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SHaRKY SCaM

SouRin
von

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Vergiss den Schmerz

Am Morgen darauf erwachte Sousuke wie immer als erster und blinzelte zunächst verwundert über die ungewohnt blendende Sonne. Sonst tat diese ihm morgens nie in den Augen weh…doch dann fiel ihm wieder ein, dass er die Nacht nicht in seinem Bett verbracht hatte.

Ein Blick zu seiner rechten Seite bestätigte, dass es kein Traum gewesen war, dass Rin ihn darum gebeten hatte, bei sich zu schlafen. Unerwartet ruhig war die Nacht für den Dunkelhaarigen verlaufen, der schon vermutet hatte, er würde entweder kein Auge zu bekommen, oder in sein Bett flüchten müssen, weil er die Nähe nicht aushielt.

Zugegebenermaßen war es kein Leichtes für Sousuke, so dicht bei einem anderen Menschen zu liegen, doch bei Rin funktionierte so Einiges, das sonst unmöglich erschien. Immerhin konnte er diesen berühren, ohne sich an unschöne Szenen zu erinnern, die ihn seit Jahren plagten. Ganz richtig war es auch nicht, diese als ‚unschön‘ zu bezeichnen…meist waren die Momente, an die er sich durch einen unbedachten Körperkontakt erinnerte, viel zu schön gewesen. Nur das, das daraus resultierte, verfolgte ihn in seinen Alpträumen.

Rin lag noch immer auf der Seite, das friedlich schlafende Gesicht Sousuke zugewandt auf der Matratze liegend. Sein Kissen hatte der Kleinere an seinen Körper gepresst und sah mit seinem leicht geöffneten Mund seltsam ansprechend für den Größeren aus, welcher einen Moment innehielt, um diese Szene aufnehmen und für sich bewahren konnte.

Fasziniert von Rin, konnte Sousuke nicht anders, als seine Hand nach diesem auszustrecken und federleicht über dessen Kopf zu streichen bis er eine der roten Haarsträhnen zwischen seinen Fingern hatte und diese langsam aus seiner Hand glitt. Dabei wirkte er wie ein kleines Kind, das sich an einer neu entdeckten Sache erfreute und gar nicht genug davon bekommen konnte.

Jedoch besann sich Sousuke im nächsten Moment wieder und zog seine Hand zurück, da Rin sich zu bewegen begann.
 

„Ist schon Morgen?“, murmelte der Rothaarige und gähnte ohne die Augen zu öffnen.
 

Am liebsten hätte Sousuke ‚leider ja‘ geantwortet, wollte den Tag aber nicht mit negativer Energie beginnen und nickte somit einfach nur. Danach fiel ihm ein, dass der Kleinere das unmöglich hatte registrieren können, so verschlafen wie dieser noch war.
 

„Ja…wir haben es kurz nach sieben“, antwortete der Dunkelhaarige dann nach einem Blick auf die Uhr.
 

„Och nö…“, ließ Rin wenig lustvoll verlauten und drehte sich samt seinem Kissen in den Armen um.
 

Dabei bedachte er nicht, wie nah er an der Wand lag und stieß sich den Kopf leicht an dieser an.
 

„Ah, fuck“, schimpfte er daraufhin leise, öffnete die Augen und setzte sich auf.
 

Erst in diesem Moment, nachdem der Schmerz ihn aufgeweckt hatte, wurde sich Rin bewusst, dass er nicht alleine im Bett war. Nein, genaugenommen befand sich sein Gesicht nur wenige Zentimeter von dem des Größeren entfernt, welcher schon seit einiger Zeit aufrecht im Bett saß.

Rin, der sich die Stirn hielt, lief knallrot an und wich ein Stück zurück, sodass er nun auch mit dem Hinterkopf an der Wand landete.

Als ob dieser Morgen nicht noch peinlicher hätte werden können…

Rin verfluchte seine eigene Nervosität und die Tollpatschigkeit, welche daraus resultierte. Da saß er schon mal mit seinem Schwarm im Bett und dann stellte er sich wie der letzte Vollidiot an.
 

„Omg, Rin! Hast du dir weh getan?“, starrte Sousuke den Kleineren gleichermaßen überrascht wie besorgt an.
 

„Geht schon“, nuschelte Rin daraufhin und wollte am liebsten im Boden versinken.
 


 

Nach diesen Peinlichkeiten, verschwand der Rothaarige erst einmal im Bad, um kalt zu Duschen. Irgendwie musste er seinen Kopf frei bekommen. Sousuke verwirrte ihn einfach so sehr, machte ihn aber auch so glücklich…

Weswegen dieser zugestimmt hatte, bei ihm zu schlafen, war Rin nach wie vor ein Rätsel und er fragte sich, womit er das verdient hatte. Die Hoffnung, dass etwas zwischen ihnen zu wachsen begann, wollte seine Gedanken einfach nicht verlassen, so unwirklich diese auch schien.

Sousuke war bestimmt nicht schwul, oder stand auf Männer…

Nein, ganz sicher nicht, denn Rin kannte sich inzwischen ein wenig aus. Selbstverständlich gab es immer Ausnahmen, doch auf eine solche zu treffen, war beinahe unmöglich. Nicht, dass große, starke Typen nicht schwul oder bi sein konnten, es war etwas anderes, dass ihn davon überzeugte, das Sousuke das nicht war. Er hatte einfach das Gefühl, dass – wenn dieser ihn mochte – dessen Zuneigung einen anderen, ganz bestimmten Ursprung hatte.

Vielleicht war dessen Affektion nicht einmal romantischer, oder sexueller Natur, sondern rein platonisch?

Selbst wenn dem so wäre, würde sich Rin freuen und glücklich schätzen, seine Zeit mit dem Größeren verbringen zu können. Das änderte nichts daran, dass seine eigenen Gefühle in eine vollkommen andere, ganz und gar nicht freundschaftliche Richtung gingen, und auch nichts an dem Wunsch, in Sousukes Armen gehalten zu werden. Wie sich dessen Lippen wohl auf seinen anfühlen würden? Auf seinem ganzen Körper…?

Von dieser Fantasie beflügelt, gleichermaßen aber auch beschämt, putze Rin sich seine spitzen Zähne. Die Ursache für diese Deformation war ihm nicht bekannt, auch wenn seine Mutter erwähnt hatte, dass sein Vater ebenfalls ein paar ungewöhnliche Zähne besessen hatte. Leider konnte er sich kaum mehr an diesen erinnern, da er gestorben war, als Rin noch sehr jung gewesen war. Seit dem gab es nur noch sie drei: Minami, Gou und ihn.

Auch ohne Mann kam Rins Mutter gut zurecht, sowie ihre kleine Familie immer zusammenhielt. Wie er die beiden Frauen doch vermisste…

Die Vorstellung, dass seine Schwester ohne hin erwachsen werden und womöglich noch von irgendwelchen Kerlen angebaggert werden würde, stimmte Rin traurig, sowie wütend. Was hatte er getan, dass man ihm diese Erfahrungen verwehrte? Dass der Grund für seine Einlieferung alleine der war, dass er auf Männer stand, konnte man ihm beim besten Willen nicht weismachen.

Da musste eindeutig mehr dahinter stecken.

Viel Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen, hatte Rin allerdings nicht, weil Sousuke auch noch ins Bad musste, sodass sie rechtzeitig zum Frühstück und anschließend zum Schauprogramm gelangten.
 

Wie nicht anders zu erwarten war, stelle Sousuke seinen Missmut gegenüber Kisumi noch offensichtlicher zu schau als er es zuvor getan hatte. Auch wenn er nun zu wissen glaubte, dass Rin diesem nicht zugetan war, machte ihn die Vorstellung rasend, dass dieser Perverse sich an einen Unschuldigen heranmachte!

Dabei war Rin keineswegs so unschuldig, wie Sousuke glaubte. Immerhin hatte dieser dem Plan zugestimmt, welcher auf Kisumis Mist gewachsen war. Dennoch hatte diese Aktion sie so oder so weitergebracht. Nicht ganz wie geplant, doch zwangsläufig waren die beiden dadurch näher zusammengerückt.

Die Folgen von Rins Therapie und Dr. Masefields Einwirken durfte man als Faktor nicht unterschätzen, auch wenn diese für keinen angenehm waren. Nichtsdestotrotz hatten die Schmerzen Rin in Sousukes Arme getrieben und dieser war fähig, diesen zu lindern…
 

Chigusa beobachtete die Jungs mit kritischem Blick. Sie wusste um Kisumis und Rins Plan und wie dieser ausgegangen war. Ihr bester Freund hatte der Versuchung nicht wiederstehen können, ihr alle Details zu erzählen, womit sie nun auf dem neusten Stand war.

Soweit Chigusa wusste, war Sousuke eindeutig eifersüchtig gewesen, das bedeutete, dass er zumindest mal auf Rin stand. Von deren Verhalten her konnte sie aber nicht bestimmen, ob sich inzwischen schon mehr getan hatte, auch wenn es auffällig war, dass sie dem Blick des anderen auswichen und kaum redeten. Dies war wahrscheinlich die Phase, in der sich beide ihrer Gefühle mehr oder weniger bewusst waren, die des anderen aber noch zu ergründen versuchten, auch wenn klar war, dass sie sich eindeutig zueinander hingezogen fühlten.

Am liebsten hätte die Brünette den beiden einen Stups gegeben, dass sie sich endlich küssen und zusammen kommen würden, doch nichts läge ihr ferner als sich in die Beziehung anderer ungefragt einzumischen. Wenn Rin – oder auch Sousuke – sie um Hilfe bitten würde, wäre das etwas anderes.

Solange dies aber nicht geschah, blieb Chigusa nichts als stillschweigend zu beobachten und abzuwarten…

Kisumi beschäftigte sich derzeit mit seinem Essen und damit, Rin auf die Nerven zu gehen. Sousuke, der neben Chigusa saß, stand daher kurz vorm Explodieren, welches sich an der pochenden Ader an seiner Schläfe bemerkbar machte, sowie den zusammengebissenen Zähnen.
 

„Ist es nicht schön, dass der Schnee langsam schmilzt und man sich nicht mehr die Füße abfriert?“, warf Chigusa völlig aus dem Zusammenhang gerissen in die Runde, einfach um eine Katastrophe abzuwenden.
 

Kisumi hörte daraufhin tatsächlich auf, Rin zu versuchen zu füttern und Sousuke entspannte sich neben ihr etwas. Manchmal fragte sich Chigusa, wie man diese drei Idiotien nur alleine lassen konnte und wie deren Verhalten ausarten würde, wenn sie Kisumi nicht ab und an zurückhalten würde. Er war wie ein Hund, den man nicht an die lange Leine lassen durfte, der aber treu seinem Herrchen ergeben war und seine Freunde äußerst gern – vielleicht ein bisschen zu gern - hatte. Sousuke sah das vielleicht nicht so, doch im Grunde konnten zumindest sie vier sich aufeinander verlassen.

An einem Ort, an dem man niemandem trauen konnte, konnte freundschaftlicher Beistand Wunder wirkten.

Auch wenn zwischen Sousuke und Rin etwas mehr als nur Freundschaft war, machte sich der Einfluss des Rothaarigen schon bemerkbar. Immerhin war Sousuke seit dessen Ankunft gesprächiger geworden und schien allgemein besser gelaunt zu sein, auch wenn sich das schwer an seinem Gesichtsausdruck festmachen ließ.
 

„Schon, aber es ist immer noch nicht wirklich warm“, seufzte Rin, der kaltes Wetter nicht mochte.
 

„So viel wärmer wird es aber auch nicht mehr werden“, meinte Kisumi daraufhin. „Aber wenn dir kalt wird, können wir kuscheln~“
 

„Ähm…nein danke“, drückte der Kleinere den ein wenig aufdringlichen Rosahaarigen, der seine Arme um seine Schultern geschlungen hatte, von sich weg.
 

„Shigi…“, legte Chigusa eine Hand an ihre Stirn und atmete hörbar aus. „Ich glaub nicht, dass [style type=“italic“]du[/style] Rin wärmen musst.“
 

Diese Aussage konnte man deuten wie man wollte, doch Sousuke schien drauf anzuspringen, denn er sah kurz zu ihr und tauschte einen wissenden Blick mit der Brünetten aus. Wie genau er Chigusas Aktion zu verstehen hatte, war sich der Dunkelhaarige nicht klar, dennoch war er dankbar, dass sie eingeschritten war und Kisumi einen Hint gegeben hatte, dass er Rin in Ruhe und lieber Sousuke ranlassen sollte.
 

Nach dem Frühstück machten sich die Jugendlichen sofort auf den Weg zum Unterricht, der in der gleichen Etage stattfand. Rin musste noch für kleine Haiprinzen und Sousuke bot ihm an, auf ihn zu warten. Der Kleinere schickte ihn allerdings schon mal mit den anderen vor, weil er sich in dessen Gegenwart nicht unbedingt unwohl fühlte, aber nach den ganzen Ereignissen nicht wusste, wie er mit diesem umgehen sollte. Wenn andere dabei waren, ging es, doch momentan zu zweit zu sein, schickte Rins Herz auf eine Achterbahnfahrt.

Das ging so weit, dass er es sogar schaffte, die Behandlung vom Vortag zweitweise zu verdrängen. Leider war erst Freitag, sodass er noch eine Sitzung in dieser Woche überstehen musste, bevor ihm zwei Tage Ruhe und eine Pause von den Schrecken gegönnt werden würde.
 

Miss Amakatas Unterricht war glücklicherweise sehr angenehm im Vergleich zum restlichen Programm der Anstalt. Bei ihr fühlte man sich wohl und hatte keine Angst, im nächsten Moment mit irgendetwas geschlagen zu werden, oder Stromstöße verpasst zu bekommen.

Rin langweilte sich trotzdem meistens, weil er es nicht mochte lange still sitzen zu müssen. Wie sehr er doch seine Strecke vermisste, die er regelmäßig gejoggt war und das Schwimmbecken…

Sich körperlich nicht ausgelastet zu fühlen, war eine der schlimmsten Freiheitsberaubungen, der sich nicht nur Rin ausgesetzt sah. Sousukes Trainingsroutine nach zu urteilen, könnte er auch viel mehr an kräftemäßiger Forderung vertragen. Dass dies nicht nur an dessen Bewegungsdrang lag, sondern andere Ursachen hatte, ahnte der Kleinere nicht. Er war der Auffassung, dass es seinem Schwarm genauso wie ihm erging, da dieser schließlich auch ein Sportler war; ein verdammt guter noch dazu.

Da Rin nicht aufpasste, sondern damit beschäftigt war, sich Sousukes durchtrainierten Körper vorzustellen, ermahnte Miho ihn nun und seufzte, da sie diesen verliebten Blick nur zu gut aus der Zeit kannte, als sie noch an einer staatlichen Schule unterrichtet hatte. Sonst waren es aber eher verliebte Schulmädchen, die dem Unterricht weniger Aufmerksamkeit schenkten, als sich ihre Zukunft mit ihrem Schwarm vorzustellen.

In diesem Fall musste sie berücksichtigen, dass es eben ein junger Mann war, der sich höchstwahrscheinlich ebenfalls seine Zukunft mit einem anderen Mann vorstellte…

Ein großes Problem stellte das nicht für sie dar, es war eben nur gewöhnungsbedürftig.

Nichtsdestotrotz sollte Rin die Zeit im Unterricht nicht damit verschwenden, sondern das lieber auf eine der Pausen verschieben. Ihrer Meinung nach, hatten die Kinder davon mehr als genug, da sie mehr als vorgesehen war zuließ. Ihren Nerven taten diese auch gut…

Kisumi war zuweilen doch sehr anstrengend.
 

Leicht peinlich berührt, lief Rin ob der Ermahnung rot an und ordnete schnell seine Notizen, die er nach seinem kurzen gedanklichen Abenteuer fortführte. In letzter Zeit gab es überraschend viele Momente, in denen er sich wünschte, einfach im Boden zu versinken. Liebe veranlasste einen also wirklich, seltsame Dinge zu tun.

Diese Erkenntnis hätte Rin sich seiner Meinung nach sparen können. Für ihn wäre es ausreichend, einfach mit Sousuke rummachen zu können und so…

Ach verdammt! Warum konnten sie nicht einfach alle entlassen und in eine normale Schule geschickt werden? Warum konnte Sousuke kein normaler Teenager sein, der nicht seine Mutter umgebracht und Berührungsängste, sowie ganz andere Probleme, hatte?

Doch das wäre eine viel zu einfache Lösung gewesen und wer wusste schon, ob eine so ungewöhnliche Situation zu Rins Gunsten ausfallen würde. Sousuke stand immerhin auf Frauen und hätte er keine so großen Schwierigkeiten damit, sich anfassen zu lassen, bestimmt eine Freundin. Warum sollte sich ein normaler, heterosexueller Mann auch zu Rin hingezogen fühlen?

Dass Sousuke so oder so kein geselliger Mensch war und sein antisoziales, distanziertes Verhalten nichts mit seinen Traumata zu tun hatte, berücksichtigte Rin dabei nicht. Woher sollte er aber auch wissen, wie sich der Größere unter anderen Umständen entwickelt hätte?
 

Nach Miss Amakatas Ermahnung war Rin dazu übergegangen, Sousukes Rücken anzustarren, der ihn geradezu dazu einzuladen schien. So schön breit und muskulös~

Um nicht wieder vom Unterrichtsstoff abzukommen, senkte er den Blick schnell und begann zu schreiben. Immerhin hatten sie eine Aufgabe bekommen, die es zu erledigen galt…was konnte er dafür, wenn Sousuke eben viel interessanter als Geschichte war?

Hinzu kamen die durch die Pubertät durcheinander geworfenen Hormone und spontanen Erektionen, für die er nicht verantwortlich war. Letzteres passierte glücklicherweise nicht ganz so häufig. Wie peinlich wäre es denn bitte, wenn er im Unterricht, oder gar mitten in einer Therapiesitzung einen Steifen bekommen würde?

Dr. Masefield würde sich ganz bestimmt ganz köstlich darüber amüsieren…
 

Doch dieser hatte auch ohne derartigen Gegenebenheiten Spaß daran, Rin zu quälen. Dieser Nachmittag bildete keine Ausnahme von den üblichen Qualen, auch wenn der Arzt in dieser Stunde davon abließ, seinen Patienten mit Elektroschocks zu therapieren. Das hieß aber nicht, dass er sich nicht etwas ganz besonderes für Rin ausgedacht hätte.
 

„So I heard you turned 17 not too long ago“, meinte der Psychologe, nachdem er Rin am Stuhl festgeschnallt hatte. „We’ve got to celebrate.“
 

Darauf gab Rin keine Antwort, weil er wusste, dass es nichts brachte, sich mit dem Doktor zu unterhalten und jedes Widerwort nur zu dessen Belustigung diente. Nach dem Vortag war der Rothaarige sowieso noch eingeschüchtert, da die Ablenkung durch Sousuke nicht mehr gegeben war und er sich auch nicht schnell in seine Fantasie flüchten konnte. Dazu war er zu angespannt.

Was meinte die Weißrobe damit, dass er seinen Geburtstag feiern sollte?

Irgendwie hatte Rin dabei ein ungutes Gefühl…
 

Zwar wurde er an diesem Tag größtenteils mit körperlichen Bestrafungen verschont, doch ging Dr. Masefield zwischendurch auch mal für etwa 10 Minuten weg. Den Grund dafür nannte er nicht und ließ Rin schon vermuten, dieser würde mit einem neuen Folterinstrument zurückkehren. Allerdings war nichts Dergleichen der Fall, die Therapie verzögerte sich wegen dessen Abwesenheit nur weiter nach hinten.
 

Gegen Ende der Sitzung, welche gute 80 Minuten in Anspruch genommen hatte, schnallte der Arzt Rin los, um sich noch ein wenig mit diesem zu unterhalten. Diese Gespräche mit dem seltsamen Mann Mitte 40 war schon fast unangenehmer als dessen Behandlungsmethoden.
 

„Could you open your mouth for a moment and show me your teeth?“, lächelte der Mann zuckersüß. „I just want to check if everything is all right.”
 

Rin glaubte dem anderen nicht wirklich, doch wollte er sich auch nicht widersetzen. Nach dem was man Sousuke angetan hatte, als sich dieser zur Wehr gesetzt hatte, ließ er davon ab unnötigen Widerwillen zu zeigen. Was konnte schon schiefgehen, wenn er dem Arzt seine Zähne zeigte? Abgesehen davon, dass diese seltsam beschaffen waren, hatte er nichts zu befürchten und so öffnete der Rothaarige den Mund ein Stück breit.
 

„Ah, I see“, nickte Dr. Masefield als er sich zum etwas Kleineren beugte, um dessen Mundinneres zu begutachten. „White, scharp choppers…as expected.“
 

Mit diesem Kommentar ließ der Arzt auch schon wieder von Rins Mund ab und klopfte sich die Hände aus unerfindlichen Gründen an seinem weißen Kittel ab. Ihn ließ das Gefühl nicht los, dass der andere seine Zähne aus einem ganz bestimmten Grund hatte begutachten wollen. Dass diese etwas mit seiner Behandlung zu tun hatten, konnte er sich allerdings nicht vorstellen. Genauso wenig wie er dem Arzt abkaufte, dass dieser ihn wegen seiner Sexualität behandelte. Es mochte sein, dass die unkonventionellen Methoden ihren Effekt zeigten, doch ein guter Psychologe wusste, dass man die Orientierung eines Menschen nicht ändern konnte. Weswegen war Rin also dann in der Anstalt? Konnte seine Entführung einen nicht ganz so offensichtlichen Grund haben, als dass jemand – der Auftraggeber – etwas gegen Schwule hatte?

Wer war dieser jemand überhaupt, der ihn aus dem Weg haben wollte?

Seine Konkurrenten im Sport schloss Rin seit längerem aus, da diese nicht so weit gehen würden und auch nicht die Mittel hatten, ihn nach Russland verfrachten zu lassen. Irgendeine schwulenfeindliche Organisation konnte es auch nicht sein, da diese ihn, um realistisch zu bleiben, einfach umgelegt hätten.
 

Dr. Masefield erweckte nicht den Anschein, als seien sie schon fertig, auch wenn im Prinzip alles getan und die Urzeit schon fortgeschritten war.
 

„Can I leave now?“, wollte Rin leicht genervt wissen, da er nicht länger als unbedingt nötig in dem ungemütlichen, viel zu grellen Raum verbringen wollte.
 

Wer war auf die Idee gekommen, einen weiß gestrichenen und weiß gekachelten Raum mit grellen LED Leuchten zu versehen und vollkommen hässliche moosgrüne Bezüge auf jedes Möbelstück zu nähen?

Diese Kombination ergab einen bizarren Kontrast von schimmliger Arztpraxis und sterilen Operationssaal. Beides Räume, in denen man sich nicht unbedingt befinden wollte. Mit einem sadistischen Psychologen ausgestattet definierte sich eine Atmosphäre, die man mit nichts andere als dem reinsten Horror gleichsetzen konnte.
 

„I’m afraid you can‘t“, schüttelte Dr. Masefield den Kopf und gab danach eine Erklärung dafür ab. „You haven’t been properly observed yet, so we will do that today. I have to leave now, but Mr. Kendall will be taking care of you.“
 

Keine Minute später hatte sich der Psychologe zu seinem nächsten Opfer aufgemacht und ließ den völlig verwirrten, leicht verängstigten Rin zurück. Diesem ging die Szene durch den Kopf, als diese eine Schwester Sousuke hatte untersuchen sollen, ihn dabei aber begrabscht und ihm dann eine mit der Metallschale übergezogen hatte. Hoffentlich waren die anderen Angestellten nicht so notgeil wie Frau Harmann.

Wenn man den Worten des Arztes Glauben schenken konnte, würde ihn ein Pfleger unter die Lupe nehmen, doch ob dieser so viel besser war, wusste Rin nicht. Wenigstens war es nicht diese seltsame Schwester…
 


 

Sousukes Therapie war für diese Woche beendet und er fühlte sich angesichts seines Zustandes relativ gut, auch wenn ihn eine Vorahnung beschlich, als er den Gang zu seinem und Rins Zimmer entlangschritt. Es hatte Monate gedauert, bis sich der Dunkelhaarige halbwegs auf seinem Stockwerk zurecht gefunden hatte, vom Rest des Geländes mal ganz zu schweigen. Eines Tages im Sommer hatte er sich im Außengelände verlaufen und sich durch Büsche gekämpft, ehe er zum Eingang zurückgefunden hatte. Als sich solche Ereignisse gehäuft hatten und Chigusa davon Wind bekam, hatte sie sich seiner erbarmt und ihm einen Lageplan gezeichnet, mithilfe dessen er sich besser orientieren konnte. Diesen trug er bis zum heutigen Tage meist in seiner Hosentasche bei sich.

Ungewohnter Weise fand er das Zimmer leer vor, lag Rin doch meist nach seiner Sitzung auf dem Bett und weinte, oder hörte Musik. Selten trainierte er auch schon ohne ihn. Aus dem Bad kamen keine Geräusche, also fiel diese Möglichkeit von Rins Verbleib auch flach.

Das ungute Gefühl verstärkte sich und Sousuke, der seinen Instinkten immer vertraute, konnte sich beim besten Willen nicht auf sein Bett setzen und lesen, wenn Rin unauffindbar war. Daher schritt er unschlüssig im Zimmer auf und ab, ehe er den Entschluss fasste, einfach auf die Suche nach seinem Mitbewohner, der inzwischen so viel mehr als das war, zu gehen.

Wenn er sich nicht irrte, hatte Rin seine Sitzung immer in 215, einem der Zimmer, die etwas weiter weg lagen, sich aber noch im gleichen Geschoss befanden. Den Lageplan, der inzwischen schon sehr benutzt aussah, aus der Tasche kramend, machte er diesen ausfindig und sich auf den Weg dorthin.

Jeder normale, rational denkende Mensch hätte sich zuerst auf den Weg in den 6. Stock gemacht, da sich dort die meisten aufhielten, wenn sie nicht in ihren Zimmern waren. Außerdem saßen sie dort auch oft zu viert und verbrachten ihre Freizeit vorm Fernseher, oder auf einer der Bänke.

Doch Sousuke ahnte bereits, dass etwas nicht so lief, wie es sollte und dass Rin sich nicht im Aufenthaltsraum befand, da er direkt nach der Therapie davon absah sich unter Menschen zu begeben. Ganz einfach aus dem Grund, dass er Zeit brauchte, um diese zu verarbeiten.
 

Schon als Sousuke um die Ecke bog und die Aufschrift des Raumes erblickte, beschleunigte sich sein Herzschlag. Hier stimmte etwas ganz gewaltig nicht!

Er beschleunigte und erreichte 215, an dessen Klinke er die Hand legen wollte, doch stoppte, als er Geräusche von drinnen vernahm.

Einen Moment zögerte der Dunkelhaarige, ehe er das Ohr an die Tür legte und sich sein ungutes Gefühl bestätigte.

Sousuke hörte Rins aufgebrachte, verzweifelte Stimmte, welcher ‚Let me go‘ und ‚Don’t touch‘ von sich gab. Sousuke hatte genug gehört.

Ohne große Zweifel biss er die Zähne zusammen und drückte die Türklinke nach unten, um ins Behandlungszimmer zu gelangen. Mit einem genervten Schnauben musste er allerdings feststellen, dass abgeschlossen war. Wie auch nicht anders zu erwarten.

Aber Sousuke war niemand, der sich von verschlossenen Türen abhalten ließ, erst recht nicht als er einen Schrei von innen vernahm. Dieser löste die erste Fessel seines Verstandes, der seinen Körper zurückhielt.

Mit einem teilweise kontrollierten Stoß seiner rechten Schulter brach er das Schloss ohne größere Probleme auf, sodass die Tür halb aus den Angeln fiel, als er ins Zimmer trat.
 

Rin lag auf der grün überzogenen Liege, über ihm ein Pfleger, der gerade dabei war, den unten liegenden auszuziehen und am Oberkörper zu berühren. Dem Rothaarigen standen schon die Tränen von den Schmerzen in den Augen, die jede Berührung dank der Therapie bei ihm auslöste. Stromstöße und unbeschreiblich heiße Kälte durchzuckten seinen Körper, obwohl keine realen Schmerzen vorlagen. Seine Stimme hörte sich in seinen Ohren verzerrt an und er konnte nichts mehr tun als zu schreien.

Plötzlich hielt der Pfleger inne, als ein lautes Geräusch ertönte, das ihn wohl ablenkte. Rin konnte nicht viel erkennen, da seine Augen von den Tränen verschleiert waren und die Hände des anderen nach wie vor an seinem Körper lagen und ihn nach unten drückten.
 

Der Anblick dieser Szene, Rin so hilflos und in Schmerzen zu sehen, ließ Sousukes im wahrsten Sinne des Wortes eine Sicherung durchbrennen. Ungehalten, ohne die Folgen seines Handels zu bedenken, schritt er zur Liege, schnappte sich den Pfleger, der gar nicht wusste wie ihm geschah und drückte ihn mit dem Gesicht voran auf den Schreibtisch.

Der Griff des Größeren im Nacken des Pflegers festigte sich, als er diesen wieder auf die harte Oberfläche schlug, wobei die Tastatur unter ihm ein unschönes Knacken von sich gab.

Mit kalten Augen betrachtete Sousuke das Geschehen, als wäre das alles nicht real, als würde er dem anderen nicht weh tun.
 

Rin war noch völlig mitgenommen von dem Übergriff, sodass er eine kleine Weile brauchte um zu begreifen, welche Brutalität sich soeben vor seinen Augen abspielte. Seine Rettung war so unverhofft gekommen, dass er sich schon beinahe damit abgefunden hatte, vergewaltigt zu werden. Dass Sousuke ihn nun verteidigte und nun mit seinem Peiniger sämtliche Utensilien des Schreibtisches abräumte, sowie die Tastatur des Computers zerstörte, ging dann doch über seinen Erwartungshorizont einer Rettung hinaus.
 

Ryan Kendall, welcher sich zu verständigen und Sousuke davon abzubringen versuchte, ihn weiterhin auf die Tischplatte zu schlagen, gab inzwischen kaum mehr einen Laut von sich, da sein Gesicht, insbesondere sein Mund und seien Nase, so schmerzte. Ein paar Zähne hatte er wohl auch verloren, dem Blut nach zu urteilen, das sich über die weiße Tischplatte ausbreitete und auf den Boden tropfte.
 

Vollkommen schockiert über das ganze Blut, das die weißen Fliesen rot färbte, erstarrte Rin in seiner Bewegung. Er hatte sich aufgerichtet und saß mit freiem Oberkörper auf der Liege, die gegenüber des Schreibtisches lag.

Sousukes Augen hatten jeglichen Glanz verloren und als er für einen Moment davon abließ, den Pfleger auf die Platte zu schlagen, blickte er in Rins Richtung. Mit der Hand den anderen nach unten pinnend – obwohl es nicht mehr viel ausmachte, ob man ihn festhielt oder nicht, er würde sich in nächster Zeit nicht mehr von selbst bewegen – mit der anderen die Hand zur Faust geballt, ähnelte Sousukes keineswegs mehr dem ruhigen Menschen, den er sonst präsentierte.
 

„Sousuke…“, flüsterte Rin, gleichermaßen dankbar für die Rettung, wie verstört von dem Ausmaß der Brutalität, die der Größere an den Tag legte.
 

Dieser blickte mit kalten Augen nach unten, zu seinem Opfer, das regungslos unter seiner Hand röchelte. Als er zu einer erneuten Bewegung ansetzte, um das Leiden des Pflegers zu beenden, spürte Sousuke plötzlich etwas.

Hände schlangen sich um seinen Oberkörper und ein Körper drückte sich an ihn, sodass er in der Bewegung inne hielt.
 

„Es reicht…bitte hör auf“, erklang die wohl bekannte, schöne Stimme in seinen Ohren und riefen seinen Verstand zurück ins Leben.
 

Rin hatte sich erhoben, die Gefahr der Situation erkennend und das Risiko, das Sousuke mit seiner Aktion einging. Und das alles nur, um ihn zu beschützen, ihn vor diesem bösen Mann zu retten, der ihn berührt hatte.

Er erkannte jedoch die Grenzen, die Sousuke in seinem derzeitigen Zustand nicht mehr fähig zu sehen war, daher war es seine Aufgabe, diesen von etwas abzuhalten, das er später bereuen würde.

Nicht nur das: Wenn er den Pfleger umbrachte, würde sich auch Rins Angst materialisieren, dass man Sousuke dazu brachte Dinge zu tun, die außerhalb des Gesetztes und außerhalb seines Willens lagen.

So hatte er die einzige Option ergriffen, die ihm geblieben war, auch wenn sie mit der Gefahr einherging, dass der Größere ihm auch weh tat.

Dass Sousuke Rin einfach nicht weh tun konnte, zeigte sich in dem Moment, als seine Augen vor Verwirrung und Orientierungslosigkeit glänzten.
 

„Rin?“, blinzelte der Dunkelhaarige, zu dem Kleineren zur Seite blickend, der ihn eng umschlugen hielt.
 

Danach wanderte sein Blick seinen linken Arm entlang, an dessen Ende der bewusstlose Pfleger über dem Schreibtisch lag, der vollkommen in Unordnung gebracht war und vor Blut glänzte. Einzelne Tasten lagen verstreut, sowie ein Zahn, der sich in Blutlache auf den Bodenfließen befand.

Sein eigenes Werk betrachtend, realisierte Sousuke, dass dies sein Tun war und erstarrte für einen Moment.
 

„Er ist nicht tot“, murmelte Rin, als er den Blick des Größeren verfolgte und zu lesen wusste. „Aber du warst nah dran.“
 

Von seiner eigenen Ruhe überrascht, die ihm geholfen hatte, Sousuke von Schlimmerem abzulenken, wurde ihm mit einem Schlag das Chaos bewusst, das sich in der letzten halben Stunde in diesem Zimmer abgespielt hatte: Man hatte versucht ihn zu vergewaltigen, ihn an Stellen berührt, die schrecklich weh getan hatten. Sousuke hatte die Tür aufgebrochen, seinen Peiniger von ihm weg gezerrt und dann unzählige Male auf die Tischplatte geschlagen, bis dieser bewusstlos war.

Beim Anblick des Blutes wurde Rin schlecht und er hielt sich eine Hand vor dem Mund, wozu er Sousuke loslassen musste. Mit seiner Ruhe war es endgültig dahin und er fühlte die warmen Tränen, die seine Wangen hinabliefen.
 

„Es tut mir leid…ich wollte das nicht…ich…“, zitterte Sousukes Stimme nun, als er Rins Tränen und dessen Reaktion auf sein Werk sah.
 

Was um alles in der Welt hatte er da angerichtet? Er hatte Rin doch nur retten und niemandem schaden wollen …

Seit er den Raum betreten hatte, fehlten Sousuke die Erinnerungen an seine Tat. Das Vorhaben, Rin zu retten hatte er erfüllt, doch auf welche Weise?

Der Kleinere fürchtete sich bestimmt vor ihm, das wäre die normale Reaktion.
 

„Ich weiß…“, kam es mit bebender Stimme von diesem. „Es ist nicht deine Schuld.“
 

Im nächsten Moment drückte sich Rin wieder an ihn und verbarg sein Gesicht an Sousukes Shirt. Verwirrt von der Gesamtlage, aber auch von Rins Reaktion, stand Sousuke für eine Weile regungslos da, ehe er seinen Griff lockerte. Das hatte zur Folge, dass der schlaffe Körper ein Stück rutschte, aber im Großen und Ganzen auf dem Schreibtisch liegen blieb.

Sousuke legte Arme um den Kleineren und schloss die Augen, als er seinen Kopf an dessen Schulter presste.

Wen interessierten schon die Konsequenzen, die sein Handeln hatte?

Das wichtigste war, dass sich Rin in Sicherheit befand.

Etwas Anderes zählte für Sousuke nicht mehr.



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