Written in the Scars (of Our Hearts) von yezz ================================================================================ Kapitel 35: Thwarted Dreams --------------------------- Renjis Traum hatte sich so real angefühlt, dass er immer noch den Staub in der heißen Sommerluft riechen und die Belastung in seinen Muskeln spüren konnte. Dennoch war es genug Traum gewesen, dass sich die Hintergründe immer geändert hatten. Manchmal kniete er in der Mitte des Übungsplatzes der 6. Division, die ganze Einheit und alle seine Freunde beobachteten ihn von den Säulengängen und Doppelloggia. Ein anderes Mal war die Menschenmenge sogar größer und er war nackt auf dem Kampfplatz der Elften, während fast die gesamten Hofgarden kommen und gingen. Egal wo er war, das Gefühl des Traumes war immer gleich: Demütigung. Nackt, gefesselt und geknebelt, sein Schwanz unbedeckt, zur Schau gestellt. Renji wurde vor allen entwürdigt, während die Menge lachte und johlte. Jemand – Momo? Matsumoto? Oder war es Rukia? – rief über die Menge hinweg: „Peitsch ihn aus! Peitsche ihn aus, wie den Hund, der er ist!“ Kenpachi schaute ihn einen langen Moment an, als wäre er enttäuscht oder gelangweilt oder beides und dann wandte er ihm den Rücken zu und ging. Der erste brennende Schmerz der Peitsche ließ Renji erschrocken aufwachen. Schweißgebadet blickte er sich in dem Raum um, versuchte sich in der Dunkelheit zu orientieren. Die glühend roten Lichter des LED-Weckers auf dem Boden sagte: 03:00 Uhr. Durch die dünnen Wände des Shōten konnte Renji das Fauchen des Straßenverkehrs und das sanfte Platschen von Regen auf den Dachziegeln hören. Er hatte die Decke fest in seiner Faust und versuchte den brennenden Phantomschmerz auf seinem Rücken zu verbannen. Es war keine wirkliche Menschenmenge anwesend gewesen, als Renji zum einzigen Mal eine öffentliche Tracht Prügel hatte einstecken müssen. Nein, eher auspeitschen. Es war eine Rute gewesen und das Ganze war brutal, hässlich aber gnädiger Weise kurz gewesen. Fertig und abgeschlossen, bevor er überhaupt etwas neben dem weißen, heißen Zorn und Verärgerung gespürt hatte. Sein Reiatsu hatte damals bereits angefangen, ihn zu schützen, auch wenn er noch nicht gewusst hatte, wie er das hervorrufen könne. Die Striemen verschwanden bereits, als er Rukia eingeholt hatte und sie hatte ebenfalls nie die Tattoos gesehen, die er ihnen zu verdanken hatte. Doch der Traum war keine Erinnerung an etwas davon gewesen. Das Gefühl war anders gewesen. Er hatte keine Schande darüber verspürt, die Prügel einzustecken. Er hätte noch Tausend mehr davon eingesteckt, wenn das bedeutet hätte, dass Rukia von diesen Teehaus-Dieben freigekommen wäre. Er bereute nichts. Das Einzige, was ihm jemals davon den Schlaf gekostet hatte, waren die Tode ihrer Brüder, doch er tröstete sich immer wieder mit dem Wissen, dass ihnen klar gewesen war, was für ein Risiko sie eingegangen sind. Sie hatten sich freiwillig gemeldet und haben genauso darauf gepocht, wenn nicht sogar mehr, als er selbst. Renji rollte sich auf den Rücken und blickte die dunkle Zimmerdecke an. Offensichtlich war es nicht das, was den Traum heraufbeschworen hatte. Nein, er war blöd. Renji wusste ganz genau, woher er kam und worum es da wirklich ging. Er dachte, dass er seinen Frieden mit dem Demütigungsfetisch geschlossen hatte, doch es war klar, dass das Schwachsinn war. Er hatte niemals gewollt, dass Byakuya etwas davon öffentlich machte, doch erst war es Aio in der Bibliothek gewesen und dann Eishirō und Rukia im Hotel. Nun würde die ganze, verdammte Gotei davon erfahren. Alle würden den Respekt vor ihm verlieren, den sie vor ihm gehabt hatten. Renji hatte immer gedacht, dass es nicht wirklich von Bedeutung war, was andere von ihm dachten, doch das war eine Lüge gewesen. Der ganze Scheiß tat immer weh. Er konnte es niemals so abschütteln, wie er es wollte, so wie er tat, dass er es konnte. Jedes Bläffen, jeder Hunde-Kommentar – es war immer, wie das Brennen eines Peitschenhiebes, schnitt durch Fleisch und traf jedes verdammte Mal den Nerv. Er hatte sich den Arsch aufgerissen, um das alles abzuschütteln und nun ließ er es zu, dass ihn Byakuya auf seine Knie warf, sein Gesicht in den Dreck drückte und... seine Sandalen leckte. Wo zum Teufel war sein Selbstrespekt? Zabimaru grummelte tief im Inneren. Ja, ok, ein paar Sachen davon hatte er tun müssen. Überleben triumphierte immer über Stolz, ohne Fragen, ohne Reue. Doch was ist mit all dem Mist kürzlich? Warum konnte er nicht 'Nein' sagen? Warum konnte er das nicht besser durchdenken, wie er sich wirklich damit fühlte, bevor es zu spät war? Warum war da überhaupt eine Option auf diesem verdammten Fragebogen, der sagte 'Macht mich nicht an, aber ich würde es für dich tun'? Denn das war die Auswahlmöglichkeit, die Renji viel zu oft angekreuzt hatte, als er es hätte tun sollen. Renji warf sich wieder herum. Als er den großen Stofftiger fand, drückte er ihn an seine Brust. Immer noch so verdammt besorgt, auch nur auf seinen Schatten zu treten. Denn trotz ihres Fortschrittes hatte Renji Angst – Angst davor, dass 'Nein' zu sagen, Zurückweisung bedeutete. Angst davor, dass eine Linie zu ziehen nur bedeutete, Byakuya dazu zu nötigen, diese zu übertreten. Renji hielt den Tiger so fest, dass er drohte zu zerreißen, während er still über seine eigene Schwäche fluchte. Ich denke sogar daran 'Ja' dazu zu sagen und zuzulassen, dass er dich mir mit diesem dummen Reinigungsritual wegnimmt, dachte Renji an Zabimaru gerichtet. Und du bist die einzige Stärke, die ich besitze. Wir haben keinen Schwächlich ausgewählt, grummelte der Pavian. Einen Narren vielleicht. Aber du bist stärker, als du dir selbst eingestehst. Reiß dich wieder zusammen, du Idiot, zischte der Schlangenschwanz, und kämpfe. Gehorsam zog sich Renji mit einem Grunzen auf die Füße. Zabimaru hatte Recht. Renji hatte das niemals in seinem Kopf durchdacht. Es war zu verwirrend und verschroben. Besser zu drängen und zu kämpfen, bis er zu erschöpft war, um geradeaus zu denken. Er warf sich die Seelenpille in den Mund und schluckte sie. In einer Sekunde hatte er den Gigai hinter sich gelassen. Er ging festen Schrittes zum unterirdischen Trainingsplatz, Zabimaru fest in seinem Griff. Sein Blick war fest, fokussiert und entschlossen. Immerhin war er derjenige, der heutzutage die Peitsche hielt. Seine Hiebe waren diejenigen, die Fleisch vom Knochen trennen konnten. Byakuyas Morgen begann mit einem Haufen von Briefen. Eishirō hatte den Stapel mit Papieren neben einer großen Kanne Tee hereingebracht. Byakuya hatte sich noch nicht bemüht, aus dem Bett aufzustehen und saß nun stattdessen mit dem Tablett auf seinem Schoß und nippte am Tee, während er die Briefe durchging. Eishirō kniete an der Tür, Papier und Pinsel neben ihm und notierte zu erledigende Punkte, die Byakuya auffielen. In seiner gewohnten Effizient hatte Eishirō die Briefe so angeordnet, dass die alltäglichen Punkte zuerst erledigt wurden. Byakuya hatte sich für einen Steinmetz entschieden, der den Bereich der Mauern des Anwesens reparierte, die durch Alter und Verschleiß bröckelig geworden war. Einladungen waren abgelehnt worden. Einige Kandidaten für das Erbe waren angeschaut und eine Anzahl mit Zustimmung an Tante Masama geschickt worden, um Gespräche zu arrangieren. Nun, als sich Byakuya dem Ende des Stapels näherten, kamen die komplexeren und/oder persönlichen Briefe. Zu Byakuyas Überraschung und Freude war der erste Brief von Renji. "Byakuya, Hey Liebling, Byakuya, ich habe keine Ahnung, wie du diese Dinger schreiben kannst. Ich kann noch nicht mal anfangen. Erwarte keine Posie, außer vielleicht die Art von Reime mit 'violets are blue'. ;-)" Byakuya musste das Papier zur Seite drehen, um zu erkennen, dass das lustige, kleine Bild ein zwinkerndes, lachendes Gesicht sein sollte. Woher hatte Renji das? Doch es war seltsam charmant und, natürlich, musste Byakuya sein eigenes Lächeln unterdrücken, während er sich an Renjis vergangene Versuche in Sachen Posie erinnerte. "Wie auch immer, ich sollte dich vermutlich warnen, dass irgendein Idiot uns im Sentō 'bemerkt' hat und losmarschiert ist, um es einer verrückten TV-Show-Persönlichkeit zu erzählen. Ich würde mir nicht die Mühe machen, dir davon zu erzählen, wenn Urahara nicht gesagt hätte, dass vielleicht diese Spinner von der Zwölften Fernsehsendungen aus dem Diesseits schauen und es deswegen nicht vielleicht rauskommen könnte. Dein Ruf ist jedenfalls sicher. Es sind meine Tattoos über die scheinbar jeder reden muss. Die Werbung sprach über mich, als wäre ich ein wildes Tier, aber du weißt schon, Ichigo hat es erraten, also kann ich mir nicht vorstellen, dass es für sonst wen schwer sein wird, eins und eins zusammenzuzählen. Er ist nicht wirklich ein Raketenwissenschaftler, wie man hier so sagt." Das war irgendeine Art von Witz, da war Byakuya sicher, doch er verstand es nicht. Eine Menge von den Dingen, die Renji schrieb, waren verwirrend, doch Byakuya verstand genug um zu wissen, dass sie im Sentō entdeckt worden waren und es sich vielleicht rumsprechen würde. "Wie ich geschrieben habe, musst du dir um nichts Sorgen machen. Es war eine Party letzte Nacht und, nun ja, jeder denkt, dass ich mit Ichigo da gewesen bin. Bin mir nicht sicher, was das über uns aussagt, aber, weißt du, im Falle, dass du dieses Gerücht hörst, wollte ich sicher gehen, dass du nicht glaubst, dass es wahr ist. Er ist goldig und all das, aber Er ist absolut nicht mein Typ, wie du wissen solltest. Urahara scheint über unser Problem zu grübeln. Er sagte die Nacht seltsamen Mist und hat wie so oft kryptisch 'erklärt', was mich am Ende noch mehr verwirrt als geholfen hat. Die Sache ist die, dass du deiner Tante sagen kannst, dass wir das im Griff haben. Ich denke, wir sind an dem Punkt angelangt an dem der Brief, wenn du ihn schreiben würdest, mit irgendwas Wundervollem enden würde, sodass ich dich vermissen würde. Ich weiß nicht, wie man sowas macht. Also sage ich nur, wie sehr ich es mag, wenn du mir schreibst. Ich behalte die Briefe unter meinem Kissen und lese die guten Teile immer wieder. Ich denke, ich sollte nicht überrascht sein, dass du gut beim Hofieren bist, aber es ist nett derjenige zu sein, der am empfangenden Ende ist. Verstanden? Nein. Gottverdammt. Es ist einfach nur nett. Pass auf dich auf, Renji" Byakuya lächelte. Renji wusste vielleicht nicht, wie charmant er war, doch er war es. Tatsächlich vermisste Byakuya ihn in diesem Moment furchtbar und stellte fest, dass er den letzten Absatz noch ein paar Mal las, bevor er ihn widerwillig zur Seite legte. Da war noch ein weiterer Brief auf dem Stapel. Neugierig darüber, dass Eishirō dachte, dass etwas nach dem Schreiben von Renji kommen sollte. Byakuya drehte das Papier um und sah das Siegel der Kuchiki. Von wem das wohl war? Ah, ja, seine Cousine Hiroko, die, die dem 3. Offizier, Miisho Ōta, versprochen war. Sie schrieb: „Mein liebster Cousin, Lord Kuchiki, ich muss zugeben, dass ich überrascht war, einen Brief von unserem Familienoberhaupt zu erhalten. Ich bin beeindruckt, dass du dich an eine so unbedeutende Verbindung wie mich erinnerst. Ich konnte wohl kaum einen vorteilhaften Eindruck hinterlassen, als wir uns das letzte Mal sahen, da ich mir sicher war, dass mein Daumen die ganze Zeit fest in meinem Mund steckte. Jedoch bin ich geschmeichelt und zutiefst geehrt, bei einer solch heimlichen Angelegenheit ins Vertrauen gezogen zu werden. Ich fühle mich wie ein Spion! Außerdem, da du nach meiner Ehrlichkeit gefragt hast, werde ich sie dir geben. Herr Ōta ist nett genug, aber ich habe diese Vereinbarung mit ihm nicht aus Liebe getroffen. Du liegst richtig mit der Vermutung, dass ich wünsche, der Hofgarde beizutreten. Doch es ist nicht, weil ich träume, ein Krieger zu sein. Mein Interesse ist die Wissenschaft. Unsere Familie toleriert mein ‚Hobby‘, doch kann es nicht wirklich fördern. Mein Vater würde mir freudig alle Ausrüstung oder Bücher kaufen, nach denen ich mich sehne, doch woran es mir mangelt, sind geeignete Kollegen. Ohne erhebliches Reiatsu wurde ich nicht als angemessener Kandidat für die Akademie erachtet. Und so habe ich vor langer Zeit selbst die besten Lehrer übertroffen, die einer Dame zugänglich sind. Ein Mann wie du es bist, mag vielleicht meine selbstsüchtigen Wünsche nicht nachvollziehen können. In deiner Position musst du immer an die Familie, unserer Ehre und unserem Ruf denken. Es muss abscheulich für jemanden wie dich erscheinen, dass ich so willentlich und billig unseren Namen für die kleinste Chance verkaufe, um nur für 2 Minuten die Gesellschaft eines Verstandes wie meinen zu haben. Es gibt keine Ausreden, die ich vorzuweisen habe, mein Herr. Ich war mir vollkommen bewusst, dass unsere liebreizende Tante Masama meine Schwäche zu ihren Gunsten ausnutzte. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was ich tun werde, wenn meine Ehrlichkeit in dieser Angelegenheit meine Chancen sabotieren wird. Ich kann nur hoffen, dass du Mitleid für ein närrisches Mädchen empfindest, dass sich wagt, außerhalb ihrer Reichweite zu träumen. Dein ergebenster Diener, Hiroko Kuchiki“ Byakuya ließ seine Hand mit dem Brief sinken und blickte aus dem Fenster hinaus. Weit entfernt war eine Frau, deren Schicksal vereitelt worden war. Hätte sie nur das Reiatsu, würde sie zur Akademie gehen. Ihr Name hätte vielleicht Augenbrauen erhoben, doch wäre da das Glimmen der Seele eines Zanpakutō gewesen… Nun ja, der Pfad eines Kriegers war etwas, dass die Familie verstand und respektierte. Selbst wenn sie sich der Wissenschaft zugewandt hätte, wäre es immer noch genug gewesen, ein Zanpakutō an ihrer Seite zu haben. Ähnlich war es, wenn sie im Rukongai mit einem anderen Namen geboren worden wäre. Sie hätte dann immer noch gehen können. Die Akademie nahm brilliante Geister auf und lehrte sie, selbst die ohne Hoffnung ein Zanpakutō zu erlangen, denn Kommandant Kurotsuchi akzeptierte alle talentierten Seelen in seiner Division. Schlau genug und sie würden sogar vermeiden, selbst Experimente zu werden. Doch gegeben dieser besonderen Möglichkeiten, würde niemand eine Kuchiki riskieren. Besonders keine, die schön und heiratswürdig ist. Niemals. Sie war zu kostbare Handelsware. Tante Masama muss ihren Schmerz, gefangen von Machtlosigkeit, Name und Geschlecht, nur allzu gut verstanden haben. Byakuya setzte das Tablett mit dem Tee zur Seite und stand auf. „Wir werden Frühstück mit unserer Tante zu uns nehmen“, informierte er Eishirō. „Und wenn du meinen nutzlosen, 3. Offizier finden kannst, lass ihn auch erscheinen.“ Er hatte keine Ahnung, was er sagen wollte. Alles was er wusste war, dass er Worte an sie richten würde. Renji lag im Staub, Uraharas Worte hallten immer noch in seinem Ohr wider. Bleib zurück. Du bist nutzlos. Es war das verdammt Letzte, was er heute hören wollte. Die Worte schnitten ihn, wie der erfahrene Hieb einer Peitsche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)