Zum Inhalt der Seite

Storyline

Frühjahrswichteln '16
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Confrontation

# 1 – Versteht weder Sarkasmus, noch Ironie

 

 

Unter den Drittklässlern war ein Außenangreifer mit Augen, die immer so weit aufgerissen schienen, als befinde er sich in konstanter Panik und Paranoia. Warai Outa war unter den Mitgliedern der Startaufstellung der schlechteste Außenangreifer, und er wusste es. Das, zusammen mit der Tatsache, dass Bokuto im ersten Monat schon, in dem Keiji konsequent mit ihm trainierte, so immense Fortschritte machte, dass selbst die Unwilligsten sich nicht mehr völlig gegen die Aussicht sperren konnten, dass Bokuto irgendwann ein zentraler, tragender Teil des Teams werden würde, endete auf Seiten Warais, der seinen Platz bedroht sah, in beißendem Spott, wann immer sich die Gelegenheit ergab.

 

 

„Akaashiiiiiiii! Findest du mich cool?!“

Keiji verzog nicht einmal eine Wimper, als er Bokutos leidendem Blick ungerührt begegnete. Er hatte schon längst gelernt, dass man, wenn es um Bokuto ging, am besten Fassung bewahrte und gar keine Gefühlsregung zeigte.

 

(Das war die Sache mit Bokuto – er war, offen gesagt, dumm, und er war schwer von Begriff, aber manchmal zeigte er einen beunruhigenden Scharfsinn darin, in den Gesichtern anderer zu lesen, also vermied Keiji es, lesbar zu sein, denn das machte die Interaktion nur noch anstrengender – denn natürlich war Bokutos Interpretationsfähigkeit nicht die Beste.)

 

„Akaashiiiiii!“

Kaum kam die Antwort nicht schnell genug, quengelte er weiter. Keiji zog es vor, gar nicht zu antworten, solange er nicht wusste, wo das nun wieder herkam. Also unterdrückte er ein Seufzen, wandte Bokuto seine volle Aufmerksamkeit zu und sah ihn weiter nichtssagend an.

„Wie kommst du darauf, Bokuto-San?“ – „Akaashiiiii! Sag mir einfach, dass ich cool bin!“ – „Du bist wahnsinnig cool, oh ja. Siehst du nicht die strahlende Bewunderung in Akaashis Blick?“

Warais Stimme troff vor Ironie und anderen Dingen, die vermutlich noch weit weniger nett waren und denen Keiji um des Teamgefühls Willen keinen Namen gab. An Bokuto ging der Tonfall verloren, wie immer, und ein strahlendes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Gerade, als er den Mund wieder aufmachte, um zweifelsohne seine Großartigkeit in die Welt hinauszubrüllen, erhob Warai erneut das Wort:

„Und weißt du, was noch cooler wäre? Wenn du eine Glatze hättest, die mit deinem Ego um die Wette leuchten kann.“

 

 

Keiji brauchte fünf Stunden, die er eigentlich in Schularbeiten investieren wollte, um Bokuto alle dummen Frisörbesuche auszureden, und obendrein bekam er Hausarrest, weil er viel zu spät nach Hause kam, aber es war Keiji vergleichsweise egal. Er war ohnehin nicht besonders unternehmenslustig.

Er mochte Warai nicht. Und er nahm sich vor, Bokuto zukünftig von ihm fernzuhalten, so gut es ging. Es machte Keiji wütend, wenn er zusehen musste, wie jemand Bokutos Schwächen schamlos ausnutzte, statt sie abzufedern, wie es sich für ein ordentliches Team gehören würde.

 

Mit einem nachdenklichen Seufzen angelte er nach seinem Handy. Bokuto hatte ihm ungefragt schon nach einer Woche gemeinsamer Schulzeit seine Nummer gegeben, und seitdem terrorisierte er Keiji zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten mit den unmöglichsten Themen. Seine liebsten Nachrichten waren die, die begannen mit Kuroo hat gesagt, dass… – Keiji grauste jetzt schon vor dem Tag, an dem er diesen ominösen Kuroo kennenlernen würde. Er ahnte, es würde kein guter Tag für ihn werden. Und viel zu anstrengend obendrein.

 

Ich finde dich cool, Bokuto-San.

 

Akaashiiiiiiiiiiiiiii!!!!

 

 

 

***

 

 

 

# 12 – Merkt erst in letzter Sekunde, dass er zur Toilette muss

                                                                                                                                                                                                        

 

„Akaashiiiiiiiiiiiiiii!!! Ich muss aufs Klo!!!“

 

Keijis Gesicht entgleiste. Sie standen mitten auf dem Spielfeld, im Viertelfinale der Tokyo-Vorrunden der Inter High, und Bokuto sah ihn mit großen Augen quengelnd an, statt sich auf den Aufschlag des Gegners zu konzentrieren. (Auch wenn er den sowieso nicht annehmen würde, aber trotzdem.)

„Bokuto-San, du kannst nach dem Spiel gehen.“ – „Aber Akaashiiiiiiiiii! Ich muss jetzt!!!“

 

Ein kleiner Teil von Keiji war geneigt, einfach auszuprobieren, wie dringend jetzt tatsächlich war, aber leider kannte er Bokuto schon viel zu gut, als dass er solche Risiken noch eingehen würde. In dem Versuch, nicht allzu genervt dabei auszusehen, signalisierte er ein Time-Out, und einmal vom Feld wurde ein Spielerwechsel besprochen und er sah zu, wie Bokuto in Richtung Toiletten davoneilte.

 

Er kam nicht mehr zurück. Nach dem Spiel fand Keiji eine Nachricht auf seinem Handy, dass Bokuto sich verlaufen hatte. (Sie verloren. Keiji war sich sicher, dass es an Bokutos Fehlen lag, und er nahm sich fest vor, in Zukunft dafür zu sorgen, dass Bokuto vor jedem Spiel zur Toilette ging, ob er nun glaubte zu müssen oder nicht. Und das in Begleitung, damit er sich nicht verlief. In einem Gebäude, in dem jeder Kleinkram ausgeschildert war.)

 

 

 

***

 

 

 

# 15 – Verläuft sich selbst in seinem eigenen Zimmer

 

 

Das erste, gemeinsame Trainingscamp der Fukuroudani-Gruppe, das Keiji miterlebte, brachte ihm gleich zwei Erfahrungen ein, auf die er eigentlich hätte verzichten können.

 

Die erste, und vermutlich auf lange Sicht tragischere von beiden, kam in Form eines hochgewachsenen jungen Mannes mit hellen, unheilverkündenden Augen, einem breiten, gleichermaßen trägen wie arroganten Grinsen und schwarzem Haar, das so unordentlich von seinem Kopf abstand, dass Keiji sich nicht einmal mehr sicher war, dass das tatsächlich noch als Frisur durchgehen konnte: Kuroo Tetsurou war das fleischgewordene Epitom von allem, was Keiji nicht in Bokutos Nähe sehen wollte.

Und er war Bokutos bester Freund.

Keiji konnte nichts anderes tun, als sich auf ein sehr langes, sehr anstrengendes, und sehr nervenaufreibendes Trainingscamp einzustellen – und noch viele folgende, die genauso laufen würden.

 

Die zweite Sache, die er lernte, kam in Form eines Anrufs, als er spät abends schon längst im Bett lag, um seine schmerzenden Muskeln endlich zu erholen, die nach einem langen Tag voller Trainingsmatches und Strafaufgaben bei jeder winzigen Bewegung Protest schrien. So wie auch in dem Moment, in dem er einen schlappen Arm hob, um sein Telefon zu greifen und in der Dunkelheit des Zimmers aufs Display zu linsen – Bokuto, wer sonst? Stirnrunzelnd bestätigte Keiji den Anruf und hielt sich das Handy ans Ohr.

„Akaashiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!!!“, drang es weinerlich aus dem Lautsprecher, noch bevor er irgendeinen Ton von sich geben konnte, „Ich hab keine Ahnung, wo ich bin!!!“

Mit einem Schlag war Keiji hellwach.

„Langsam, Bokuto-San“, bat er, während er die Beine aus dem Bett schwang. Er trug kurze Hosen und ein T-Shirt, was genug sein musste, um in die Nacht hinauszulaufen, lediglich eine Jacke packte er sich noch.

„Wo wolltest du hin?“ – „Zum Convini! Kuroo hat gesagt, der ist gleich um die Ecke!!! Ich hab Hunger und wollte mir Nikuman kaufen! Akaashiiiiii, ich hab Hunger!!! Bringst du mir Nikuman mit?“

Ein leichtes Pochen an den Schläfen kündete von Keijis angespannten Nerven, während er ganz, ganz langsam die Luft ausstieß. Der Convini, da hatte Kuroo ausnahmsweise recht, war tatsächlich in nächster Nähe der Schule, und eigentlich absolut nicht zu verfehlen, weil man vom Eingang aus sogar das verdammte Schild schon sehen konnte.

Keiji wollte gar nicht wissen, wie Bokuto ihn trotzdem verfehlt hatte.

„Wo bist du gerade?“ – „Ich weiß es nicht, Akaashiiiiii!!!“ – „Irgendetwas Auffälliges in der Nähe?“ – „Na ja…“, begann Bokuto, und dann war er still, vermutlich, während er sich umsah, bis er schließlich doch wieder ins Telefon brüllte: „Hey hey hey!!! Hier sind Bäume, Akaashiii!!!“

Weil das auch so sehr half.

„Ich bin gleich bei dir, Bokuto-San.“ – „Bring mir Nikuman mit!!!“

 

Innerhalb der nächsten fünf Minuten hatte Keiji sämtliche Zweitklässler, mit denen er näher zu tun hatte, geweckt, Handynummern ausgetauscht, einen Bokuto ist verloren gegangen-Gruppenchat eröffnet, und sie mit dem Versprechen losgejagt, dass wer auch immer ihn finden würde, den Rest der Woche Snacks auf Keijis Kosten kaufen durfte.

 

Als er selbst auf der Suche am Convini vorbeikam, holte er eine Tüte Nikuman.

 

 

 

***

 

 

 

# 22 – Kriegt, wenn er deprimiert ist, den Mund nicht mehr auf

# 23 – Man kann ihm jeden Gedanken von der Nasenspitze ablesen

 

 

„…“

 

Es ging schon seit Stunden so. Seit dem Moment, in dem Bokuto wegen eines verstauchten Handgelenks aus dem Trainingsspiel gegen Nekoma hatte ausgewechselt werden müssen, hatte er keinen Mucks mehr von sich gegeben. Es war eine so starke Form seines Emo-Modus, dass selbst Keiji überfordert damit war, damit umzugehen.

Normalerweise gab es simple Mittel, um Bokuto wieder aufzubauen. Spiel ihm einen Ball zu, sobald er unruhig wird und es offensichtlich will. Kein Problem.

 

Nur, dass genau das gerade nicht funktionierte. Er durfte keinen Ball zugespielt bekommen, wenn sein Handgelenk verletzt war. Trotzdem waren sie sich einig gewesen – sie, das waren Komi, Anahori – der nur drei Gesichtsausdrücke kannte: verärgert, neugierig und viel zu zufrieden –, Sarukui, Konoha(unfreiwillig) und Keiji, die Komi in einem Anfall von Geistesblitz die Bokuto-Cheer-Squad getauft hatte –, dass sie Bokuto in seiner aktuellen Verfassung nicht alleine lassen konnten, also hatten sie ihn abgeschleppt in der Hoffnung, dass irgendetwas, was sie tun würden, ihn wieder aufbauen konnte.

 

Bisher war alles schiefgegangen.

 

Komis Idee war eine Spielhalle gewesen, weil er wusste, dass Bokuto normalerweise Spaß an Competetive-Multiplayer-Videospielen hatte. Keiji zweifelte nicht daran, dass Komi prinzipiell Recht hatte – gerade half es aber nicht, und Bokuto stand einfach nur apathisch vor seinem Spielgerät und starrte auf den Bildschirm, während Komi sein buntes Pixelmännchen gnadenlos verprügelte. Alle – von Konohas Seite aus unenthusiastischen – Anfeuerungsrufe wollten auch nicht helfen.

 

Sarukui schlug einen Spielplatz vor. Die Idee war spätestens in dem Moment gescheitert, in dem Bokuto einfach völlig apathisch auf einer Schaukel saß und es schaffte, dabei so dramatisch und endlos unglücklich auszusehen wie die Protagonistin eines tragischen Shoujo-Mangas, ein Bild, dass Komi und Konoha laut auflachen ließ, und Keiji konnte es ihnen nicht einmal verübeln, dass sie noch ein Erinnerungsfoto von Shoujo-Manga-Protagonist Bokuto im Sonnenuntergang machen mussten.

 

Konoha schlug Essen vor. „Liebe geht bekanntlich durch den Magen“, hatte er gespottet, was ihm von Komi gleich eine Retourkutsche einbrachte: „Awww, Konohan! Deshalb teilst du immer dein Bento mit mir!“ – „Nein. Ich teile es, damit du die Klappe hältst.“

Die beiden kabbelten noch, als sie ein hübsches Lokal erreichten, in dem sie ihr Abendessen zu sich nehmen wollten. Bokuto, immerhin, aß, aber es half seiner Laune überhaupt nicht auf die Sprünge. Es wäre beinahe amüsant, mit anzusehen, wie er apathisch Löffel um Löffel des Currys in den Mund schob, das er bestellt hatte, indem er achtlos und mechanisch auf die Karte getippt hatte, wäre es nicht gleichzeitig so herzzerreißend erbärmlich gewesen.

 

Anahoris Plan war Karaoke, etwas, das keiner von ihnen jetzt unbedingt als Hobby bezeichnete, aber er war der festen Überzeugung, dass es eigentlich richtig gut zu Bokutos üblicherweise lautem Organ passen würde. Keiji stimmte ihm dahingehend zu, also suchten sie sich eine Karaokebar in der Hoffnung, dass ein bisschen Musik und gedankenloses Rumbrüllen Bokuto wieder auf die Beine bringen würde.

Natürlich half es nicht. Bokuto stand einfach nur da, das Mikrofon in der Hand, ohne einen Ton von sich zu geben, aber inzwischen wurde er unruhig, und im Takt der Musik wobbelte er hin und her, ohne dass er auch nur mit einem Mucks sagte, was er eigentlich wollte. (Es war nicht, als wäre Keiji das nicht schon gewöhnt.)

 

Jetzt war es an Keiji, an Bokutos Launen zu arbeiten, und weil ihm nichts mehr einfiel und er ohnehin der Meinung war, dass es am Einfachsten wäre, wenn Bokuto selbst bestimmte, was er wollte, fragte er ihn rundheraus:

„Was willst du, Bokuto-San?“

Bokuto sah ihn an, unverwandt, apathisch und nichtssagend, aber selbst in seinen nichtssagendsten Momenten gab es etwas, das Bokuto relativ einfach zu verstehen machte – man konnte ihm jeden Gedanken an der Nasenspitze ablesen. So wie seine aktuelle Unruhe ein Zeichen dafür war, dass er sich wieder soweit zusammengerauft hatte, dass er überhaupt wieder irgendetwas wollte, konnten selbst seine apathischen Blicke normalerweise sehr gut transportieren, was er genau wollte. (Üblicherweise war es immer das Gleiche – Bälle, die zu ihm gespielt wurden. Aber gerade war kein Ball in der Nähe, und er wobbelte trotzdem erwartungsvoll herum.)

Bokutos Blick wanderte. Keiji brauchte eine Minute, bis er bemerkte, wohin sein Blick wanderte.

 

„…“

 

Es war eine dieser Sachen, die man schon kommen sah, Ewigkeiten bevor sie eintrafen. Aber zugegeben, Keiji hatte sich das Ganze ein wenig anders vorgestellt. Diskreter war wohl das richtige Wort.

Aber Bokuto sah ihn an, unruhig, hibbelnd, ausdruckslos und gleichzeitig hatte Keiji das Gefühl, dass dieser Blick ihm die gesamte Verantwortung über Bokutos Wohlbefinden übertrug, und weil er sich diese Verantwortung zu Beginn des Schuljahres ohnehin freiwillig aufgebürdet hatte, gab es für ihn keine andere Option, als Bokutos unausgesprochenen Wunsch zu erfüllen.

 

Es war totenstill in dem kleinen Hinterzimmer der Karaokebar, als Keijis Lippen sich wieder von Bokutos lösten. Fünf Sekunden. Zehn. Bokutos Blick klarte auf, das irre Grinsen kehrte zurück. Im nächsten Moment hörte Keiji nur noch ein lautes „Hey hey hey!“ und Bokuto packte ihn, küsste ihn, als gäbe es kein Morgen, während im Hintergrund Komi und Sarukui pfiffen, Anahori verlegen kicherte wie ein kleines Mädchen und Konoha sehr authentisch akustisch Erbrechen imitierte.

 

 

 

***

 

 

 

# 31 – Kennt beim Essen kein Genug

 

 

Zum Abschied der Drittklässler veranstalteten die Eltern des Fukuroudani-Volleyballclubs ein Picknick für die ganze Mannschaft, zu dem sie ungefähr das Zehnfache der nötigen Nahrungsmenge mitbrachten. Es war laut, es war lebhaft, und Keiji war von ganzem Herzen froh, dass das Schuljahr vorbei war und das Team nächstes Jahr mit einer anderen Aufstellung auftreten würde.

Obwohl Bokuto inzwischen einen festen, anerkannten Platz im Team hatte, und obwohl er sich schon längst den Titel des Asses gekrallt hatte, waren die Drittklässler nie ganz mit ihm warm geworden, und es war Keiji das ganze Jahr über unangenehm gewesen. Wenn er sich aber jetzt ansah, was nächstes Jahr wohl einen Großteil der Startaufstellung ausmachen würde… es war friedlich. Komi und Bokuto inzwischen enge Freunde geworden, Sarukui mischte munter bei ihren Blödeleien mit, während Konoha zwar immer genervt dreinsah, aber am Ende derjenige war, der zumindest in Maßen Vernunft walten ließ, wenn Keiji nicht da war, um größere Katastrophen zu verhindern, und Washio, der groß und kräftig genug war, dass er Bokuto manchmal einfach nur beim Kragen packte, um ihn an einer Dummheit zu hindern. Anahori, der richtig gut darin war, den Rest des Teams wieder aufzubauen, wenn sie erschöpft waren davon, mit Bokuto arbeiten zu müssen, und der gerade wild gestikulierend den Großteil der laufenden Unterhaltung stemmte. Wenn Keiji sich diese Chaoten ansah, sah er ein Team, das weit besser zusammenarbeitete, als das diesjährige Team es je getan hatte, und selbst wenn nicht jeder von ihnen hervorragende Fähigkeiten hatte –

Es würde funktionieren.

 

Keiji freute sich auf das nächste Schuljahr, in dem gleichen Maße, in dem ihm schon vor dem übernächsten grauste.

 

 

„Agaashiiiiiiiiiiiii…“

Bokutos Stimme riss ihn aus seinen schweigenden Beobachtungen und er blickte von dem Reisbällchen auf, das er gerade friedlich vertilgt hatte. Bokuto kam schwankend auf ihn zugeeiert, besorgniserregend grün im Gesicht.

„Akaasshiiiiii, mir ist schlecht…“

Was nicht zu übersehen war, übrigens. Keijis Augenbrauen wanderten skeptisch in die Höhe, während er Bokuto im Blick behielt. Es lag nahe, dass er einfach zu viel gegessen hatte – Bokuto aß immer viel. Keiji hatte noch nie gesehen, dass er sich überfraß, aber – es gab doch immer ein erstes Mal.

 

Und dieses erste Mal endete damit, dass Bokuto sich übergab, zum Glück an Keiji vorbei und nicht auf ihn drauf, und fünf Minuten später sprang der Kerl wieder topfit auf die Beine, und verkündete, dass er jetzt dringend etwas zu essen brauchte.

Dieses Mal begleitete Keiji ihn, um ihn zur Not auf die Finger zu klopfen, ehe er es wieder übertrieb.

 

Er hatte die dumpfe Vorahnung, dass er das nicht zum letzten Mal tun würde.

 

 

 

***

 

 

 

# 46 – Kann Fiktion und Realität nicht trennen

 

 

„Akaashiiiiiiiiiiii!!!“

 

Bokutos Stimme klang, für seine Verhältnisse, leise – Keiji wusste, das war seine Version eines verschwörerischen Flüsterns, und genau deshalb wurde er sofort misstrauisch und stellte sich darauf ein, dass da etwas kommen würde, das er nicht hören wollte.

 

„Was ist, Bokuto-San?“

 

Es war gerade am Anfang der Mittagspause, Keiji war hungrig, Keiji wollte essen, aber Bokuto schien eindeutig wichtigeres zu tun zu haben, wenn er sogar sein Yakisoba Pan ignorierte, um Keiji verschwörerisch aus großen Eulenaugen anzuglotzen und sich immer näher zu beugen, bis ihre Nasen fast aneinander stießen.

„Akaashiiii… findest du nicht auch, dass die Lehrer sich komisch benehmen?“ – „Nein.“

Das war es also.

Der Filmabend mit Komi.

 

Es war nicht das erste Mal. Angefangen bei wochenlangem Gejammer, weil er keinen Brief von Hogwarts bekommen hatte – am Ende war das Argument „Aber Bokuto-San, die Briefeulen können doch gar nicht bis nach Japan fliegen“ irgendwie das effektivste gewesen –, über die feste Überzeugung, dass im nächstbesten Wald das letzte Einhorn hausen musste, bis hin zu dem Supernatural-Marathon, der Bokuto dazu gebracht hatte, die nächsten Wochen nur mit Silber, Salz und Weihwasser aus dem Haus zu gehen, und bei jeder Gelegenheit Christo zu sagen, hatte Keiji schon alles erlebt, und eigentlich sollte er gewappnet sein für den neuen Horror, der sich da anbahnte.

 

Aber genau da lag das Problem – sie hatten Horrorfilme gesehen. Keiji ahnte jetzt schon, dass die Auswirkungen zu viel für seine Nerven werden würden.

 

„Was für einen Film habt ihr geguckt?“ – „Eh, keine Ahnung! Aber Akaashiiiii, die Lehrer!!! Unsere Lehrer sind bestimmt von Aliens besessen, Akaasshi!“

 

Lehrer. Aliens. Horrorfilme. Keiji hatte keine Ahnung, obwohl er sich im Vorfeld durch die beliebtesten Horrorfilme der letzten dreißig Jahre geblättert hatte in der Hoffnung, Bokutos verrückte Ideen auffangen zu können. Jetzt fürchtete er, dass Bokuto die nächsten Wochen Aluhüte tragen und Elektrogeräte verweigern würde oder irgendetwas anderes Abstruses, das nur Bokuto einfallen konnte.

 

„Bokuto-San. Ich glaube nicht–“

Keiji brach ab, ehe er seinen Satz beenden konnte, sich daran erinnernd, dass Bokuto auch schon gefürchtet hatte, er könne ein Dämon sein, und abgesehen davon, dass es nervig gewesen war, sich mit Salz und Weihwasser überschütten zu lassen, war vor allem Bokutos ehrliche Panik herzzerreißend gewesen und noch einmal wollte Keiji das nicht sehen.

„Haben die Aliens denn irgendeine Schwachstelle?“ – „Äh…“

Gut. Bokuto hatte sich also nichts gemerkt. Keiji versprach ihm, sich zu informieren, und das beruhigte Bokuto zumindest so weit, dass er nicht die nächstbeste Lehrkraft ansprang und wegen ihrer intergalaktischen Besessenheit konfrontierte.

 

 

Dass sie am Ende Nachsitzen bekamen dafür, dass sie zwei Lehrer, von denen Bokuto fest überzeugt war, dass sie Aliens waren, versehentlich mit Wasser übergossen, war für Keiji völlig verschmerzbar, immerhin verhinderte es wochenlanges Drama und Aluhüte.

 

 

 

***

 

 

 

# 50 – Glaubt, Kuroo-San sei ein Quell unerschöpflicher Weisheit

 

 

„Akaashiiiiiiii! Ich gehe zur Polizei!“

 

Keiji hob den Blick von seinem Mittagessen. Bokuto hatte diesen typischen, übereifrig-freudigen Blick auf dem Gesicht, der ihm sagte, dass er diese Entscheidung erstens sehr spontan getroffen hatte, und zweitens sich nicht mehr davon abbringen lassen würde, zumindest nicht, wenn er nicht noch etwas viel, viel Besseres fand. Dank seiner Aufmerksamkeitsspanne konnte Keiji Glück haben und Bokuto würde die Idee wieder vergessen, aber aufgrund der aktuellen Umstände fürchtete er, dass das nicht passieren würde.

„Du hast mit Kuroo-San telefoniert.“

Es war eine simple Feststellung, von der sich Keiji zu einhundert Prozent sicher war, dass sie stimmte. Er erinnerte sich noch, wie Kuroo bei ihrem letzten Treffen verkündet hatte, dass er in die Rechtsmedizin wollte, nachdem ihm seine ursprüngliche Idee von Pathologie scheinbar nicht spannend genug gewesen war – oder nicht morbide genug, so genau wollte Keiji es gar nicht wissen.

 

„Kuroo hat gesagt, das ist eine großartige Idee, hey hey hey!!!“

 

Was Bokuto eigentlich sagen wollte, war Kuroo hat es mir vorgeschlagen, hey hey hey, jedenfalls hörte Keiji das unmissverständlich zwischen den Zeilen raus. Es war nicht das erste Mal, dass Bokuto sich auf irgendeine größere Dummheit einließ, die ihren Ursprung in Kuroos unheilbringenden Ideen nahm. Keiji erinnerte sich noch lebhaft an den Kissenvorfall beim Trainingscamp, der auf Kuroos Mist gewachsen war. Keiji erinnerte sich noch lebhaft an diverse Wetten, die Kuroo inszeniert hatte. Er erinnerte sich daran, dass Kuroo Bokuto davon überzeugt hatte, dass ein Ausflug in einen Kletterwald die beste Idee für ein erstes Date war, und würde Keiji an Höhenangst leiden, er würde es Kuroo vermutlich immer noch nachtragen. (Dem Ausflug war am Ende aber zum Glück nur Bokutos Handy zum Opfer gefallen – und das recht wortwörtlich.)

Er erinnerte sich noch an ungefähr einhundert andere Gelegenheiten, zu denen Kuroo Tetsurou bewiesen hatte, dass er der schlechteste Einfluss war, den Bokuto jemals haben könnte, und er war nach wie vor der festen Überzeugung, dass Kuroos Ideen das Dümmste waren, das es überhaupt gab, auch wenn Bokuto das gern ignorierte.

Es ging so weit, dass Bokuto immer noch glaubte, Kuroo wüsste alles und hätte immer Recht (außer, Bokuto hatte Recht, natürlich).

 

„Die Ausbildung dauert auch nur ein Jahr!“, fuhr Bokuto ungerührt fort, ehe er herzhaft von seinem Pausenbrot – Yakisoba Pan, wie üblich – abbiss und den Bissen viel zu schnell hinunterwürgte, „Also bin ich fertig, bis Akaashi mit der Schule durch ist! Und dann löse ich epische Mordfälle und mache krasse Verfolgungsjagden und all sowas, hey hey hey!!!“

 

Keiji presste resigniert den Handballen gegen seine pochende Schläfe. Ein Jahr. Und dann noch ein Jahr, in dem Keiji beschäftigt sein würde. So, wie er das einschätzte, würde Bokuto nicht über Verkehrskontrollen und andere absolut langweilige und potentiell ungefährliche Bereiche hinwegkommen, ganz zu schweigen davon, dass es doch für alles Fortbildungen und weitere Lehrgänge brauchte, und man auch erst nach mehreren Jahren ein Anrecht auf eine Rangerhöhung hatte.

Wie gut, dass Bokuto das überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Wie gut, dass Keiji solche Dinge wusste, obwohl er bisher nie auch nur in Erwägung gezogen hatte, zur Polizei zu gehen, geschweige denn zur Mordkommission.

 

„Bokuto-San, warte auf mich.“ – „Hey hey hey!!!!!!!“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yo-Yoshi-Ku
2016-07-05T20:37:39+00:00 05.07.2016 22:37
Ach Gottchen, dass war jetzt echt herzerwärmend :'D
Und oh, Akaashi hast du echt super beschrieben x'D
Der's ja auch so n kleiner Grummelpummel wie Iwai, oder Tsukki - nur halt auf seine Art :'D

Als die beiden zu ihrem Kuss kamen ist mir das Herz aufgegangen - und der overkill war dann halt wie Bokuto echt Angst wegen den Aliens bekommen hat :'D
Bei der Polizei kann ich ihn mir auch iwie recht gut vorstellen - ..genau so gut, wie ich ihn auch schon heftig schmollen sehe, wenn er mal was machen muss, was nicht 'aufregend' ist :'D

Akaashi's Begeisterung für Kuroo (not) war auch sehr amüsant zu Lesen. :'D
Hach ja - alles in allem mal wieder eine super Story - hab es sehr gefeiert! = v=) <3
Antwort von:  Puppenspieler
06.07.2016 00:49
Ach, ich freu mich riesig. ;_; Danke danke danke!!!!
Ich bin froh, dass ich Akaashi so hingekriegt habe. xD

XDDDD Die Vorstellung von den Aliens war klasse... Bokuto hat übrigens "The Faculty" geguckt. Kein großartiger Film, aber offenbar verstörend genug! :D
Ja, ich fürchte auch, das ist ein zweischneidiges Schwert. xDDDD Er macht sich sicher gut als Bulle. |D"

Tausend Dank für dein Lob!*^* ♥♥♥ Ich freu mich gigantisch darüber!
Von:  Ur
2016-07-05T12:19:38+00:00 05.07.2016 14:19
Oh.mein.Gott. LISTEN! :D Ha! :D Ein Hoch auf Listen ;) Und diese hier ist wirklich großartig geworden xD Die Sache mit dem Klo und dem nicht-vorhandenen Orientierungssinn haben mich sehr amüsiert und bei 'Kuroo hat gesagt' hab ich einen kleinen glücklichen Herzinfarkt bekommen! *^* Kuroo/Bokuto!!! <3<3<3

(UND OMG, 'ICH FINDE DICH COOL'. KILL ME NOOOOOOOW~)

Die Vorstellung, wie Akaashi vor jedem Spiel zu Bokuto rüberschaut und sagt "Warst du schon auf dem Klo?" finde ich so glorreich :D Danke für dieses Bild in meinen Kopf ^^

>>Kuroo Tetsurou war das fleischgewordene Epitom von allem, was Keiji nicht in Bokutos Nähe sehen wollte. Und er war Bokutos bester Freund.
-> I WANT TO DIE! THIS MAKES ME SO HAPPY! *____________*

Verlaufen ist auch so eine gute Plotsache :D (Hab ich mit IwaOi auch schon benutzt, sehr praktisch :D)

Bokuto ist verloren gegangen-Gruppenchat -> <3 (Den werden sie dann sicherlich noch öfter brauchen :D) UND DANN KAUFT ER AUCH NOCH DIESE VERFICKTE TÜTE NIKUMAN. WTF, MEI. SRSLY. WTF??? *dies*

*makes smoochiefaces at the screen* Njahaha :D (Dieser Kommentar könnte alles an Fangirlyness toppen, das ich bislang fabriziert hab :'D)

Ich geh jetzt einfach in die nächste Ecke und schwenke da singend ein Regenbogenfähnchen ^-^


Antwort von:  Puppenspieler
05.07.2016 14:43
Listen sind großartig, oh ja!!! xD ♥
Haha... Hach Kuroo. //D So ein bisschen Bromance muss eben auch sein!

(ABER TOT KANNST DU DEINE MA NICHT FERTIG SCHREIBEN!!!! D:)

Das ist... Oh Gott!!! XDDDDDDD DARAN HAB ICH NOCH NIE GEDACHT!!! XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD Das Bild ist wirklich wunderschön!!!

IMMER NOCH! NICHT STERBEN!!! D:<

Verlaufen ist immer praktisch! :D (Eeecht?*^* Awesome! :D Muss ich lesen... //D")

Den Chat brauchen sie mindestens einmal die Woche, da bin ich sicher. xDDD
Ja aber er hätt ihn doch nicht hungern lassen können!!!! XDDDD

(Der ist wirklich schon... episch!*^* Ich liebe deine Kommentare!!! ♥♥♥)

Mach das!:3 Das ist ein schöner Plan!


Zurück