zu machen, aber niemand hatte darauf bestanden, mit ihm zu bleiben.   Früher war alles hier lebendiger, Bokuto-san.   Technisch gesehen hatte er das schon einmal geschrieben, wenn auch in anderen Worten, aber das würde Bokuto ohnehin schon wieder vergessen haben. Davon abgesehen war es eine derart prominente Feststellung, dass er es als durchaus für mehrfach erwähnenswert hielt.   „Es war immer zu lebendig, huh?“   Es traf ihn wie ein unangenehmer Stich im Herzen, den er nicht beschreiben konnte. Bokuto war schlecht drauf, und auch wenn Keiji nicht wusste, woran das lag, ging er unverzüglich seine memorierte Schwächenliste durch und überlegte, was wohl vorgefallen sein könnte. Im Endeffekt empfand er es ausnahmsweise für sinnvoller, einfach nachzufragen, da zu raten ungefähr so schwierig wäre, wie eine Nadel im Heuhaufen zu finden.   Ist alles in Ordnung, Bokuto-san?   „Volleyball macht keinen Spaß mehr! Aber wenigstens seid ihr mich jetzt los!“   Das grenzte die Möglichkeiten ein, und Keiji ignorierte geflissentlich die negativen Emotionen, die ihm gegenüber Bokutos Teammitgliedern hochkommen wollten. Er wusste es besser; Bokuto war der anstrengendste Volleyballspieler, den er je kennengelernt hatte – abgesehen von Bokuto im Doppelpack mit Kuroo – aber in Topform eben auch einer der Besten. Man musste nur wissen, wie man ihn zu handeln hatte.   Bokuto-san, das stimmt doch gar nicht. Die Erstklässler waren schon ganz enttäuscht, nicht mit dem 'großen Bokuto' zusammenspielen zu können.   Eine lange Pause entstand, welche Keiji als Erfolg verbuchte, dann:   „Wirklich wahr? Haha, natürlich, schließlich bin ich ja der Beste!“   Das war erstaunlich unproblematisch gewesen, dachte er sich. So betrachtet stimmte es wahrscheinlich, dass niemand so gut mit Bokuto umzugehen wusste wie Keiji selbst, und er wusste, dass besonders die Zweit- und Drittklässler ihn schon damals, als er Teil des Teams geworden war, dafür respektiert hatten. Eine weitere Nachricht riss ihn jedoch aus seinen Gedanken.   „Ohne dich macht es trotzdem keinen Spaß, Akaashi! Wann spielen wir wieder zusammen?“   Eigentlich hatte er vorgehabt, erneut zu antworten, dass sie das dann tun würden, wenn es die Zeit zuließ – genau genommen also wohl nächstes Wochenende. Stattdessen saß er einfach nur da und blickte sich in der Sporthalle um. Sie hatten in den letzten Wochen jeden Schultag trainiert, bis auf einen Montag, aber ehrlich gesagt hatte er sich nicht wirklich die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, ob es Spaß machte. Es war eben etwas, was dazugehörte. Nun, da Bokuto es so ansprach, konnte er nicht leugnen, diese Gedanken nachvollziehen zu können. Auch wenn Keiji es definitiv nicht vermisste, mitten in wichtigen Spielen auf einmal Babysitter spielen und neben seiner Konzentration für das Spiel auch noch Bokutos Schwächenliste durchzugehen, analysieren und korrekt behandeln zu müssen, so war auch schon ihren Gegnern oftmals aufgefallen, dass Bokuto einfach ein Spieler war, der den Sport zu einer Leidenschaft werden ließ. Wie ein roter Faden, der sich durch beide Teams zog und ihnen allen den Antrieb gab, weiterzumachen. Würden sie jemals wieder ernsthaft zusammenspielen? Als ein Team, und nicht in einer nebensächlichen Runde Beachvolleyball gegen ein paar andere Strandbesucher, die sicherlich keine Chance gegen sie beide hätten? Ernüchtert stellte er fest, dass das eher unwahrscheinlich war. Sicher, sie spielten beide gerne, und es war ein signifikanter Teil ihres Lebens, aber sie hatten schließlich beide eine Zukunft vor sich, die Verpflichtungen mit sich brachte. Es war nicht einmal gesagt, ob sie irgendwann wieder die Zeit haben würden, sie regelmäßig miteinander zu verbringen, von irgendwelchen Sportleidenschaften ganz abgesehen. Keiji schluckte einen Anflug von Bitterkeit herunter, bevor er die Sporthalle verließ und sich auf den Heimweg machte. Erst, als er mehrere Stunden später im Bett lag, nahm er sich die Zeit, zu antworten.   Ich weiß es nicht, Bokuto-san.   „Akaashi!! Du weißt immer alles. Wenn du es nicht weißt, wer dann?!“   Ich sage es dir, sobald ich eine Antwort habe.   Damit ließ er das Handy auf seinen Nachttisch sinken und würdigte es keines Blickes mehr, auch nicht, als es wenige Sekunden später wieder aufblinkte. Er hatte bereits vor Monaten gewusst, welche Veränderungen und Folgen Bokutos Abschluss mit sich ziehen würde, aber irgendwie hatte er sich nie genügend Gedanken darüber gemacht, was das eigentlich bedeutete. Es war nicht einfach so, dass er einen begnadeten Spieler und guten Freund verloren hatte. Vielmehr war es ein konstanter Teil seines Lebens, den er als Selbstverständlichkeit empfunden hatte, und der in dieser Form höchstwahrscheinlich nie wieder zu ihm zurückkehren würde. Unzufrieden schnaubend zog er sich seine Decke bis unter die Nase. Er hatte sein Bestes gegeben, Bokuto wissen zu lassen, wie er sich fühlte, ohne sich dessen selbst auch nur ansatzweise bewusst zu sein. Zum ersten Mal im Leben glaubte er, zu wissen, was Einsamkeit bedeutete. Und es war unerträglich. Kapitel 4: #16 - Vom Alleinsein ------------------------------- Das gesamte Wochenende über hatte Keiji sein Handy keines Blickes gewürdigt. Am Samstag hatte er es sich für abends vorgenommen, war dann aber völlig übermüdet ins Bett gefallen, und als er am Sonntag endlich auf sein Handy gesehen hatte, war da irgendetwas in ihm gewesen, was sich geweigert hatte, die Nachricht von Freitagabend abzuhören – als müsse er sie sich aufbewahren. Dann jedoch, am Montagmorgen auf dem Weg zur Schule, wurde er von einer weiteren Nachricht überrascht und beschloss, nun einfach beide abzuhören – vielleicht bewegte sich das alles ja doch in die richtige Richtung.   „Du solltest es besser bald wissen, Akaashi!“ „Hey, hey, hey!! Ich bin eben einfach der Beste!!“   Sicher, Bokuto-san, aber wie kommst du da plötzlich drauf?   Die Antwort war zur Abwechslung keine Sprachnachricht, sondern ein Bild. Es dauerte einen Moment, bis es geladen hatte, bevor Keiji eine Art Zwischenprüfung erkannte. Eine seiner Augenbrauen wanderte zögerlich nach oben, als er die Punktzahl erblickte.   Du hast gerade so bestanden, Bokuto-san.   „Lass es doch nicht immer so negativ klingen, Akaashi!“   Als gäbe es daran irgendetwas, was man positiv klingen lassen könnte. Er beschloss, dass es besser war, Bokutos Ego nicht zu extrem anzugreifen, bevor er sich entweder beleidigt weigerte, zu antworten, oder ernsthaft in seinen Emo-Modus verfiel. Nun, da er darüber nachdachte, hatte Keiji noch nie versucht, Bokuto aus diesem unkontrollierbaren Zustand via Handy herauszubekommen...und ehrlicherweise war es nichts, was er jemals ausprobieren wollte.   Gefällt es dir denn, zu studieren?   „Volleyball gefällt mir viel besser!“   Daran hätte Keiji niemals gezweifelt. Wahrscheinlich dachte Bokuto schon während der Vorlesungen an nichts anderes als daran, gleich hinterher in die Sporthalle zu rennen. Ob seine Teammitglieder da wohl mithalten konnten?   Ich denke, wir werden wieder zu den nationalen Meisterschaften gehen.   Ursprünglich hatte Keiji nicht so recht gewusst, ob er Bokuto davon erzählen wollte. Es könnte sein Ego ankratzen, es klingen zu lassen, als kämen sie auch ohne ihn problemlos zurecht – was anmaßend wäre, denn trotz seines instabilen Gemüts war er ein wahnsinnig guter Spieler. Andererseits wollte er aber sicherlich wissen, wie es seinen ehemaligen Kameraden erging und ob sie immer noch ein gutes Team waren.   „Die meisten von euch durften ja auch vom großen Bokuto lernen, hey, hey, hey!!“   Selbstverständlich würde er sofort einen Weg finden, es klingen zu lassen, als sei es nur ihm zu verdanken, dass ihr Team immer noch so gut war. Das war diese typisch abstrakte, dumm-clevere Logik, von der Konoha gesprochen hatte. Dann jedoch folgte noch eine Nachricht, und die traf Keiji völlig unerwartet.   „Unser Steller erinnert mich an dich, Akaashi...oh, aber er trainiert freiwillig mit mir, hahaha!!“   Wie an Ort und Stelle festgefroren hielt er inne und starrte ungläubig auf seinen Bildschirm, obwohl dort natürlich kein Text stand. Erinnert mich an dich. War es das? Eigentlich klang es wie eine völlig banale, simple Stichelei – allem voran, weil Bokuto wusste, dass Keiji ebenfalls freiwillig mit ihm trainiert hatte. Egal ob nach der Schule, an den Wochenenden oder während Trainingscamps. Davon ganz abgesehen konnte er nicht so recht glauben, dass dieser Steller so gut mit Bokutos Gefühlsausbrüchen klarkam. Nein, er wollte es nicht glauben. Keiji war immer derjenige gewesen, der Bokuto las wie ein Buch, immer wusste, was man tun musste, um ihn aus seinem Tief zu holen. Diesen Platz für irgendeinen Fremden abtreten zu müssen, kam wie aus dem Nichts und war etwas, was er nicht akzeptieren konnte.   Verstehe.   Er bereute es schon, überhaupt geantwortet zu haben, als sein Handy die Nachricht noch nicht ganz abgeschickt hatte, aber seis drum. Es war nicht zu ändern und nicht sonderlich dramatisch. Wochenlang hatte er sich gefragt, was Bokuto dazu gebracht hatte, ihm nicht mehr täglich zu schreiben. Früher hatte er das auch an den Wochenenden und in den Ferien gemacht, aber wenn es nun jemand anders gab, mit dem er den ganzen Tag verbrachte, war es natürlich völlig logisch, dass er nicht mehr so viel Zeit hatte. Aber je mehr Mühe Keiji sich gab, es als selbstverständlich hinzunehmen, desto mehr ärgerte er sich darüber, wie fürchterlich es ihm gegen den Strich ging. Als hätte man ihn abserviert. Erst, als sein Handy eine weitere Sprachnachricht ankündigte, erwachte er aus seiner Starre, steckte es ohne weitere Beachtung weg und beeilte sich, zur Schule zu kommen. Vielleicht würde ihn der Unterricht von seinen völlig irrationalen Gedanken ablenken. Vielleicht musste er eine Nacht darüber schlafen, um verstehen zu können, dass seine Bemühungen von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen waren, und das nicht an Bokutos Naivität lag, sondern an seiner eigenen. Aber der Unterricht half nicht. Keiji wollte jemanden anschreien, seinen Missmut an irgendetwas entladen, um sich wieder besser zu fühlen. Beinahe wütend hörte er sich nach Unterrichtsschluss die zwei Nachrichten an, die er bekommen hatte.   „Was verstehst du, Akaashi?“ „Akaashi!!“   Vergiss es.   „Du bist heute eigenartig drauf! Was ist los?“   Er verkniff es sich gerade so, bissig zu erwidern, dass es auch durchaus eigenartig war, wenn Bokuto nahezu besorgt um jemanden klang und sich nicht wie ein viel zu schwer erziehbares Kind erhielt. Unzufrieden mit sich selbst schüttelte er den Kopf. Wenn es eines gab, was er nicht wollte, dann war es genau dieser Konflikt. Er wusste, dass es völlig in Ordnung war, dass Bokuto auch ohne ihn genauso viel, wenn nicht sogar mehr Spaß am Volleyball hatte wie noch letztes Jahr, und dass er kein Recht dazu hatte, sich biestig zu verhalten. Und dennoch war das Einzige, was seine Gedanken beherrschte, beißende Eifersucht. Obwohl Volleyball das Letzte war, worauf er jetzt ernsthaft Lust hatte, nutzte er das Training, um nicht an diese Sache denken zu müssen. Und auch wenn er für einige Stunden beschäftigt war, fühlte er sich deswegen auf dem Heimweg doppelt so schlecht. Selbst die Tatsache, dass mehrere Nachrichten auf ihn warteten, war nur milde besänftigend.   „Bist du sauer auf mich?“ „Ich schwöre, ich wars nicht!“ „Akaashi...“   Es war völlig lächerlich. Sein Kopf sagte ihm, dass er sich über die Tatsache, dass Bokuto sich ernsthaft Mühe gab, mit ihm zu kommunizieren, freuen sollte. Offen gesagt war es sogar beachtlich, dass die wenigen, und dann auch noch nur geschriebenen, Worte gereicht hatten, damit er erkannte, dass etwas nicht stimmte, statt es auf Keijis übliche monotone Art zu schieben. Und dennoch unterdrückte das unerträgliche Gefühl, ersetzt worden zu sein, all diese Logik. Eventuell war es nur eine Frage der Zeit? Gewohnheitssache? Er sollte darüber schlafen und morgen würde die Welt möglicherweise schon anders aussehen. Aber gerade, als er sich ins Bett legte, folgte noch eine Nachricht.   „Akaashi!! ...Bist du wirklich sauer deswegen? Ich mache doch nur Spaß! Du weißt, dass du mein Lieblingssteller bist, hey, hey, hey!!“   Und wenige Sekunden später, in einer derart ernsten Stimmlage, dass er kurz nicht glauben konnte, dass es von Bokuto kam:   „Das weißt du doch, oder?“   Die Ehrlichkeit in seiner Stimme erschlug Keiji beinahe. Keine Blödeleien, kein Lachen, nichts. Bokuto wusste, dass etwas nicht stimmte, und bemühte sich, klarzustellen, dass es ihm nicht egal war. Das war höchstwahrscheinlich ein Privileg. Und am Ende war es auch das, was Keiji dazu brachte, ehrlicher und emotionsgeladener zu antworten, als er je geglaubt hätte, dass er es einmal tun würde.   Ich vermisse dich so sehr. Kapitel 5: #17 - Von Gemeinsamkeit ---------------------------------- Zu behaupten, dass er seine letzte Nachricht bereute, wäre gelogen, und dennoch wusste Keiji nicht, was er davon halten sollte, darauf keine Antwort mehr bekommen zu haben. Es passte nicht zu Bokuto, ernsthaft über etwas nachzudenken, statt sich aufzuplustern und Selbstlob zu verbreiten. Zumal Keijis Nachricht die perfekte Grundlage dafür gewesen wäre. Er hatte mit allem gerechnet. Von Ungläubigkeit - „Sehr witzig, Akaashi!! Hahaha!“ - über Selbstüberzeugung - „Natürlich hast du das!! Jeder würde mich vermissen, hey, hey, hey!“ - bis hin zu Zustimmung - „Ich vermisse dich auch, Kumpel!!“. Das Einzige, was er absolut nicht erwartet hatte, war dieses...Nichts, was es ihm gerade unmöglich machte, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Sicherlich gab es Erklärungen dafür. Vielleicht hatte Bokuto sein Handy wieder in seinem Chaos-Zimmer verloren, was ihm schon früher gern passiert war. Oder er glaubte, eine Sprachnachricht abgeschickt zu haben, hatte aber vergessen, den Knopf zu drücken – auch das war schon häufiger passiert, insbesondere, wenn sie sich irgendwo hatten treffen wollen. Das änderte aber nichts daran, dass der Zeitpunkt für so etwas fürchterlich schlecht war. Es war schon so weit, dass mehrere Leute Keiji gefragt hatten, ob alles in Ordnung sei – und sein abschließendes Nicken wohl nicht für voll nahmen. „Mir geht’s gut“, erklärte er ein weiteres Mal, als er den Klassenraum verließ, froh, dass der Schultag doch noch ein Ende gefunden hatte. Nun musste er nur noch das Training überstehen und zuhause würde er sich überlegen, ob es vielleicht klüger wäre, Bokuto einfach darauf anzusprechen, dass er nicht geantwortet hatte. Es war nicht so, als wäre es ein Problem oder gar ein Streitpunkt, den er aus dem Weg haben musste – zumal er nicht wüsste, worüber sie diesbezüglich streiten sollten – aber es gefiel ihm nicht, die Sache so stehenzulassen. Dann wiederum fiel ihm ein, dass sie sich ohnehin am Wochenende sehen wollten, er ergo auch bis Freitag warten konnte, statt Bokuto zu einer Antwort zu drängen. Mit dem Gedanken fiel es ihm gleich viel leichter, das Training zu überstehen, doch als er danach beiläufig auf sein Handy sah, erwartete ihn der versinnbildlichte Horror.   Akaashi...tut mir echt leid, man!   Es gab ganz genau drei Lebenssituationen, in denen Kuroo Tetsurou sich bei Keiji meldete. Erstens: Wenn er und Bokuto sich irgendwie in Schwierigkeiten manövriert hatten und jemanden brauchten, der ihre nutzlosen Hintern rettete. Zweitens: Sobald Bokuto sich länger als fünf Minuten nicht auf eine total wichtige! Nachricht meldete, welche wohlgemerkt meist so wichtig war wie die Frage, welche Sockenfarbe man in kniehohen Stiefeln tragen sollte. Und drittens: Wenn er Bokuto auf eine furchtbar schlechte Idee gebracht hatte, die für Keiji zumeist Ärger bedeutete. Zögerlich wagte er es, das Übel einzugrenzen.   Was ist passiert, Kuroo-san?“   Ich hab ihm gesagt, es ist 'ne echt schlechte Idee!   Das ist keine Antwort.   Und es folgte auch keine, was Keiji seufzend den Kopf senken ließ. Was auch immer passiert war, es schien sich um Fall drei zu handeln. Auch wenn Kuroo behauptete, Bokuto gesagt zu haben, dass es eine schlechte Idee sei, änderte das nichts daran, dass die Idee wohl nichtsdestotrotz von ihm gekommen war. Halbherzig hörte er seinen Teamkameraden bei ihren überschwänglichen Gesprächen zu, während sie sich umzogen. Die nationalen Meisterschaften waren zwar noch eine Weile hin, aber das schien sie nicht davon abzuhalten, bereits grenzenlos davon zu schwärmen. „Stellt euch nur vor, wie das wäre! Wir wären auf den ganz großen Leinwänden!“ „Jeder würde uns kennen! Ich wette, wir könnten uns vor schwärmenden Fans gar nicht mehr retten!!“ Sie waren übermütig, aber irgendwie war Keiji froh darüber. Bokuto war eine derart energiegeladene Entität gewesen, dass es dem Team nicht gut getan hätte, gäbe es nicht wenigstens eine Hand voll Spieler, die eine ähnliche Begeisterung verbreiteten. Andererseits bedeutete das auch, dass die andere Seite der Medaille – nämlich die, wenn man ein wichtiges Spiel verlor – sie auch ähnlich verletzen würde wie Bokuto. Das waren zumeist seine unerträglichsten Phasen gewesen, und Keiji grauste es schon jetzt davor, das in mehrfacher Ausführung erleben zu müssen. Bokuto war einfach gewesen, traf ihn plötzlich die Erkenntnis. Fürchterlich anstrengend und stimmungstechnisch unberechenbar, aber für Keiji war es im Grunde ein Leichtes gewesen, die Situation zu analysieren und genau das Richtige zu sagen. Aber das lag daran, dass Bokuto im Kopf und im Herzen manchmal ein kleines Kind war, und Kinder waren nervig, aber simpel gestrickt. Keiji glaubte aber nicht, dass seine rationale Listung von Schwächen und geeigneten Gegenmitteln bei irgendjemandem so gut funktionieren würden wie bei Bokuto. „Es ist bei Weitem nicht so einfach, wie ihr es darstellt“, stellte er deswegen monoton, aber nicht herablassend, klar, bevor er sie alle eindringlich anblickte. „Aber ich habe Vertrauen in uns.“ Für einen Moment herrschte verwirrtes Schweigen, weil es eher selten war, dass man solche Dinge von ihm hörte. Und da sie noch keine wichtigen offiziellen Spiele zusammen gespielt hatten, war es auch noch nicht ernsthaft nötig gewesen, ihnen inspirierende oder motivierende Ansprachen zu halten. Dann jedoch bildete sich auf allen Gesichtern ein breites Strahlen und sie jubelten weiter drauf los. „Das ist richtig motivierend!“ „Wir werden das Team nicht enttäuschen!“ „Manchmal bist du so cool, Akaashi-san!“ Verwirrt legte er den Kopf schief, sah es aber einfach als Kompliment. Vielleicht war es gut, dass er so selten lobende Worte sprach – so hatten sie gleich viel mehr Nachdruck, wenn er es einmal tat. „Ich gebe mir Mühe“, erklärte er schlussendlich, als sie den Clubraum verließen und sich auf ihre Heimwege machten. Immer noch ließen ihm die eigenartigen Nachrichten von Kuroo keine Ruhe, und er hatte auch immer noch keine Erklärung erhalten, was nun die dumme Idee war, die Bokuto wahrscheinlich gerade umsetzte. Mit viel Glück war es nur eine ihrer üblichen Blödeleien, auch wenn Keiji nicht ganz verstand, inwiefern das ihn noch in Schwierigkeiten bringen konnte, schließlich war er nicht in der Nähe Bokutos, um dafür belangt werden zu können. Eine weitere Nachricht gab ihm jedoch genügend Aufschluss darüber, was ihn erwartete.   Hey, ich meine. Am besten nimmst du's einfach als Kompliment! Also, sobald es soweit ist…   Sag mir nicht   „Akaashi!!“ Er kam nicht dazu, die Nachricht fertig zu tippen, aber das erübrigte sich auch dadurch, dass sie sich just in diesem Moment bereits beantwortet hatte. Im gefühlt allerletzten Moment drehte Keiji sich um und wurde von der Kraft, die gegen ihn raste, nur deswegen nicht zu Boden gerissen, weil sie ihn gleichzeitig festhielt. „Bokuto-san?“ Auch wenn es wie eine Frage klang, war es viel mehr eine Feststellung. Es gab nichts Geeignetes, was er hätte sagen können, also schwieg Keiji und erwiderte etwas zögerlich die knochenbrechende Umarmung, in die er gezogen worden war. Von Bokuto kam kein weiterer Ton, was in sich schon ein Paradoxon war. Sein warmer Atem in Keijis Nacken war das Einzige, was man als Lebenszeichen deuten könnte. Sie standen eine Weile nur so da, und wahrscheinlich hätte die Szenerie auf einen Außenstehenden gewirkt als würden sie sich gerade regungslos zeichnen lassen. Aber es war nicht unangenehm. Dann, als Keiji etwas sagen wollte: „Ich vermisse dich auch, man!“ „Bokuto-san, bitte schrei nicht in mein Ohr.“ „Ahh! Tut mir leid!“ Schweigen – mit viel Fantasie könnte man nun wahrscheinlich die Grillen zirpen hören. Es war unangenehm, also beschloss er, ihre Umarmung zögerlich zu lösen. „Was tust du hier?“ „Was für eine Frage! Dich sehen natürlich, hey, hey, hey!“ „Es ist Dienstag, Bokuto-san.“ Bokuto grinste treudoof und nickte, ein eindeutiges Indiz dafür, dass er absolut keine Ahnung hatte, worauf Keiji hinauswollte. „Nein, ich meine...es ist Dienstag. Mitten in der Woche. Hast du deine Vorlesungen geschwänzt?“ „Ahhhh, Akaashi!! Schwänzen ist so ein starkes Wort! Kuroo meinte-“ „Bitte verschone mich.“ „-dass man das so nicht sehen solle! Es war schließlich für einen guten Zweck.“ Wenn es einen Menschen gab, der in Keijis Augen das sinnbildliche Antonym eines guten Zweckes darstellte, dann war das zweifelsohne Kuroo. In Anbetracht der Umstände, dass es ihm allerdings schwer fiel, böse darüber zu sein, dass Bokuto die Vorlesungen seinetwegen nicht besucht hatte, sagte er das lieber nicht laut. Auch wenn seine Theorie, dass Kuroo hinter der Sache steckte - obwohl er behauptet hatte, Bokuto gesagt zu haben, es sei eine schlechte Idee - damit als bestätigt erachtet werden konnte. „Wir wollten uns ohnehin am Wochenende sehen. Du hättest für mich keinen Unterrichtsstoff verpassen müssen.“ „Akaashi!! Für wen denn sonst?!“ Das traf ihn wie ein Schlag und er spürte, wie seine Nasenspitze rosa wurde – er hasste es, wenn das passierte. Wieso machte er auch immer wieder den Fehler, sich Bokuto gegenüber nicht deutlich auszudrücken? „Das meinte ich nicht. Aber wenn du jetzt ohnehin hier bist, sollten wir nicht wie festgewachsen auf der Straße stehen.“ „Ich verhungere, Akaashi! Lass uns was zu Essen finden!“ „Sicher. Wieso hast du auf dem Weg nichts gegessen?“ „Hab ich! Und es war echt gut, und irgendwie hab ich deswegen vergessen, auszusteigen, und dann bin ich dann am falschen Ende der Stadt gelandet und dann...“ Mit einem schmalen, kaum erkennbaren Schmunzeln auf den Lippen lauschte Keiji Bokutos in dessen Augen wohl spannender Erzählung seines großen Abenteuers auf dem Weg in die Heimat, und wunderte sich kein Stück darüber, dass eine Reise von nicht mal ein paar Stunden in eine Pilgerfahrt ins Nirgendwo ausgeartet war, die den gesamten Tag gedauert hatte. „Aber du hast den Weg zurückgefunden. Beeindruckend.“ „Tja, haha! Ich bin schließlich auch der große Bokuto!“   Es war gruselig, wie normal und gewohnt es sich anfühlte, als sie, ohne irgendetwas abzusprechen, den Weg zu Bokutos Lieblings-Imbiss entlangliefen, und an dem Springbrunnen vorbeikamen, über den sie vor ein paar Tagen gesprochen hatten. „Hey, Akaashi!! Der Springbrunnen ist repariert! Ich hab dir doch gesagt, das könne nicht mehr lange dauern!“ „Bokuto-san...“ Kopfschüttelnd gab Keiji nach. Nichts von all dem, was er diesbezüglich hätte sagen können, wäre die Mühe wert gewesen. Egal, ob die Tatsache, dass sie darüber bereits gesprochen hatten, oder der Fakt, dass Bokuto derjenige gewesen war, der nicht geglaubt hatte, dass der Springbrunnen jemals repariert sein würde...die Liste war ebenso endlos wie das Universum und Bokutos Dummheit, also sparte er sich den Atem. „Yooo, Koutarou, mein Bester!! Was treibt dich denn ins Land! Und Keiji-kun auch, ist ja wie ein Sechser im Lotto! Hahahaha!!“ Der Hauptgrund, dass der Besitzer des Imbisses Bokuto so gut leiden konnte, war wahrscheinlich der, dass auch er nicht sonderlich mit Intelligenz gesegnet worden war und sie sich daher einfach auf einer Wellenlänge befanden. Keiji war dabei eher ein Anhängsel, eine Art Deko, aber es störte ihn nicht wirklich. „Ich konnte es Akaashi einfach nicht antun, noch einen Tag ohne seinen Helden ertragen zu müssen, hey, hey, hey!!“ Und irgendwie war er sich sicher, dass das erst der Anfang einer langatmigen, von Übertreibungen und gedehnter Wahrheit erfüllten Episode aus dem Leben des Bokuto Koutarou sein würde. Aber als sie so da saßen und Keiji wie ein stummer Beobachter die Begeisterung in Bokutos Augen noch einmal aufflammen sehen durfte, seine sich überschlagende Stimme hörte und an all die Dinge zurückdachte, die sie zusammen erlebt hatten, hätte er nichts benennen können, was ihn glücklicher gemacht hätte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)