Schicksal eines Engels von abgemeldet (Gefühlvolle Geschichte über den Engel Rai) ================================================================================ Kapitel 1: Anfänge ------------------ E s ist kalt, dunkel und nur das ständige Tropfen von Wasser aus einem undichten Wasserhahn ist zu hören. Mein Atem geht schwer und ich habe mühe mich wach zu halten. Diese drückende Stille ist unerträglich, sie zerfrisst mich von Innen heraus. Nur der Gedanke an Dimion hält mich noch in dieser Welt. Ich klammere mich an die letzten Erinnerungen, die mir noch geblieben sind. Verzweifelt versuche ich mich noch einmal aufzurichten, doch ich bin schon zu geschwächt, dass ich die schweren Ketten, die sie mir um Hals, Hände und Füße gelegt haben, zu heben. Doch vergebens. Schmerzhaft schneidet mir das Metall in die Haut, erdrückt mich fast. Krampfhaft zieht sich mein Magen zusammen, ich habe schon seit Tagen nichts mehr zu mir genommen. Natürlich haben sie versucht, mich zum Essen zu bringen, selbst mit Gewalt. Doch ich konnte nichts bei mir behalten auch wenn ich wollte könnte ich nichts von dem essen, was mir vorgetischt wird. All das wurde umgebracht und es ist schmerzhaft und quälend für mich, Getötetes zu essen. Auch habe ich schon seit Tagen kein Sonnenlicht mehr auf meiner Haut gespürt, nur dieses künstliche, kalte Licht von Glühlampen. Mein Körper sehnt sich nach frischer Luft und nach den Strahlen der Sonne. Doch ich werde nicht rausgelassen, sie haben Angst das ich fliehe. Dabei bin ich doch mehr tot als lebendig. Durch diesen Verlust ist mein ganzer Körper ausgebleicht. Ich bin nur noch ein weiß graues Häufchen Elend, dass in der Ecke eines Zookäfigs sitz und auf seine Erlösung durch den Tod wartet, um nicht jeden Tag von den gaffenden Blicken zahlender Besucher durchbohrt zu werden. Und ich bin mir sicher, diese Erlösung mich spätestens Morgen nach Sonnenuntergang durch den von mir herbeigesehnten schnellen Tod ereilt. Ihr wollt wissen wer ich bin und was ich bin, dass ich in diese Lage gekommen bin und hinter den Gittern eines Käfigs zu stecken, wie ein Tier?! Na dann lauscht meiner Geschichte, die ich euch in den letzten Stunden meines Lebens noch erzählen werde: Mein Name ist Rai und in Menschenjahren ausgedrückt, bin ich etwa achtzehn Jahre alt. Ihr werdet es mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ich bin ein Engel. Genau, ein geflügeltes Wesen Gottes. Doch selbst für einen Engel bin ich etwas besonderes. Hüftlanges, silberglänzendes nussfarbenes Haar, das ich in immer als langen, dicken Zopf getragen habe, schmückte mich einst; doch jetzt hat es all seinen Glanz verloren, ist nur noch grau und fad und der Zopf ist aufgegangen, so dass mir die Strähnen ungepflegt ins Gesicht hängen. Auch meine einst tiefblauen Augen, bei deren Anblick man meinen könnte in sie wie in einen verzauberten See eintauchen zu können, sind ausdruckslos geworden, ohne Leben. Das Kleid, dass ich jetzt trage und welches aussieht wie ein Putzlumpen, war einmal ein knielanges weißes Kleid aus dünnem Leinen, dass hinten von einem blauen Stoffband zusammengehalten wurde. Jetzt sind seine kurzen Ärmel, der Ausschnitt und der Saum vollkommen ausgefranst. Meine schlanke Figur, meine langen grazilen Beine und meine zierlichen Hände sehen jetzt eher der einer alten abgemagerten Frau gleich. Meine Lederschuhe haben sie mir auch weggenommen. Meine weißen Flügel sind nicht mehr strahlend weiß, sondern gelblich und schmutzig, die Federn ausgefranst. Allgemein ist meine wunderschöne Erscheinung und all meine Eleganz vertrocknet und verflogen. Selbst meine Magie habe ich verloren. Ich bin wohl wie eine schöne und zauberhafte Blume, die man in den ewigen Schatten gestellt hat und die jetzt langsam ihrem Ende entgegen sieht, welkt und ausgedörrt durch den Verlust der belebenden Sonnenstrahlen. Ihr werdet lachen, aber tatsächlich sind alle Engel wie Blumen. Genau wie sie verenden wir kläglich und qualvoll, wenn wir nicht mehr die nährenden Strahlen der Sonne in uns aufsaugen können. Doch Blumen kommen auch mit künstlichem Licht aus, Engel nicht. Uns genügt Sonnenlicht um zu überleben, denn wir brauchen keine Nahrung. Und wie schon erwähnt, wenn wir doch etwas essen, dann darf es nicht getötet worden sein. Das gilt für Tiere wie auch für Pflanzen. Ihr seht, ich bin in diesem Gefängnis dem Tod näher als dem Leben. Ich wurde von Menschen gefangengenommen; und das auch nur durch Zufall. Und wie ihr vielleicht schlussfolgern könnt, haben sie mich in einen Zoo gesteckt, wie eine seltene Tierart. Doch vorher musste ich zahlreiche Tests und Untersuchen über mich ergehen lassen. Ich wurde an Geräte angeschlossen und geröntgt, und dass mindestens tausend mal. Blut wurde mir fast literweiße abgenommen, so dass ich befürchten musste, nichts mehr in meinen Adern zu haben. Auch nahmen sie von mir Gewebeproben und Haare, die sie in aufwendigen Untersuchungen "auswerteten". Genauso haben sie mir unzählige Federn aus meinen Flügeln entnommen, so dass ich am Schluss dieser Höllentortur aussah wie ein gerupftes Huhn. Die ganze Zeit war ich angekettet, dabei darf ich doch anderen gar keinen Schmerz zufügen. Doch es was sinnlos ihnen das mitteilen zu wollen, sie wollten mich nicht verstehen und mir nicht zuhören. Aber genug davon, ich wollte euch erzählen, wie es dazu kam ... A m Besten fangen wir ganz von vorne an, damit ihr versteht, was ich genau bin. Wie alle Engel, wurde auch ich im Reich Gottes aus einem Wassertropfen geboren der am "Baum des Lebens" hing, indem dieser Tropfen von einem Engel geküsst wurde und sich so öffnete. Natürlich gibt es auch Dämonen und das Reich des Teufels. Dämonen werden aus Wurzeln der "Teufelsranken" geboren, indem ein Dämon diese Wurzel zerschlägt. Doch denkt nur nicht, dass Dämonen kleine Kobolde sind, die nur Böses im Sinn haben und andere umbringen wollen. Nein, Satan und der Herr sind eher so was wie "Partner", denn sie haben einen Pakt abgeschlossen. Und Dämonen unterscheiden sich nicht großartig von den Engeln, jedenfalls Äußerlich nicht. Sie haben nur statt der Federschwingen Flügel, die den einer Fledermaus ähnelt. Aber im Verhalten unterscheiden sie sich erheblich. Dämonen habe nur Unfug im Sinn, auch wenn sie nie eine Katastrophe auslösen. Sie ärgern nur gern andere und haben dabei einen rießen Spaß. Jeder Engel wird mit weißen Flügeln geboren, die mit ihm mitwachsen. Auch hat jeder oder jede einen Anhänger um den Hals. Einen kleinen Tropfen aus einem magischen Kristall, der bei jedem/jeder eine andere Farbe hat, sodass keiner dem anderen gleicht. Mein Anhänger war oder ist himmelsblau. Durch diesen Stein um den Hals haben alle Engel einen Teil von der Kraft Gottes, die sie nutzen können. Meine "Kindheit", wenn man das so nennen kann, verlief für einen Engel im Reich Gottes ganz gewöhnlich. Man muss dazusagen, dass ein Engel eine nicht so lange Zeit hat wie ein Menschenkind, bis er erwachsen ist. Diese Zeitspanne erstreckt sich nur über ein Jahr. Doch auch wenn ich wie alle anderen aussah wusste ich, dass tief in mir etwas ruhte, dass mich gewaltig von ihnen unterschied. Doch dazu kommen wir erst später. Nach dieser besagten Zeitspanne von einem Jahr muss jeder eine von Gott gestellte Prüfung bestehen, bis er seine endgültige Aufgabe erhält. Meine Prüfung war, dass ich auf die Erde sollte und einen verlorenes Schutzamulett finden sollte, das vor langer Zeit über den Rand des Himmels auf die Erde gefallen war. Man sollte meinen, dass das nichts besonderes ist, doch genau damit begann mein tragisches Schicksal ... Es war ein wunderschöner Tag, der im Reich Gottes anbrach. Die Vögel sangen und der sanfte Wind wehte den Duft von tausenden von wunderschöner Blüten in meine Nase und lies mich aufwachen. Doch dieser eine Tag, der eigentlich genauso begann, wie jeder andere Tag auch, war etwas Besonderes und sollte alles verändern. Mein Herz pochte wie verrückt vor Aufregung, als ich mich auf den Weg zum Herrn machte, um von ihm meine Aufgabe für meine Prüfung zu erhalten. Ich konnte es kaum noch erwaren und in mir kribbelte alles! Ich hatte mich lange auf diesen Tag vorbereitet, hatte mit Mai geübt und meine Kräfte trainiert, damit ich bereit war die Prüfung anzunehmen und sie auch zu bestehen. Mai war älter und wie eine große Schwester für mich. Aber trotzdem hatte ich immer noch Schwierigkeiten mit einigen Formeln und ich konnte mich leider auch nicht zu lange auf eine einzelne Sache konzentrieren, doch ich war so von mir überzeugt, dass ich dachte Berge versetzten zu können. Und Glauben ist ja bekanntlich alles. Mit so viel Tatendrang verabschiedete ich mich von dem Baum, in dem ich die Nacht verbracht hatte und machte mich auf den Weg zum Herrn. Wie jeden Morgen genoss ich es über den verzauberten Wald zu fliegen, in dessen Mitte ein See lag. Ich fand es schön zuzusehen, wie von dem "Baum des Lebens" in der Mitte dieses magischen Sees die neugeborenen Engel auffliegen zu sehen, wie ein Schwarm kleiner weißgeflügelter Vögel. Auch sie machten sich auf den Weg zum Herrn. Vögel begleiteten mich und sangen an meiner Seite, während wir immer näher an den großen Baum kamen, in dem der Herr lebte. Es war und ist der größte aller Bäume, die je ein Lebewesen gesehen hat und je sehen wird. Er war so hoch und so breit, dass man ihn nur aus großer Ferne ganz sehen konnte. Ohne zu ahnen, was auf mich noch zukommen würde, landete ich schließlich so sanft wie eine Feder auf einer der riesigen Wurzeln des Baumes. Vorsichtig ging ich in einen der Eingänge, die in das Innere des Baumriesen führte und war überwältigt, von dem Anblick, der sich mit bot! Meine weißen Lederschuhe standen auf einem Boden, der aussah wie eine wabernde Wasseroberfläche, die im Licht glitzerte und Funkelte. Und als ich meinen Fuß auf diese unwirkliche Oberfläche trat, gingen von ihm Wellen über das Wasser, wie bei einem echten See. Diese kleinen Wasserwellen setzten sich fast endlos fort um irgendwo in den Weiten dieser Halle zu verebben. Der ganze Raum war so groß und so hoch, dass ich Mühe hatte das andere Ende und die Decke zu sehen. Außerdem war er hell erleuchtet, als ob in seiner Mitte eine kleine Sonne schwebte und das Innere erhellte und wärmte. Man fühlte sich wie wenn man an einem schönen Sommertag vom warmen Wind umspielt wird und sich so wohl wie in einer kuscheligen Decke fühlt! Diese Geborgenheit hatte ich schon einmal erlebt, als ich dass erste Mal hier war, nachdem ich "geschlüpft" war. Doch nur dieses Gefühl kannte ich schon, an diesen Raum konnte ich mich bildlich nicht mehr erinnern. Als ich so dastand und diesen faszinierenden Anblick auf mich wirken lies, kam Mai auf mich zugeflogen und landete elegant vor mir. Mit einem sanften Lächeln sagte sie zu mir: "Na, bist du auch schon da?! Ich habe schon gedacht, du hast vielleicht verschlafen!!" Sie grinste mich an. Mit gespielter Beleidigung erwiderte ich: "Das sieht dir wieder ähnlich!! Ich würde doch nie an einem so bedeutenden Tag verschlafen!! Außerdem bin ich pünktlich!!" Um diesen Effekt noch zu verstärken, zog ich einen Schmollmund hin. Doch das hielt ich nicht lange durch und musste lachen. Auch Mai lachte, doch dann wurde sie ernst und schaute mich durchdringend an. "Jetzt aber genug mit dem Unsinn! Wir wollen den Herrn doch nicht warten lassen!" Sprach sie, nahm mich an der Hand und erhob sich. Mir blieb also nichts anderes übrig als mich von ihr führen zu lassen. Und ehrlich gesagt, war mir das sogar recht, denn wie ich mich kannte hätte ich mich bestimmt in dieser riesigen Halle total verfranst und wäre in einer Million Jahren nicht bei meinem Herrn angekommen. Dankbar lächelte ich vor mich hin, während wir immer höher in die Mitte des Raumes flogen. Um uns herum flogen lauter Engel und Hilfsengel (die etwas kleiner sind) und trugen Sachen von einem Ende des Bauminneren zum anderen. Denn hier wird das ganze Leben, auf der Erde und auch im Himmel, gesteuert und überwacht. Hier wurde entschieden, wann und wo ein Lebewesen geboren wird oder stirbt. Nur auf die Unterwelt haben wir hier keinen Einfluss, was sich aber von selbst versteht. Keine halbe Minute später konnte ich auch schon sehen, wohin Mai mich brachte und ich konnte es nicht fassen!! In der Mitte des Baumes schwebte tatsächlich eine kleine Sonne, nicht größer als eine Orange. Doch diese Miniaturausgabe war dazu in der Lage, alles zu erhellen und mit Wärme zu versorgen. Unter dieser Sonne schwebte eine Plattform vollkommen frei in der Luft. Diese Plattform sah auch so aus, als ob sie aus Wasser bestehen würde, das sich bei der kleinsten Berührung kräuselt. In der Mitte dieser Plattform schwebte eine zierliche Frau in einem langen wabernden Gewand. Um sie herum war ein weißer Schein, der aus ihrem Inneren kommen musste und ihre blonden Haare, die bis zum ihren Füßen reichte, sanft flattern lies. Sie hatte die Augen geschlossen und ihre Hände vor ihrer Brust gefaltet, sie schien zu ruhen. Vorsichtig landeten wir auf dieser Fläche und wieder entstanden kleine Wellen auf der Oberfläche. Mai, die mich immer noch an der Hand hatte, zog mich sanft hinter sich her, zu der zierlichen Frau hin. Je näher ich kam, desto besser konnte ich sehen wie wunderschön sie war und je wärmer wurde es um mein Herz. Es war als ob mich eine Flut von Wärme und Geborgenheit durchströmt und sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Ich fühlte mich unglaublich wohl. "Spürst du es?!" Mai hatte ihren Kopf mir zugedreht und lächelte mich mit ihrem wohlwollenden Lächeln an. Ich kannte keinen Engel, der ein so schönes Lächeln hatte. Ich konnte mir denken, was sie meinte und nickte unmerklich. "Ja, ich fühle es. Es wird mir ganz warm! Was ist das?!" "Das ist sie. Sie ist es, durch die der Herr zu uns spricht. Denn er hat keine feste Gestalt. Es ist alles und auch wieder nichts. Es ist sein Geist, der diese Wärme und das Gefühl von Schutz und Geborgenheit verströmt." Fassungslos blickte ich auf die zierlich und zerbrechlich wirkende Engelsgestalt, auf die wir immer näher zugingen. Je weniger der Abstand zwischen uns wurde, desto aufgeregter und gespannter wurde ich und als wir dann fast direkt vor der Frau standen habe ich es vor Ungedult kaum noch aushalten können. Das Gesicht dieses Engels war wunderschön und vollkommen. Wahrscheinlich gab es im ganzen Universum kein so makelloses Geschöpf. Sie war einfach atemberaubend schön. Sie hatte keine Schuhe an und schwebte einen halben Meter über der Plattform. Doch man konnte sehen, dass sich die Oberfläche doch kräuselte und Wellen wie von einem Tropfen in regelmäßigen Abständen unter ihr ausgingen. Das musste die unglaubliche Kraft und Energie des Herrn sein, die das verursachte. Nun lies Mai meine Hand los, ich trat neben sie und wir beide senkten den anerkennungsvoll Kopf. Als wir wieder unseren Blick erhoben, sahen wir, dass die Frau ihre Augen geöffnet hatte. Mir verschlug es fast den Atmen! Ich blickte in zwei Augen, die vollkommen weis waren. Nur in der Mitte jedes Augapfels befand sich ein kleiner golden strahlender Punkt. Man sollte meinen, dass mich dieser Anblick erschreckt oder verstört haben sollte. Doch in ihrem Blick lag eine solche Güte und Liebe, dass es unmöglich war in ihrer Gegenwart so etwas wie Angst zu verspüren. "Ich bringe dir die erste der Engel, die heute ihre Prüfungsaufgabe von dir erhalten. Ihr Name ist ..." Mai hatte begonnen zu sprechen. Doch sie konnte ihren Satz nicht beenden, den sie wurde von dem Engel vor uns unterbrochen. Ihre glockenhelle und reine Stimme lies Mai schweigen. "Ich weiß ihren Namen." Dabei sah sie mich an. "Du bist Rai, nicht wahr?!" Und als sie ihren Satz beendet hatte, schloss sie die Augen und lächelte mich an. Ein unbeschreibliches Kribbeln und Zittern durchdrang mich und ich war wie verzaubert. Dann bedeutete sie Mai zu gehen. Von diesem Wesen ging eine solche Güte aus und dabei wirkte sie nicht einmal überheblich. Wie ein kleines Mädchen, dass sich seiner unendlichen Macht nicht bewusst ist. Dann sprach sie so unendlich ruhig und gelassen, als ob sie alle Zeit der Welt hätte und kein Unheil fürchten müsste: "Ich weiß, dass du schon ganz aufgeregt bist. Und ich will dich auch nicht weiter in Ungewissheit über deine Aufgabe lassen. Für dich habe ich eine besondere Aufgabe ausgewählt, die dich auf die Erde führen wird. Dort wird du ein Schutzamulett suchen, dass bei deiner Geburt über den Rand des Himmelsreiches in die Welt der Menschen gefallen ist. Da es sehr wertvoll für uns ist, musst du es unbedingt finden. Und dazu bleibst du solange auf der Erde, bis du es hast." Ich war ganz bleich geworden, so wie sie den letzten Satz gesagt hat. Das klang nämlich gar nicht mehr freundlich, sondern eher wie eine Drohung oder eine Mahnung. Jetzt wünschte ich mir, dass Mai neben mir stehen würde. Plötzlich hatte ich eine Kloß in meinem Hals und mein Herz begann schneller zu schlagen. "Du brauchst doch keine Angst zu haben! Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin sicher du wirst deine Aufgabe zu meiner vollen Zufriedenheit lösen." Da war sie wieder, die gütige und freundliche Person. Doch ich wurde stutzig, konnte sie etwa meine Gedanken lesen?! 'Naja, auch wenn, ich finde es nicht schlimm.' Ende 1 Plötzlich lösen sich ihre Hände voneinander und sie formet mit ihnen eine imaginäre Kugel vor ihrer Brust. In der Mitte ihrer Hände begann nun ein kleiner, kaum zu erkennender Punkt zu glühen, und dass in allen Farben die es gibt! Dieser Punkt wurde schnell größer bis er schließlich an ihre Handflächen stieß. Nach und nach klärte sich die Kugel und gab den Blick auf eine Schmuckkette frei, ein silbernes Kreuz mit blauen Diamanten besetzt. Es war eine Projektion von dem Amulett, dass ich finden sollte. "Das ist das Schutzkreuz, das du auf der Erde suchen sollt. Wir wissen nicht genau wo es ist, aber es muss in einer kleinen Stadt aus einem Baum hängen geblieben sein. Ich gebe dir eine Frist von zwei Wochen um es zu finden." Als sie zuende gesprochen hatte, verschwand das Bild und mit ihm die Kugel. Ich blickte auf und sie lächelte mich wieder an. Dann kam sie näher, schwebte wie eine Feder auf mich zu. Sie streckte ihre zarten Hände nach mir aus und umfasste mein Gesicht. Wie ein Blitzschlag durchströmte mich ihre Wärme und Geborgenheit. Ich schloss meine Augen und ohne dass ich es hätte kommen sehen gab sie mir einen Kuss auf die Stirn. Ihre Lippen berührten mich zwar kaum, aber ich war mir sicher, dass sie mich geküsst hatte. Ich musste Lächeln und als ich meine Augen wieder ausschlug, war sie unmerklich auf ihre alte Position zurück gekehrt und sah mich freundlich an. "Wenn du auf die Erde gehst muss du sehr vorsichtig sein. Die Menschen haben oft Angst vor Dingen die sie nicht kennen und die sie nicht verstehen oder erklären können. Du darfst deine wahre gestalt nur Menschen zeigen, die absolut vertrauenswürdig sind. Pass auf dich auf, denn wenn du in den Himmel zurückkehrst wartet eine der wichtigsten Aufgaben auf dich!" Den letzten Satz hat sie so leise und sanft gesagt, dass ich mühe hatte sie zu verstehen. 'Was sagte sie da?! Ich habe eine wichtige Aufgabe zu erledigen wenn ich zurückkehre?! Was kann das nur sein?!' Ich nickte geistesabwesend, doch ich hatte nicht mehr genug Zeit noch weiter darüber zu grübeln, was sie damit gemeint haben könnte, denn wie auf Zuruf kam Mai wieder auf diese unwirkliche Plattform geschwebt und landete neben mir. "Mai, bitte bring Rai zum Rand des Himmels und zeig ihr, wo auf der Erde sie das Schutzkreuz suchen muss." Dann sah sie wieder mich an und in ihren goldenen Augen lag die Liebe und die Güte einer Mutter, die ihr Kind ansieht. "Kommwohlbehalten mit dem Amulett wieder zu mir zurück. Ich bin sicher, dass du mich nicht enttäuschen wirst!" Wieder lächelte sie ihr gütiges Lächeln. Wieder wurde mir klar, dass dieses Geschöpf vor mir niemals etwas böses tun könne oder auf jemanden sauer sein konnte. Ihre Aura war vollkommen rein und ich kann es mir heute noch nicht erklären, aber in diesem Moment fühlte ich mich noch viel verbundener mit ihr, als vorher. Da musste irgendetwas sein, dass über die normale Beziehung zwischen Herr und Engel ist, aber ich kam nicht drauf. "Ja, ich werde deinen Erwartungen gerecht, mein Herr. Ich finde das Amulett und komme so schnell es geht wieder zurück!" Abermals senkten Mai und ich unser Haupt und entfernten uns dann mit leichten Flügelschlägen von der Plattform, flogen auf den Ausgang zu. Noch einmal blickte ich mich um, sah mir die riesige Halle ein letzten Mal an, bevor Mai mich sanft an der Hand weiter ins Freie zog ... Kapitel 2: Die Erde ------------------- E s wehte ein schwacher Wind. Er trug die ganzen Düfte und Gesänge der Vögel aus dem Paradies Gottes zu und hin. Mai und ich saßen auf einem dicken Ast der uralten knorrigen Eiche, die direkt am Abgrund des Himmels stand. Rauschend bewegten sich die Blätter und dünnen Zweige des Baumes im Wind, spendeten uns Schatten und sangen uns ein leise Lied von vergangenen Tagen während wir auf die kleine Stadt blickten, in der voraussichtlich der Schmuckanhänger gefallen ist. Wie hatten beschlossen uns noch eine Weile hier nieder zu lassen, bevor ich mich auf den Weg zur Erde machen würde. Noch nicht lange saßen wir da und genossen die Stille, als Mai mich fragte, ob ich Angst hätte zu den Menschen zu gehen. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und blickte eine Mai an, die ich so zuvor noch nie gesehen hatte. Sie schien wirklich besorgt um mich zu sein. Ihre kurzen weißen Haare umspielten ein wehmütiges Gesicht. "Nein, ich habe keine Angst. Es gibt keinen Grund dazu. Der Herr würde mich nie auf eine Mission schicken bei der mir irgendetwas Ernstes zustoßen könnte!" Dabei hob ich meine Hand auf und strich ihr sanft ein paar hell-glitzernden Strähnen auf dem Gesicht, mit denen der Wind sein Spiel trieb. Ich lächelte sie aufmunternd an. "Was hast du gespürt, als du bei ihr warst?!" Plötzlich sah Mai mich ernst an. Irgendwas schien ihr auf der Seele zu liegen, dass unheimlich wichtig war. Verdutzt schaute ich sie an. Ich konnte mir nicht vorstellen, was so plötzlich so wichtig sein könnte. "Ich fühlte mich unheimlich wohl und gebornen, aber das habe ich dir dort bereits schon gesagt." "Ich weis. Aber was noch?!" Sie schien wirklich daran interessiert zu sein wenn sie so weiter bohrte. "Du hast recht, da war noch etwas anderes, etwas besonderes ..." Mai saß plötzlich kerzengerade vor mir, als wolle sie auf keinen Fall irgendetwas von dem verpassen, was ich sage. Langsam wurde mir bange und ich fühlte mich unwohl in meiner Haut! "Naja, irgendetwas schien da noch zwischen ihr und mir zu sein, etwas besonderes das uns auf eine ungewöhnliche Art miteinander verbindet. Etwas das über das normale Verbindungsgefühl von einem Engel und dem Herrn hinausgeht." Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Aber, das bilde ich mir alles nur ein!! Das kann doch nicht stimmen; oder etwa doch?!" Jetzt war ich diejenige mit dem forschenden und eindinglichen Blick und Mai schaute verdutzt drein. Wollte sie das etwa hören. Da war doch war etwas in ihren geheimnisvollen saphirgrünen Augen, als hätte sie eine Bestätigung für eine Vermutung bekommen. Doch was in Himmelsnamen ging in ihrem Kopf gerade vor?! "Mai, was denkst du gerade?! Sag mir, warum du das hast wissen wollen!" Ihr war unwohl bei der Frage, die ich ihr gestellt hatte, dass konnte ich ganz deutlich in meinem Herzen spüren. Sie drehte ihren Kopf weg, schaute wieder auf die Erde, auf die kleine friedliche Stadt. Dann sagte sie so leise und fein, dass ich es kaum wahrnehmen konnte: "Ach weißt du, ich vermute schon lange, dass du kein normaler Engel bist, so wie ich. Klar, kein Engel ist wie der andere, aber du bist nicht wie normale Engel. Du hast mir gerade den Beweis dazu geliefert ..." Jetzt drehte sie ich wieder zu mir. Ich verstand nur Bahnhof von dem was sie da sagte, hörte aber trotzdem zu. Und sie hatte recht, ich wusste, dass ich anders war als die anderen von uns. Das hatte ich schon immer gespürt, wollte es aber nicht wahrhaben, wollte nur dazugehören, um jeden Preis so sein wie jeder andere Engel auch. Ich wollte nicht wahr haben, dass tief in mir etwas schlummerte, das ganz und gar nicht normal war. Und jetzt interessierte es mich wirklich. Sie sprach weiter, nicht mehr ganz so leise. "Spürst du nicht was du beist?! Rai du bist eine ..." Mai konnte ihren Satz nicht beenden, den ein kleiner Hilfsengel zischte wie ein Pfeil zu uns heran und stoppte nur wenige Zentimeter vor unseren Gesichtern. Das arme Ding war ganz ausgepowert und musste erst einmal verschnaufen, bis es zum Sprechen ansetzten konnte. Sein Kleidchen war ganz zerknittert und schief. Mit hoher Stimme verkündete es, immer noch atmend wie ein gehetztes Pferd: "Der Herr will, dass sich Rai nun endlich auf den Weg zur Erde macht um ihre Aufgabe zu erfüllen und schnellstmöglich wieder zurück zukehren!" Sprach's und schon was es wieder davon gezischt. So schnell wie es gekommen war, war das kleine Engelchen auch wieder verschwunden. Mai und ich saßen ziemlich verdutzt da und wunderten uns ein bisschen über dieses Geschehnis. Doch schnell hatten wir uns wieder unter Kontrolle. Aber Mai sprach nicht weiter, beendete ihren angefangen Satz nicht. Eine drückende und unheimliche Stille kehre um uns ein. Nicht einmal die Vögel oder der Wind war zu hören. Die Umgebung um uns herum war wie ausgestorben. "Du musst los Rai." Der Engel neben mir, der mir von einem Moment zum anderen fremd und unheimlich erschien, legte sanft seine Hand auf die meine. Ich blickte auf und sah, dass Mai Tränen in den Augen hatte. Sie weinte tatsächlich! Ich hatte sie bis zu diesem Augenblick noch nie weinen sehn. Immer war sie nach außen hin fröhlich gewesen, auch wenn in ihrem Inneren eine Welt zusammenbrach. Sogar als Koyo sie verlassen hatte, war ihr nichts von dem Schmerz und der Verzweiflung anzumerken gewesen, den sie immer noch in ihrem Herzen trug. Ich sah sie an und wusste nicht zum erstens Mal in meinem Leben, was ich sagen sollte. Doch hier fehlten mir selbst die Gedanken. Ich konnte Mai nur in den Arm nehmen, denn ich konnte beim besten Willen nichts sagen, auch wenn ich gewusst hätte welche Worte mein Mund formen sollte. "Rai, du wirst mir fehlen!! Versprich mir, dass du dich beeilst und schnell wieder zu mir und zu deinem Herrn zurückkommst!! Hast du gehört?!" Ihre Stimme war zittrig, die Worte kamen abgekackt, aber ich wusste, was sie mir sagen wollte. Ich konnte es spüren. Und plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, fing sie an zu weinen. Sie schluchzte und meine Schulter wurde ganz naß von den vielen Tränen, die sich über ihr Gesicht ergossen. Und nun konnte auch ich die Tränen, die sich bei mir angestaut hatten, nicht mehr zurück halten. Was für ein komisches Bild. Zwei Engel im Reich Gottes, dem schönsten Paradies das es je gegeben hat und je geben wir, umarmen sich und weinen, als wären sie die traurigsten und einsamsten Geschöpfe des ganzen Kosmos. Und dann machte ich mich auf den Weg, den der Herr mir gesagt hatte, um auf die Erde zu kommen und meine Aufgabe zu erfüllen ... Ein Schlüsselklappern lässt mich hochschrecken und riss mich aus meinen Erinnerungen. Mühselig rapple ich mich soweit auf, dass ich den Kopf heben kann. Doch der Eisenring um meinen Hals ist schwer wie Blei. Keuchend lasse ich den Kopf wieder sinken. Ein fahler Lichtkegel erscheint, als sich eines der schweren Tore, die zu meinem Gefängnis führen, mit einem ohrenbetäubenden Quietschen aufschwingt. Ein Mann kommt herein, aber ich kann ihn nicht genau erkennen, dafür sind meine Augen schon zu schwach. Das Quietschen lässt einen Schauer durch meinen leblosen Körper fahren. Der schwache Schein der kleinen Lampe streift suchen wie ein hungriger Löwe durch meinen Käfig, bis er mich auf dem Boden in der hintersten Ecke entdeckt. Durch den kleinen Spalt, den ich meine Augen noch öffnen kann, sehen ich wie der Mann an die Gitter tritt und eine Stange des kalten Metalles mir einer Hand umfasst und mir der anderen immer noch die Lampe auf mich richtet. Ich wage nicht, meinen Mund zu öffnen, doch ich muss es versuchen. Die ganze Zeit die ich schon hier bin hat mir nie einer sein Gehör geschenkt. Anscheinend konnten oder wollten sie mir nicht zuhören. Doch nun, da dieser Mann, der anscheinend noch ziemlich jung sein musste, sich nicht mehr rührte sondern einfach nur auf mich starrte, versuchte ich es. Es kostete mich viel Kraft, bis die Worte aus meiner Kehle schlüpften: "Wer .... wer .... bist ... du?!" Ich musste die Augen wieder schließen, hatte keine Kraft mehr sie weiter offen zu halten. Ich hatte mir nicht vorstellen können, das mir das sprechen einmal so schwer gefallen war, wie in diesem Moment. Immer noch halte das letzte meiner mühsam gesprochenen in dem kahlen kalten Raum. Der Mann stand immer noch da, aber nun waren seine Augen weit aufgerissen und starrten mich noch ungläubiger an, als zuvor. 'Er hat mich gehört!! Er hat mich tatsächlich gehört ...' dieser Gedanken durchströmte mich wie eine warme Welle aus Licht. Es gab wieder Hoffnung für mich, denn zuvor wollte mir niemand zuhören. Es schien, als ob in die Worte eines Engels gelähmt hätten, den auch noch einige Augenblicke später stand er unverändert immer noch an seinem Platz. Doch dann hörte ich, wie er sprach. Ich hatte noch nie einen Menschen sprechen hören, in dessen Stimme schon so viel Unschuld und Güte lag. Er sagte: "Das ist ja un ... unglaublich!! Du kannst sprechen!! Das glaubt mir keiner ...." Er faste sich dabei an die Stirn, wahrscheinlich um sicher zu gehen, das er kein Fieber hatte und das Ganze nur träumte. Und dann tat er etwas, mit dem ich nicht gerechnet hätte, er schloss die Tür auf und kam in meinen Kerker, immer näher auf mich zu. Ich wäre gerne zur Seite gewichen, als er sich einige Meter vor mich auf den Boden kniete und eine der zerfledderten Spitze einer meiner Federn an meinem rechten Flügel berührte. Doch ich war zu schwach und konnte mir außerdem nicht vorstellen, das dieser Mann etwas böses wollte. Und wenn schon, mein Ende war mir schon näher als alles andere. So lies ich ihn gewähren. Er blickte wieder auf, sah mir direkt in die Augen und ich konnte es nicht fassen, was ich da erblickte, als ich seinen blick müde erwiderte. Er hatte Tränen in seinen Augen. Tatsächlich, er weinte! "Warum ... warum weinst ..... weinst du?!" Das Sprechen ging immer noch schleppend, doch er verstand mich, was für ein Wunder doch geschehen war!! "Ich kann es nicht fassen, einem echten Engel zu begegnen!! Aber es ist so traurig und grausam, ein solch wunderschönes Geschöpf wie dich in einen so dunkeln und kalten Käfig zu setzten und zu schau zu stellen!! Sag, wie ist dein Name, schöner Engel?!" Er sah mich an und ich sah in seine Augen. Dann nahm er einen seiner zahlreichen Schlüssen von seinem Bund und schloss damit die Eisenmanschette um meinen Hals auf. Mit einem lauten Klirren fiel die schwere Kette auf den Steinboden. Endlich, nach so vielen tagen, konnte ich wieder meinen kopf heben, ohne schmerzen zu verspüren, die mir das Eisen zugefügt hatte. Dankbar sah ich ihn an und antwortete auf seine Frage: "Mein Name ist Rai. Warum hast du mich befreit, von diesen unerträglichen Fesseln?!" Wieder sah er mich an. Und gerade als er den Mund öffnen wollte um mir zu antworten, ertönte ein lautes Rufen. Schnell drehte er sich um, sah zu der Tür, durch die er gekommen war. Als er seinen Kopf wieder zu mir wandte, war Panik in seinen Zügen und er schien Angst zu haben. "Ich muss hier weg!! Es war schön, dich kennen gelernt zu haben!!" Dann stand er auf, ging aus meinem Käfig, schloss die Tür wieder zu und verschwand. Laut fiel die Tür in die ihre Angeln, durch die er vor wenigen Minuten erst eingetreten war. Nun war ich wieder allein. Wieder hörte ich nur das monoton Tropfen des Wasserhahns und ich schwelgte wieder in meinen Erinnerungen an die vergangenen Wochen ...... I ch war aufgeregt wie noch nie zuvor in meinem Leben!! Ein Schauer nach dem anderen durchzog meinen Körper, während ich mit ausgebreiteten Flügel am Tor zwischen Himmel und Erde stand und darauf wartete, dass es sich öffnete. Meine Hände waren ganz naß geschwitzt und ich hatte mühe, einen klaren Gedanken zu fassen!! 'Unglaublich, ausgerechnet ich soll auf die Erde gehen!! Das wird sicherlich ein unvergessliches Erlebnis!' Endlich, nach fast einer halben Ewigkeit begannen sich die mächtigen Türflügel der Tores zu bewegen. Schleppend und unendlich träge schienen sie zu sein, als hätte man sie aus einem langen Schlaf erweckt, den sie schon seit Jahrhunderten schliefen. Und jetzt waren sie wieder zu neuem Leben erwacht um einem jungen Engel den Weg zur Erde zu gewähren. Ich konnte es vor Ungeduld kaum noch aushalten, und noch bevor sich die Torflügel einen Meter geöffnet hatten, erhob ich mich wie eine sanfte Daunenfeder in die Luft, versetzte mir mit meinen Flügeln einen kraftvollen stoß nach vorne, und mich so über die Schwelle des Reich Gottes trug. Die hellen Strahlen der auf der Erde aufgehenden Sonne blendeten mich und ich musste eine Hand über meine Augen halten, um noch etwas sehen zu können. Noch nie hatte ich einen Sonnenaufgang erlebt!! Denn im Himmelreich ist immer Tag, so etwas wie Nacht und Dunkelheit gab es nicht. Um so faszinierter war ich von dem Anblick, der sich mir bot! Wie eine halbe Rosenblüte schien die Sonne am Horizont, kletterte langsam über dessen Rand, um die Wolken und den sonst so blauen Himmel in zarte rot, orange und gelb Töne zu tauchen. Ein kleiner Schwarm Vögel flogen vor dem glühenden Halbkreis aus Licht und Wärme. Ich konnte es nicht fassen, das es in Gottes Reich, im Garten Eden, nicht auch etwas so wunderschönes gab!! Doch ich wurde schlagartig aus meinen Gedanken gerissen, als sich das Himmelstor mit einem lauten Knall schloss. Plötzlich war all die Wärme aus meinem Herzen verschunden und ich fühlte mich regelrecht ausgeschlossen. Doch ein sanfter Windhauch, kaum spürbar und unendlich warm, streichelte behutsam mein Gesicht. Eine Stimme, kaum zu verstehen, sprach zu mir. Es waren Worte, die ich nicht kannte, in einer Sprache, so melodisch und geheimnisvoll, dass sie nur ein göttliches und im Herzen vollkommen reines Wesen hätte aussprechen können. Die Stimme gehörte einer Frau, und sie sagte: "Disalla ... mi ... amor ..." Immer wieder diese Worte. Immer in der selben Melodie, wie ein Sprechgesang des Windes. Tausende flüsternde Stimmen schienen es zu sein, doch im Grunde gehörten sie nur einer einzigen unsichtbaren Frau. Man konnte es kaum verstehen, doch waren sie da, diese unbeschreiblichen Worte. Ich konnte mir nicht erklären, was sie zu bedeuten hatten. Doch in meinem Herzen spürte ich ganz genau, das sie mir Trost spenden sollten. Ich schloss die Augen und lauschte weiter. Ich vergas alles um mich herum und plötzlich, als wäre in meinem Kopf ein Schalter umgelegt worden, wusste ich was diese Worte zu bedeuten hatten!!!! Die Frau, die durch diesen Wind sprach, sagte: "Hab keine Angst!!!" Es war verrückt, ich konnte es tatsächlich verstehen. Wie wenn ich dieses Wissen schon von Anfang an in mir getragen hätte. Und nun, als wüsste diese geheimnisvolle Frau, die ich nicht sehen konnte und die durch den Wind sprach, das ich ihre Worte verstehen konnte, eine anderen Satz. Wie ein Lied klang es. "Miresca ... die ... a ... flownime ... misoona ... merkana ... de ... aflownte ...." Und auch diese Worte verstand ich. Sie bedeuteten, dass ich mich nun auf den Weg machen und auf mich aufpassen sollte. Ich wusste nicht, wer diese Frau war, die zu mir sprach, aber sie musste mich sehen können, dann als ich langsam begann, mich sinken zu lassen um auf die Erde zu gelangen, verstummte ihr melodischer Gesang, der aus abertausenden von Stimmen zu bestehen schien und nur der Wind blieb, der meine Haare sanft mit sich wog. Langsam kam die Stadt näher, die ich noch wenige Stunden zuvor mit Mai von dem Baum am Rande des Himmels betrachtet hatte. Eigentlich war es eher ein Dorf und keine Stadt. 'Dort unten muss ich den Talisman, das Amulett, finden.' zuversichtlich, dass ich meine Mission erfüllen würde, näherte ich mich einem kleinen Park, der in der Mitte einen kleinen See hatte und etwas abseits des Dorfzentrums lag, um dort zu landen. Ich konnte keinen Menschen auf den Straßen sehen. Wahrscheinlich war es noch zu früh und alle langen noch in ihren Betten. Vereinzelt konnte man einen Vogel singen hören, der den neuen Tag begrüßten. Ich war vorsichtig und achtete darauf, das mich jemand sah. Ich wusste von Mai, dass ich bei Menschen vorsichtig sein musste und ihnen nicht meine wahre Gestallt, also meine Flügel, zeigen durfte. Doch jeder Engel konnte seine Flügel verschwinden lassen, wenn er sich seiner gottgegebenen Kraft in seinem Anhänger bediente und sich für einen kurzen Augenblick konzentrierte. Ich war aufgeregt, in meinem Magen kribbelte es als hätte ich einen ganzen Ameisenhaufen verschluckt. Doch bei diesem Gedanken wurde mir schlecht, denn Engel dürfen ja keine Lebewesen essen oder töten. Sanft flatterte mein schneeweißes Kleid auf und eine braune Strähne fiel mir ins Gesicht, als ich auf dem weichen, vom Morgentau feuchten Gras unter einem der großen Kirschbäume in dem kleinen Park landete. Ich verlor keine Zeit und lies meine Flügel, Kraft meines Anhängers und der mir dadurch verliehenen göttlichen Kraft meine Flügel verschwinden zu lassen. Dazu schloss ich kurz meine Augen. Dadurch, und durch meine Konzentration, brachte ich meinen himmelsblauen Anhänger zum Leuchten. Er erstrahlte in einem weißen Licht und als ich meine Augen wieder öffnete, erleuchteten auch sie. Aber das auch nur für einen Herzschlag. Dann nahmen sie und mein Anhänger wieder ihre normale Farbe an und meine Flügel zerstoben in tausende weiß glänzender und leuchtender Federn, die langsam zu Boden sanken. Als sie diesen berührten, verschwanden sie augenblicklich und nichts wies mehr darauf hin, dass sie je existiert hatten. Dann sah ich mich beruhigt um. Ein kleiner See lag still nicht weit von mir entfernt und an seinen flachen Ufern badeten Vögel, so dass das Wasser in unzählige kleine silberne Perlen in die Luft flog. Es war friedlich und still hier. Leise lies der Wind, der mich auch hier her getragen hatte, die Äste und Blätter der uralten Bäume rauschen. Es war Frühling und jeder der Kirschbäume stand in seiner ganzen Pracht da. Jeder einzelne trug abermillionen von kleinen, zartrosanen Blühten, die sanft im Wind hin und her schaukelten. Ich war überwältigt davon, wie schön es doch auf der Erde war. Zuvor hatte ich immer geglaubt, nirgends ist es so schön wie im sprichwörtlichen Paradies, aber nachdem ich diesen kleinen Park, diese grüne Oase der Ruhe, gesehen hatten, änderte sich meine Meinung schlagartig. Ein kleiner Vogel kam zu mir und setzte sich, ganz ohne Scheu, auf meine Schulter. Ich kannte das, denn vor einem Engel hat kein Wesen Angst. Lieblich zwitscherte er mir sein Lied ins Ohr und ich sang mit ihm, als hätten wir das Lied schon seit Jahren zusammen gesungen. Es kamen immer mehr dieser kleinen Geschöpfen und versammelten sich um mich herum, um in diesen merkwürdig aussehenden Chor einzustimmen. Doch urplötzlich verstummten die Vögel um mich und es wurde bedrückend still. Irgendetwas schien sie nervös zu machen, denn nach und nach erhob sich jeder von ihnen in die Luft und suchte so schnell es geht das Weite. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Es war Angst, die Angst vor etwas, das jeden Moment hier auftauche konnte und ich wusste nicht, was es sein könnte. Es war totenstill und man hätte sogar das Gras wachsen hören können. Da, hinter der Mauer, die den kleinen Park umgab, hatte sich etwas bewegt! Es war ein grauer Schatten, der flick von einem Baum zum andern hüpfte, immer näher auf mich zu. Ich geriet in Panik, doch ich wusste nicht, was ich tun sollte! Und dann, wie aus dem Nichts, landete eine Katze vor mir auf dem Boden. Ich atmete erleichtert auf. 'Oh Gott sei Dank, es ist nur eine Katze!! Sie wird mir bestimmt nichts tun.' Ja, das dachte ich, doch ich hatte mich geirrt, denn als mich dieses Tier ansah, merkte ich schnell, dass es keine normale Katze war! Ihre Augen waren pechschwarz!! Außerdem war sie ungewöhnlich groß!! Sie hatte fast die Größe eines Hundes! Sie stellte ihre Nackenhaare auf und machte einen Buckel. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück, als sie mich bedrohlich anfauchte. "Du kannst keine normale Katze sein!! Du bist böse!! Scher dich weg ..." Meine Stimme überschlug sich fast. Ich zitterte mit einem Mal am ganzen Körper und ich war wie gelähmt. Auch wenn ich gewollt hätte, was auch der Fall war, hätte ich mich keinen Zentimeter bewegen können. Da setzte dieses Monster von einer Katze auch schon zum Angriff auf mich an und sprang auf mich zu. Ich stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus, der wahrscheinlich noch Kilometer weit zu hören war und riss schützend die Arme und Hände vor mein Gesicht, um es vor den ausgefahrenen Krallen des Monsters vor mir zu schützen. Ich konnte schon die Klauen spüren, die sich tief in meine Haut bohrten und den Schmerz. Doch wie durch ein Wunder, blieb der erwartete Hieb aus. Ich öffnete meine Augen und ich konnte nicht glauben, was sich da vor mir abspielte!! Direkt vor mir stand ein Mensch, ein junger , und er hatte den Angriff der Monsters abgewehrt. Anstatt in meinem Arm hatte sie ihre Krallen in seinen gerammt. Doch das schien ihm nichts aus zu machen. Er stand einfach nur da, packte das Vieh am Kragen, riss es von seinem Arm los und warf es regelrecht in den kleinen See, so das dieser große Wellen schlug und sein Wasser über das Ufer schwabte. Keuchend und fauchend kletterte die teuflische Katze wieder aus den Fluten und machte sich mit großen Sprüngen davon. Ich stand immer noch da, mit den Armen vor dem Gesicht und war fassungslos. 'Er hat mich tatsächlich gerettet ... unglaublich!' Blut tropfte auf die feuchten Grashalme, als der Mensch sich zu mir umdrehte. Er sah mich an, als hätte er schon Jahre auf mich gewartet, mich gesucht, und nun endlich gefunden. Dabei schien ihn die Wunde, die ihm dieses Biest zugefügt hatte, nicht zu stören. Er sah mich einfach nur mit seinen tiefdunkelbraunen Augen an. Er hatte schwarze kurze Haare und war um einiges größer als ich. Als ich ihm in die Augen sah, durchfuhr mich ein eigenartiges Kribbeln, das ich nicht beschreiben konnte und auch noch nie zuvor erlebt hatte. Und dann öffnete er seinen Mund und sagte: "He du, geht es dir gut?! Hast du dir weh getan?! Du brauchst keine Angst mehr zu haben, keiner wird dir etwas tun!" Seine Stimme war tief und man konnte die Besorgnis heraushören, die darin lag. Langsam senkte ich die Arme und sah meinen "Retter" mit großen blauen Augen an. Ich brauche einen Augenblick um mich von dem Scheck zu erholen und die richtigen Worte zu finden. "Ähm ... mir geht es gut!" Ich sprach so leise, das ich befürchtete er hätte mich nicht gehört. Doch er hatte mich verstanden. Ich zitterte immer noch, als er weiter sprach. "Ich habe gesehn, wie dieses Vieh dich angreifen wollte. Ist dir auch wirklich nichts passiert?!" Seine Stimme klang so warm und mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich senkte den Blick und streifte mit ihm seinen Unterarm, der mittlerweile mit Blut überströmt war, dass immer noch auf den Boden tropfte, der es gierig aufsog. Entsetzt sah ich ihm in die Augen. "Nein, mir geht es gut, aber du bist verletzt!" Mit diesen Worten ging ich einen Schritt auf ihn zu. Anscheinend erschrocken wich er unmerklich einen Stück zurück, doch ich lies mich nicht beirren. Vorsichtig legte ich meine rechte Hand auf die tiefen Kratzer. Er lies es zu, obwohl ich genau spürte, das er dabei Schmerzen hatte. Sein Blut war warm und ich konnte genau seinen Herzschlag spüren, als ich ihn von der Wunde befreite. Meine Handfläche begann zu glühen und man konnte zusehen, wie unter diesem übernatürlichen Licht die Blutung schlagartig stoppte und sich die Haut zusammen zog. Ich konnte seinen Herzschlag und seine Atmung in mir fühlen, wie gleichmäßig beides doch war. Als ich meine Hand wieder wegnahm, sah sein Arm aus, als wäre er sie verletzt gewesen. Ich sah zu ihm auf und er schaute mich ungläubig und mit großen, weitaufgerissenen Augen an. Ich konnte ihn noch anlächeln, bevor ich in Ohnmacht viel. Diese Heilungsprozedur können Engel nur vollziehen, wenn die einen Teil ihrer Kraft auf den Verwundeten übertragen. Und da ich das zuvor noch nie gemacht hatte, war ich davon so geschwächt, das ich das Bewusstsein verlor. Das Letzte was ich mitbekam war, das ich in die Arme des fremden jungen Mannes sank .... Ich konnte mich an nichts erinnern, was direkt nach diesem Ereignis geschah, aber als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Bett in einem hellen Raum. Die Sonne schien durch die gläserne Wand die den Raum von dem Balkon davor verschloss; streichelte mein Gesicht und weckte mich auf. Erschrocken fuhr ich hoch, wusste nicht wo ich war und Panik beschlich mich wieder. Als sich neben dem Bett die Tür öffnete, zuckte ich zusammen, kauerte mich in einer der Ecken des Bettes, das an der Wand lehnte, zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen wartete ich, wer oder was da wohl zu mir kommen würde. Und als dann endlich jemand das kleine Zimmer betrat, war ich erleichtert. Es war der Mann, der mich vor dem Angriff der dämonischen Katze von vorhin gerettet hatte. Er hatte sein Hemd gewechselt, denn das andere war vollkommen zerrissen und mit Blut seinem durchtränkt. Langsam entspannten sich meine Muskeln wieder, die sich, zur Flucht bereicht, angespannt hatten als plötzlich die Tür aufschwang war. Der Mann kam herein, setzte sich auf einen Stuhl, der an einem kleinen Schreibtisch am anderen Ende des Raumes stand und sah mich mit verschränkten Armen forschend an. Doch sein Blick war nicht strafend oder bedrohlich, eher neugierig und zu gleich beeindruckt. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, das er noch nie ein Mädchen wie mich gesehn hatte. Nicht, weil ich übermäßig schön war, aber ich wusste, dass Engel eine besondere Ausstrahlung und Wirkung auf manche Menschen hatten. Es musste schon ein komisches Bild gewesen sein. Ein Engel sitz auf dem Bett eines Menschen, die Beine angezogen und auf er anderen Seite des Zimmers sitz ein Mensch, der diesen Engel mustert. Die Ironie an der ganzen Situation war wahrscheinlich, dass der Mensch nicht wusste, wen er da mit seinen Augen von oben bis unten musterte. Es dauerte, bis er seinen Blick von mir nehmen konnte, den Kopf Richtung Fenster wandte und den Baum beobachtete, der vom Wind sanft hin und her geschaukelt wurde. Ich sagte kein Wort und wagte es nicht, mich zu bewegen, auch wenn ich mir ganz sicher war, das mir nichts geschehen würde. Auch bewegte ich mich nicht, versuchte so ruhig und still wie nur möglich zu sein. Doch dann brach der Mensch vor mir die Stille, die sich wie ein trügerischer Nebel über uns ausgebreitet hatte. "Mein Name ist Dimion und ich wohne in diesem Haus. Sag, wie heißt du und wo kommst du her?! Ich habe dich noch nie zu vor in dieser Gegend gesehen, und glaub mir, du wärst mir sicher aufgefallen." Er drehte seinen Kopf wieder zu mir, sah mich durchdringend an. Er hatte etwas in den Augen, etwas unendlich Trauriges, als würde er schon seit Jahren auf etwas warten. Dieser Ausdruck war mir auch schon bei unserer ersten Begegnung aufgefallen. Ich sah ihn noch immer mit großen Augen an, überwand schließlich doch noch meine Zweifel und meine Angst, öffnete zaghaft meinen Mund um zu Sprechen, ihm zu antworten. "Mein Name ist Rai und ich komme aus dem Himmel." Mir war etwas bang, ihm die Frage zu beantworten und ich wünschte mir zum erstens Mal in meinem Leben, lügen zu können! Doch das kann ein Engel nicht, also musste ich ihm die Wahrheit sagen. Ich hatte Angst und bettete, das er mir nichts antun würde! Doch ganz im Gegenteil. Er stand auf, kam näher und setzte sich auf den Rand des Bettes, lehnte sich zu mir herüber. Er schien eher von meiner Stimme wie hypnotisiert zu sein, als von der Tatsache, dass ich aus dem Himmel zu kommen schien. Es wirkte sogar so, als ob es für ihn das normalste auf der Welt sei. Wie in Trance sagte er: "Das .... das kann doch nicht wahr sein!!" Er rückte noch ein Stück näher, sah mir fest in die Augen, so das ich fürchtete er könne meine Gedanken lesen. Ich bekam Angst, wirklich schreckliche Angst!! Dann redete er weiter. "Deine Stimme, ich kenne sie!! Du bist es also, die jede Nacht zu mir im Traum spricht?!" Ich starrte ihn an, ungläubig und verwirrt, was seine Worte zu bedeuten hatten! 'Was sagt er , ich spreche zu ihm in seinen Träumen?! Kann ich so was denn überhaupt?? Er muss verrückt sein ...' "Und du kommst tatsächlich aus dem Himmel?! Das kann doch nicht wahr sein. Das würde ja bedeute, das du auch kein ..." Er wandte sich von mir am, stand auf und ging aus dem Zimmer. Mit einem leisen Klacken fiel die Tür in ihr Schluss. Nun war ich wieder allein. Ich schlug vorsichtig die Decke nach hinten, legte sie ordentlich hin und stand auf. Ich hatte noch meine Schuhe an und auch mein Anhänger war noch da. Als ich aufwachte, ging mein erster Griff an meinen Hals. Ohne meinen Anhänger konnte ich nämlich nicht mehr in dien Himmel zurück, nicht mehr zu meinem Gott, zu Mai und all den anderen. Bei dem Gedanken fiel mir meine Aufgabe ein, weswegen ich eigentlich hier her gekommen war!! Doch ich wollte nicht unhöfflich sein und einfach so verschwinden, denn ich hatte mich ja noch gar nicht für die Hilfe des jungen Mannes bedankt. Das hinderte mich auch daran, nicht gleich die Tür zu seinem Balkon zu öffnen um hinaus zu fliegen, um den Talisman zu suchen. 'Aber was hatte das zu bedeuten, was er da vorhin gesagt hatte?! Von wegen, das ich auch kein ... was auch immer er gemeint hat ... bin?? Vielleicht ...' Doch ich konnte meine Gedanken gar nicht weiter spinnen, denn da schwang schon wieder die Tür auf und Dimion kam abermals herein. Doch dieses Mal war er nicht allein. Eine wunderschöne, zierliche und sehr junge Frau kam hinter ihm her. Sie trug ein Tablett in ihren zarten, zerbrechlich wirkenden Händen, auf dem eine Tasse dampfender Milch war. Sie musste ungefähr so alt sein wie ich. Vorsichtig stellte sie Tablett und Tasse auf den Schreibtisch. Dabei fielen ihr ihre hellbraunen Haare, die ihr bis über die Hüften reichten, über die Schulter. Ihre Augen waren so hellblau, das man meinen könnte sie wären vollkommen weiß. Sie sah mich mit unheimlichen, fast weißen Augen an und strahlte über ihr ganzes Gesicht. Sie hatte ein dunkelblaues, kurzes wallendes Kleid an, das nur wenige Zentimeter über ihren Knien endete. Dadurch sah sie noch viel schlanker und blasser aus, als sie es ohne hin schon war. Und ihren Hals trug sie auch einen Anhänger, doch der unterschied ich von meinem nur dadurch, das er schon die Form eines Tropfens hatte, aber ihrer war an der Kette andersherum befestigt. Sonst war er identisch mit dem meinigen. Ich war vollkommen verwirrt. Und ich konnte es mir auch nicht erklären, aber irgendwie hatte ich das eigenartige Gefühl, das dieses Mädchen kein normales Mädchen war. Sie hatte nicht viel menschliches an sich!! Sie hatte nicht dieselbe Ausstrahlung, wie ein Mensch, sondern ihre Aura glich eher der meinen. Die Erkenntnis traf mich wie der Blitzschlag und ich war vollkommen fassungslos, so dass ich mich auf den Stuhl fallen lies, auf dem nur wenige Minuten zuvor Dimion gesessen hatte. 'Wie kann das sein das ich ausgerechnet hier meinen Zwilling treffe ?! Was hat das Ganze nur zu bedeuten ........' Kapitel 3: Erste Erlebnisse --------------------------- D amals konnte ich es nicht fassen, meinen Zwilling getroffen zu haben. Ihr müsst nämlich wissen, das jeder Engel einen Zwilling hat, sein Spiegelbild. Das bedeutet, wenn im Himmelreich ein Engel "geboren" wird, passiert dasselbe auch im Reich Satans. Doch dort ist es kein Engel der geboren wird, sondern logischer Weise ein Dämon. Aber ich habe ja schon erzählt, dass Dämonen nicht abgrundtief böse Wesen sind. Eigentlich sind sie so wie Engel, bloß das sie ein bisschen "zickiger" und "kratzbürstiger" sein konnten. Und natürlich leben sie in der "Hölle". Dieser Ort ist aber auch nicht viel anders als der Himmel, nur ein bisschen dunkler, vergleichsweise bedrohlicher. Sonst sind Dämonen und Engel gleich. Aber sie sehen ein bisschen anders aus. Anstatt Federflügel haben sie so ähnliche Schwingen wie Fledermäuse. Häute spannen sich zwischen langen fingerähnlichen Knochen, eben wie bei Fledermäusen. Nur um ein paar Nummern Größer natürlich. Ich war schockiert und auch auf irgendeine Weise froh, denn nicht jeder Engel bekam seinen dämonischen Zwilling je zu Gesicht und auch anders herum war es keine Seltenheit, wenn sich die ungleichen Zwillinge nie sahen. Das lag wahrscheinlich unteranderem auch daran, dass Dämonen nicht in den Himmel und Engel nicht in die Unterwelt können. Nur auf er Erde gab es also eine Möglichkeit, dass sie sich begegnen können. Ich war zwar froh, meinen Zwilling zu sehen, doch jetzt passte es mir gar nicht. Ich war noch so durcheinander von der Attacke der monströsen Katze, geschwächt von der Heilung, die ich and dem jungen Mann vollzogen hatte und natürlich war ich auf der Mission, die ich von Gott als Prüfung erhalten hatte. Aber irgendwie kam es mir doch so vor, als ob alles etwas miteinander zu tun hätte und sich nicht zufällig ereignet hatte. Ich konnte aber nicht weiter darüber nachdenken, da ich durch Dimion, der jetzt zu sprechen begann, aus meinen Gedanken gerissen wurde. Ich hob den Kopf, um ihn zuzuhören. Während er sprach setzte sich mein Zwilling auf das Bett, in dem ich noch wenige Augenblicke zuvor gelegen hatte. "Ich will dir Nira vorstellen." Dabei zeigte er auf das Mädchen auf dem Bett, das mich daraufhin freundlich anlächelte. Ich war immer noch wie weggetreten und sagte nichts, weil mir die Worte dafür fehlten. Doch ich brauchte auch gar nichts zu sagen, da Dimion schon wieder das Wort ergriff. Er erzählte mir, er habe Nira vor nicht all zu langer Zeit, vielleicht einen Monat, zusammengebrochen und total erschöpft vor seiner Haustüre gefunden. Und weil sie ihn bat, bei ihm bleiben zu dürfen, weil in nicht all zu ferner Zukunft jemand zu ihm kommen würde den sie unbedingt treffen musste, lebte sie seit dem bei ihm. Ich hörte seiner Geschichte nur mit einem Ohr zu. Meine Aufmerksamkeit war eher auf Nira gerichtet. Auch sie schien sich nicht sonderlich für das zu interessieren, was Dimion erzählte. Als er dann endlich aufgehört hatte zu reden, sah er Nira erwartungsvoll an, drehte sich um und verschwand aus dem Zimmer und schloss die Türe hinter sich. Ich verstand die Welt nicht mehr, aber wahrscheinlich sollte sie das Ganze zuende berichten. Und als sie ihren Mund öffnete, um zu sprechen, sah ich ihre spitzen Eckzähne. (Dämonen haben nämlich "Fangzähne" wie Raubkatzen.) Doch was mich noch viel mehr in Erstaunen versetzte war, dass sich ihre Stimme von der meinen nur durch winzige Unstimmigkeiten unterschied. "Ich bin von Satan, dem Herrscher der Unterwelt und dem Reich der Dämonen, in die Menschenwelt geschickt worden, um dich zu suchen. Satan wusste, dass der Herr dich auf eine Mission schicken würde, die dich hier her bringt." Dann sah sie mich an, als ob sie warten würde, das ich etwas sagen würde. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich dazu durchringen konnte, den innerlichen Konflikt in mir zu beseitigen, und ihr die Frage zu stellen, die mir eigentlich schon seit dem Zeitpunkt an dem sie durch die Tür dieses kleinen Zimmers getreten war, auf der Zunge brennte. "Und was sollst du tun, wenn du mich gefunden hast?!? Was willst du hier nun von mir?!" Ich sah sie durchdringend an, doch das schien sie nicht aus der Ruhe zu bringen. In der Tat, sie strahlte eine solche Ruhe aus, als könnte sie nicht einmal der Weltuntergang in Panik versetzten. Und wieder lächelte sie mich an. Es dauerte einen Augenblick, bis sie mir antwortete, so als ob sie überlegen müsste, ob sie mir das sagen konnte oder durfte. Doch dann erhielt ich ihre Antwort: "Du weißt sicher, dass der Herr und Satan einen Pakt geschlossen haben. Doch dieser Pakt beschränkt sich nur darauf, das sie sich nicht gegenseitig bekriegen; so wie sie es vor tausend Jahren noch getan haben. Doch nun wollen sie ihre "Beziehung" vertiefen, in dem sie sich gegenseitig die Tore öffnen. Das würde bedeuten das Dämonen in den Himmel könnten und auch umgekehrt, die Engel in die Unterwelt. Außerdem können sich der Herr und Satan besser um die Welt der Menschen kümmern und sie davon abhalten, diesen Planeten zu zerstören. Dieser Pakt hat also zwei Funktionen und ..." "Und was hat das Ganze mit uns beiden zu tun??!" Ich verstand nur noch Bahnhof. Was wollte sie nur von mir, das war doch nicht meine Aufgabe, oder etwa doch? Doch sie grinste nur und fuhr unbeirrt in ihrem Vortrag fort. Langsam wurde ich wütend. Mir wurde klar, das wir im Grunde genommen vollkommen verschieden waren. "Jetzt lass mich doch einmal aussprechen, dann wirst du schon verstehen, was ich von dir will! Ich glaube, ich muss doch noch ein bisschen weiter ausschweifen, um dir das klar zu machen, was du damit zu tun hast! Du weißt sicher, wie Dämonen und Engel geboren werde. Und die Geschöpfe, die sie zum Leben erwecken, ob nun Engel oder Dämonen, sind immer direkte Nachkommen von Satan oder Gott. Sie haben eine ganz spezielle Verbindung zu ihnen und deshalb können nur sie die neuen Bewohner der Unterwelt oder des Himmel zum Leben erwecken. Und da kommen jetzt wir beide ins Spiel, denn ich bin die direkte und Tochter des Teufels. Und weil du mein Zwilling bist, bist du ..." "Du willst doch wohl nicht damit sagen, dass ausgerechnet ICH eine reine Tochter meines Herrn bin, oder nicht?!" Ich musste sie einfach unterbrechen. Mir wurde es kalt und gleich darauf wieder heiß. Doch wenn das tatsächlich stimmen sollte, was Nira da von sich gab, dann wären damit einige Fragen in meinem Leben geklärt! Sie setzte wieder zu Sprechen an: "Genau das habe ich gemeint! Du und ich, wir sind diejenigen, die in nicht all zu ferner Zukunft dafür verantwortlich sein werden, das unsere Arten nicht aussterben. Und deshalb sind wir etwas ganz besonderes." Wieder lächelte sie mich an und zeigte mir ihre spitzen Eckzähne. Ich war fassungslos, konnte nicht glauben was Nira da sagte. "He, sag mir jetzt bitte nicht, dass du DAS nicht gewusst hast!!?" Sie sah mich etwas ratlos und irgendwie verunsichert an. Ich musste ihr auf ihre Frage auch gar keine Antwort geben, denn sie konnte scheinbar spüren, was die Wahrheit war. Schließlich heißt es ja nicht um sonst, dass Zwillinge eine ganz besondere Verbindung zueinander und miteinander haben. So redeten wir noch einige Stunden. Und je länger wir uns unterhielten, desto bewusster wurde mir, das ich wirklich nicht normal war, wenn man das bei einem Engel überhaupt sagen konnte. Wir redeten über unsere "Kindheit", erzählten von allem, was uns bisher in unserem Leben wiederfahren war. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich hatte immer das Gefühl, schon alles über sie zu wissen. Nira schien es offensichtlich nicht anders dabei zu ergehen. Natürlich redeten wir auch über diesen komischen Auftrag, der Nira und mich betraf. Sie erzählte mir, das der neue Pakt damit geschlossen werden würde, das diejenigen, die für die Geburten der neuen Dämonen oder Engel verantwortlich waren, ihre Macht teilten. Das würde bedeuten, dass Nira und ich unsere Anhänger in zwei Hälfen brechen und neu zusammen fügen würden. Damit würde der Pakt besiegelt sein. Dabei würde sich allerdings das Aussehen von Nira und mir etwas ändern. Ich mein linker Flügel würde das Aussehen von ihrem rechten Flügels annehmen. Genauso würde sie die Gestalt ihr linker Flügel in die meines rechten Flügels umwandeln. Damit würde jeder etwas vom anderen an sich haben und bestätigen, das der Pakt gültig war/ist. Und wenn ich wieder in den Himmel und sie wieder in die Hölle geht, um dort die neunen Engel/Dämonen zu erwecken, würde in diesen jeweils ein Teil des anderen sein. Dadurch hätten Engel etwas dämonisches und Dämonen etwas himmlisches in sich. Mittlerweile war es schon Nachmittag und vor dem kleinen Zimmer begann sich der Himmel schon rötlich zu verfärben. In der ganzen Zeit, die wir miteinander geredet hatten, war nicht einmal Dimion aufgetaucht. Ich wunderte mich schon, wo er wohl sein könnte, weil ich mich ja noch gar nicht richtig bei ihm für seine Hilfe bedankt hatte. Und ich sprach meine Gedanken laut aus. "Ich habe ihm vorher gesagt, das er uns nicht stören soll." Nira sah mich an. Ich konnte mir nicht erklären warum, aber da war irgendetwas an ihr, was sie mir verschwieg. Ich wollte ja nicht misstrauisch sein, doch ich hatte das Gefühl, sie sagte mir nicht alles, was sie wusste. Doch eine innere Stimme sagte mir, das ich ihr vertrauen konnte, auch wenn sie etwas geheimnisvoll war. Tief in unserem Inneren waren wir unzertrennlich miteinander verbunden und das musste selbst sie als Dämon zugeben. Unerwartet öffnete sich die Zimmertür und Dimion trat ein. Doch er war nicht allein ... R egen, es regnet. Der Himmel weint. Leise und stetig trommeln die Tropfen des Himmelswassers an die verdunkelten Scheiben meines kargen Gefängnisses. Auch ich vergieße Tränen, denn die Erinnerung an diese noch so schöne Zeit macht mich traurig und führt mir vor Augen, was ich alles zurücklassen werde, wenn mich mein Herr Gott endlich wieder für immer zu sich nimmt. Doch dieser Trost und die Hoffnung, das ich nie wieder von meinem Herr getrennt sein werde, macht mich nicht stärker, lässt mich nicht aufhören zu weinen. 'Wer wird jetzt den Pakt schließen, wer wird die Tropfen am Baum des Lebens küssen, damit es wieder Engel gibt?' Diese Gedanken gehen in mir herum. Und ein furchtbarer Schreck durchfährt mich, als ich daran denke. Denn es kann nur alle 1000 Jahre ein Engel begoren werden, der die besondere Kraft hat, die Engelchen aus ihren Tropfen zu befreien. Wenn ich also sterbe, werden fast tausend Jahre lang keine Engel geboren und unsere Art könnte aussterben. Und nicht einmal der Herr könnte das ändern. Ich spüre, wie mich meine Kräfte immer mehr verlassen, nicht mehr viele Stunden und mein Körper wird leblos in der Ecke dieses gefühlslosen Schaukäfigs liegen. Langsam hört es auf zu regnen, doch ich kann den wunderbar frischen Duft, der jetzt in der Luft liegen muss, riechen, denn ich bin hinter diesen Mauern davon abgeschirmt. Und wieder kommen mir die Bilder der Zeit in den Sinn, in der ich auf der Erde noch glücklich war ... Ich war erstaunt und erschrocken, als ich sah, wer da hinter Dimion in das kleine Zimmer trat. Es war ein junger Mann, nicht älter als Dimion es sein könnte war. Seine Augen , deren Iris schwarz wie die Nacht waren, starrten mich an. Ein kalter Schauer ging über meinen Rücken und ich wagte nicht zu atmen. Dann wandte er seinen Blick von mir ab und drehte seinen Kopf zu Nira, die ihn besänftigend anlächelte. Dabei fielen ihm die pechschwarzen, etwas längeren Haare in sein bleiches Gesicht. Langsam atmete ich auf. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Seine lange Hose, das T-Shirt und sein langer Mantel mit dem hochgeschlagenen Kragen waren so schwarz wie die tiefste Finsternis. Dadurch sah er noch viel bleicher aus, als er es eh schon war, als hätte nie ein Sonnenstrahl seine Haut berührt. Und da war noch etwas an ihm, etwas Schwarzes, das man aber nicht sehen, nur spüren konnte. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, als ich wusste, was ich da spürte: Es war die Aura eines Dämons! Also noch einer ... Wenig später saßen wir alle an einem kleinen Tisch in einem großen, hohen Raum, dessen eine Seite vollkommen aus Glas bestand, so das man im Westen die langsam sinkende Sonne sehen konnte. Vor dieser Fensterwand konnte man in den großzügig angelegten Garten mit den vielen Bäumen, Blumen und Sträuchern blicken. In einer Ecke, nahe der hohen weißen Mauer, die dieses kleine Paradies umschloss, war sogar ein kleiner Teich. Es standen verschiedene, dampfende Gerichte auf dem Tisch. Einige davon bereiteten mir Übelkeit, da sie Fleisch oder Fisch enthielten. Wie schon angedeutet werden Engel krank, wenn sie Getötetes essen. Deshalb nahm ich auch nichts zu mir. Und keiner fragte, warum. Anscheinend wusste sie, was in mir vorging. Jedenfalls bei Nira konnte ich mir da sicher sein. Der pechschwarz gekleidete Dämon hatte sich als Neo vorgestellt. Doch was er hier wollte, wusste ich nicht. Ich hatte Angst vor ihm, er war mir unheimlich. Deshalb hatte ich ihn auch nicht danach gefragt. Bestimmt würde er noch alles erzählen, wenn die Zeit dafür gekommen war. Doch genau das hatte ich nicht, Zeit. Ich musste schließlich die Aufgabe meines Herrn erfüllen, den Pakt mit Nira besiegeln und wieder zu in das Himmelsreich zurückkehren. Aber irgendetwas tief in meinem Herzen sträubte und weigerte sich mit aller Kraft, dass ich aufbreche und meine Missionen erfülle. Aber ich wusste nicht, warum ... So saßen wir da und keiner sagte auch nur ein Wort. Es musste schon ein komisches Bild gewesen sein. Ein Engel, ein Mensch und zwei Dämonen mehr oder weniger friedlich um einen Tisch versammelt. Ich war wie weggetreten. Alles war in den letzten Stunden so schnell gegangen, ich wusste nicht, ob es nur ein Traum oder tatsächlich Realität war. Irgendwie war es so unwirklich. Mein ganzes bisheriges leben wurde in weniger als einem tag total umgekrempelt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das alles noch Zufall war. Ich hatte das Gefühl, als hätte der Schicksalsengel seine Hände da mit im Spiel. (Gott hat Engeln die besondere Kräfte haben auch besondere Aufgaben zugeteilt. So gibt es zum Beispiel den Schicksalsengel, der eben das Schicksal anderer bestimmen und auch beeinflussen kann.) Und doch war es seltsam, dass alle hier saßen, bei einem Menschen. Ich hatte Dimion nicht gebeten bleiben zu dürfen, nachdem er mit diesem unheimlichen Neo in das Zimmer gekommen war, denn eigentlich sollte ich ja wieder gehen. Doch Nira sagte, ich solle noch bleiben, wir müssten schließlich den Pakt abschließen und sie meinte, das der Auftrag des Herr noch warten könnte und sie mir dann auch aber der Suche nach dem Amulett helfen würde. Aber da war auch irgendetwas in Dimions Augen, das mich bleiben lies. Es sah aus, als ob er Angst hätte. Angst, etwas wertvolles das er eben erst gefunden hatte, wieder zu verlieren. Doch ich konnte mir in dem Moment nicht erklären, was das zu bedeuten hatte. Und so war ich schließlich doch geblieben, saß mit diesen "Wesen" an einem Tisch und schwieg mich aus, vollkommen in Gedanken versunken. Ich fragte mich, warum Ausgerechnet Dimion uns hier bei sich verweilen lies. Er hatte doch bestimmt nichts mit der ganzen Sache zu tun. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass er es für normal erachtete mit zwei schweigsamen und dazu unheimlichen Dämonen und einem jungen weiblichen Engel der nichts essen wollte an einem Tisch zu sitzen! Irgendwie war er nicht normal, und das nicht nur in seinem Verhalten. Er hatte etwas an sich, etwas das nicht menschlich, nicht dämonisch und nicht engelsgleich war!! 'Schon komisch, diese ganze Situation, in der ich stecke! Vor einem tag noch ein ganz normaler Engel im Reich Gottes und nun ein Teil des wahrscheinlich wichtigsten Abschnittes der Geschichte der Engel, Dämonen und Menschen ...' Unerwartet wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Nira mich anstieß und mit dem Kopf auf Neo verwies. Anscheinend wollte er etwas sagen, was ich nicht verpassen sollte. Vielleicht würde er nun endlich den Schleier des Unwissens um seine Person lüften. Ich saß auf einmal kerzengerade da, wollte nicht ein einziges Wort überhören, zumal ich ihn noch die hatte sprechen hören. Während er sich räusperte, stand Dimion auf um das Geschirr und die Reste des Abendessens, von dem ich nichts angerührt hatte, wegzuräumen. Es herrschte eine unausgesprochene Spannung zwischen Neo und Dimion. Irgendetwas war da das die Harmonie zwischen ihnen störte. Engel haben nämlich einen besonders feinen Sinn für Harmonie und Frieden zwischen allen Lebewesen; egal ob Mensch, Engel, Dämon oder sogar Tier und Pflanze. "Also, ich denke mal, Nira hat dich darüber unterrichtet, was du für eine Aufgabe du bei dem Abschluss des Paktes hat!?" Durchdringlich starrten mich diese schwarzen, unheimlichen Augen an. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken, als ich nickend zustimmte. "Gut." Er nahm die Augen von mir, schloss sie für einen kurzen Moment um sie wieder zu öffnen und aus dem Fenster zuschauen. Draußen war die Sonne gerade untergegangen und der blutrote Himmel begann sich in das Schwarz der Nacht zu verwandeln. "Denn schon in zwei Woche wird es soweit sein, das wir den Pakt besiegeln können." "Aber warum denn erst in zwei Wochen?" Ich saß ratlos da. Warum mussten wir noch so lange warten?! Warum konnten wir nicht gleich dieses Ritual durchführen und ich könnte mich wieder auf die Aufgabe des Herrn konzentrieren?! Immer noch war Neos Gesicht in Richtung Fensterwand gedreht, als er mir mit seiner tiefen Stimme antwortete. "Weil wir nur an dem Tag in genau zwei Wochen das Ritual des Packschlusses vollziehen können. Und zwar weil an diesem Tag Sonne und Mond voll am Himmel stehen werden. Nur dann sind die dämonischen und die himmlischen Kräfte auf Erden genau gleich und auch nur dann könnt ihr eure Anhänger in zwei Teile brechen. Dieses Naturphänomen ereignet sich aber nur alle 200 Jahre. Es ist aber unbedingt erforderlich, das es schon jetzt geschieht, da die Zerstörung des Planten durch die Menschheit immer weiter fortschreitet." Langsam drehte er sein Gesicht wieder zu mir und Nira, riss seine Augen von der schleichend kommenden Schwärze der Nacht ab und blickte uns beide an. Nira war wie immer guter Dinge und lächelte ihn an. Ich konnte nicht recht verstehen, wie sie bei seinem Blick, der es womöglich vermocht hätte einen anderen zu töten, noch so fröhlich zu sein. Aber das lag vielleicht auch daran, dass sie sicher daran gewöhnt war, dass Dämonen nun einmal so sind. Sie unterschied sich eh ohnehin von ihnen, so wie ich mich von den anderen Engel unterschied. Wir waren uns im Grunde genommen sehr ähnlich, auch wenn wir uns doch so voneinander unterschieden. "Denn schon in zwei Woche wird es soweit sein, das wir den Pakt besiegeln können." "Aber warum denn erst in zwei Wochen?" Ich saß ratlos da. Warum mussten wir noch so lange warten?! Warum konnten wir nicht gleich dieses Ritual durchführen und ich könnte mich wieder auf die Aufgabe des Herrn konzentrieren?! Immer noch war Neos Gesicht in Richtung Fensterwand gedreht, als er mir mit seiner tiefen Stimme antwortete. "Weil wir nur an dem Tag in genau zwei Wochen das Ritual des Packschlusses vollziehen können. Und zwar weil an diesem Tag Sonne und Mond voll am Himmel stehen werden. Nur dann sind die dämonischen und die himmlischen Kräfte auf Erden genau gleich und auch nur dann könnt ihr eure Anhänger in zwei Teile brechen. Dieses Naturphänomen ereignet sich aber nur alle 200 Jahre. Es ist aber unbedingt erforderlich, das es schon jetzt geschieht, da die Zerstörung des Planten durch die Menschheit immer weiter fortschreitet." Langsam drehte er sein Gesicht wieder zu mir und Nira, riss seine Augen von der schleichend kommenden Schwärze der Nacht ab und blickte uns beide an. Nira war wie immer guter Dinge und lächelte ihn an. Ich konnte nicht recht verstehen, wie sie bei seinem Blick, der es womöglich vermocht hätte einen anderen zu töten, noch so fröhlich zu sein. Aber das lag vielleicht auch daran, dass sie sicher daran gewöhnt war, dass Dämonen nun einmal so sind. Sie unterschied sich eh ohnehin von ihnen, so wie ich mich von den anderen Engel unterschied. Wir waren uns im Grunde genommen sehr ähnlich, auch wenn wir uns doch so voneinander unterschieden. "Warum ist dann nicht noch ein Engel mit mir gekommen? Reicht es denn, das uns ein einzelner Dämon beschützt?!" Des war nicht die letzte Frage, die ich an diesem Abend stellte. Ich wollte einfach alles wissen, was in den nächsten zwei Wochen geschehen sollte. Und zu meiner Überraschung wurde mir jede dieser Fragen beantwortet. Natürlich bekam ich auch eine Antwort auf meine zweite Frage. Neo meinte, dass es nicht notwendig wäre, noch einen Engel in die Welt der Menschen zu bringen. Ich wusste zwar nicht warum, aber ich gab mich mit der Antwort zufrieden, denn schließlich musste er und Nira mir noch mehr sagen. Nach einiger Zeit kam auch Dimion wieder zu uns, anscheinend war er in der Küche fertig gewesen und gesellte sich einfach zu uns. Und keiner hielt ihn auf. Anscheinend verstrauten ihm Nira und Neo. Er setzte sich still hin und schien in Gedanken ganz wo anders zu sein. Vielleicht schaute er auch nur aus dem Fenster und beobachtete, wie sich einige Insekten um die draußen aufleuchtenden Straßenlaternen versammelten. Ich war davon überzeugt, dass er kein schlechter Mensch sein konnte. Schließlich hatte er sich ja zwischen mich und diese monströse Katze gestellt um mich zu beschützen und hat dabei sogar freiwillig einen ziemlich tiefen Kratzer eingesteckt. Aber den hatte ich ihm ja wieder geheilt, so dass nichts mehr an den Schmerz erinnerte. Trotzdem fühlte ich mich irgendwie schuldig und während wir so in seiner Wohnung in diesem Raum saßen, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich mich trotzdem revanchieren müsste. L ange lag ich noch wach. Es war spät als Neo meinte, dass Nira und ich uns ausruhen sollten. Dimion brachte mich wieder in das kleine Zimmer, in dem ich aufgewacht war. Es schien das Gästezimmer zu sein, doch nun stand statt dem Schreibtisch ein zweites Bett darin. Wahrscheinlich sollten Nira und ich uns diesen Raum teilen. Dann wünschte er mir eine gute Nacht, meinte das Nira auch gleich kommen würde und verschwand. Eigentlich war er die ganze Zeit über sehr schweigsam, verzog so gut wie nie keine Miene. Und ich hatte ihn eigentlich auch noch nie richtig lachen sehen. Er schien immer etwas traurig und niedergeschlagen zu sein. Als ob er einen großen Schmerz seit Jahren mit sich herumtragen würde. Doch ich traute mich nicht danach zu fragen, wollte ihm nicht lästig sein oder aufdringlich wirken., schließlich war es keine Selbstverständlichkeit, zwei Dämonen und einen Engel ganz um sonst bei sich wohnen zu lassen. Vielleicht war er aber einfach nur einsam und wollte nicht immer alleine sein. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein und er war eben von Natur aus so schweigsam und unnahbar. Eine kleine Lampe die an der Decke baumelte erhellte den Raum, denn von außen kam nicht einmal das Licht der Straßenlaternen, denn vor dem Fenster stand ein großer Kirschbau dessen blütenschwere Zweige das Licht regelrecht abschirmten. Als Nira rein kam und die Tür wieder hinter sich schloss, begann die Lampe im Luftzug zu schaukelt. "Na, bist du gar nicht müde?" Wie immer trug sie ein Lächeln auf ihren rosigen Lippen. "Eigentlich nicht. Ich könnte wahrscheinlich eh nicht schlafen. Ich bin noch so aufgewühlt von diesem Tag. Es ist in so kurzer Zeit so unglaublich viel passiert! Mein ganzes bisheriges Leben hat sich an dem heutigen Tag umgekrempelt!! Es ist einfach nichts mehr so, wie es früher war. Und do bin ich froh darüber, denn jetzt habe ich viele Antworten auf Fragen, die ich mich nie getraut hätte sie jemandem zu stellen." "Ich kann mir vorstellen wie es dir gehen muss. Ich wäre auch so aufgewühlt wie du. Aber weißt du, mich habe das alles schon gewusst und deshalb ist es keine Überraschung mehr für mich. Ich kann allerdings nicht verstehen, dass du davon nicht den leisesten Schimmer hattest!" Wir setzten und auf mein Bett und Nira sah mich etwas besorgt, mitfühlend und aufmunternd zugleich an. Sie war wirklich etwas besonderes. "Ich weiß auch nicht, warum mir etwas so für mein ganzes Leben entscheidendes nicht gesagt wurde. Wobei ich glaube, das meine Freundin Mai genau wusste, was ich wirklich bin. Und auch ich selbst habe schon immer gespürt, dass ich nicht ganz so bin wie die Engel um mich herum. Ich war schon immer etwas eigen. Und selbst als ich vor meinem Herr stand, dem ich jetzt doch näher bin als ich angenommen hatte, hat mir niemand auch nur den kleinsten Hinweiß gegeben. Meinst du, sie hatten einen guten Grund dafür oder haben sie mich nur aus versehen in Unwissenheit gelassen?!" Langsam in mir Trauer und auch Wut hoch, denn ich fühlte mich von allen, denen ich bis jetzt vollkommen vertraut hatte, hintergangen. "Sei nicht traurig darüber und zerbrich dir nicht unnötig den Kopf. Ich denke sie wollten dich einfach nicht damit belasten um dich nicht einzuengen. Nun kennst du ja die Wahrheit! Gräm dich nicht weiter und denke nicht mehr an die Vergangenheit. Schau lieber in die Zukunft und blick auf das, was noch vor dir und auch vor uns liegt!" Sie sah mir ins Gesicht und zwinkerte mir zu. "Und jetzt sollten wir uns in hinlegen und versuchen zu schlafen. Bis wir in zwei Wochen das Ritual des Paktschlusses vollziehen, bleibt noch genug Zeit uns den Kopf zu zerbrechen. Ich verspreche dir, dir bei der Suche nach dem Amulett zu helfen. Außerdem gibt es in der Welt der Menschen viel zu sehn!" Mit einem Lächeln stand sie auf, löschte das Licht und legte sich in ihr Bett. Auch ich schlüpfte unter die Decke und hingegen meiner Erwartungen schlief ich schnell ein. Ich war wohl doch noch erschöpft; und ich schlief einen langen, traumlosen Schlaf in dieser mir doch noch so unbekannten Welt ... Ich wachte schon früh auf, noch bevor die Sonne ganz hinter dem Rand des Horizontes hervorgekrochen war. Das Zwitschern der Vögel und das rauschen des Windes in den Blättern des Kirschbaumes hatten mich aus dem Land des Schlafes kommen lassen. Die Nacht war ein bisschen unruhig gewesen, da ich nicht gewohnt war in solch einem Bett zu schlafen. Im Himmel ist es nicht notwenig sich so warm zuzudecken, denn es wird nie so kalt. Dort schlafen wir unter, in und auf Bäumen. Sie decken und mit ihren Blättern zu und streicheln und sanft in den Schlaf, während das Rascheln ihrer Zweige und Blätter wie eine Gutenachtgeschichte wirkt. Sie erzählt schon seit Jahrhunderten von der Entstehung allen Lebens und immer kommen neue Strophen und Verse hinzu. Dieses leise und beruhigende Flüstern hatte mir zwar gefehlt, aber ich war zu müde um auch zu aufgeregt um mich daran wirklich zu stören. Aber jetzt war ich wach, konnte nicht mehr ruhig liegen bleiben und beschloss schließlich so leise wie es nur ging aufzustehen. Nira schien immer noch tief zu schlafen und ich wollte sie auch nicht unnötig aufwecken. Vorsichtig schlug ich die Decke zurück, setzte mich auf und stieg behutsam und ohne auch nur ein lautes Geräusch hören zu lassen aus dem Bett. Meine Schuhe hatte ich ausgezogen, bevor ich mich am Abend zuvor in das Bett gelegt hatte. Doch ich hielt es nicht für unbedingt nötig sie jetzt an zu ziehen. Ich wollte um keinen Preis riskieren, Nira doch noch aufzuwecken. Und als ich an das Fenster trat, stand ich direkt neben ihrem Bett. Es sah so friedlich und unschuldig aus, wie sie da lag und womöglich gerade einen Traum hatte. Einige ihrer langen hellbraunen und silbern glänzenden Strähnen fielen in ihr zartes fast weißes Gesicht, während sie gleichmäßig ein- und ausatmete. Sie musste sich bestimmt schon an diese Welt gewöhnt haben, hat sie mir doch erzählt das sie schon länger hier sei. Ich fragte mich, ob sie wohl doch ihre Heimat, die Unterwelt, vermisst. Doch vielleicht gibt ihr die Anwesenheit von Neo eine gewisse Vertrautheit und ein Gefühl von einem zweiten Zuhause. Bei mir war leider nichts, was mich irgendwie noch an das Reich Gottes hätte erinnern können. Doch ich war nicht traurig darüber, wusste ich doch genau, dass ich nicht mehr lange warten musste bis ich zu meinem Herrn und zu Mai zurückkehren konnte. So geräuschlos es ging, schob ich die dunklen Vorhänge einen kleinen Spalt zur Seite und öffnete die gläserne Schiebetür, die den Raum von dem davor liegenden Balkon trennte. Sogleich ergoss sich ein heller Lichtstrahl der aufgehenden Sonne in das kleine Zimmer und erhellte es kurzzeitig mit einem warmen orange Ton, bis ich schnell wieder die Vorhänge zuzog, damit Nira nicht von dem Licht geweckt wurde. Die Luft war frisch und kühl, erfüllt von den abertausenden Düften der im Frühling aufblühenden Natur. Erst als ich ganz auf den kalten Steinboden des Balkons hinaustrat konnte ich sehen, dass dieser nicht nur vor dem kleinen Zimmer lang. Er zog sich über die ganze Breite dieser Hausseite und verband so die einzelnen Zimmer miteinander. Im Zimmer neben uns musste wohl noch ein Schlafzimmer sein, denn die Vorhänge waren ganz zugezogen. Überwältigt von der Schönheit des Anblickes der sich mir hier bot und etwas geblendet von der Sonne trat ich an das Geländer des Balkons und umschloss das eiserne, kalte Geländer mit meinen Händen. Tief atmete ich die frische Luft ein. Langsam konnte ich spüren wie jede einzelne Zelle meines Körpers das Licht der Sonne in sich aufsog um es in Energie umzuwandeln. Wohlige Wärme durchströmte meine Adern und ich genoss das satte Gefühl, dass sich in mir ausbreitete. Mein Herz füllte sich mit Freude als ich sah, dass auf dem großen alten Kirschbaum, dessen Äste schwer mit Millionen von zartroten Blüten besetzt waren, ein kleiner Schwarm von Vögeln saß. Es waren nicht mehr als fünf dieser kleinen Federkugeln, aber sie sangen so zusammen, als wären sie mindestens hundert. Lächelnd hörte ich ihnen zu und genoss es, denn es erinnerte mich an die vielen Morgende im Paradies Gottes, dem Garten Eden. Eines der kleinen gefiederten Wesen erhob sich in die Luft und folg mit schnellen Flügelschlägen auf mich zu, drehte eine Schleife um mich herum, bis es sich tschilpend auf dem Geländer neben meinen Händen niederließ. Nicht lange und auch die anderen vier Sangeskünstler kamen zu mir um ihr Talent vor mir darzubieten. Freudestrahlend stimmte ich leise in ihren Gesang ein, denn ich wollte je schließlich niemanden aufwecken. Als ob sie mich aufforderten mit ihnen zu kommen, zupften sie mir ihren kleinen Schnäbelchen vorsichtig an meinem Kleid. Dann flogen sie zurück auf den Kirschbaum. Und da ich mir sicher war, das mich um diese Zeit niemand sehen würde, folgte ich ihnen. Durch ein kurzes Aufglühen meines magischen Kristalls entfalteten sich meine weißen Federschwingen auf meinem Rücken. Wie die Flügel eines Adlers breiteten sie sich durch die Schlingen des blauen Bandes meines Kleides auf dem Rücken aus. Vorsichtig schaute ich mich doch noch einmal um, denn ich wollte sicher sein nicht beobachtet zu werden. Aber weil ich nichts verdächtiges entdecken konnte, schwang ich mich elegant mit einer Hand über den Rand des Geländers um wenige Meter in die Tiefe zu fallen. Doch mit einem kurzen Flügelschlag stieg ich schon wieder empor in den rot-gelb gefärbten Himmel. Es waren nur wenige Meter zu dem knorrigen Baum und schon saß ich zwischen den kleinen Sängern der Natur auf einem dicken Ast zwischen den vielen süßduftenden Blüten. Inzwischen warne noch mehr Vögeln hinzugekommen und alle stimmten sie mit mir in diesen ungewöhnlichen Chor mit ein. Selbst der Wind, die Bäume und das Wasser des kleinen Teichs schienen sich zu freuen und ihre leisen Stimmen in den Klangteppich unseres Liedes einweben zu wollen. Doch plötzlich verstummten die Vögeln und auch das Rauschen der Bäume so wie das Plätschern des Teiches erloschen. Ein wenig irritiert schaute ich mich um und als ich Dimion auf dem Balkon entdeckte, auf dem ich noch wenige Augenblicke zuvor gestanden hatte, war ich sichtlich beruhigt. Lächelnd erhob ich mich, leicht wie eine Feder im Wind, von dem Ast und schwebte in seine Richtung. Er hatte mich noch nicht entdeckt und schien sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Lautlos wie eine Schleiereule flog ich zu ihm hoch, drehte mich geschickt in der Luft und setzte mich mit dem Rücken zu der Hauswand auf das Geländer. Selbst jetzt sah er mich nicht an. Erst als sich eine meiner weißen Federn aus meinen Schwingen löste und direkt vor seinem Gesicht zu Boden fiel drehte er seinen Kopf zu mir und sah mich an. Er sah müde aus, als hätte er nicht gut oder fast gar nicht geschlafen. Ein leichter Windstoß wirbelte einige meiner langen Strähnen, die aus meinem Zopf gerutscht waren, auf und trug sie in seine Richtung. "Guten Morgen!" Freudig lachte ich ihn an, doch er erwiderte es nicht, knurrte nur ein unverständliches "morgen" und drehte sich wieder von mir weg. Ein wenig geknickt schwang ich mich auf den kühlen Boden des Balkons. Dimions Blick schweifte weit in die Ferne. Doch es sah so aus, als ob er nicht mehr auf der Erde wäre, als würde er in eine ganz andere Welt hineinschauen, seinen Geist auf die Reise schicken. "Ist es nicht unvorsichtig von dir, dich hier in deiner wahren Gestalt zu zeigen? Hier, wo dich jeder sehen könnte ist das doch gefährlich ..." Fast geflüstert stellte er diese Frage in die klare Morgenluft. Vielleicht machte er sich ja tatsächlich Sorgen um mich, was man sich bei seiner Miene die er hinzog nicht gerade vorstellen konnte. "Ich hatte gedacht, das mich um diese Zeit bestimmt niemand sehen würde. Aber wenn du meinst das es zu unvorsichtig ist, dann sollte ich besser ..." Ich beendete meinen Satz nicht, lies einfach meine Augen und den Kristall aufglühen und dadurch meine Flügel in unzähligen Federn zerspringen. Aber schon nach einigen Augenblicken war nichts mehr von ihnen zu sehen, denn sie zerplatzten bei der kleinsten Berührung. Ich war irgendwie traurig, konnte mir damals aber noch nicht so recht erklären warum. Und weil Dimion mich nicht mehr eines Blickes würdigte, ging ich etwas niedergeschlagen zu der Glastür die in unser Zimmer führet und wollte sie leise aufschieben. Doch als ich gerade meine Hand nach dem Griff ausstrecke, wurde der schon von Innen heruntergedrückt und die Wand aus Glas aufgeschoben. Etwas erschrocken sah ich in das noch Hier ziemlich verschlafene Gesicht meines Zwillings. Nira war wohl gerade erst aufgewacht. "He, guten Morgen. Was bist denn du schon hier draußen so munter?!" Träge rieb sie sich den Schlafsand aus den Augen und kam zu mir auf den Balkon, atmete tief ein und steckte ihre Glieder. Dimion war schon wieder verschwunden. Irgendwie war er mir noch immer nicht ganz geheuer. Aber auf der anderen Seite schien er mir ungewöhnlich vertraut zu sein. "Dir auch einen guten Morgen! Habe ich dich aufgeweckt oder bist du von alleine aufgewacht?!" "Nee, du bist nicht daran schuld das ich wach bin. Ich konnte einfach nicht mehr liegen bleiben und da ich gesehen hatte das dein Bett leer war, hab mich mir schon fast gedacht dich hier draußen zu finden." Langsam wachte sie richtig auf. Auch sie schien es zu genießen das Licht des neuen Tages auf sich fallen zu lassen. Ich wusste es nicht, aber vielleicht bezogen auch Dämonen ihre Lebensenergie aus den Strahlen der Sonne. 'Wohl kaum, sie sind ja schließlich Wesen der Nacht und der Dunkelheit ...' Kopfschüttelnd über meine Gedanken ging ich wieder in das Haus. Nira kam mir nach und meinte das wir zum Frühstück gehen sollte. Ich wollte ihr schon noch einmal auslegen, dass ich davon nichts essen könnte, doch sie nahm mich einfach an der Hand und zog mich hinter sich aus dem Zimmer durch den schmalen Gang zu dem großen Raum mit dem Tisch, an dem wir am Abend zuvor auch schon gesessen hatten. Neo saß schon dort und beobachtete mit finsterem Blick unser Ankommen. Nira ging in die Küche zu Dimion um ihm zu helfen und ich setzte mich, ein bisschen verunsichert von Neos Blick, auf eines der Sitzkissen nahe man Fenster. Es war mir nicht aufgefallen, aber der Tisch in diesem Zimmer war niedrig und falsch und man setzte sich auf den Boden davor, nicht auf Stühle. Mit verträumtem Blick schaute ich aus den Fenstern und vergas fast das, was um mich herum war. Dimion und Nira kamen mit dem Frühstück herein und dieses Mal war sogar etwas für mich dabei, Milch. Das ist neben Wasser das Einzige, was ich zu mir nehmen kann. Mal abgesehen von Blütennektar, aber das konnten sie mir hier wohl kaum anbieten. Keiner sagte ein Wort und jeder nahm schweigsam sein Frühstück zu sich. Kapitel 4: Der Anfang eines Neuen --------------------------------- N ira und ich hatten Dimion, bevor dieser arbeiten ging (er arbeitet bei einer Zeitung als Photograph), gefragt, was wir für ihn tun können. Nachdem er uns erst einmal verwundet gemustert hatte sagte er uns einige Sachen, die wir vielleicht erledigen könnten. Eine seiner Bitten an uns war, das der Garten gewässert werden musste. Da ich mich natürlich sofort bereit erklärte das zu übernehmen, lies sich Nira dazu breitschlagen für das Mittagessen zu sorgen. Ich hätte eh nicht diese Arbeit tun können, denn dazu hätte ich Gemüse, Fleisch und andere Lebensmittel kochen müssen. Da ich aber nichts töten darf, war das unmöglich für mich. Für Dämonen ist das kein Problem, da ihre Vorfahren blutrünstige Bestien waren, die sich an dem Leid und den Schmerzen die sie anderen zufügten ergötzten. Aber das ist schon lange her und sie haben sich sehr verändert. Kleine Tropfen aus schillerndem Wassers zerstöben in der Luft, als ich damit begonnen hatte die Bete und Blumen in dem großen Garten zu wässern. Mit Hilfe der mir gegebenen Magie lies ich das klare Wasser aus dem kleinen Teich emporsteigen und über die Pflanzen und Bäume herabnieseln. Sanft strich der Wind durch mein langes Haar und löste einige zarte Strähnen aus meinem Zopf, mit denen er zu spielen schien, während ich mit strahlendem Anhänger und glühenden Augen dastand und mit sanften Handbewegungen die Tropfen dirigierte. Ich hatte Freude daran und ich war glücklich, mich bei Dimion, der uns ja alle aufgenommen hatte, zu revangieren und ihm keine Last zu sein. Doch immer wieder kam mir der Gedanke an den Herrn und an meine eigentlich Aufgabe in den Sinn. Eine Flut von Fragen und Zweifeln durchfuhr mich wie ein Blitzschlag. 'Bin ich den wirkliche die eine reine Tochter des Herrn?! ' Doch ich hatte nicht lange Zeit mich weiter zu grämen und innerlich zu wurmen, denn um mich herum schwirrten und flatterten auf einmal viele keine Vögel; zwitschernd und sichtlich erfreut über den niesenden Regen, den ich erzeugt hatte. Sie schüttelten sich und putzten mit ihren kleinen Schnäbeln penibel ihr Gefieder, immer ein Lied nach dem anderen im Chor trällernd. Sonnenstrahlen wärmten meine Haut und es durchfuhr mich eine wohlige Energie, die alle Zweifel und Ängste aus mir heraus zu waschen schien. Ich hätte stundenlang so dastehen können, mich in der Sonne räkelnd und zwischen diesen niedlichen Federkugeln, doch Nira rief nach mir. Schulterzuckend und ein bisschen traurig über diese Unterbrechung, erlosch das Glühen in meinen Augen und auch mein Anhänger nahm wieder seine normale Färbung an. Wiegenden Schrittes und von dem Tschilpen der kleinen Vögel begleitet, machte ich mich auf ins Haus zurück zukehren und dem Ruf meiner ungewöhnlichen Zwillingsschwester zu folgen. Fast lautlos lief ich über das Holz der Terrasse und schob die Glastür zur Küche auf, aus der Niras Rufen gekommen war. Mir war vorher noch nicht aufgefallen, wie wunderschön sie eigentlich war. Ihre Haare sahen aus wie die dünnsten Fäden einer Spinne und schienen sich bei jedem noch so kleinen Windhauch zu bewegen und in der Luft zu tanzen. Das Kleid das sie auch schon am Abend zuvor getragen hatte sah im Licht der Sonne aus wie wenn es mit hunderten winzig kleiner Diamanten besetzt wäre .Und es funkelte wie der Sternenhimmel in einer klaren Sommernacht. Auch von ihrer Aura her musste sie etwas ganz besonderes sein. Sie stand an einer Anrichte der Küche und war gerade damit beschäftigt das benutzte Geschirr vom Frühstück abzutrocknen und die Küche wieder aufzuräumen. Auf dem Herd standen schon allerlei Töpfe aus denen der Dampf zischend entwich. In manchen steckte sogar noch ein Kochlöffel, mit dem Nira immer wieder einmal den Inhalt umrührte. Ich war sichtlich überrascht, das sie sich so schnell daran gewöhnt hatte und auch gelernt hatte mit den Dingen der Menschen umzugehen. Ich war noch nie in der Unterwelt und der Heimat der Dämonen gewesen, doch trotzdem war ich mir sicher, das es so etwas bestimmt nicht dort unten gab. "Was stehst du denn da wie angewurzelt?! Du schaust mich ja an als würdest du mich zum ersten Mal sehen!" Zwinkernd sah sie mich an und wandte sich dann wieder kopfschüttelnd ihrer Arbeit zu. Ich wurde verlegen und blickte zur Seite auf die Blumen, die neben der Schiebetür standen. Sie waren schon fast eingegangen und ließen schon ihre Köpfe hängen. Ich kniete mich runter zu ihnen und berührte sie mit meinen Fingern ganz sanft an den Blütenblättern. Sofort schien das Leben in sie zurück zukehren und sie richteten sich wieder auf, als hätten sie nie ihre Köpfe hängen gelassen. Wir befanden uns in einem schmalen Raum der nicht sehr viel in sich barg. Ein Herd, ein Ofen, ein Waschbecken, einen Vorratsschrank und noch ein paar andere Regale und Schränke, in denen die Lebensmittel und Gewürze aufbewahrt wurden. Auch dieser Raum war hell, so wie alle Zimmer in diesem Haus. Es schien immer genügend Licht durch die Fenster, so dass man nur abends die Lampen anmachen musste, um wegen der einbrechenden Dunkelheit nicht im Schwarzen zu sitzen, aber das war ja immer schon so gewesen. Trotzdem war ich es nicht gewohnt, in einem geschlossenen Raum zu sein, hatten wir im Himmelreich doch nie irgendwelche Räume die von der Außenwelt abgesperrt waren. Außer natürlich die große Halle in dem uralten Baum, in dem ich den Herrn zum Ersten mal gesehen hatte. Doch darin fühlte man sich nicht eingeschlossen, so wie hier. "Es tut mir leid, ich war nur etwas verwundert, weil ich dich doch noch nie im Tageslicht gesehen hatte." "Ist da ein Unterschied?! Du hast mich doch schon so gesehen, auch im Licht! Was ist da anders als wenn du mich im Licht der Sonne sehen kannst?!" Nira schien etwas irritiert zu sein, drehte sich aber doch interessiert zu mir hin. "Naja, Engel sind eben anders als Dämonen, euch ist es egal was für ein Licht ist, euch ist die Dunkelheit und die Nacht eh lieber, aber ein Engel unterscheidet zwischen Sonnen- und künstlichem Licht. Das eine kann uns nicht ernähren, im Gegensatz zum Sonnenlicht. Aber das erkläre ich dir später noch genauer, wenn du noch mehr wissen willst!" "Wird wohl auch besser so sein ..." Nira wandte sich etwas ungläubig wirkend wieder zu der Arbeitsfläche. "Wo ist eigentlich Neo?! Ich habe ihn seid dem Frühstück nicht mehr gesehen." Suchend schaute ich mich um. Doch Nira gab nur ein vielsagendes Lächeln von sich. Stutzig geworden kam ich auf sie zu. "Was grinst du so?! Hast du mir etwa etwas zu verheimlichen? Jetzt sag es mir doch endlich ..." "Hmm ... Na gut, ich denke mal früher oder später hättest du es ohnehin noch mitbekommen!" Nira tat so geheimnisvoll, was mich fast in die Verzweiflung trieb. Und nach einer langen Pause, rückte sie endlich mit der Sprache heraus und lies mich nicht länger in Ungewißheit. "Neo ist nicht im Haus, was du aber wahrscheinlich schon bemerkt hast, weil du ihn nicht mehr 'spüren' kannst. Er ist in den Park gegangen um nach dem Amulett zu suchen, das du eigentlich für deinen Herrn hättest wieder beschaffen sollen!" Nira schmunzelte. "Man sollte es nicht glauben!! Einer der bösartigsten und mächtigsten Dämonen aus der Unterwelt hilft einem Engel aus freien Stücken ... Du bist wirklich etwas besonderes Rai wenn du so etwas bei anderen bewirken kannst mit deiner naiven und manchmal auch unbeholfenen Art!" Nira strahlte mich an, doch hinter diesem Lächeln lag etwas anderes, wie eine Maske hatte sie das freudige Gesicht aufgesetzt. Hinter dieser Fassade verbarg sich leichter ein Schmerz, der tiefer ging als alles, was ich bis jetzt erlebt hatte und wahrscheinlich auch jemals erleben würde. Diese Tatsache machte mich unendlich traurig. "Naja, genug davon!!" Nira sah mich nicht mehr an, drehte ihren Kopf zur Seite und machte sich an den Handtüchern, die an einem Hacken hingen, zu schaffen. Doch man konnte erkennen das sie das nur tat, damit ich nicht ihr Gesicht sehe. "Ich hatte dich eigentlich gerufen, weil ich ein bisschen mehr über dich erfahren wollte. Zum Beispiel wie du deine Kindheit verbracht hast oder sonst irgend etwas!!" Langsam wurde ich unsicher. Ich konnte spüren das Nira nicht immer ganz ehrlich zu mir war, aber warum sagte sie dann nicht das was ihr auf dem Herzen lag?! Ich konnte nicht lügen, so wie alle anderen Engel auch. Deshalb kannte ich Unehrlichkeit und scheinheilige Aussagen nicht. 'Ach Quatsch, das bilde ich mir doch bloss ein! Nira ist bestimmt nur traurig weil sie nicht bei sich daheim in der Unterwelt bei Satan sein kann. Ich werde sie am Besten etwas von ihrer Niedergeschlagenheit befreien ...' Und mit diesem Gedanken im Hinterkopf folgte ich Nira in den Garten wo sie sich auf die Terrasse setze und ich im Gras Platz nahm und begann zu erzählen. Ich teilte ihr alles mit, angefangen von dem Himmelreich und von Mai, bis zu dem Moment in dem ich den Herr das erste Mal zu Gesicht bekam. Und die ganze Zeit saß Nira da und hörte mir zu und unterbrach mich kein einziges Mal. L eises Rascheln lässt mich wieder aus meinen Gedanken hochschrecken. Doch es ist nichts ... Daran kann ich mich noch am Besten erinnern. Ich habe diese Zeit so genossen, als ich mit Nira zusammen war. Doch jetzt sitze ich ja hier ... Schon wieder das Rascheln. Verwirrt schaue ich durch den fast vollständig dunklen Raum. Die sonne geht draußen schon auf, doch ich kann mich nicht daran erfreuen. Bald müssten die Besucher und Wissenschaftler wieder kommen um sich wieder an meinem Anblick zu erfreuen und Experimente mit mir zu machen. Doch ich bin mir sicher das ich das heute nicht mehr überlebe und spätestens morgen früh werden sie nur noch meinen ausgeblichenen und leblosen Körper vorfinden. Wieder denke ich an die vergangene Zeit ..... Die Zeit verstrich schnell und der Tag an dem der Mond und die Sonne sich den Himmel teilen würden, kam immer näher. Bald waren 4 Tage verstrichen. In der Zwischenzeit war einiges geschehen. Neo hatte das Amulett gefunden, doch er konnte es mir natürlich nicht bringen, da er eben ein Dämon war und nichts aus dem Himmelreich berühren kann, ohne sich daran zu verbrennen. Aber das sollte sich nach dem Paktschluss ändern, doch bis dahin war es noch eine Woche. Also musste ich es mir selbst holen. Es hatte es in dem kleinen See des Parks gefunden, in dem ich vor einiger Zeit auf der Erde gelandet war. Nira begleitete mich und es dauerte nicht lange, da sah ich das Schmuckstück auf dem Grund glitzern. Durch meine Magie lies ich das Wasser kegelförmig zu allen Seiten weichen, damit ich ohne nass zu werden über dem See schweben konnte. Vorsichtig hob ich den Anhänger auf und schwebte zurück zum Ufer. Nira hatte sich zuvor mehrmals prüfend umgesehen, damit niemand meine Flügel zu Gesicht bekam. Ab da an ging ich täglich in den Park. Auch hatte Neo einen Platz gefunden, an dem wir ungestört den Paktschluss vollziehen könnten, wenn die Zeit dazu gekommen war. Es war ein kleines verstecktes Tal in dem naheliegenden Gebirge, das man nur durch die Luft erreichen konnte. Man musste nicht lange fliegen, um hin zu kommen und Neo war ich sicher, das uns dort niemand stören würde. Denn während der Zeremonie wären wir vollkommen schutzlos und jeder Gefahr hilflos ausgeliefert. Aber in der ganzen vergangenen Zeit bekamen wir Dimion nicht wirklich oft zu Gesicht. Er war die ganze Zeit unterwegs um Bilder von Prominenten oder sonstigen wichtigen Leuten für seine Redaktion zu machen. Meist kam er erst spät nach Hause und da er eh nicht sehr gesprächig war, erfuhr ich nicht sonderlich viel von ihm. Doch nun hatte er 2 Tage frei, weil Wochenende war an dem er nicht arbeiten musste. Das Wetter war auch an diesem Tag wieder wunderschön. Eigentlich war die ganze Zeit, die ich bis dahin auf der Erde verbracht hatte, strahlender Sonnenschein und die Temperaturen waren angenehm. Nira meinte, das wäre wegen meiner Anwesenheit, da Engel die Natur und somit auch das Wetter positiv beeinflussen würden. Und sie schien recht zu haben, den der Garten um das Haus blühte und grünte von Tag zu Tag schöner. Auch an diesem tag stand ich früh auf und schlich mich leise aus dem Zimmer auf den Balkon, während Nira immer noch schlief. Sie blieb Nachts immer lange auf. Sie saß auf dem Geländer des Balkons und schaute in den Nachthimmel. Manchmal breitete sie auch ihre pechsschwarzen, ledrigen Flügel aus um in den Sternenhimmel zu fliegen. Sie schien es zu genießen sich von dem kühlen Mondlicht bescheinen zu lassen. Vielleicht brauchte sie dessen Licht genau so wie ich die warmen Strahlen der Sonne. Diese mieden Neo und sie so oft sie nur konnten. Sie waren schließlich beide Dämonen und an die Dunkelheit gewöhnt, in die sie auch geboren wurden. Ich ging dagegen früh zu Bett und stand dafür auch früh wieder auf. Ich hatte mich langsam auch daran gewöhnt, in einem geschlossenen Raum zu sein und auch zu dort schlafen, doch ich war jeden Morgen aufs Neue froh, in die klare Morgenluft hinauszugehen. So wie an diesem neuen Tag auch wieder. Ich öffnete die Schiebetür und trat hinaus auf den kalten Boden des Balkon, ohne zu merken das Dimion keine 5 Meter neben mir auf dem Geländer lehnte. Da ich wusste das so früh morgens noch kein Mensch wach war und man den Balkon von der Straße aus sowieso nicht sehen konnte, sprang ich leicht wie eine Feder auf die Brüstung des Balkons, stieß mich ab und entfaltete mit glühenden Augen meine Flügel. Vom Wind getragen setzte ich mich geräuschlos auf das flache Dach des Hauses. Und erst als ich runter schaute, bemerkte ich wer mich schon die ganze Zeit beobachtete. Ein bisschen verlegen lächelte ich Dimion zu, der mit unveränderlicher Miene zu mir hoch sah. Doch es lag etwas in seinem Blick das mich ein bisschen verwunderte. Es sah aus als ob seine Augen verträumt lächelten. Plötzlich aber senkte er seinen Blick und ging in sein Zimmer zurück. Ich war leicht irritiert, wollte ihm zuerst auch nachgehen. Ich wollte ihm aber nicht lästig sein oder gar aufdringlich wirken. Also blieb ich sitzen und sog die warmen Strahlen der Sonne in mich auf. "Hey Rai! Was machst du schon wieder so früh da oben?!" Ich fuhr zusammen. Doch es war nur Nira, die auf dem Balkon stand und sich die Augen rieb. Ich lächelte ihr zu und verlies meinen Platz um neben ihr auf dem kühlen Stein zu landen. Zwinkernd meinte ich: "Ich habe ein Sonnenbad genommen!! Das war heute wieder besonders schön!! Warum bist du denn schon so früh wieder wach?!" "Ach, Neo kam in unser Zimmer und hat mich geweckt ...." Sie lächelte zufrieden und streckte ihre müden Glieder. "Den Rest erfährst du beim Frühstück ...." Sie spielte wieder einmal die Geheimnisvolle. Ich lies mich auch nicht lange bitten und folgte ihr nach unten in die Küche, in der sie das Frühstück zusammen stellte und wir es gemeinsam rüber trugen. Und wie die Morgende zuvor auch saßen Dimion und Neo schon am Tisch und warteten. Ich stellte das Tablett ab, nahm mir meine Tasse dampfender Milch und setzte mich an meinen Platz nahe dem Fenster. Auch die anderen nahmen ihre Plätze ein und aßen schweigsam, wie jeden Morgen. Ich hatte mich schon an die ständige Ruhe gewöhnt und schaute verwundert auf, als Dimion plötzlich das Wort ergriff. "Morgen früh kommt ein Kollege von mir zu uns zu Besuch. Er wird für zwei Tage hier wohnen. Ich bitte euch also nichts ungewöhnliches zu unternehmen. Vor allem heißt das, dass die nächtlichen und morgendlichen Spatzierflüge gestrichen sind." Dabei sah er Nira und mich kritisch an. Neo verzog wie immer keine Meine und gab nur wiederwillig ein Brummen von sich. Er war nicht besonders gesprächig, was ihn für mich noch viel unheimlicher machte. Ich spürte wie es mir glühendheiß über den Rücken lief, und doch fröstelte es mich auf der anderen Seite, als mich Dimion aus dem Augenwinkel ansah. Es war ein seltsames Gefühl. Betroffen nickten auch Nira und ich. "Er ist auf der Durchreise und ist nur so lange bei uns, bis er seine Geschäfte hier erledigt hat. Er ist typischer Reporter fast alles für eine Schlagzeile." Dimion stand auf, nahm sein Geschirr und trug es in die Küche. Dann kam er noch einmal kurz herein, musterte Nira und mich und meinte beim Gehen: "Ich komm heute früher wieder." Kaum hatte er die Haustüre geschlossen, n stand auch ich mit einem Seufzen auf und stellte meine leere Tasse in die Spüle der Küche. 'Hier ist es so anders als Daheim bei mir ...' Mit diesem Gedanken ging ich in das Wohnzimmer zurück und setzte mich wieder. Jetzt fühlte ich mich noch viel einsamer als vorher. S tille lag auf der Wiese und in den Bäumen, die in dem kleinen Park wuchsen. Nur ein paar kleine Vögelchen war zu hören, als ich durch das kleine Portal in der dichten Rosenhecke in den Park trat. Es war bereits Nachmittag und die Sonne hatte ihren höchsten Stand schon wieder verlassen. Wie jedes Mal hatten Nira und Neo mir nur unter der Bedingung das ich vorsichtig sein würde gestattet, den Nachmittag im Park zu verbringen. Ich hatte mir etwas besonderes ausgedacht, damit niemand meine wahre Gestalt erkennen konnte, auch wenn ich meine Flügel trug. Ich lies meinen Anhänger glühen und sprach eine Formel, die es denen unmöglich machte meine Schwingen zu sehen, die nicht mein wahres Wesen kannten. Dann erschienen sie wieder, meine Federflügel, schneeweiß. Es war eine Erleichterung, sie zu tragen und nicht immer in dem Zwang zu sein sie verstecken zu müssen, was auf die Dauer sehr viel Kraft kostete. Mit einem doch glücklichen Seufzen ging ich weiter in den Park hinein zu dem kleinen See. Der helle Kies des Weges knirschte unter meinen Schuhen und immer wieder fielen Kirschblüten auf mich herunter. Unter einem der Bäume die um den See herum standen, befand sich eine kleine Bank. Als ich näher kam und mich setzte, konnte ich die kunstvolle Verzierung auf dem Holz sehen und wie sorgfältig es geschnitzt war. Doch ich war traurig, das ein Baum sterben musste, damit die Menschen auf ihm sitzen konnten. Schnell schaute ich mich um und versicherte mich, das auch wirklich niemand da war. Dann lies ich meine Augen und den Anhänger glühen, legte behutsam meine Hand auf die Lehne der Bank und schloss meine Augen. Augenblicklich begann es zu knirschen und zu knacken. Dann sprossen aus den Beinen der Bank Wurzeln und aus der Arm- und Rückenlehne wuchsen viele kleine Äste, die immer dicker und dichter wurden. An deren Enden schälten sich Blätter und Blüten aus dem Holz und man konnte gar nicht so schnell Kucken, war aus dem toten Holz wieder ein lebendiger Baum geworden, mit einem wunderschön verzierten Stamm. Seufzend nahm ich die Hand wieder von dem nun wieder lebendigen Holz und lehnte mich zurück. Jetzt konnte ich auch erkennen, was für ein Baum es war: Ich saß auf dem Stamm einer Trauerweide, nur das diese nicht mehr trauern musste. Ihre herunter hängenden Blätter strichen über mein Haar und ich konnte in meinem Herzen spüren, wie dankbar sie war. Vor mir badeten die Vögel in dem See und manche der Tropfen die sie aufwirbelten trafen mich. Ich schloss meine Augen und nahm alle Geräusche um mich herum in mich auf. 'Eigentlich unterscheidet sich die Erde nicht von dem Himmelreich ...' Mit diesem Gedanken in meinem Kopf saß ich da. Ein Engel auf Erden in einem Park zwischen all den Menschen, aber doch irgendwie allein. Ein leises Klicken lies mich aus meinem Halbschlaf hochschrecken. Schlagartig öffnete ich meine Augen und schaute ohne mich zu bewegen um mich. Ich wagte es nicht mich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu rühren, denn ich konnte ja nicht wissen ob mein Spruch immer noch hielt. Langsam drehte ich den Kopf in Richtung Kiesweg, doch da war niemand. 'Ich muss mir das alles nur eingebildet haben!', schoss es mir durch den Kopf und es löste sich meine Anspannung. Ich konnte von niemandem die Aura um mich spüren und das lies mich dann schließlich aufatmen. Ich erhob mich von der lebendigen Bank und Schritt zum Ufer des Sees, wo mich die kleinen Vögel schon tschilpend erwarteten. Ich setzte mich in das weiche Gras, zog meine Lederschuhe aus und tauchte meine Füße in das kühle Wasser. Es war schön, sich einmal wieder ein bisschen frei zu fühlen und nicht immer mit der Angst im Hinterkopf zu leben, das man sich vielleicht durch irgendetwas verraten könnte. Doch da war es wieder, das unnatürliche Klicken in meinem Hintergrund. Und auch wie das letzte mal durch fuhr mich die Angst. Aber dieses Mal reagierte ich schneller. Mit plötzlich glühenden Augen und ohne mich umzudrehen richtete ich meine ausgerichtete Hand in die Richtung aus der das Geräusch zu kommen schien. Somit war das, was mich da erschreckt hatte, in einer Art Starre gefangen. Dann schloss ich meine Finger zu einer Faust, was die Bannkreise schloss. Noch einmal atmete ich tief durch, dann erhob ich mich schwebend aus dem Gras und drehte mich langsam um. Doch das was ich da gefangen hatte, hatte ich nicht unbedingt erwartet und es verschlug mir erst einmal den Atem. Mit einem weißglühenden Ring um Brust und Taille schwebte er vor mir, Dimion! Schlagartig erlosch das Leuchten meinen Augen und auch die Bannkreise lösten sich in Luft auf. Mit einem hörbaren Keuchen der Erleichterung landete Dimion etwas unsanft wieder auf seinen Füßen, sank aber gleich auf seine Knie. Hustend rieb er sich die Rippen und schaute mich mit einem schiefen Lächeln an. Man sollte es nicht glauben, er lächelte tatsächlich! Sonst zeigte er nie irgendeine Gefühlsregung. Doch das Lächeln verschwand so schnell wie es gekommen war. Ich stand da wie vom Donner gerührt und wusste nicht recht was ich sagen sollte. "Oje ... hä .... das tut ... tut mir Leid! Ich wollte ... dir nicht ... nicht weh tun!!!" Unsicher trat ich auf Dimion zu. Der rappelte sich schon wieder auf, keuchte zwar noch, schien aber sonst keine Blessuren von meinem etwas unsanften Griff davon getragen zu haben. Abwehrend hob er die Hand, was mich unvermittelt zum Stehen brachte. "Schon gut ... Ich bin ja selber schuld. Ich hätte mich nicht so anschleichen dürfen." Mit leicht schief gelegten Kopf schaute ich ihn an. "Ich hätte dich normaler weise spüren müssen. Aber irgendwie .... Oder kannst du deine Aura unterdrücken?!" Fragend sah ich ihn an und bekam einen genau so fragenden Blick zurück. "Ich weiß nicht von was du sprichst ..." Er kam wieder in seinen gewöhnlichen, gefühlskalten Stimmfall hinein. 'Oh nein, jetzt ist er böse!' Betroffen senkte ich den Kopf über meine dumme Frage. Es herrschte eine eiskalte Stille zwischen uns die ihre kalte Krallen drückend um meine Brust legte und mich fast zu erdrücken schien. Doch auf einmal war da irgendwo eine warme Hand, die ihre Finger nach mir ausstreckte. "Warum bist du eigentlich hier?!" Vorsichtig schaute ich wieder in sein Gesicht und entdeckte etwas wie Sehnsucht in seinem Blick. Es erinnerte mich an den Moment, als ich ihn zum ersten Mal sah. "Ich war auf dem Heimweg von der Arbeit. Und ich wollte dich abholen." Er sah an mir vorbei zu der Bank. "Warum hast du mich dann nicht einfach angesprochen?! Dann hättest du mich nicht so erschreckt ..." Ich lächelte ihn an und stellte mich direkt vor sein Gesicht, so das er mich einfach ansehen musste. Meine Nase war nur einige Zentimeter von seiner entfernt. Seine braunen Augen glänzten. Dann wich er zurück. Doch so leicht lies ich mich nicht abschütteln, bis er mir schließlich doch noch etwas wiederwillig eine Antwort gab. "Ich ... du ..." Etwas verlegen scheinend druckste er rum, während er immer noch rückwärts laufend mir auszuweichen versuchte. Bis er plötzlich stolperte und fast hin fiel, hätte ich ihn nich an der Hand gehalten. Doch das nützte nicht viel, denn nun wurde ich von seinem Gewicht mit gezogen und landete etwas unsanft auf ihm ... Kapitel 5: Besucher ------------------- B ei diesem Gedanken muss ich lächeln, auch wenn ich dafür eigentlich keine Kraft mehr übrig habe. Diese Zeit und dieser Tag waren so schön. Ich würde gerne die Uhr zurück drehen und alles anders machen, die Fehler die folgten beseitigen. Doch das kann ich jetzt nicht mehr. Plötzlich gehen die Lichter an und ich höre das Klacken und Knirschen der schweren Türen, die mich von der Außenwelt abschneiden. Bald wird es hier wieder von Schaulustigen wimmeln, die sich an meinem Anblick verwundert die Augen reiben und nicht glauben können was sie da sehen. Doch unter diesen vielen wird nicht einer sein, der mein Leid er kennt. Ich höre Stimmen, die sich mir langsam nähern. Und dann schwingt schließlich die Türe zu meinem Kerker auf und herein tritt der junge Mann, der mich schon einmal besucht hatte. Wehmütig scheint er zu sein als er die Türen für die Besucher aufschließt. Und schon höre ich das Geräusch vieler Menschen, die wie eine Welle aus Tausenden von Stimmen in den Raum schwappt. Nun werden sie bald da sein und mich wieder mit ihren Blicken löchern. Ihre Stimmen dröhnen jetzt schon in meinem Kopf. "Es tut mir so leid für dich. Ich würde dich gern hier rauslassen, doch das kann ich leider nicht ..." Sein Stimme ist so sanft. Dann schließe ich wieder meine Augen, versuche im Schlaf der Pein der nächsten Stunden zu entrinnen. Tauche wieder in die Erinnerung der vergangenen schönen Tage ab ... Einige Sekunden lang konnte ich mich nicht rühren, war wie gelähmt von dem plötzlichen Fall. Ich konnte seinen Herzschlag ganz genau spüren. Er war im selben Takt wie das meinige und ich fühlte mich unheimlich wohl, so nah bei ihm. Doch dann besann ich mich wieder und holte mich zurück in die Wirklichkeit. Verlegen und mit einem roten Gesicht rappelte ich mich wieder von seiner sich vor Schreck sich schnell hebenden und senkenden Brust auf. Ein unangenehmes Schweigen trat ein und ich war wie vor den Kopf gestoßen. Erst als dann auch er sich wieder aufrichtete und sich die Erde von der Kleidung klopfte, fand ich meine Stimme wieder. "Tut mir leid ..." Verlegen drehte ich mich um. Ich geh dann wohl besser." Ich wollte schon loslaufen, als er mich am Handgelenk festhielt. Verschreckt drehte ich mich um und sah ihn an. Dieser Moment schien eine halbe Ewigkeit zu dauern. Ein schwacher Wind kam auf, der aber immer stärker wurde. Er zog einige meiner braunen Strähnen aus meinem Zopf und schien sie mit sich nehmen zu wollen. Auch meine Flügel bewegten sich leicht im Wind und ich merket wie er mich von hier wegtragen wollte. Ich hob schon einige Zentimeter vom Boden ab. Doch Dimion hinderte ihn daran, er hielt mich immer noch am Handgelenk fest und sah mir tief in meine blauen Augen. Seine Augenwaren so geheimnisvoll und doch auch vertraut. Mich beschlich eine merkwürdige Vorahnung. "Lauf doch nicht gleich weg! Es ist ja nichts Schlimmes passiert und außerdem war es ja auch meine Schuld." In seinem Gesicht war nun nichts mehr von dem gefühlskalten Mann zu sehen, den er sonst immer vorgab zu sein. Er verblüffte mich immer wieder und ich begann zu zweifeln, ob ich überhaupt einschätzten konnte, wer da eigentlich vor mir stand. Dann sah ich etwas um seinen Hals baumeln. Es war ein Schwarzer Kasten mit einer runden Klasscheibe in der Mitte. Ich war verwundert und fragte: "Was ist das?!" Interessiert deutete ich auf den komischen Gegenstand. "Das ist ein Photoapparat. Damit kann ich Bilder machen." Nun lies er endlich mein Handgelenk los und erklärte mir, wie es funktionierte. Ich war etwas misstrauisch und konnte mir nicht wirklich vorstellen, das man mit so einem Ding tatsächlich Bilder machen konnte. Als er mir zeigte und auf den Auslöser drückte, war ich erstaunt das gleiche Klicken zu hören, das mich nur wenige Minuten zuvor so erschreckt hatte. Forschend sah ich ihn an. "Dann warst du das also. Warum hast du mich denn ... na, wie heißt das ... ja genau! Warum hast du mich denn photographiert?!" Nun grinste ich wieder. Dimion dagegen schien jetzt seine Sprache verloren zu haben. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen um meine Fragen zu beantworten. Seine offensichtliche Hilflosigkeit verwunderte und belustigte mich doch zugleich. "Ähm ... na ja ..." Er druckste wieder herum. Ich konnte so etwas nicht verstehen. Warum sagte er mir nicht einfach den Grund?! Es war ja sicherlich nichts Falsches dabei. "Na, es kommt ja nicht alle Tage vor, das man einen echten Engel in einem Park trifft. Es tut mir leid dich erschreckt zu haben." Er lächelte schief. Und ich musste unwillkürlich lachen. Es hörte sich so an, als ob aus ihm ein unschuldiger, verlegener Junge sprach und nicht der kühle Mann, den man von außen sah. Ich nahm ihn bei der Hand. Er wollte sie mir zuerst wieder entziehen, doch dann schien er es einfach zuzulassen. Ich zwinkerte ihm zu. "Deswegen hast du so ein Theater gemacht?!" "Naja, ich ...." Wieder fand er nicht die richtigen Worte. Langsam begann er mir doch leid zu tun. Er drehte sich um und entzog seine Hand aus meiner. "Wir sollten nach Hause gehen. Nira und Neo warten sicher schon auf mich und du wirst bestimmt auch schon zurück erwartet." Da war er wieder, der unnahbare und kalte Stimmfall. Nichts mehr von dem kleinen Jungen, nur noch der kühle Dimion, den jeder kannte. Ein wenig traurig sah ich ihm nach, als er auf den Ausgang des Parks zuging. Als er sich noch einmal umdrehte meinte er etwas unfreundlich: "Was ist?! Komm endlich" Mit einem Seufzen lies ich meinen Anhänger glühen und meine Flügel in ihre abertausende Federn zerspringen. Eine der vielen glitzernden Federn landete auf seiner Schulter. Augenblicklich zersprang sie in Milliarden kleiner Funken und rieselte schließlich auf den Kiesweg hinab. Mit ein paar schnellen Schritten hatte ich ihn eingeholt und lief etwas hinter ihm durch den Park zum Ausgang und dann nach Hause. Den ganzen Weg über musste ich aber an meine Vorahnung denken. Es konnte ja nicht sein, dass ich seine Anwesenheit nicht gespürt habe. Irgendetwas war nicht ganz normal an ihm. Doch ich wusste beim besten Willen nicht, was er war. Es schien etwas dämonisches, etwas engelhaftes und doch noch ein großer Teil menschliches an ihm zu sein. Ich war vollkommen verwirrt. 'Und was wenn er der ...' Es war bereits ziemlich spät als Dimion die Haustüre aufschloss. Den ganzen Weg über hatten wir kein Wort miteinander gesprochen. Es hatte eine unangenehme und irgendwie auch peinliche Stille geherrscht und ich war froh, als ich in Niras Gesicht sehen konnte. Ihr hingen einige ihrer hellbraunen Haare im Gesicht und sie sah etwas besorgt aus. Sie war ohnehin schon die ganze Zeit über irgendwie besorgt um mich. Ich konnte das auch irgendwie gut verstehen. Engel sind ein bisschen empfindsamer als Dämonen. Sie würden nie mit Gewalt reagieren um sich aus einer unangenehmen Situation zu befreien. Das macht sie zwar nicht schwach, aber angreifbarer für andere. Doch Nira bemutterte mich nie, sie verheilt sich eben wie ein Schwester, was sie auf verrückte Art und Weise ja auch war. Neo lehnte etwas abseits mit gesenktem Blick an der Wand. Er war immer irgendwie ein Einzelgänger und mochte Gesellschaft nicht. Das merkte man vor allem, da er jeden Tag so viel Zeit wie möglich auf dem Dach verbrachte, wo er stillschweigend über irgendetwas nachdacht. "Wo wart ihr den so lange." Mit typisch mürrischer Stimme und einem Blick der mir jedes Mal das Blut in den Adern gefrieren lies sah er prüfend zuerst zu mir und dann zu Dimion. "Wir waren nirgends." Dimion konnte genauso stur und kalt sein wie Neo. "Ich habe Rai im Park gesehen und dann sind wir nach Hause." Ich konnte erst nicht fassen, was er da sagte. Warum log er denn?! Ich wurde noch viel konfuser als ich ohnehin schon war. Ich war einfach nicht in der Lage zu begreifen, wie schnell Dimion seine Meinung und auch seine Persönlichkeit wechseln konnte. Es war fast so, als ob in ihm ein heimlicher Krieg um seine wahren Gefühle herrschte. Oder vielleicht hatte er auch einfach nur Angst sie zu zeigen um nicht schwach oder verletzbar zu wirken. Ich verstand es nicht, wollte ihm jetzt aber auch keine Fragen mehr stellen. Schließlich hatte ich ihn schon genug bedrängt. Ich nahm mir vor, mit Nira darüber zu sprechen. W ir hatten alle gegessen. Nira und ich räumten noch die Wohnung auf. Wir waren alleine im Haus, da Neo wieder einen seiner abendlichen Ausflüge in das Tal machte um alles vorzubereiten und Dimion hatte einen Anruf von seinem Kollegen bekommen, das dieser schon am späten Abend kommen würde. Darum war auch er aus dem Haus gegangen um ihn abzuholen. Nira erzählte mir von ihrem bisherigen Leben während wir in der Küche das Geschirr abspülten und in die Schränke zurückstellten. Obwohl es mich sehr interessierte was sie sagte, konnte ich doch nur mit einem Ohr zuhören, weil mich die Sache mit Dimion immer noch beschäftigte. Also wir Heim kamen, hatte er sich gleich in sein kleines Arbeitszimmer im Keller verzogen. Wir wussten nicht, was er da unten so machte, aber es störte auch keinen von uns das er für sich sein wollte. Und nach dem essen war er eben gleich gegangen. Also wir dann das zweite Gästezimmer herrichteten, damit Timothy (Dimions Kollege) gleich einziehen konnte. Mir war der Gedanke nicht ganz geheuer, dass gleich neben uns ein Mensch schlafen würde, der nach Dimions Beschreibung ein skrupelloser Reporter war. Ich konnte mir darunter nicht so wirklich etwas vorstellen, aber trotzdem machte es mir Angst. Aber wenn wir uns alle an Dimions Mahnungen halten würden, würde schon nichts schlimmes passieren. Nicht lange und wir hatten alles erledigt, worum Dimion uns gebeten hatte. Dann setzten wir uns auf die Terrasse vor dem Wohnzimmer und schauten der untergehenden Sonne, von der nur noch ein schmaler Halbkreis am Horizont zu sehen war, an. Der Himmel war in ein warmes Rot getaucht und es zwitscherten nur noch vereinzelt ein paar Vögel. Jede von uns hatte eine dampfende Tasse in der Hand, wobei Nira Tee und ich wie immer Milch trank. Es war entspannend und schön zu sehen, wie direkt über uns der Mond aufging. Nira schien es sehr zu genießen, das die Mondstrahlen sie trafen. Es war schon fast ein Halbmond, ein Zeichen das die Zeit bald reif war. Ich seufzte tief und nahm noch einen Schluck aus meiner dampfenden Tasse. Ich wusste nicht genau, ob ich Nira nun von der Sache erzählen sollte oder nicht. Irgendwie klang es doch verrückt, was in meinem Kopf vorging. 'Es ist doch absurd! Warum sollte Dimion nicht ein gewöhnlicher Mensch sein?! Vielleicht hab ich mich auch einfach nur getäuscht und ich habe seine Aura einfach so nicht gesprüht. Doch da ist noch etwas anderes, in seinen Augen! Ach Quatsch, ich hab ja vorher noch nie einen Menschen gesehen, vielleicht ist das ja normal bei ihnen ...' Ich quälte mich lange mit meinen Gedanken und den Zweifeln; bis Nira mich ansprach. "Was kuckt du denn so kritisch?! Das habe ich ja noch nie bei dir gesehen. Sonst strahlst du immer über das ganze Gesicht!" Sie lächelte. Sie hatte ein so warmes Lächeln. Man konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen das sie ein Dämon war, wenn sie das tat. Sie hatte mich schon die ganze Zeit von der Seite beobachtet. "Du bist schon den ganzen Tag über so schweigsam und in deinen Gedanken versunken. Mir kannst du nichts vormachen, schließlich bin ich ja dein Zwilling! Sag schon, was ist es?" Ein bisschen wehmütig sah ich sie an, musste dann aber doch unwillig grinsen. Sie hatte recht, es bedrückte mich doch etwas. Vorsichtig fing ich an es ihr zu erklären, während ich in den schon fast dunkel lilanen Nachthimmel sah. Doch die Sache, das ich Dimion mehr oder weniger ungewollte näher gekommen bin, lies ich aus. Es war ja schließlich keine Lüge von mir. So berichtete ich ihr nur, das ich mir nicht sicher war, was Dimion eben war. Als ich geendet hatte nickte sie. Sie sagte nichts, schloss nur ihre Augen und schien nachzudenken. Langsam wurde ich ungeduldig. Ich wollte unbedingt ihre Meinung dazu hören. Ich drängte. "Na, sag schon!! Was hälst du davon?!" Ihre Schweigsamkeit brachte mich in manchen Situationen fast um den Verstand. Doch endlich sah sie mich an und meinte: "Du denkt also, das Dimion kein richtiger Mensch, kein Dämon und schon gar nicht ein Engel ist. Klingt plausibel. Ich habe das auch schon irgendwie gespürt, aber bis jetzt noch nicht viel darüber nachgedacht. Aber wenn er nichts von beidem ist, was ist er denn dann?! Weil zu irgendeiner Spezies muss er ja schließlich gehören, denn es kann nichts geben, was alles in sich vereint." Da hatte sie recht. Es war Kräfte mäßig nicht möglich, alles in sich zu tragen. Da waren zu viele Widersprüche in der Kraft, im Denken und auch in den Charakterzügen. Doch was dann?! "Ich weiß es nicht. Vielleicht konnte sich seine Seele nicht entscheiden?!" Nira sah mich plötzlich entgeistert an. Irgendetwas musste ich gesagt haben, was sie auf eine Idee gebracht hatte, denn sie hatte sich kerzengerade hingesetzt. "Na, warum denn nicht?! Im Prinzip ist er Nichts. Doch er trägt in sich alle drei "Wurzeln", so das er werden könnte, was er will. Gegebenenfalls er erkannt das und entscheidet sich." Doch dann winkte Nira ab. "Ach, das kann nicht sein. So ein Wesen gibt es nur alle tausend Jahre. Die Chance ist zu gering, das ausgerechnet er das ist. Trotzdem, wenn es dich beruhigt, werde ich nachher gleich mal Neo fragen, in Ordnung?!" Und da war sie auch schon wieder, die liebenswerte Nira. Ich lächelte sie dankbar an. Dann nahm ich meine Tasse, trank sie leer, stand auf und ging in die Küche um sie aufzuräumen. Doch bevor ich an Nira vorbei war, beugte ich mich noch einmal zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss auf ihre schneeweiße Wange. Etwas irritiert saß sie dann da und schaute mir hinterher, während ich hüfend ins Haus ging und die Tasse in die Spüle stellte. Ich war froh das ich ihr von meinen Zweifeln erzählt hatte und das sie mich verstand. Jetzt ging es mir viel besser und ich musste mich nicht mehr mit diesen Gedanken alleine herumschlagen. Es war ziemlich spät und der Himmel war schon kohlrabenschwarz, als Dimion endlich nach Hause kam. Ich hatte die ganze Zeit kein Auge zugetan, obwohl ich hundemüde war. Ich wusste nicht warum, aber ich sorgte mich irgendwie um ihn. Ich war aber auch neugierig und gespannt, was dieser Timothy für ein Mensch sein musste. Und als ich dann die Haustüre etwas unsanft in ihr Schloss fallen hörte, konnte ich nicht mehr still liegen bleiben. Da Nira ausnahmsweise früher in ihr Bett gegangen war und nach ihrem gleichmäßigem Atem schon schlief, war ich so leise es nur ging. Vorsichtig schlug ich meine Bettdecke nach hinten und stieg aus meinem Bett. Behutsam und ohne jegliches Geräusch von mir zu geben machte ich mich auf zur Tür um sie genau so lautlos zu öffnen. Augenblicklich war das Zimmer von einem schwachen orangen Lichtstrahl erhellt, der quer durch das Zimmer fiel. Schnell und ein wenig geblendet von dem Licht schloss ich die Tür wieder. Sie mussten anscheinend schon auf dem Weg die Treppe hinauf in das zweite Gästezimmer sein. Ich wollte aber um keinen Fall entdeckt werden, denn schließlich sollte Dimion ja nicht das Gefühl haben das ich ihm nachspionierte. Also entschloss ich mich zu einem doch etwas riskanten Vorhaben. Ich legte mich wieder auf mein bett beschwor so leise es mir nun mal möglich war die Magie meines Anhängers. Indem ich meine Hände um ihn legte dämmte ich sein Leuchten so gut es ging ein. Fast ohne einen Laut flüsterte ich eine Formel, die mir die Möglichkeit gab, meinen unsichtbaren Geist von meinem Körper zu lösen und damit durch Wände und Türen zu gehen. Es war deshalb riskant, weil ich darin noch nicht so geübt war und der Zauber schief gehen könnte, wenn ich wieder in meine Hülle zurückkehren wollte. Doch ich wollte wissen wie es Dimion ging und wer da nun bei uns war, also nahm ich dieses Risiko in Kauf. Es war ein seltsames Gefühl als sich mein Geist von meinem Körper trennte. Ich selbst konnte mich nur noch als milchige Gestalt sehen, wenn ich an mir herunter blickte. Es war regelrecht gespenstisch als ich auf das Bett blickte und meinen eigenen Körper da liegen sah, der selig schlief. Auch der Blick in den Spiegel an der Wand war erschreckend, da mein Blick nicht von meinem Spiegelbild erwidert wurde. Zaghaft streckte ich meine Hand nach der glatten Holztüre aus und als sie mühelos hindurchglitt, faste ich mir ein Herz und ging mit einem großen Schritt ganz durch. Als ich mich dann umsah, stand ich tatsächlich auf dem Flur. Da ich in keinen Körper besaß, konnte ich auch keine Geräusche beim Laufen machen. So konnte ich selenruhig in Richtung Treppe gehen, ohne Angst zu haben das Dimion oder sein Kollege mich hörten. Und ich brauchte auch gar nicht weit zu gehen, da kamen sie schon die Stufen hinaufgestiegen. Dimion machte das Licht an und führte Timothy hinter sich her zu dem Gästezimmer. Ich sah mir diesen Timothy ganz genau an. Er war fast so groß wie Dimion und trug einen dunklen Anzug mit einen passenden Hut, der schief auf seinem Kopf saß. Seine grünen Augen sahen verschmitzt aus und er hatte viele Lachfalten um Augen und Mund. (Doch ich sollte schon bald merken, das er lang nicht so nett und freundlich war, wie er mir im ersten Augenblick vorkam.) Ich ging zur Seite als sie näher auf mich zu kamen, da ich nicht wusste was passieren würde wenn sie einfach durch mich hindurch laufen würden. Es war ein seltsam Gefühl als Dimion einfach ohne mich zu beachten an mir vorbei ging. Er hätte mich ja so oder so nicht gesehen, aber es war trotzdem etwas merkwürdiges. Er und Timothy redeten miteinander über ihre Arbeit und alles mögliche, als sie das Gästezimmer betraten. Ich ging ihnen einfach hinterher und auch die Tür, die sie hinter sich schlossen, war kein Hindernis für mich. Interessiert stand ich in dem kleinen Raum und hörte den beiden aufmerksam zu. Doch als Timothy fragte, wer denn da noch in Dimions Haus wohnen würde, durchfuhr mich ein Schauer. Dimion winkte ab. "Ach, das sind Bekannte von mir. Sie seit einiger Zeit bei mir. Du wirst sie Morgen kennen lernen." Er setzte sich auf einen Stuhl, der an dem klienen Tisch an der Glaswand zum Balkon hinaus stand. Timothy zog seinen Anzug aus und hängte ihn samt Hut an einen hacken an der Tür. Während er sich auf das bett setzte fragte er noch: "Und wie lange werden sie hier noch bleiben?!" Dimion sah auf. "In mehr als einer Woche sind sie alle wieder weg." Er sah ein bisschen wehmütig aus, als er das sagte. Dann richtete er sich auf und ging zur Tür. Ich folgte ihm. "Geh jetzt besser schlafen. Du hattest bestimmt einen langen Tag und eine anstrengende Reise hinter dir. Wir sehen uns Morgen beim Frühstück." Dann wünschten sich beide noch eine gute Nacht. Dimion verlies das Zimmer mit mir im Schlepptau, ohne es auch nur zu ahnen. Kapitel 6: Gefangen ------------------- D och anstatt in mein Zimmer zurück zukehren und wieder mit meinem Körper zu verschmelzen, trieb mich irgendetwas Dimion doch noch zu folgen. Also heftete ich mich an seine Fersen und ging ihm einfach hinterher. Es war irgendwie komisch, das man einen anderen einfach zu beobachten konnte, ohne das derjenige etwas davon merkte. So lief ich ihm einfach in sein Zimmer, das genau neben dem von Nira und mir lag, hinterher. Er machte leise die Tür auf, ging hinein und schaltete das Licht an. Zum ersten Mal konnte ich mich in seinem Zimmer umsehen. Es war genau so groß wie das, in dem Nira und ich schliefen, doch es wirkte größer, da nur ein Bett darin stand. An dessen Stelle war ein großer Schreibtisch mit einem Drehstuhl getreten. Auf dem breiten Tisch lagen lauter Notizzettel, Blätter, Bücher, Photographien und Stifte wild durcheinander. Als ich hinüber ging konnte ich erkennen, was auf den Bildern drauf war. Einige davon stellten Menschen dar, die in mitten von anderen standen, irgendwie aber hervorgehoben wirkten. Einige von ihnen schienen mir zuzuwinken, andere schienen beschäftigt zu sein. Auch hingen Bilder an der Wand an die der Schriebtisch gelehnt stand. Es schienen Photos zu sein, die Dimion wichtig oder die besonders schön gelungen waren. Ich war ganz erstaunt, als ich da auch Bilder von mir entdeckte. Es mussten die Bilder sein, die er von mir im Park gemacht hatte. Da waren aber auch welche darunter in denen ich mit meinen Flügeln im Garten um das Haus stehe und mit den Vögeln singe. Ich konnte es einfach nicht fassen! Dimion hatte sich Bilder von mir aufgehängt, die er mehr oder weniger heimlich von mir geschossen hatte. Ich war baff. Als ich mich dann immer noch verwundert umdrehte, bekam ich einen riesen Schreck. Dimion stand genau hinter mir da und schauten auf die Bilder. Es lag etwas wehmütiges und auch sehnsüchtiges in seinem Gesicht. Dann wandte er sich mit einem Seufzen um, löschte das Licht und legte sich in sein Bett. Ich war verwirrt. Dieser Mensch brachte mich so sehr ins Straucheln, das ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Dimion wiedersprach sich selbst in so vielen Situationen. Mal war er hart und zeigte keine Gefühle und im anderen Moment ist sein Gesicht und sein Blick voller Wärme und er ist wie ausgewechselt. Langsam begann ich mich zu fragen, ob das wohl bei allen Menschen so wäre. Und je mehr ich darüber nachdachte, um so irreleitender fand ich es. Ich beschloss, nachdem auch schon wieder einige Zeit verstrichen war und Dimion bestimmt schon schlief, endlich wieder in meinen Körper zurückzukehren und zu versuchen zu schlafen. Ich wollte den kürzesten Weg nehmen, den durch die Trennwand der beiden Zimmer. Dabei musste ich unwillkürlich an Dimion vorbei. Er sah so friedlich aus, als er a lag und schlief. Ich konnte einfach nicht anders, auch nur mein Geist keine Berührungen spüren konnte, lies ich mich dazu hinreisen, ihm einen Kuss zu geben. Flüchtig und doch unter der Befürchtung, das er es doch mitbekommen könnte, berührten meine Lippen seine Wange. Und ich erschrak nicht schlecht, als er plötzlich die Augen aufschlug. Ich hatte das ungute Gefühl, das er mich direkt ansah. Es war nicht wie vorhin der Blick gewesen, der durch mich hindurch ging, nein, diesmal sah er wirklich mich an. Erschrocken über diese Tatsache wich ich einen Schritt zurück. Doch als er dann wieder seelenruhig seine Augen schloss und sich herumdrehte, war ich beruhigt. Es musste wohl doch nur ein Zufall gewesen sein. Mit einem leichten Sprung, glitt ich wie nichts durch die Wand und landete auf der anderen Seite direkt vor meinem Bett. Mit der magischen Formel auf den Lippen legte ich mich auf meinen Körper und verschmolz wieder mit ihm zu einer Einheit. Wieder zurück, da wo sich mein Geist am wohlsten fühlt, deckte ich mich zu, drehte mich um und schlief nach einem tiefen Seufzen ruhig ein. Doch mein Schlaf war nicht so ruhig, wie ich es mir erhofft hatte. Ein wirrer Traum plagte mich. Dunkelrote Nebelschwaden schlossen sich bedrohlich und von allen Seiten um meinen Körper, schnitten mir in die Haut und leisen mir den Atem stocken. Das Blut gefror mir in den Andern und ich war machtlos dagegen. Ich versank immer tiefer in dem Meer aus blutrotem Wasser. Und als ich dachte schon verloren zu sein, nie wieder herauszukommen, öffnete sich vor mir ein unsichtbares Tor und eine Person trat herein. Doch diese Person war halb Licht und halb Schatten. Sie schloss mich in ihre Arme und hielt mich fest, rettete mich aus der Verzweiflung. Aber dann, ein gewaltiger Blitzschlag, trennte mich wieder von ihr, ich war wieder allein. Schweißgebadet wachte ich auf. Es war noch stockdunkel und Nira schlief neben mir noch ruhig. Kopfschüttelnd drehte ich mich auf die Seite und schlief auch sofort wieder ein. Einen traumlosen, aber nicht sehr erholsamen Schlaf ... "Rai, aufwachen! Du hast den Sonnenaufgang schon fast verpasst! Hey, wirts bald?!" Unsanft zog Nira mir die Bettdecke weg. Ich wär total gerädert von meiner nächtlichen Aktion, die mich doch mehr Kraft gekostet hatte als ich erst angenommen hatte. Verschlafen rieb ich mir die Augen, streckte mich und stieg dann schließlich aus dem Bett. Nira hatte wie immer die Vorhänge nicht aufgezogen, da sie Sonnenlicht nicht unbedingt leiden konnte. Müde tapste ich auf die Vorhänge zu und sog sie mit einem Ruck zur Seite. Sofort wurde das Zimmer mit dem warmen licht der Sonne geflutet. Fast schon wie ein ausgetrockneter Schwamm schien mein Körper die wärmenden und nährenden Strahlen aufzusaugen. Es tat unheimlich gut, als ich die frische Luft einatmete und hinaus auf den Balkon ging. Erleichtert lehnte ich mich mit geschlossenen Augen an das Geländer und lies jede meiner Zellen sich mit Licht und Wärme füllen. "Du weißt aber, das du nicht wie jeden Morgen jetzt deine Flügel ausbreiten darfst." Ich fuhr zusammen und bekam einen fürchterlichen Schreck. Ich hatte wieder einmal nicht bemerkt, das Dimion fast unmittelbar neben mir stand und mich kühl ansah. In seinen Augen war nun nichts mehr von der Sehnsucht, die ich Gestern gesehen hatte. Wieder hatte er seine Gefühle in einem Schrank in seinem Herzen eingeschlossen. Ich versuchte zu lächeln, was mir aber nicht wirklich gelingen wollte. "Nein, das weiß ich! Hast du gut geschlafen?!" Ich wollte ablenken, nicht auf diesen Timothy zu sprechen kommen, aus Angst mich zu verplappern. "Es ging so ..." Ich konnte merken, das er mir versuchte auszuweichen. Doch dann erzählte er mir etwas, das ich eigentlich schon gemerkt hatte. "Ich habe gestern Abend gedacht, das du in meinem Zimmer wärst. Sag, stimmt das denn?! Kannst du so etwas?!" Forschend sah er mich an. Ich schluckte schwer. 'Oh nein, jetzt hat er mich doch gesehen! Wie soll ich ihm das sagen, ich kann doch nicht lügen ...' "Ähm .... können tu ich das schon. Aber es ist sehr anstrengend und ich bin ungeübt!" ich versuchte seinem Blick auszuweichen. Wollte ich schließlich nicht seine ganze Frage beantworten. Und bis dahin hatte ich auch noch nicht gelogen. Gerade als er noch einmal ansetzten wollte um zu sprechen, wurde er von einer männlichen Stimme unterbrochen, die sich von hinten näherte. Es war Timothy, der anscheinend gerade erst aufgestanden sein musste. Verschlafen fuhr er sich durch die etwas längeren blonden Haare und kam auf Dimion und mich zu. "Guten Morgen Dimion! Na, wie geht's?!" Freundschaftlich klopfte er ihm auf die Schulter. Dann drehte er sich zu mir und sah mich etwas verwundert an. "Und wer ist diese Schönheit hier?! Doch wohl nicht etwas deine Freundin, oder?!" Er lachte. Langsam begann ich rot anzulaufen. Mein Blick irrte von Dimion, dem die ganze Situation irgendwie nichts auszumachen schien, wieder zu Timothy, der mich ungeniert musterte. "Nein, sie ist nicht meine Freundin. Sie ist eine meiner drei Bekannten, die bei mir vorübergehend wohnen. Das habe ich dir aber schon Gestern erzählt." Dimion zeigte wie immer nichts von dem, was in ihm vorging. "Ihr Name ist Rai." "Und wenn ich mich vorstellen darf. Ich heiße Timothy! Angenehm deine Bekanntschaft zu machen, schöne Frau." Mit diesen Worten nahm Timothy meine Hand und küsste sie galant. Doch diese Geste lies Dimion jetzt nicht kalt. Mit einem mehr oder weniger wütenden Blick sagte er: "Na, musst du wieder den Gentleman spielen, was?!" Ihm schien es nicht zu passen, das Timothy auf diese Art mit mir umging. Doch bevor dieser etwas erwidern konnte, rief Nira nach mir. Schnell entzog ich ihm meine Hand und verabschiedete mich mit den Worten: "War nett sie kennen zu lernen, doch ich muss nun leider gehen. Nach mir wird gerufen!" Schnell ging ich durch die Schiebetür unseres Zimmers in das Haus zurück und von dort aus hinunter in die Küche, wo Nira mich schon erwartete. U ngewöhnlicher Weise leistete und Neo Gesellschaft, als Nira und ich das Frühstück zubereiteten. Er war der Meinung das er uns, solange Timothy hier wohnen würde, nicht alleine lassen. Man würde ja nie wissen, was dieser Reporter für ein Mensch ist und ob er uns nicht doch gefährlich werden könnte. Mir war der Gedanke nicht gerade geheuer, das er die ganze Zeit um mich sein würde, da ich schon bei seinem bloßen Anblick eine Gänsehaut bekam. Im Gegensatz zu Nira, die das sogar ein bisschen zu freuen schien. Sie war schließlich eine waschechte Dämonin, eine direkte Nachfahrin Satans. Sie hatte ihr ganzes bisheriges Leben mit solchen Typen verbracht. Wenige Minuten später saßen wir alle im Wohnzimmer uns aßen. Dabei behielt Neo Timothy immer im Auge, als ob dieser jeden Moment aufspringen und einen von uns niedermetzeln könnte. Neo war eben misstrauisch und nahm seine Aufgabe, uns zu beschützen, sehr ernst. Timothy war schon ein komischer Kerl. Genau wie mir hatte er auch Nira einen Handkuss gegeben. Schon allein diese Annäherung hatte Neo schon als Bedrohung gesehen und wäre am Liebsten auf Timothy losgegangen, hätte Dimion ihn nicht an der Schulter zurückgehalten. Wenige Minuten später gingen Dimion und Timothy zur Arbeit. Timothy wollte mit Dimion eine Story schreiben. Nira und ich waren wieder damit beschäftigt, das Haus und die Küche sauber zu halten. Neo allerdings saß im Schatten auf der Terrasse und starrte gedankenversunken auf die Bäume im Garten vor ihm. Der restliche Tag zog sich schleppend hin. Es schien eine Minute länger zu dauern als die vorige. Neo hatte mir verboten, in den Park zu gehen. Das konnte ich zwar nicht so ganz verstehen, doch ich widersprach ihm nicht. Er sah eh schon so gereizt aus. Stattdessen saß ich im Garten auf einem Kirschbaum. Lies mich von der Sonne beschienen und hörte mit geschlossenen Augen dem Lied der Vögel zu. Abends, die Sonne hatte schon den Horizont berührt, kamen Dimion und Timothy endlich wieder. Ich hatte schon gefürchtete, das ihnen irgendetwas zugestoßen wäre, da Dimion sonst immer noch vor Sonnenuntergang nach Hause kam. Doch sie meinten, das sie bei der Arbeit die Zeit vergessen hatten. Nach dem Essen saß Dimion im Garten und sah hinauf in den Sternenhimmel. Timothy hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen, Nira und Neo saßen auf der Terrasse und ließen sich das Mondlicht schweigend auf die Körper scheinen und ich gesellte mich zu Dimion. Er saß im Gras nah an dem Teich. Ich schwang mich dagegen elegant auf einen Ast des naheliegenden Baumes. Neben meinem Kopf saßen Vögel und schließen seelenruhig, den Kopf in ihr buntes Gefieder gesteckt. Leise strich der Wind durch die Äste und Blätter des Baumes und entriss ihm einige lose Blüten, die dann wie Schneeflocken auf den Rassen schwebten. Eine dieser Blühten landete auf Dimions Schulter. "Eine schöne Nacht, nicht war?!" Ohne zu mir aufzuschauen sprach Dimion ganz leise, so als ob niemand außer mir seine Stimme hören sollte. "Hmmm ... du hast recht." Ich klang ziemlich abwesend, weil ich mit meinen Gedanken ganz wo anders war. Ich fragte mich, wie es Mai wohl gehen musste. Ob sie sich um mich sorgte oder gar in diesem Augenblick auf mich herab sah. Plötzlich bekam ich furchtbares Heimweh. Ich wollte eigentlich gar nicht zurück, aber mir fehlte die Atmosphäre dort oben. Es lag immer eine gewisse Magie in der Luft, die sich wie ein unsichtbarer Teppich durch das ganze Paradies zog. Man war immer irgendwie davon umgeben und hatte das Gefühl, ein Teil eines großen Ganzen zu sein. Doch auf der Erde hatte ich dieses kollektive Einheitsgefühl nicht. Hier war ich ganz allein mit mir selbst, konnte die anderen nur wegen ihrer Aura spüren. Ich seufzte hörbar als ich meinen Blick wieder von dem Sternenhimmel nahm und mich an den glatten Stamm des Baumes lehnte. "Du sehnst dich nach Hause, in deine Welt, nicht wahr Rai?!" Nira war neben mich gekommen, ohne das ich es gemerkt hatte. Ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter. Wir flüsterten. "Hier ist es so viel anders als im Himmelreich. Ich vermisse die anderen. Und du, willst du auch wieder in die Unterwelt?!" Ich sah Nira aus dem Augenwinkel an. Sie strich sich eine ihrer langen Strähnen aus dem Gesicht. "Jeder von uns, salbst Neo, will wieder in seine Heimat zurück. Wir wurden schließlich geboren dort und gehören da auch hin. Doch ich habe kein richtiges Heimweh, da ich weiß das ich hier bin um unsere "Heimat" noch zu vergrößern und sie mit deiner zusammen zuführen. Diese Aufgabe nehme ich sehr ernst und ich bin froh, das ich diese Verantwortung übertragen bekommen habe. Sei nicht mehr traurig, denn bald ist der Tag gekommen, an dem wir wieder zurück dürfen!" Sie legte die Arme von hinten um mich. Ich konnte ihren warmen Atem in meinem Nacken spüren und mir wurde ganz warm ums Herz. In ihr hatte ich einen Teil meiner Familie gefunden. Es klang verrückt, doch bald würde es tatsächliche Realität werden. Ich schloss meine Augen. Einige Zeit saßen wir so da und schauten beide in den Sternenhimmel, der mit Milliarden funkelnder Sterne besetzt war, wie glitzernde Tautropfen auf einer Wiese. Zum ersten Mal sah ich mir den Nachthimmel richtig an. Die Ruhe wurde durch Neo unterbrochen, der uns dazu anhieß reinzukommen, da es schon ziemlich kalt wurde. Fast wiederwillig befreite ich mich aus Niras Umarmung und sprang von dem Baum in das weiche Gras. Ohne das ich es bemerkt hatte, war Dimion schon gegangen. Er hatte ich an diesem Abend seltsam benommen, noch viel schweigsamer als sonst. Aber vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet und er machte sich einfach nur Gedanken um etwas. Wohlig warm schmiegte sich das Wasser an meinen Körper, als ich in die randvolle Badewanne stieg. Das Wasser schwappte über den Rand, als ich mich setzte. Er war ein herrliches Gefühl als sich jede einzelne meiner Zellen mit dieser Wärme füllte. Hörbar atmete ich ein und tauchte schließlich ganz in das warme Element ein. Ich spürte wie sich meine Haare nach und nach von dem Wasser umhüllt wurden. Nira hatte mir geraten mich mal richtig zu entspannen, also schickte sie mich kurzer Hand in das kleine Badehaus, das separat an der Ostwand des Hauses satnd und nur von Außen betreten werden konnte. Und da man die Türe dazu abschließen konnte, sprach auch nichts dagegen, das ich meine Schwingen trug. Allerdings stelle sich das als ein wenig umständlich heraus, da die Wanne doch nicht so groß war. Doch ich wollte nicht darauf verzichten, den schließlich musste ich es noch mindestens einen ganzen Tag unterdrücken. Schließlich funktionierte es auch. Nass klebten die einzelnen Federn an meiner Haut, schlossen sich um mich wie ein weißer Mantel. Sie waren weich und glitzerten feucht in dem durch den Dampf milchigen Licht. Ich weiß nicht wie lange ich da schon lang als mich ein Fluchen aus den Gedanken riss. Es hörte sich nach Dimion an. Ich war sofort wieder hellwach und lauschte in die vermeintliche Stille hinein. Doch es kam nicht wieder. Jetzt hatte ich keine Ruhe mehr. Langsam stieg ich aus dem Wasser, das inzwischen schon fast kalt geworden war. Nun klebten meine Federn und auch Meine Haare wie ein schwerer Teppich auf meiner Haut. Vorsichtig lief ich auf den glatten, kühlen Fliesen, um nicht auszurutschen und trocknete mich mit einem flauschigen Handtuch ab. Meine Flügel lies ich nass, denn wenn ich sie verschwinden lies, würden sie ja ohnehin in ihre Bestandteile zerspringen. Meine langen Haare wickelte ich in ein anderes Handtuch an, nachdem ich mir wieder mein Leinenkleid angezogen hatte. Danach lies ich das Wasser aus der Wanne, öffnete eines der kleinen Fenster, damit der Dampf abziehen konnte und ging hinaus in die kühle Frühlingsnacht. Es fröstelte mich, als ich hinaustrat und von einem eisigen Windhauch empfangen würde. Ich beeilte mich wieder ins Haus zu kommen um endlich zu erfahren, warum Dimion so geflucht hatte. Als ich die Schiebetür von der Terrasse aus in das Wohnzimmer aufschob und hinein trat, kam mir Nira entgegen. Sie sah aufgelöst aus und ihre Haare flogen wirr in der Luft herum, als sie vor mir stehen blieb. Sie sah irgendwie verwirrt und auch ängstlich aus. So aufgelöst hatte ich sie noch nie gesehen. "Rai! Gut das du da bist!! Es ist ein furchtbares Missgeschick passiert!! Wir müssen dich so schnell wie möglich von hier wegbringen, sonst ..." "Von was redest du überhaupt?!" Ich musste sie einfach unterbrechen, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum man mich wegbringen müsse. Ich verstand die Welt nicht mehr. Nira packte mich unsanft am Handgelenk und zog mich hinter sich her. Dabei redete sie ununterbrochen und ich konnte nur Bruchstücke davon verstehen, was sie von sich gab. "Schnell komm .... wir müssen dich .... weil Timothy .... Dimions Bilder ..... verschwunden ...." Ich verstand nichts. Doch als wir dann an der Hautüre vorbei gingen und ich die Menschenmassen vor dem Haus entdeckte, dämmerte es mir allmählich. Dieser Timothy musste in Dimions Zimmer gegangen sein und die Bilder von mir als "richtigen" Engel gesehen und abgerissen habe, damit ist er anscheinend zu allen Zeitungen und Wissenschaftlern gerannt, um ihnen seine Story zu verkaufen. Erst konnte ich nicht erkennen, was so schlimm daran war, wenn es auch noch andere wussten, was ich wirklich war. Doch weil selbst Neo unruhig war, wusste ich um die Gefahr. Er war noch nie in den letzten Tage so aufgelöst gewesen. Nira hatte einmal gescherzt, das neben ihm ein Vulkan ausbrechen könnte und es würde ihn nicht sonderlich beunruhigen. Doch was sollten wir jetzt tun?! Überall um das Haus standen Menschen, die es uns unmöglich machten, ungesehen rauszukommen um abzuhauen. "Wir könnten sie alle umbringen." Neo schien nicht zu scherzen. Ich sah ihn mit aufgerissenen Augen an. "Das hast du doch hoffentlich nicht ernst gemeint?! Sie haben uns doch gar nichts getan!!!" Ich war fassungslos das er auch nur an so etwas denken konnte. "Aber sie werden uns sicher etwas antun, wenn sie erst einmal reingekommen sind." Er sah mich durchdringend von der Seite an. Irgendwie hatte er ja auch recht, denn ich konnte auch nicht wirklich glauben, das sie mich einfach nur nett befragen würden. "Und was ist, wenn ihr einfach davon fliegt?!" Dimion hatte sich zu uns gesellt. Nun saßen wir alle im zweiten Stock auf dem Flur. Wir hatten uns diesen Platz ausgesucht, weil es hier als einziges keine Fenster gab. Nira warf Dimion einen strafenden Blick zu und gestikulierte mit den Händen, als sie ihm antwortete. "Sie würden uns sicher sehen wenn wir jetzt einfach auf's Dach klettern!" "Außerdem würden sie dann auch hinter Nira und Neo her sein, anstatt nur hinter mir. Das will ich nicht riskieren." Gedanken versunken lehnte ich an der Wand und versuchte verzweifelt eine Lösung zu finden. Denn keiner von uns wusste, wie lang es noch dauern würde, bis uns die Journalisten die Tür eintreten würden, um mich zu erwischen. Doch mir fiel nichts ein. Ich sah auf, Auch die andren schienen sich das Hirn zu zermartern um an eine Lösung zu kommen. Mein Blick blieb an Dimion hängen, der an die Wand gelehnt auf dem Boden saß und sehr unglücklich wirkte. Ich konnte fast schon sehen, das er sich die Schuld an dem ganzen Desaster gab, Schließlich hatte er ja die Bilder gemacht und auch noch aufgehängt. Doch wer konnte schon wissen, das Timothy in seinem Zimmer herumstöbern würde, wenn er nicht da ist?! "Ich flieh einfach allein. Dann bringe ich keinen von euch in Gefahr." Alle sahen erstaunt auf. Nira sah mich ungläubig an. "Das kannst du nicht machen!! Es ist viel zu gefährlich!!" Nira war den Tränen nahe, so verzweifelt war sie. "Fällt dir denn eine besser Lösung ein?!" Ich lächelte sie etwas gequält an. Es gab einfach keinen anderen Ausweg. "Wir könnten schlecht hier einfach sitzen bleiben und warten, bis sie das erste Fenster eingeschlagen haben. Ich möchte nicht, das ihr dann auch noch in ihren Händen landet." Ich stieß mich von der Wand ab. "Ich werde in das Tal fliegen, das Neo für uns gesucht hat. Dort werde ich auf euch warten." Ich ging den Flur entlang. Es herrschte eine berstende Stille. Alle wollten sie mir wiedersprechen, mich zurückhalten. Doch sie wussten genau, das dies momentan der einzige Ausweg war. Erst als ich schon fast auf dem Balkon, erschien Nira hinter mir. Sie nahm mich in den Arm und flüsterte mir mit zitternder Stimme ins Ohr, das ich auch ja auf mich aufpassen sollte und das sie so schnell wie möglich nachkommen würde. Ich konnte spüren, wie sie gegen die Verzweiflung und ihre Hilflosigkeit ankämpfte. Und als ich schon auf dem Geländer stand und kurz davor war meine Flügel zu entfalten, kamen auch noch Neo und Dimion. Neo war anzusehen, das er nicht einverstanden damit war, was ich da tat. Doch er musste es hinnehmen. Am unglücklichsten und gequältesten sah aber immer noch Dimion aus. Er kam an die Brüstung des Balkons und sah zu mir hoch. "Es tut mir so leid. Es war alles meine Schuld. Hätte ich nicht ...." "Schhhhh ... gräme dich nicht, du kannst es auch nicht mehr rückgängig machen." Ich lächelte ihn von oben her an. "Es wird schon alles gut gehen ..." Dann leuchtete der magische Stein an meiner Brust und aus meinem Rücken schossen schneeweiße Schwingen. Ein paar von ihren Federn fielen herunter und wurden von dem auffrischenden kühlen Wind davon getragen. Unter mir im Garten hatten sich die Reporter, Kameramänner, Wissenschaftler und wer sonst noch davon Wind bekommen hatte, schon versammelt. Ungläubig starrten sie nach oben, mit gereckten Hälsen und blitzenden Kameras. In meinem Bauch kribbelte es wie verrückt und meine Hände waren eiskalt. Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken, als der nächste Windstoß an mir riss. Ich blickte noch einmal zurück, wandte meinen Kopf aber dann auf den Mond und sprang ... O hne es damals geahnt zu haben war das der größte Fehler, den ich begangen hatte. Aber da man die Vergangenheit nicht ändern kann, muss ich wohl einsehen, das ich mein Schicksal annehmen muss. Immer noch klirrten Schlüssel und knarrten Türen. Es war wie ein Ritual, das die Menschen jeden Morgen und jeden Abend vollzogen. Sie mussten immer alles einschließen um auch sicher zu sein, das sie die Kontrolle darüber besaßen. Alles ketteten sie an, mit schweren Manschetten und stabilen Schlössern. Sie vertrauen niemandem, nur mit Schlösser, Schlüsseln, Türen und Ketten fühlen sie sich sicher. Und mich haben sie auch noch dann angekettet, als sie mich schon tragen mussten, da ich keine Kraft mehr hatte um mich alleine auf den Beinen zu halten. Wenn ich gekonnt hätte, wenn sie mir zugehört hätten, hätte ich ihnen alle ihre Fragen beantwortet und ihnen erklärt, das sie mich nicht gewaltsam festhalten müssen. Doch immer wenn ich einen versuch gestartet hatte, immer wenn ich sie ansprechen wollte, haben sie das für eine Bedrohung gehalten. Dieses misstrauen hatte ich noch nie erlebt. 'Ich kann nicht mehr. Warum will mir keiner helfen?! Sehen sie denn nicht, das ich sterben werde? Ich bin so allein ...' Das Aufeinander Schlagen von Metall schmerzt schon in meinen Ohren. Die vielen Stimmen, die immer näher kommen, fressen mich von innen her auf. Meine ganzen Zellen krampfen sich schmerzhaft zusammen. Die ganzen Tage hatte ich um Hilfe geschrieen, aber keiner konnte mich hören. Doch niemand hört es, niemand erfüllt mir meinen Wunsch, den ich schon die ganze Zeit über hatte, den man mir schon von Weitem ansah. Und dann höre ich es wieder ... Etwas zischt durch die Luft. Es legte sich stramm um meinen linken Fuß. Es war ein Seil, das jemand aus der Menschenmenge unter mir nach mir geworfen hatte und der jetzt mir aller Kraft daran zog. Schlagartig wurde ich nach unten gerissen. Doch bevor ich vollens auf die Erde zuraste, schlug ich kräftig mit den Flügeln. Und ich konnte auch an Aufschwung gewinnen, das Seil von meinem Fuß lösen. Doch ehe ich hätte höher hinauf stiegen, schlang sich schon der nächste Fanghacken um mein Handgelenk. Ich geriet in Panik und versuchte mich abermals loszureisen. Doch ich hatte keine Chance, als noch drei weitere Seile um meine Beine und meinen Hals geschlungen wurden. Ich war gefangen, wie ein Fisch an der Angel. Hilfesuchend Schaute ich auf den Balkon. Neo hielt Nira an der Tailie, bevor diese auf das Geländer zusprang. Die schrie und wehrte sich, wollte sich aus seinem Griff lösen um mir zur Hilfe zu eilen, doch Neo lies nicht locker, redete stattdessen beruhigend auf sie ein. Doch in seinen Augen spiegelte sich der Hass und die Verzweiflung. Er wusste genau, würde er oder Nira jetzt kommen würden um mir zu helfen, dann wären auch sie gefangen. Immer noch schlug ich vergeblich mit den Flügeln, versuchte die Fesseln zu lösen. Mein Blick irrte noch einmal zu dem Balkon. Ich sah Dimion an, der mit geballten Fäusten direkt an dem Geländer stand. In seine Augen lag der blanke Hass und eine ungeheure Entschlossenheit. Ohne Vorwarnung änderte sich seine Aura schlagartig. Es war wie ein Lichtschalter, den man anknipste. Es war wie eine gewaltige Wellen, die kreisförmig von ihm ausgingen. Plötzlich wusste ich, was mit ihm geschehen war! Nun war es passiert, er hatte sich endlich entschieden ... Um Dimions Körper schienen Flammen zu lodern. Ruckartig züngelten sie an ihm, breiteten sich gierig über seinen ganzen Körper aus. Dann wölbte sich sein Hemd am Rücken, begann zu bersten. Wenn er sich aber jetzt in seine wahre gestalt verwandeln würde, wären die Menschen unter uns in höchster Gefahr. Immer noch mit den Seilen und dem Gewicht, das damit an mir zog, kämpfend schrie ich ihm entgegen: "Nein, tu es nicht!! Zeig ihnen nicht, was du bist!! Bitte, tu es nicht!!! Sie werden mir sicher nichts antun!! Beruhige dich! Wir werden uns bald wieder sehen, das verspreche ich dir ..." Verzweifelt versuchte ich, ihn zu beruhigen. Und als Neo und Nira auch begriffen, was mit ihm passierte, reagierten sie sofort. Sie zogen ihn beide mit aller Kraft von dem Geländer weg in das Haus zurück und schlossen schnell die Tür. Dann traf mich etwas von unten, direkt in den Magen. Schlagartig legte sich ein Netz um mich, zog sich zu und schnitt mir mit den scharfen Kanten seiner Seile in die Haut und in den Stoff meines Kleides. Von dem Schlag betäubt fiel ich wie ein Stein der Erde entgegen. Der Aufprall war hart, dann riss meine Erinnerung ab. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem engen hohen Raum auf einer Art Tisch. Das kalte Licht blendete mich und ich konnte nichts sehen. Es roch widerlich nach Desinfektionsmittel. Als ich versuchte, meine Hand vor meine Augen zu halten damit ich mich genauer umsehen konnte, erschrak ich: Ich war angekettet! Panik stieg in mir auf und ich versuchte verzweifelt die Fesseln und Manschetten an meinen Fuß- und Handgelenken loszuwerden. Doch alle Versuche mich aufzusetzen oder mich sonst irgendwie zu bewegen schlugen kläglich fehl. Mein Herz raste in meiner Brust und ich konnte spüren wie es hart gegen meine Rippen hämmerte. Ich war hilflos gefangen in einem Gebäude, aus dem ich nicht fliehen konnte. Widerwillig gab ich es auf, legte mich flach hin, den etwas anders blieb mir wohl kaum übrig in dieser ausweglosen Situation, in die ich geraten war. Während ich meinem eigenen rasenden Atmen zuhörte, der immer wieder von den glatten weißen Wänden zu mir zurückgeworfen wurde und ich zur Decke starrte, dachte ich an die letzten Minuten, die mir noch im Gedächtnis waren. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wer oder was mich dann wegbrachte, als ich auf den Boden gefallen war. Ich war mir nicht einmal sicher, das ich auf dem harten Boden landete. Es war so als ob man mich betäubt hätte. Plötzlich ging eine Türe auf, ich konnte hören wie jemand den Raum betrat, doch sie nicht richtig sehen. Dann kamen sie näher, traten in mein Blickfeld. Es waren drei Männer. Alle trugen sie lange weiße Kittel und große runde Brillen auf ihren Nasen. Der eine hatte eine Glatze und hielt einen Block unter seinen rechten Arm geklemmt. Die anderen beiden schienen nichts bei sich zu haben. Langsam kamen sie immer näher auf mich zu und sprachen kein Wort. Ich versuchte sie anzusprechen, sie zu fragen was sie mit mir vor hatten, doch meine Kehle war wie zugeschnürt vor Angst. Ich brachte beim besten Willen keinen einzigen Ton hervor. Mein Brustkorb hob und senkte sich immer schneller, je näher sie auf mich zukamen. Ich war in die Enge getrieben, diesen komischen Gestalten hilflos ausgeliefert. Einer nahm meinen rechten Arm. Die Berührung seiner eiskalten Hände lies mich noch mehr zittern. Der andere zog eine Spritze aus seinem langen Kittel. Mit einem fast schon perfiden Grinsen auf den Lippen rammte er sie mir schon fast in den Arm. Ich schrie auf vor Schmerzen. Dann sah ich aus dem Augenwinkel, wie er aus meinen Adern den roten Lebenssaft herauszog. Noch einmal versuchte ich mich aufzubäumen, mich mit aller Gewalt los zu reisen. Und dieses Mal glückte es mir. Ich riss mit einem berstenden Geräusch die ledernen Fessel von meinen Armen und Beinen, zog die Nadel aus meinem Fleisch und rannte zu der Türe, durch die diese seltsamen Gestalten gekommen waren. Doch die Klinke lies sich nicht herunter drücken. Hektisch blickte ich mich um. Die Männer schienen es nicht eilig zu haben, mich wieder einzufangen. Da bemerkte ich erst, das meine Flügel nicht auf meinem Rücken waren. Ich musste sie wohl ungewollt verschinden haben lassen, als ich fiel. Doch ich hatte in diesem Moment weit aus größere Sorgen, denn schon wieder kamen die Menschen auf mich zu. Der Mann mit der Glatze hatte eine weitere Spritze gezückt und seine Begleiter hatten mich eingekreist. Ihre kalten Augen und ihr falsches Lächeln auf den schmalen Lippen lies nichts Guten hoffen. Schon wollte ich wieder aufspringen, in eine andere Ecke des Raumes flüchten, doch da hatte einer von ihnen mich schon an meinen Sprunggelenken gepackt, während der andere versuchte, meine Arme zufassen zukriegen. Ich wollte mich wehren, doch ich konnte nicht. Auch wenn ich noch so sehr gewollt hätte, die Angst in meinem Inneren hatte die Oberhand gewonnen, mich vollkommen ausgefüllt und beherrschte mich. Ich konnte mich nicht rühren, keines meiner Gliedmaßen wollte mir mehr gehorchen. Und so konnte ich nur mit hämmernden Herzschlag zusehen, wie sie mich wieder auf den Tisch banden. Wieder bohrte sich eine metallene Nadel in mein Fleisch, doch dieses Mal spritzte sie etwas in mich. Ich konnte fühlen wie dieses Gift in mir kroch, immer näher zu meinem Herz um schließlich in den ganzen Organismus gepumpt zu werden. Es wurde schlagartig schwarz vor meinen Augen, ein unheimliches, gefährliches Schwarz breitete sich aus. Kapitel 7: Geständnis? ---------------------- M ittlerweile hatte sich der Menschenauflauf um Dimions Haus gelegt. Nur noch ein paar wenige hartnäckige Journalisten und Kamerateams standen noch vor dem Tor. Doch auch diese würden in den nächsten Stunden sicher abziehen. Im Inneren des Hauses herrschte Schweigen. Jeder saß für sich in einem Zimmer, dachte nach oder war einfach nur still. Nira lag auf ihrem Bett und starrte im Dunkeln die Decke an. Sie konnte spüren, was mit mir geschehen musste, sie hatte eine gewisse Verbindung zu mir. Schließlich war sie ja meine Zwillingsschwester und schon seit unserer Geburt ein kleiner Teil von mir gewesen, so wie ich auch von ihr. Ihre Tränen, die sie aus Verzweiflung und Wut vergossen hatte, waren noch nicht ganz getrocknet. Nachdem sie und Neo den vor Wut und Hass kochenden Dimion ins Haus zurück gezogen hatten, war sie zusammengebrochen. Sie hatte den Schock und den plötzlichen Verlust nicht ertragen können. Neo hatte sie auf ihr Bett gelegt und das Licht gelöscht, bevor er Dimion unter den Armen griff und ihn auf den Flur hinausschleifte. Nun grübelte sie fieberhaft nach einer Lösung, wie sie mich finden und befreien könnten ohne selbst in Gefangenschaft zu geraten. Sie wusste zwar, das sie mich mit Hilfe ihrer Magie finden konnte, doch wusste sie nicht, was sie dort erwarten würde. In einem neuen Anfall von Hilflosigkeit und Kummer, drehte sie sich mit einem gequälten Seufzen um und drückte ihr heißes Gesicht in das Kissen. Tage vergingen, ohne das sich etwas an der Stimmung in dem großen Haus, das jetzt viel leerer und kälter wirkte, änderte. Dimion machte sich schreckliche Vorwürfe und keiner von den dreien wollte mehr etwas tun. Währendessen musste ich hunderte von qualvollen Tests, Untersuchungen und Abnahmen von allerlei Gewebe und sonstigen Dingen vornehmen lassen. Und in dieser Zeit konnte ich nicht einmal an die Sonne. Es hatte nicht lange gedauert, da hatte ich keine Kraft mehr um meine Flügel zu verbergen. Sofort wurde ich wieder zu neuen Tests gebracht. Dauernd war ich in irgendeiner Weise angekettet, gefesselt oder sonst gewaltsam festgehalten. Die nahmen mir Federn ab, röntgten meine Flügel und Maßen alles an mir penibel genau. Ich hatte wohl noch ein paar mal versucht zu fliehen, doch jedes Mal war es das Gleiche wie bei meinem ersten Versuch. Ich wurde wieder eingefangen und bekam dieses mörderische Gift in die Andern gespritzt. Ja, und nachdem diese endloserscheinenden Untersuchungen abgeschlossen waren, hatten sie mich ein diesen Zoo, in diesen Kerker gesteckt. Hier saß ich nun und vegetierte langsam vor mich hin. Es war keine Stunde vergangen, seit die Menschen ihr Schließritual begonnen hatten. Und ich konnte es schon regelrecht riechen, das bald wieder eine Schar von Schaulustigen auftauchen würden um mich anzugaffen. Ich hörte tief in mich hinein, hoffte auf eine Stimme, die mir irgendwie Trost spenden würde. Doch da war rein gar nichts. Ich lag immer noch allein und verlassen auf den kalten Fliesen und keiner war da, der mich hätte trösten können, mir meinen letzten Wunsch erfüllen konnte. 'Oh mein Herr Gott, hast du mich etwa verlassen?! Bin ich dir es nicht wehrt, bin ich es nicht wehrt gerettet zu werden?! Warum hast du dich von mir abgewendet ...' Tränen flossen heiß aus meinen geröteten Augen und über meine aschweißen Wangen, und an meinen Mundwinkeln vorbei, die nicht mehr lachen konnte. Leise tropften die salzigen Perlen auf den Boden und zersprangen in noch viel kleinere Kugeln. Wenigstens war ich nicht mehr angekettet und musste nicht auch noch das Gewicht der Eisenmanschette um meinen Hals tragen. So konnte ich wenigstens noch einiger Maßen aufrecht sitzen, musste nicht ganz auf dem Boden liegen Da, war doch gerade etwas?! Ein leichtes Schwingen in meinem Bauch, als ob ich die Aura einer besonderen Person spüren würde. Mit letzter Konzentration "horchte" ich in die Ferne. Doch, da war es schon wieder!! Etwas, besser gesagt jemand, bewegte sich auf mich zu. Und er war nicht allein. Noch eine Person war bei ihm. Und beide hatten eine ungewöhnliche, übernatürliche Ausstrahlung. Aber eine von ihnen war stärker, war anders. Mir ging ein Licht auf! Es mussten ... aber nein, meine Sinne spielten verrückt und gaukelten mir nur etwas vor. Etwas, was ich fühlen wollte, nicht das was wirklich da war. Sie kamen trotzdem näher. Und dann schwang vorsichtig und mit einem ohrenbetäubenden Quietschen, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte, die Tür zu dem Raum auf, in dem ich eingesperrt war. Gleißendes Licht fiel auf mich und ich war geblendet. Konnte nur zwei Schatten sehen, die sich von dem Licht abhoben. 'Jetzt kommen sie wieder, um mich zu holen. Haben sie denn nicht schon genug Versuche mit mir gemacht?! Ich kann nicht mehr ...' Immer näher kamen die Schatten. Durch halb geschlossene Augen beobachtete ich sie. Der eine ging zu dem Schloss an dem Gitter zu meiner Zelle während der andere Schemen parallel zu mir an den Stäben aus Eisen lehnte. Es klackte und das Schloss meines Kerkers sprang auf. Die Gestalt kam herein, aber nur einen Meter. Sie streckte erst die Hand, dann seinen ganzen Arm durch die Luft nach mir aus. Doch zwischen der Hand und mir war ein Abstand von mindestens 2 Metern. Dann hörte ich eine Stimme, die mir wohl vertraut, in dieser Umgebung aber unwirklich vorkam. "Rai ... was habe sie dir nur angetan ... Hörst du mich ?! Komm zu mir, Rai, komm zu mir ..." Ich hörte alles so, als hätte ich Watte in den Ohren. Und dann, ganz plötzlich, fühlte ich mich leicht wie eine Feder, schien zu schweben. Ich spürte Arme unter meinem Körper, die mich behutsam hochhoben. Dann wurde ich aus dem Kerker herausgetragen. 'Oh nein, jetzt halluziniere ich schon ... das kann doch alles nicht wahr sein ...' Dann versank ich in eine Art Halbschlaf, nahm alles nur noch bruchstückhaft wahr. Ich spürte warme Hände und Arme unter mir und hörte einen Herzschlag, nah an meinem rechten Ohr. Er kam mir wohlig bekannt vor. Ich sah, wie ich durch lange Gänge, in denen die Schritte der Wesen von den Wänden wiederhallten, getragen wurde. Keiner kam uns in den Weg, alle ließen sie uns durch. Dann wurde es plötzlich hell, zu hell. Ich wurde lange Zeit durch dieses Licht getragen, das in mir wie eine alte Erinnerung wirkte, mit der ich aber nichts mehr anfangen konnte. Immer wieder sprachen die gestalten miteinander, doch ich verstand nichts. Alles drang an mein Ohr, als wäre es Kilometer weit weg. Ich versank in einen Schlaf, der schwarz und traumlos war ... G ras, weiches frisches Gras. Ich hatte schon fast vergessen, wie es sich eigentlich anfühlte. Ich lag unter einem Baum, als ich meine Augen wieder aufschlug. Etwas hatte sich verändert, ganz gewaltig verändert. Ich spürte es sofort, als ich die Hand vor meine Augen hielt, um nicht noch mehr von der Sonne geblendet zu werde. Ich hatte meine Kraft wieder, war nicht mehr schwach und ausgebleicht. Meine Haut war wieder leicht brau, das Bleiche und Ausgezehrte war ganz verschwunden. Auch meine Flügel waren nicht länger stumpf und die Federn waren auch nicht mehr ausgefranst an ihren Enden. Ich hatte mich wieder erholt, war wieder ganz im Leben. Nur meine Kleidung, die nicht mit meinem Körper geheilt wurde, erinnerte noch an meine schreckliche Gefangenschaft. Meine Haare waren offen und fielen leicht über meine Schultern, wie früher. Langsam setzte sich mich auf, lehnte mich an den glatten Stamm des Baumes. Eine Kirschblüte rieselte auf mich herab, landete auf meinem Knie. Ich wusste nicht wo ich war, und doch war ich heilfroh hier zu sein. Überall war es schöner als in dieser Anstalt. Langsam und genüsslich zog ich die Luft ein und schloss meine Augen. Man wusste erst was man an seiner Freiheit und an der Natur hatte, wenn man sie schon verloren glaubte. Doch wer hatte mir dieses Geschenk gemacht?! Ich konnte um mich herum niemanden wahrnehmen, weder mit den Augen noch mit meinem Gefühl. Ich schien vollkommen allein zu sein. Vorsichtig stellte ich mich auf die Beine, strich mir das zerfranstes Kleid so gut wie möglich glatt. Barfuß ging ich durch das Gras, das sanft an meinen Knöcheln entlang strich. Vor dem Baum war nur eine Wiese, keine Sträucher oder andere Pflanzen waren zu sehen. Ich hatte keine 5 Schritte nach vorn getan, da erkannte ich auch schon genau, wo ich mich befand: Ich war auf einem Felsvorsprung, der an einer Wand hing, die steil nach unten in ein kleines Tal mündete. Es handelte sich um dasselbe Tal, das Neo für den Paktschluss auserwählt hatte. Unerschrocken beugte ich mich etwas über den Rand des Vorsprungs. Darunter ging es mindestens 30 Meter abwärts, bis der Boden des schmalen Tales begann. Ich erschrak fürchterlich, als ich das Schwingen in meinem Bauch wieder registrierte. Es war stärker als vorher, es war näher. Doch dieses Mal bewegte es sich nicht auf mich zu. Ich schluckte und drehte mich um und was ich sah, lies mich ungläubig da stehen. Diese Mal war es keine Halluzination, als ich Dimion in dem Kirschbaum, unter dem ich bis eben noch gelegen hatte, entdeckte. Er saß mit gesenktem Blick in der Baumkrone. Ein schwarzer Mantel hing herunter und schaukelte leicht als eine Briese aufkam. Meine Haare wurden in mein Gesicht geweht, sanft streichelten sie meine Haut. Er hatte sich verändert, das merkte ich sofort. Er trug diesen schwarzen langen Mantel, mit einem hochgeschlagenen Kragen, so das ich seinen mund nicht sehen konnte. Doch darunter blitzte immer wieder eine weiße Hose und ebenso ein schneeweißes Hemd auf. Aber das brachte mich keines Falls ins Straucheln, sondern eher das, was seinen Rücken zierte. Es waren Flügel. Doch nicht die von einem Engel, aber auch nicht die von einem Dämon. Ich war verwirrt. Es waren schwarze, pechschwarze Flügel, mit schuppigen Federn bedeckt. Einige dieser komischen Federn lösten sich aus dem eigenartigen Gefieder und ein Windstoß trieb sie mir entgegen. Sie fühlten sich auf der einen Seite hart, auf der anderen jedoch weich an. Ich war nun vollkommen durch den Wind und verstand nichts von dem, was hier vor sich ging. 'Vielleicht ist das wieder nicht war, vielleicht bin ich jetzt nur wieder in einem von meinen Träumen, die ich ...' das war es doch, das brachte mich auf die Lösung! Die Träume, mein Traum, den ich in der Nacht hatte, bevor ich gefangen genommen und verschleppt wurde. Es war bis jetzt alles eingetroffen, was ich gesehen hatte. Ich wurde von blutrünstigen und gewissenlosen Menschen gefangen genommen, war ganz alleine und außerdem verzweifelt. Doch dann kam ein Wesen, gemacht aus Licht und Schatten, das mich rettete! Nun wusste ich, das es kein Traum mehr sein konnte. Aber als ich wieder aufblickte, war er verschwunden. Ich war irritiert, wo konnte er nur sein?! Ein heftiger Windstoß zog auf und lies meine Haare wirr durcheinander fliegen. Auch mein bedauernswertes Kleid wurde hochgewirbelt. Plötzlich schlossen sich Arme um meine Tailie, zogen mich an sich und ich spüre einen gleichmäßigen Atem in meinem Nacken. Mir lief eine wohlige Gänsehaut über meinen Rücken und als ich meine Hände auf diese an meinem Baum legte, durchfuhr mich eine Flut aus Geborgenheit und einen Gefühl von Glück, das ich bis dahin noch nie gefühlt hatte. Meine Augen füllten sich mit Tränen, bis ich nur noch verschwommene Konturen wahrnehmen konnte. "Wo warst du nur so lange?!" Heiß liefen mir die salzigen Perlen über die Wange, rannen mir bis zum Kinn herunter und tropften dann auf das Gras. Ich schloss meine Augen, lehnte mich sacht an. "Ich habe so sehr gehofft, das du mich endlich findest" Die Knie wurden mir langsam weich. Er lächelte, ich konnte es genau spüren. "Ich habe lange nach dir suchen müssen ... Rai ..." Es klang wehmütig. Was musste er wohl alles getan haben, um herauszubekommen, wo sie mich versteckt hielten?! Wahrscheinlich hatten Neo, Nira und er keine Minute ihre Augen zugemacht. Ich war so froh, das sich jemand um mich gesorgt hatte, das mich jemand vermisst hätte und traurig gewesen wäre, hätte ich es nicht doch überstanden. "Sag, hast du mich vermisst?" Ich sah auf den Boden, als ich diese Frage stellte, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge gebrannt hatte. Ich hatte ihn vermisst. Das war mir erst klar geworden, als er nicht mehr um mich war, ich nicht mehr seine außergewöhnliche Aura spüren konnte, die mir ja jetzt doch so nah war. Doch nun schwieg er. Es machte mich unruhig und gab mir ein Gefühl, das schmerzhaft in meiner Brust stach. Nun hatte ich meine Augen nicht mehr geschlossen, sie waren weit aufgerissen. Der Wind hatte sich gelegt, es war so still, das man das Gras hätte wachsen hören können. Nicht einmal ein kleines Geräusch aus der sonst so lebhaften Natur war zu vernehmen. Dieses Mal trieb es mir die Tränen in die Augen, weil ich wieder verzweifelt war, traurig über das vielsagende Schweigen, in das er sich hüllte. Langsam lockerten sich die Arme, glitten sacht von mir und streiften meine zitternden Hände ab. Ohne ihren Halt sackte ich zusammen, fiel auf die Knie und saß gefährlich nah am Abgrund. Ich konnte es nicht fassen. Lag ich denn mit meinem Traum falsch, war es doch keine Vision von der Zukunft gewesen, wie ich vor ein paar Minuten noch angenommen hatte? Ich konnte es spüren, nun war ich wieder allein, tief in meinem Inneren, es herrschte wieder vollkommene Leere, da wo eben noch so viel Wärme war. Es wurde kalt, eiskalt. Ich fror erbärmlich. Die Kälte kroch durch alle Poren in mich, fand ihren Weg zu meinem Herzen und umschloss es erbarmungslos mit ihren eisigen Klauen. Ich saß da als wäre mir der Tod persönlich gerade erschienen, hatte immer noch aufgerissene Augen in denen sich immer mehr Tränen sammelten, bis sie regelrecht überliefen. Ich war unfähig mich zu rühren, wollte nichts mehr hören, wollte die Zeit nur noch zurückdrehen. Ich wünschte mir zum ersten Mal nichts Besonderes zu sein. Ich wollte einfach nur ein ganz normaler Engel sein, der sein ganzes Leben im Himmelsreich verbrachte und glücklich damit war, seinen kleinen Aufgaben nachzukommen. Doch nein, ich war eines der wichtigsten Geschöpfe die der Herr Gott geschaffen hatte. Nun wurde ich mir der Last meiner Verantwortung, die meine Macht mit sich brachte, bewusst. "Was ist?! Wo ist all die Wärme und die Sehnsucht in deinem Herzen hin?! Wo ist das hin, das ich noch vor einer Woche gespürt habe, als ich in deine Augen sah ... Wenn du mich so fallen lässt, dann hättest du mich nicht zu retten brauchen, ich wäre lieber gestorben." Verzweiflung und ein weinerliches Flattern schwang in meiner Stimme mit. Immer noch rannen mir einzelne Tränen aus den Augen, die mir inzwischen schon brannten. "Was redest du da nur für ein dummes Zeug ..." Es klang nicht mehr wehmütig. Er schien vor mir zu sein, stand da und sah auf mich hinunter. Er beugte sich hinab, nahm meine rechte Hand und zog mich mit einem Ruck zu sich hoch. Wacklig stand ich da, war immer noch geschwächt. Aber nicht von meiner Gefangenschaft, eher von den kalten Krallen, die mein Herz immer noch fest in ihrem Griff hatten und auch nicht mehr loslassen wollten. Sacht schlossen sich seine merkwürdigen Schwingen um meinen zitternden Körper und schoben mich behutsam näher an ihn heran. Sie fühlten sich eich an und mir wurde gleich wohler. Ich wollte mich sträuben, war aber immer noch wie gelähmt. Da war etwas, das mich daran hinderte mich geborgen zu fühlen. Es war wie ein unausgesprochene Hürde die da zwischen ihm und mir lag. Ich atmete ungleichmäßig, unkontrolliert wegen den Tränen und dem Kummer, die noch aus mir heraus strömten. "Weißt du ... es ... es ist so ... ich ..." Ich musste unwillkürlich Grinsen. Er fand wieder nicht die richtigen Worte. Er hatte zwar sein Aussehen und verändert und hatte wohl auch eine gewisse magische Kraft in sich entdeckt und konnte sie vermutlich auch nutzen, doch immer noch war er in diesem Punkt der Gleiche geblieben. Ich war ein bisschen erleichtert, das nicht alles von dem alten Dimion verloren gegangen war, nach dem er sein wahres Wesen gefunden und akzeptiert hatte. Immer noch stammelte er mehr herum, als das er einen vernünftigen Satz zusammen brachte. "Jetzt drucks nicht so herum, sondern sag schon was du mir erzählen willst." Ich klang bestimmt, wollte nicht den Eindruck erwecken, das ich auf etwas gefühlvolles hoffte, wollte mich nicht noch verletzlicher erscheinen lassen, als ich es ohnehin schon war. Er atmete tief durch. "Du hat ja recht." Wieder atmete er schwer ein. Es musste wohl doch wichtiger sein, als ich angenommen hatte. "Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht, denn im Prinzip ja ich daran Schuld war, das du in diese Lage gekommen bist. Sie haben dir bestimmt viel Schlimmes angetan. Ich konnte kein Auge schließen in der Zeit als du nicht da warst. Dauernd musste ich daran denken, was du in diesem Moment wohl alles durchmachen musstest, nur weil ich so leichtsinnig war. Dazu kam auch noch eine entscheidende Erkenntnis, die mich wie ein Blitzschlag traf, als ich hilflos zusehen musste wie sie dich gefangen nahmen. Nur wegen dir bin ich so geworden wie ich jetzt bin und ich will dir sagen, dass ..." "Sprich nicht mehr weiter, ich weiß schon was kommen wird. Du kannst als aufhören mich zu quälen.! Unsanft stieß ich mich von ihm weg, machte einen großen Schritt rückwärts. Dabei sah ich ihn vorwurfsvoll und enttäuscht zugleich an. Ich wusste, was kommen würde, er würde mir sagen, das ich daran Schuld war, das er nun nicht mehr wie ein normaler Mensch leben konnte. Er würde mich dafür verantwortlich machen und das musste ich mir jetzt nicht auch noch antun. Ich war schon genug verletzt. Er schaute mich ein bisschen unverständlich an. Dann machte er einen Schritt auf mich zu, wollte wieder nach meiner Hand greifen. Aber ich zu sie ihm weg und machte noch einen großen Schritt nach hinten. Doch diese Mal hatte ich keinen festen Bodenmehr unter den Füßen, sondern trat ins Leere. Wie in Zeitlupe fühlte ich, wie sich mein ganzer Körper dem Fall hingab, das gesamte Gewicht nach hinten fiel und ich das Gleichgewicht verlor. Das dauerte aber nicht lange, ich fiel nicht tief. Instinktiv entfalteten sich meine Flügel und ein wohlig warmer Aufwind trug ich wieder hinauf. Immer höher stieg ich, entfernte mich immer weiter von dem Felsvorsprung und flog dem strahlend blauen Himmel entgegen. Die Sonne zog mich zu sich und der auffrischende Aufwind beschleunigte meine Reise zurück in den Himmel, wo ich eigentlich schon immer hingehörte. Aber ich kam nicht besonders weit. Noch bevor ich den Rand der Berge erreichen konnte, die das Tal umgaben, wurde ich von Dimion eingeholt. Er flog auf meiner Höhe, nahm meine Hand, zog mich an sich und zwang mich so mit ihm zu kommen. Gleich den nächst besten Vorsprung in der seilen Felswand wählte er als Landeplatz. Keuchend kamen wir auf dem Fels auf. Ich versuchte mich wieder von ihm zu lösen, wollte auf keinen Fall seine Vorwürfe mitanhören. Ich konnte nicht glauben und wollte auch nicht die Gewissheit haben, das er mich nun nie wieder sehen wollte. Giftig sah ich ihn an. "Was willst du denn noch von mir?!" So gut es ging verbarg ich das Flattern meiner Stimme. Er sah mich na. Diesen Blick hatte ich schon einmal bei ihm gesehen, konnte mich nur nicht mehr daran erinnern, wann. "Du musst mich auch ausreden lassen. Ich wollte dir etwas sagen und du machst dich einfach davon. Du weißt bestimmt nicht, was es ist. Also bitte ich dich, mir zu zuhören. Dann kannst du gehen, wenn du es willst." Er sah nicht ärgerlich aus, wie ich es erwartet hatte. Widerwillig nickte ich. Er seufzte. "Ich wollte dir eigentlich sagen, das der Grund für das erwachen meiner wahren Seele du warst. Ich will dich keines Falls beschuldigen, das ich nun nicht mehr ganz normal sein kann. Das was ich dir sagen wollte, war nicht so belanglos wie das, es war viel wichtiger. Ich könnte allerdings verstehen, wenn du es nicht von mir hören wolltest." Wieder ein Seufzen. Langsam wurde ich ungeduldig und immer kribbeliger. Was um Himmelswillen wollte er mir denn jetzt sagen?! Fragend und auffordernd sah ich ihn mit leicht schief gelegten Kopf an. "Naja ... ich wollte dich bitten, dass du ... dass du bei mir bleibst, nachdem deine Aufgabe erfüllt ist." "Wie meinst du das?!" Ich verstand nur Bahnhof. Warum sollte ich denn jetzt auf einmal bei ihm bleiben?! Als ich bei ihm wohnte, war es ihm doch offensichtlich gleich, ob ich da war oder nicht. "Weil ... weil ich dich nun einmal brauche. Das habe ich schmerzlich erfahren müssen, als sie du nicht mehr da warst." Kapitel 8: Liebe ... -------------------- V erlegen stand ich da. Ich hatte nun endlich verstanden, was er mir schon die ganze Zeit über versucht hatte zu sagen. Ich schämte mich dafür, das ich so schlecht von ihm gedacht hatte. Er beugte sich zu mir herunter. Seine Lippen waren nah an mein Ohr und sie flüsterten die drei magischen Worte, die jeder von uns egal ob Mensch, Engel oder auch Dämon, in seinem Leben hoffte zu hören. Wie angewurzelt stand ich da, hatte die Augen weit aufgerissen und konnte meinen Ohren nicht trauen. Glück, aber auch noch Misstrauen, wechselten sich von Sekunde zu Sekunde ab und ich war mir nicht sicher, was ich jetzt machen sollte. Schließlich gewann meine Freude darüber die Überhand. Fast stürmisch legte ich meine Arme um seinen Hals, zog mich zu ihm hoch und atmete tief ein. Es dauerte eine Weile, bis auch Dimion meine Umarmung erwiderte. Ein wohliges Kribbeln durchzog meinen ganzen Körper und ich wünschte, das dieser Augenblick ewig dauern würde. Noch nie zuvor hatte ich so etwas gespürt und ich war fasziniert davon, was ein einziges Lebewesen bei mir auslösen konnte. Und ich hatte doch so lange danach gesucht, hätte nie vermutet es hier zu finden, auf der Erde. Sachte zog ich meine Arme von ihm, sah ihm in die Augen. Sie waren immer noch so tiefbraun an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal sah. Doch sie hatten das Wehmütige, die unterschwellige Trauer und die Sehnsucht verloren. In ihnen spiegelte sich nur noch Zufriedenheit und Glück. Sein Gesicht kam näher, immer näher bis ich ihn nicht mehr klar sehen konnte. Unbeschreiblich war die Berührung seiner Lippen, die mich heiß und kribbelnd durchzog. Ich befürchtete dahin zu schmelzen, mich nicht mehr auf den Beinen halten zu können. Noch nie hatte mich jemand geküsst, bis zu diesem Moment. Es schien, als ob dieser Moment ewig dauerte. Mir wurde klar, das ich den Rest meines Lebens nicht ohne ihn sein konnte. Ich brauchte ihn schon so wie die Sonne zum Leben, wie die Luft zum Atmen und wie den Wind unter meinen Flügeln. Und mich erfüllte das wunderschöne Gefühl das ihm das ebenso ging, als sich unsere Lippen wieder voneinander trennten. Plötzlich fing ich an, bitterlich zu weinen und zu schluchzen. Die ganze Last und die Angst, die ich so lange mit mir herum getragen hatte, brachen nun unkontrolliert aus mir heraus. "Es war so schwer ...!! Ich hatte so furchtbare Angst gehabt, das ich dich und alle anderen nie wieder sehen würde ...! ich wollte noch nicht sterben, nicht so!!! Und ich wollte doch niemanden enttäuschen ..." Meine Wangen würden heiß und ich bekam kaum noch Luft, so schwer musste ich schluchzen. Dimion hielt mich noch fester in seinen Armen, da ich mich langsam aber sicher die Kraft in meine Beinen verlies. "Jetzt ist alles vorbei. Du musst nun keine Angst mehr haben. Ich werde dich beschützen, egal was da kommt. Das verspreche ich dir. Es wir alles gut werden ..." Froh darüber lächelte er mich an. Es kam so selten vor, dass er gelächelt hatte als ich bei ihm gewohnt hatte. Meist hatte er seine Maske auf, die nichts von einer Emotion erraten lies. Doch nun schiene er sich verändert zu haben, zum Guten allerdings. Ich hörte auf zu weinen und langsam konnte ich auch wieder gleichmäßig atmen. Die Last war von mir gefallen, ich fühlte mich nun wieder frei. "Sag, was bist du jetzt eigentlich für ein Wesen?!" Mit dieser fast schon naiven Frage von mir begann ein langes Gespräch zwischen Dimion und mir. Es dauerte so lange, das die Sonne schon hinter dem Horizont verschwunden war, als es endlich endete. Wir hatten uns unheimlich viel zu erzählen. Er erklärte mir, das er jetzt eine Mischung aus Dämon und Engel sei. Nira und Neo meinten, das er einer der ersten sei, die als "Zwischending" geboren wurde. Das war zwar schon lange her, das er geborne wurde, doch Gott und Satan sind so alt wie die Welt selbst und für sie zählen Jahrzehnte nur als Sekunden in der Zeitgeschichte. Sie hatten schon zuvor damit begonnen ihren Zusammenschluss zu planen. Dabei würde fast schon getestet, wie die nach dem Pakt folgenden Nachkommen sein würde. Und eben dieses Kind von Satan und dem Herr Gott war Dimion. Deswegen ließen sie Nira, Neo und Rai zu ihm kommen. Dimions Schicksal war jedoch ungewiss, sie hatten ihm schließlich freigestellt zu leben wo er wollte, da es für ihn ja keine Grenzen gab. Die ganze Zeit lauschte ich seinen Worten ohne eine Frage zustellen oder ihn sonst irgendwie zu unterbrechen. Wir hatten uns an den Rand des Felsens gesetzt und schauten gen Westen, der Sonne hinterher. Ich lehnte mit dem Kopf an seiner Schulter und unsere Flügel berühren sich. " ... und deswegen kann ich nun überall hin, wo ich will." Er schaute mich von der Seite an. Ich hatte die Augen geschlossen und genoss die Stille. Er grinste, das spürte ich. Ich konnte vieles spüren, was in seinem Inneren vorging. Ob er traurig, wütend, enttäuscht, glücklich oder einsam war. "Ich verstehe. Aber was ist mit der Magie?! Hast du jetzt auch einen Anhänger, wie Nira, Neo und ich?!" "Nein, habe ich nicht. Sag mal Rai, welche Farbe hat eigentlich Neos Anhänger?! Ich habe ihn bis jetzt noch nie gesehen." "Er ist schwarz, wie Neo selbst. Mai meinte, das die Farbe des Anhängers der Spiegel der Seele seines Besitzers ist. Ist die Farbe hell ist die Seele freundlich und aufgeschlossen. Ist sie aber dunkel ist es eine oft verletzte und zurückhaltende Seele. Aber du musst nicht denken, das Neo deswegen böse ist, nur weil er eine schwarze Seele hat. Er hat es eben nur schwerer im Leben, weil er sich nicht richtig ausdrücken kann, was seine Gefühle angeht. Dämonen sind schon lange keine metzelnden und blutrünstigen Wesen mehr." Ich sah zu ihm hoch. Ein auffrischender Ostwind zerrte an meinen Haaren und wehte sie mir ins Gesicht. Es lösten sich Federn aus unseren Schwingen und flogen beide dem Abendrot entgegen. "Hast du denn dann überhaupt magische Fähigkeiten?!" "Na ja, eigentlich schon. Aber sie sind anders als die von dir und Nira. Meine sind eher telepatischer und telechinesischer Natur. Ich kann Dinge mit meinen Gedanken bewegen und mit anderen kommunizieren, ohne ein Wort zu sprechen. Doch das ist mir alles nicht so wichtig. Es ist schon nützlich, aber es musste nicht unbedingt sein." Er schwieg wieder. Doch nicht lange. "Rai?!" "Hmmm, was ist?" Meine Augen waren wieder geschlossen. "Sag mal, hast du mich nun vorhin nur geküsst, weil du wusstest das ich jetzt ein Stück weit so bin wie du es bist?!" Schlagartig schlug ich die Augen auf. Ich setzte mich gerade hin und schaute Dimion ungläubig von der Seite an. Ich konnte meinen Ohren nicht trauen, hatte er das wirklich gerade gesagt?! Ich sah ihn verwundert an, aber mein Blick änderte sich schlagartig als ich sah, wie ihn diese Sache zu bedrücken schien. 'Der Arme. Sein Selbstwertgefühl ist ziemlich angekratzt, dabei ist das doch vollkommen unnötig ...' Einem unterschwelligen Gefühl des Mitleids und der Zuneigung folgend stand ich auf. Dimion hatte den seinen selbstzweifelnden Blick noch immer hinunter in das Tal gerichtet, als ich hinter ihm hinkniete und ihn umarmte. Sein Atem ging schwer, als hätte er eine unheimliche Last zutragen. Ich sah in die untergehende Sonne, als ich ihm sagte: "Du Dummkopf! Denkst du, das ich so oberflächlich und gemein wäre?! Ich kann das doch gar nicht, das liegt nun einmal in meiner Natur. Du hast schon recht, es ist um einiges einfach für mich, aber das ist doch nicht das ausschlaggebende! Soll ich dir mal was sagen?! Ich wusste schon, das du etwas besonderes sein würdest, als ich zum ersten Mal in deine Augen sah. Du suchtest nach mir, auch wenn du es nicht wusstest. Jedes Geschöpf sucht nach seinem passenden Gegenstück. Und du hattest das in mir gefunden. Außerdem war es sicher kein Zufall, das ich dir in deinen Träumen erschienen bin, habe ich recht?!" "Hmmmmm ..." Er seufzte. Er schien mir nicht ganz glaube zu wollen. Nun tat er mir noch viel mehr leid. "Und da war noch etwas, das mir sagte, das du mich wirklich gern hast." Ich wollte es ja eigentlich für mich behalten, aber ihm zuliebe brach ich mein Schweigen. "In der Nacht, als Timothy und du so spät nach Hause gekommen wart, konnte ich nicht schlafen. Ich habe gehört wie ihr gekommen seit und weil ich mir Sorgen um dich gemacht hatte, hat mein Geist, den ich von meinem Körper getrennt hatte, euch beobachtet. Doch als ich sah das es dir gut ging, habe ich mich nicht mit meinem Körper wieder vereint, so wie ich es eigentlich geplant hatte, irgendetwas brachte mich dazu dir zu folgen. Als ich dann hinter dir in dein Zimmer gefolgt bin, sah ich die Bilder vor deinem Schreibtisch. Ich war ganz überrascht, als ich sah das dort auch welche von mir hingen. Und mit dem Blick wie du sie angesehen hast, da konnte ich mir nur noch sicher sein, was du hinter deiner Maske verbargst. Verstehst du mich jetzt?! Ich hätte dich auch geküsst, wenn du nicht das geworden wärst, was du jetzt nun einmal bist!" Er schien erleichtert. Sanft nahm er meine Hand, die an seiner Brust lag und hielt sie fest. Ich sah ihn an und sah wieder das leuchten in seinen so tiefen Augen. Es war ein Leuchten von unglaublicher Intensität und ein Zeichen dafür, das er sich freute. "Dann habe ich das also doch nicht geträumt." Ich war verwundert, was meine er denn bloß?! "Von was sprichst du?!" "Ich meinte, das ich dich in dieser Nacht in meinem Zimmer gesehen hätte." 'Hups, er hatte mich also doch bemerkt ...' Mir wurde heiß und kalt, ich fühlte mich ertappt. Verlegen lachte ich. Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. Stattdessen lies ich Taten sprechen und brühte seine Wange genau so sacht wie damals. Doch dieses Mal konnte ich es genießen. F ast noch bis Mitternacht redeten wir miteinander. Er hatte viele Fragen an mich und ich wollte schließlich auch noch etwas mehr über ihn erfahren. Weil es immer kälter wurde und mein Kleid ja mehr einem Käse glicht, legte er seine Arme um mich und ich leg nah an ihm. "Wo sind Nira und Neo eigentlich?! Ich würde Nira gerne wieder sehen, wissen ob es ihr auch gut geht." "Beide sind in meinem Haus. Ich habe sie gebeten dort auf uns zu warten." 'Uns', das hörte sich toll an. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass das alles wahr sein sollte. Erst diese Torturen und dann das hier. Ich war hin und weg. Das musste das wahre Glück sein, mein persönliches Paradies. Doch als ich so nachdachte schlicht sich immer mehr der Gedanke bei mir ein, ob der Herr wohl gestatten würde, das Dimion im Himmelreich wohnen dürfte. Denn schließlich würde ich für die Geburten der neuen Engel verantwortlich sein, wenn ich den Pakt mit Nira geschlossen hätte. Da man dieser Aufgabe nur im Himmel und sonst nirgends nachkommen konnte, bedeutete das entweder die Trennung zwischen Dimion und mir oder eben das es gestattet wurde. Ich war mir eigentlich sicher, das niemand etwas dagegen haben würde, doch man konnte sich ja nie einer Sache 100%ig sicher sein. Irgendwann schlief ich ein. Ich fühlte mich so wohl bei ihm, fürchtete zum ersten Mal seit langem nicht mehr, dass mein Leben zu ende sein würde, bevor es erst richtig begonnen hatte. Aber ich hatte bei ihm nichts zu befürchten, da ich wusste das er mich beschützen würde. Schließlich war ich doch diejenige der sein Herz gehörte. Ich schlief aber nicht lange, denn Dimion weckte mich schon bald, da wir uns auf den Weg zu seinem Haus machen musste. Nira hatte darum gebeten, dass er mich so schnell es ging zu ihr bringen sollte. Sie hatte sich jeden Tag rießige Sorgen gemacht und hatte vor lauter Sorge keinen Moment geschlafen. Wir flogen sehr tief, so dass man uns nicht von den dunklen bäumen und den Wiesen unterscheiden konnte. Noch vor der Stadt, in einer kleinen Gruppe aus Bäumen landeten wir. Ich lies meine Flügel verschwinden. Dimion sah mir dabei zu und fing eine der Federn auf, die herab rieselten. Sie zerprang nicht als er sie mit seiner Hand gerührte. Glühend lag sie in seiner Hand, bis ihr Leuchten erlosch und sie sich doch auflöste. Ich schaute ihm interessiert zu. Ihm schien es viel besser zu gehen, seit ich wusste, was in ihm vorging. Er musste nichts mehr verbergen, nichts mehr verheimlichen und verstecken, damit auch ja niemand etwas davon erfuhr. Wobei ich mir damals nicht ganz sicher war, ob Nira nicht doch gemerkt hatte, was mit ihm los war. Bei ihm sah es ganz anders aus, als er seine Flügel verschwinden lies. Er brauchte offenbar keinen Zauberspruch oder sonst irgendetwas in der Art. Es schien einfach so zu passieren, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Ein leichtes Aufflackern von einer Art silbernen Feuers, das zwischen seinen schuppigen Federn loderte und sie lösten sich in glitzernden Nebel auf, der von dem wind davon getragen wurde und sich so in alle Himmelsrichtungen verteilte. Ich lächelte ihn glücklich an. Es wehte ein warmer lauer Wind als ich seine Hand nahm und wir in die Straßen hineinliefen, die wie leergefegt waren. Nur ein paar Straßenlaternen leuchteten noch und es war ungewohnt still. Dimion schien den Weg gut zu kennen, ging zielstrebig durch die Gassen und die Straßen entlang. Ich ließ mich von ihm führen. Doch das Schweigen störte mich, ich fühlte mich dabei nicht wohl. "Dimion?!" Meine Stimme war sehr leise, niemand sollte sie hören können außer ihm. "Was ist?" Er sprach ohne sich nach mir um zu drehen. Mir war mulmig zu mute als ich schließlich fragte: "Warum hast du mir eigentlich nicht schon früher gesagt was ich dir bedeute?!" Nochmehr Stille. Er blieb ruckartig stehe. Inzwischen waren wir in dem Park angekommen. Er war unheimlich still und die Schatten, die die Bäume warfen schienen lebendig zu sein. Sie waberten zwischen den Ästen und der Wind lies die Blätter rauschen. "Du bist dir ja nicht erst seit meiner Entführung klar darüber, was du in deinem herzen für mich empfindest. Das weiß ich genau, denn ganz so naive wie ich aussehe bin ich nicht ..." Er lies meine Hand los. Plötzlich fühlte ich mich ganz schrecklich allein, hatte das Gefühl das alles um mich herum sich von mir entfernte, immer weiter. Und da war sie wieder, die kriechende und heimtückische Kälte die sich langsam wieder in mein Herz schlich und es in einen gefühlslosen Eisklumpen verwandelte. "Ich hatte Angst." Dieser Satz kam wie aus der Pistole geschossen. Ich war verwirrt darüber. Warum hatte er Angst, und vor was?! "Ich hatte Angst, das wenn ich dir das sagen würde, du mich nicht akzeptieren würdest oder könntest, weil ich ja nur ein gewöhnlicher Mensch bin. Ich wusste nicht, was ich machen sollte wenn ich mir das selbst eingestehen würde. Denn ich wusste ja um deinen Aufgabe und mir war auch klar, das ich dich nach dem Paktschluss nie wieder sehen wollte. Deshalb hab ich mich so verhalten und dir nichts gesagt, auch wenn ich genügend Gelegenheiten dazu gehabt hätte. Verstehst du mich?!" Er drehte sich um, sah mir mit traurigem Blick in die Augen. Waren da etwa Tränen? Plötzlich strafte ich mich selbst diese dumme Frage gestellt zu haben. Ich hatte ihn wieder verletzt. Er war ja doch so sensibel, nicht der gefühlslose Mann für den ich ihn gehalten hatte. Er war sehr verletzlich, das wurde mir schlagartig klar. Sanft legte ich meine Arme um seine Tailie und legte meinen Kopf auf seine Brust. Ich hörte wie sein Herz schlug, immer schneller, immer schneller. "Tut mir leid, ich bin so ungeschickt. Ich hätte diese Frage nicht stellen sollen. Du hättest aber nichts desto trotz recht gehabt. Wenn du nicht doch ein geflügeltes Wesen wärst, dann hätte ich dich nie wieder gesehen. Doch jetzt ist alles anders. Keiner könnte mich wieder von dir trennen." Ich sah zu ihm hoch, sah sein Lächeln und wusste, das ich dieses Mal die richtigen Worte gefunden hatte. Und dann verschwand auch wieder sie Kälte, sie kroch zurück in die Tiefen meiner Seele, wo ich sie hoffte nie wieder hervorkommen zu sehen. Keine zehn Minuten später öffnete sich die Haustür und eine völlig aufgelöste Nira kam herausgerannt. Mit Tränen in den Augen fiel sie mir um den Hals und schluchzte erbärmlich an meinem Ohr. Ihre Worte gingen fast in diesem Schluchzen unter, doch das Wichtigste dran zu mir durch. "Ich habe mir ja solche Sorgen um dich gemacht!!!" Ich musste lächeln und erwiderte erleichtert, sie wieder zu sehen, ihre fast schon erdrückende Umarmung. Dimion ging währenddessen schon ins Haus, lies die Türe aber für uns offen. "Du hast mir so gefehlt Nira. Ich dachte schon das ich dich und alle anderen nie wieder sehen würde. Aber jetzt bin ich ja da und so schnell las ich mich nicht mehr entführen, das verspreche ich dir." Sie sah mich an. Ihre Augen waren fast glasig von ihren Tränen. Dann lies sie mich los, wischte sich die nassen Wangen ab. Sie nahm mich an der Hand, zog mich ins Haus und ohne Umwege in unser Zimmer. Ich hatte schon fast vergessen, wie es hier roch. Es war ein eigenartiger Geruch, der aber ein heimisches Gefühl in mir weckte. Nun wusste ich es ganz genau, ich war endlich wieder da, wo ich hingehörte. Als sie die Türe aufstieß und mich hinter sich in das Zimmer schleppte, sah ich, was sie wollte. Auf dem Bett, auf dem ich immer geschlafen hatte, lag ein zusammengefaltetes Stück weißer Stoff. Nira hob es hoch und ich konnte meinen Augen nicht trauen! Sie hielt tatsächlich ein Leinenkleid in der Hand. Es sah genau so aus, wie das was ich an hatte, allerdings bevor es so zugerichtet wurde. Sogar das blaue Band am Rücken war gleich. "Ich hatte mir schon gedacht, das dein Kleid so aussehen würde und weil ich eh nie ein Auge zubekommen habe, habe ich das hier für dich gemacht. Ich hoffe doch das es dir passt. Am besten ziehst du es gleich einmal an, damit wir eventuell noch etwas ändern können." Das lies ich mir nicht zweimal sagen. Ich wollte endlich aus diesen Fetzten raus und wieder in ein anständiges Kleidungsstück schlüpfen, das seinen Zweck noch ausreichend erfüllt. Und tatsächlich, es passte wie mein voriges. Erstaunt sah Nira mich an, sie konnte wohl nicht recht glauben, das sie das so gut hinbekommen hatte. Dankend nahm ich sie in den Arm. "Du hast dir ja nicht vorstellen können, wie sehr ich mir gewünscht habe dort endlich rauszukommen! "Wie habt ihr mich eigentlich gefunden?! Das war bestimmt nicht einfach ..." Nira öffnete die Balkontüre und lies die kühle Nachtluft in das Zimmer wehen. Sie sah hinauf zum Mond, der schon rund am Firmament stand. "ich habe es zunächst nicht bemerkt, doch nach ein paar Tagen habe ich dann gewusst, das ich eine Verbindung zu dir habe. Ich konnte spüren, wie es dir ging und ich konnte erfühlen, wo man dich festhielt. Und nachdem Dimion seine Fähigkeiten entfaltet hatte, bat er darum mich zu begleiten. Du kannst dir sicher vorstellen, das Neo davon nicht sehr begeistert war. Er fand es nicht gut, er wollte mich lieber selbst begleitet. 'Sie könnten dich ja auch noch gefangen nehmen und dann wäre alles aus.', nett, nicht war?! Die Mission ist ja das Wichtigste, das andere kann ja auch warten ..." Der pure Sarkasmus sprach plötzlich aus ihr. Ich verstand nicht wirklich, warum sie auf einmal diesen Tonfall anschlug. "Was hattest du den sonst erwartet, was er sagen soll?!" Ich wusste nicht mehr so recht, was ich sagen sollte. Was sie wieder nicht ehrlich?! "Ach, ich weiß es doch nicht!!" Sie sackte auf den Boden. "Weißt du Rai, ich habe das Gefühl, das sich alle nur um dich sorgen. Immer bist du es, um die sich alle kümmern. Dabei werde ich übergangen, vergessen das ich auch Probleme habe ..." Schluchzen erfüllte den Raum, schallte hinaus in die endlose Nacht. Ich nahm sie in den Arm. Anders wusste ich mir nicht zu helfen. Aber sie hatte schon recht. Ich war momentan irgendwie die wichtigste Person, doch dabei war sie genauso wichtig und benötigt wie ich. "Red doch nicht so einen Unsinn. Glaubst du wir hätten uns nicht so um dich bemüht, wenn dir das passiert wäre?! Das glaubst du doch nicht im Ernst! Weißt du, du müsstest Neo doch am besten von und allen kennen. Vielleicht hat er sich ja auch Sorgen um dich gemacht, aber war zu stolz es zu sagen. Glaubst du nicht auch?!" Aufmunternd stupste ich ihr mit dem Finger an die Nase. Das konnte sie nämlich gar nicht leiden, genau wie ich eben. Sie schmunzelte etwas widerwillig. Doch dann atmete sie tief durch und stand wieder auf. "Du hast recht!! Ich habe mich wirklich dumm benommen, wie ein kleines Kind!! Gehen wir runter?! Du weißt ja, morgen Abend, eine Stunde vor Sonnenuntergang, müssen wir ran, da ist der Tag des Paktschlusses." Etwas widerwillig stand ich auf und folgte Nira schweigend nach unten ins Wohnzimmer. Neo und Dimion saßen da und wie immer wurde kein Wort gesprochen. Da hatten sich wirklich zwei gefunden die etwas gemeinsam haben. Ich brach dann aber schließlich das Schweigen und wollte wissen, was sie so in der Zeit meiner Abwesenheit anstellt hätten. Lange wurde geredet und es war spät, bis wir schlafen gingen. Kapitel 9: Schattenmagie ------------------------ P lötzlich war es taghell in dem keinen Raum, als ich die Vorhänge aufzog. Der Tag war gerade erst richtig angebrochen und ich war schon munter. Barfuß ging ich auf den Balkon. Och wollte nichts riskieren und unterlies es, hinunter in den Garten zu fliegen. Stattdessen lehnte ich mich an das Geländer und lies mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Die Luft war wunderbar frisch und der Garten glitzerte vom Morgentau. Es war keine Wolke am Himmel zu sehen. 'Wie es jetzt wohl Mai und den anderen oben im Himmelreich geht?!' ich sehnte mich eigentlich zurück nach Hause, aber hier hatten ich auch ein Heim gefunden. Ich war wie zerrissen, konnte mich nicht recht entscheiden wo ich lieber sein wollte. "Wie kannst du nur immer schon so früh wach sein?!" Dimion trat neben mich. Er rieb sich verschlafen die Augen und Gähnte sogar noch. Ich musste lachen. Dann fiel ich ihm um den Hals und sah in sein verschlafenes Gesicht und in seine blinzelnden Augen. "Bist du aufgeregt?!" Seine Stimme war wie immer ohne Gefühl darin und früher hätte mich so eine kaltherzige Frage sicher abgeschreckt, doch nun wusste ich ja genau, was in ihm vorging. "Nein, ich weiß ja was ich zu tun habe. Aber dir schein es nicht geheuer zu sein, habe ich recht?!" Widerwillig nickte er. Er schien sich Sorgen zu machen, warum auch immer. Dabei war es ausgeschlossen, das uns während des Paktschlusses etwas passieren konnte. Nur danach würden wir geschwächt sein, uns erst an die neue Kraft in uns gewöhnen müssen. Sanft küsste Dimion mich auf die Stirn. Er lächelte. "Lass uns runter gehen, Neo möchte sicher noch etwas mit Nira und dir besprechen." Dimion hatte recht gehabt, denn Neo hatte noch etwas Wichtiges zu sagen. Wir saßen alle um den flachen Tisch herum und während jeder frühstückte, teilte Neo uns diese Wichtigkeit mit. "Heute Abend wird also das über die Bühne gehen, auf das wir eigentlich die ganze Zeit gewartet hatten. Ich möchte nur noch einmal klarstellen, wie es abläuft: Eine Stunde bevor die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, müssen Nira und Rai ihre Anhänger und ihre Magie teilen. Ist das vollbracht, kehrt jede wieder in ihre Welt zurück und übernimmt ihre spezielle Aufgabe dort. Alles klar?!" Schweigsames Nicken. Es wurde zwar nicht ausgesprochen, doch keiner, am wenigsten Nira und ich, waren so ruhig wie es aussah. In uns herrschte ein heilloses Durcheinander und jeder hoffte, das alles gut verlaufen würde. Nira und ich räumten auf, wuschen das Geschirr ab und stellten es in die Schränke und Regale zurück. Plötzlich fing Nira an zu sprechen: "Ich halte es nicht mehr aus!" "Was ist denn?!" Ich war zusammen gefahren und hätte fast eine der Tassen fallen lassen. Im letzten Moment konnte ich sie aber noch festhalten. Ich sah Nira mit großen Augen an. "Ich frage mich schon die ganze Zeit über, wie es sich wohl anfühlen wird, wenn wir unsere Kraft teilen! Ich würde zu gern wissen, wie sich unser Aussehen ändert ..." Ich schmunzelte. "Ich weiß es nicht, aber heute Abend wird es ja wohl auch so weit sein. mach dir mal da keine großartigen Gedanken darüber, es wird schon alles glatt gehen!!" Sie nickte unmerklich, als ich mich umdrehte und die Tasse wegräumte. Als wir fertig waren und alles an seinem angestammten Platz stand, gingen wir hinaus in den Garten. Und erst da sah ich was mit ihm in meiner Abwesenheit geschehen war. Manche der Blumen waren welk und ließen ihre schönen Blüten hängen. Der Kirschbaum hatte fast seine ganzen Blätter verloren und alles in allem sah es nicht gut um die Pflanzen aus. "Als du weg warst haben sie auf einmal ihre Köpfe hängen lassen. Fast so als hätten sie getrauert, das du sie nicht mehr gießt und ihnen mit deiner besonderen Aura Kraft spendest." Nira saß im Schatten der Terrasse und schaute mir zu, wie ich langsam durch das Gras ging, auf die welken Pflänzchen zu. Vorsichtig kniete ich mich vor sie hin und als ich sie sanft mit den Fingerspitzen berührte, schoss schlagartig wieder Leben in ihre feinen Adern. Wie schon bei dem Blumentopf in der Küche lies nichts mehr darauf hindeuten, das sie welk waren. Sie blühten jetzt sogar noch viel schöner als zuvor. Auch als ich meine flache Hand auf die glatte Rinde des Baumes legte, ging von meinen Fingern eine unsichtbare Welle durch das Holz, das es sofort heilte. Man konnte dabei zusehen, wie neue Knospen aus der Rinde sprießten und sich grüne zarte Blätter entfalteten. Daneben wuchsen in Windeseile hellrosane Blüten, die einen süßlichen Duft verbreiteten, den der Wind mit sich trug. Nira schüttelte nur den Kopf, sie kannte es schon, was Engel alles bei Pflanzen und anderen Lebewesen bewirken können. Sie waren einfach anders als Dämonen, die Schatten lebendig werden lassen konnten. "Rai, meinst du das ich dann auch so etwas mache?!" Sie schaute wie hypnotisiert auf den Boden vor sich. Ich wusste nicht recht was ich ihr antworten soll, schließlich wusste ich nicht, in wie weit sich unsere Auren vermischen würden. Ich sah hinauf in den Himmel. Er war strahlend blau und keine einzige Wolke trübte den Tag. Die Sonnenstrahlen wärmten meine Haut, man konnte ihr Schattenspiel auf dem Wasser tanzen sehen, als der Wind die frischerblühten Zweige des Baumes wiegte. "Ich weiß es nicht, vielleicht ja. Aber vielleicht auch wieder nicht. Möchtest du es denn?!" ich sah zu ihr hinüber. Immer noch schaute sie auf den Boden, doch jetzt wurde ihr blasser Mund von einem Lächeln umspielt. "Natürlich nicht!! Ich bin schließlich ein Dämon, eine Ausgeburt der Hölle und in mir fließt das Blut Satans!!!" Auch wenn sie versuchte das noch so furchteinflössend zu sagen und das mit einer Stimme, die mir unter anderen umständen das Blut in den Adern gefrieren lassen würde. Ich kannte sie zu gut, ich wusste zu genau was in ihrem Herzen vorging. Und auch wenn sie es niemals zugeben würde, tief in sich war sie ein gutes Geschöpft. Ich musste lachen. "Tu doch nicht so unnahbar!! Wir werden es alles noch herausfinden, da bin ich mir sicher. Du musst dich nur ein bisschen gedulden, das wird schon werden ..." Ich lächelte immer noch in mich hinein, als ich mich zu ihr setzte. Nira sah in auf die dunkle Seite der Terrasse. Die Sonne wurde von dem Dach davon abgehalten, auch diesen teil des Holzbodens zu erhellen. Plötzlich glühte etwas auf Niras Brust, es strahlte ein dunkles schwarzes Licht aus, das wie Nebelschwaden um sie herum waberte. Ich sah ihr verwirrt in die Augen. Doch sie hatten nicht mehr ihre fast weiße Farbe, sie waren blau, ein unheimliches schwarzes Blau. Dann, in dem dunklen Schatten neben uns, bewegte sich etwas, es stieg aus dem Boden, formte sich aus schwarzem Fleisch. Seine Konturen waren unklar, waberten und wurden dann immer fester, nahmen glatte Züge an. In mir stieg ein leichter Anflug von Panik auf. Doch als ich endlich einmal nachdachte und nicht nur auf das achtete, was sich da vor mir abspielte, verstand ich es. Nira konnte mit ihrer Magie die Schatten formen. Erst jetzt wurde mir bewusst, das ich sie noch nie sah, wenn sie ihre Magie gebrauchte. Das Schattenfleisch waberte nicht länger, war nicht länger körperlos. Es bewegte sich, fand eine tierische Gestalt und schlüpfte vollkommen in sie hinein. Es war eine Katze, eine Katze gemacht aus Schatten, geformt von einer der mächtigsten Dämonen die es gab. In ihrem Kopf blitzen zwei dunkelrote Augen auf, die Nira fixierten. Mit einem unnatürlichen Miauen setzte sich das schwarze Tier in Bewegung. Unterwürfig setzte es sich auf Niras Schoß. Schlagartig verflog das nebelhafte dunkle Licht um sie und auch ihre Augen waren wieder fast schneeweiß. Mit ihren zerbrechlichen, bleichen Händen kraulte sie die Katze, die ein wohliges Schnurren von sich gab. Ich war beeindruckt. Noch nie zuvor hatte ich gesehen, wie ein Schatten von einem Dämon gewandelt wurde. "Siehst du, das kann jeder Dämon." Seelenruhig streichelte sie die Katze weiter über ihr samtschwarzes Fell, das seidig glänzte. Kapitel 10: Warten ------------------ J ede Minute kam mir an diesem Tag vor wie eine Stunde. Die Zeit wollte einfach nicht verstreichen. Den ganzen Vormittag hatte ich damit zubracht, in dem Kirschbaum auf einem Ast in der Krone zu sitzen und nichts zu tun. Ich genoss die warme Sonne auf meiner Haut, hörte den Vögeln zu und lauschte dem Wind, der in den Blättern und Blüten des Kirschbaumes leise seine Lieder sang. Es war ungewöhnlich, das der Baum noch Blüten trug. Normalerweise blühen die Kirschbäume in dieser Region nur eine Woche, nicht mehr. Aber dieser hier versüßte schon seit fast zwei Wochen die Luft mit diesem einzigartigen Geruch. Doch auch wenn ich so entspannt da saß, konnte ich nicht noch einmal einschlafen. Ich war wohl doch zu aufgewühlt. Es war ja auch noch nicht lange her, da war ich mehr tot als lebendig. Der Schreck, die Verzweiflung und die Einsamkeit waren immer noch nicht vollständig aus meinem Inneren gewichen. Ich würde wohl mein Leben lang (und das kann unter den entsprechenden Umständen ewig sein) diese Erfahrung und diese Gefühle nicht vergessen können. "Du kannst dich nicht beruhigen, stimmt's?" Dimion war unter dem Baum erschienen. Er hatte seinen Mantel aufgezogen. Er war ein schneeweißer Fleck auf dem grünen Rassen; er schaute zu mir hoch. "Nein, kann ich nicht." Ich seufzte tief. "Ich muss immer noch an all das denken, was ich in dem Kerker und während meiner Gefangenschaft erlebt habe." Ein Luftzug streichelte meine Wange, als er sich neben mich auf einen Ast schwang. Es geschah so gut wie lautlos, ich merkte es nur an seiner Aura, das er nun neben mir saß. Er schien nachzudenken, sagte kein Wort. Vielleicht genoss er aber auch nur die Stille und die warme Sonne. Doch dann nahm er meine Hand. "Du musst dir darüber keine Gedanken mehr machen, es ist längst vorbei. Und ich lasse es nie mehr zu, das du mich alleine lässt. Das Verspreche ich dir!" Er drückte meine Hand fester, eher er sie wieder mir überließ. Ein wohliges Kribbeln und eine Gänsehaut liefen über meinen Rücken. Ich hatte mir nie vorstellen können wie es ist, von jemanden auf diese Weiße geliebt zu werden. Es war schon ein seltsames Gefühl. Nira schien es nicht viel anders zu gehen als mir. Sie saß den ganzen Tag auf der Terrasse und kraulte die Schattenkatze hinter ihren schwarzen Ohren. Ich beobachtete sie eine Weile. Neo saß auch auf dem Holzboden, doch wie immer etwas abseits. Er hielt immer einen gewissen Abstand, wahrscheinlich um die Situation besser unter Kontrolle zu haben. Es lies nichts darauf schließen, was in ihm vorging, er war schweigsam und verschlossen wie immer. Doch dann tat sich etwas. Die Katze erhob sich von Niras Schoss, steckte ihre pechschwarzen Glieder und tapste auf Neo zu. Mit einem genüsslichern Schnurren rieb sie ihren Kopf an seiner genauso schwarzen Hose. Ich konnte die beiden Körper kaum voneinander unterscheiden, zumal sie auch noch auf der Seite der Teerasse standen, auf die um diese Uhrzeit keine Sonne schien. Neo schien das nicht weiter zu interessieren, doch als sich die Katze dann auf seinen Schoß setzte, sah er endlich auf. Und es hatte fast den Anschein, als ob er sich von diesem Tier dazu überlisten lies, einmal ein Gefühl zu zeigen. Ein bisschen zaghaft strich er der Katze über den Rücken und kraulte sie hinter den Ohre. Man konnte regelrecht zusehen, wie die Katze schnurrte. Ich schüttelte den Kopf. Ich hätte nie gedacht, das ich das noch einmal erleben würde. Der Rest des Tages verstrich quälend langsam. Und je näher die Sonne dem Horizont kam, um so mehr kribbelte es in meinem Bauch vor Aufregung. Zuletzt konnte ich kaum noch still sitzen, musste immer irgendwie umherlaufen, mich mit etwas abzulenken, damit ich nicht vor Aufregung und Ungedult platze. Nira sah aber ganz anders aus. Sie saß da und schien in sich hinein zu lächeln. Ich war verwundert. Noch vor einigen Stunden war sie genau so aufgewühlt gewesen wie ich, doch nun war sie die Ruhe selbst. Damals hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht, war mit mir selbst beschäftigt. Ich ging unruhig auf dem Balkon hin und her, immer mit einem Blick um das Haus auf den glühend roten Ball im Westen gerichtet. "Jetzt beruhig dich doch." Dimion stand neben mir und hielt mich an der Hand, hinderte mich am weiteren auf- und abgehen. "Du hast gut reden!!" Ich zog einen Schmollmund, wollte meine Hand von seinem Griff lösen. "Es bist ja nicht du, dessen Leben sich von jetzt auf nachher ändern wird ..." Aber erst als ich den Satz schon ausgesprochen hatte, merkte ich was ich für einen Unsinn von mir gab. Ich schüttelte den Kopf, wollte den Satz aus meinem Gedächtnis schütteln, doch es klappte nicht. Ich schaute wieder gen Westen, also Dimion meinte. "Hast du etwa vergessen, was mit mir los war oder immer noch ist?! Ich bin nicht Dämon, nicht Mensch und auch nicht Engel. Und das war keine Veränderung für mich?!" Ich war betroffen. Er hatte ja recht. "Das hat alles damit angefangen, das ich dich getroffen habe, weißt du das eigentlich?!" Ich sag ihn mit großen Augen an, als er das sagte. "Erst nachdem du mich geheilt hattest, fing der ganze Prozess erst richtig an. Also bist du daran nicht ganz unschuldig, das ich jetzt so bin." "Das wusste ich doch nicht, woher denn auch?!" Ich schluchzte beinah. Ich war mir vorher noch nie im klaren darüber gewesen, das ich das Ganze eigentlich ins Rollen gebracht hatte. Dimion lies meine Hand los, drehte sich um und schaute in den rot-orangen Himmel. "Naja, du trägst jetzt aber keine Schuld daran. Ich wusste schon immer das ich nicht ganz "normal" bin. Außerdem kann ich so für immer ..." Er wurde unterbrochen, als Nira auf den Balkon kam und mir zuzwinkerte. Sie brauchte nichts weiter zu sagen, ich wusste was sie meinte. Er war endlich so weit. Endlich würde ich das erledigen, weswegen ich gekommen war und weswegen ich geboren wurde. Das Kribbeln wurde schlagartig unerträglich ... Kapitel 11: Endlich eins ------------------------ Z itternd stand ich auf den Felsen, die sich um das Tal schlossen. Neo meinte, das er erst nachsehen wollte, ob dort untern auch wirklich alles in Ordnung war, das wir von keinem gestört wurden. Es schien wieder ewig zu dauern, bis Neo sich wieder blicken lies und uns mit einem kurzen Handwink zu verstehen gab, das wir kommen konnte. Aufgeregt und unter einem gewissen Leistungsdruck schwebte ich neben Nira in das Tal hinunter. Immer näher kamen wir einer fast kreisrunden Fläche, auf der kein Grashalm zu wachsen schien. Der Boden war fast schon penibel sauber, kein Stein lag auf dem anderen und nicht einmal eine Flechte bedeckte den nackten Fels. Es knirschte leicht, als wir aufsetzten. Es fröstelte mich, obwohl es wohlig warm war. Die Luft war noch von der Sonne erhitzt und waberte wie Nebel auf dem Boden des Talkessels. Wir gingen in die Mitte des Kreises, standen uns gegenüber. Nur Neo war mit uns gekommen, Dimion war zu Hause geblieben. "Ich werde wieder hochfliegen und aufpassen das niemand hier her kommt." Er sah uns beide an und hob dann wieder ab. Schon halb in der Luft rief er noch: "Ihr wisst ja, was zu tun ist!!" Dann wurde seine Gestalt immer kleiner und verschmolz schließlich mit dem tiefen blutroten Himmel. Ich atmete tief durch und sah wieder auf Nira. Sie grinste wieder. Irgendwie wusste sie etwas, was ich nicht wusste. Das machte mich ein weinig nervös, doch ich sagte mir, dass das schon nichts zu bedeuten hatte und ich schon Gespenster sah. "Wir müssen uns beeilen, sonst ist die Chance vorbei und wir haben es verpatzt." Nira sah mich nun ernst an, nickte mir aufmunternd zu. "Gut!" Zu mehr war ich nicht fähig, meine Stimme wollte mir nicht mehr gehorchen. Nira und ich gingen einige Schritte auseinander, stellten uns parallel zueinander auf. Eine unheimliche Stille legte sich um uns, wie eine Blase über den leeren Kreis am Boden. Man konnte nur noch unseren Atmen hören, sonst nichts. Ich hatte noch nie zuvor eine solche Stille vernommen; es war regelrecht unheimlich. Dann begannen wir. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich auf den magischen Kristall um meinen Hals und brachte ihn zum Glühen. Als ich die Augen wieder aufschlug, sah ich Nira direkt an, ihr Stein verströmte wieder den dunklen Nebel, der Licht und Schatten perfekt vereinte. Ihre Augen waren schwarz und ausdruckslos. Ich konnte spüren wie sich der Stein um meinen Hals zu dem von Nira hingezogen fühlte. Leicht zog er an seiner Kette, wie ein kleiner Fisch an der Angel. Es kam ein Wind auf, eine schwache Briese, die sich schnell steigerte und schließlich war so etwas wie ein Wirbelsturm um uns geformt, wir in seinem Auge. Und trotzdem übte er eine unheimliche Kraft auf mich aus. Er zerrte an meinen langen Haarsträhnen, die er aus meinem Zopf gelöst hatte. Er fuhr um mich herum, hüllte mich in sich und lies mein Kleid aufflattern. Er riss an meinen Flügeln, wollte mich mit seinen unsichtbar starken Händen davon tragen. Er legte sich unter sie, hob sie hoch, wollte mich wegtragen. Doch ich blieb stehen, wie festgewurzelt. Auch Nira wurde von ihm erfasst. Ihre langen Haare schraubten sich nach oben, streckten sich hinauf in den blutroten Himmel, zu dem schneeweißen Vollmond. Ihr blaues Kleid wurde aufgewirbelt und legte sich wieder, als ob leben in ihm wäre. Sie sah noch viel zerbrechlicher aus, mit ihren schwarzen Augen und den fliegenden Haaren. Ihre Schwingen waren ausgebreitet worden von ihm, er strich über die ledrige Haut und lies sie unkontrolliert flattern. Doch auch sie hob nicht einen Millimeter ab. Ich hatte das Gefühl, als wolle mich etwas wegreisen, mich davon abhalten hier zu bleiben und stattdessen mit sich zu nehmen. Doch ich hatte keine Zeit mehr, um mir noch weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, denn nun wurde die Magie, die von uns ausging, immer stärker. Die Kristalle leuchteten immer mehr, der wabernde Schattennebel und das strahlende Licht kamen sich immer näher, wie zwei Wasserströme flossen sie ineinander und verschmolzen zu einem einzigen Strom, der mit dem Wind um uns getragen wurde. So standen wir da uns zum ersten Mal in der Geschichte vereinte sich das Dunkel mit dem Licht, das Böse mit dem Guten und der Himmel mit der Hölle ... H ypnotisiert von der außergewöhnlichen Atmosphäre und geleitet durch eine unbekannte Kraft wurden unsere Hände gesteuert. Es schien, als ob der Teufel und der Herr persönlich in uns geschlüpft wären. Sachte legte ich meine Hände um den glühenden Stein, der sich warm unter meine Fingerkuppen schmiegte. Durch einen kleinen Druck barst er, was sein Leuchten aber keineswegs verminderte. Nun hielt ich einen Teil des Kristalles mit der göttlichen Kraft in meiner linken Hand. Als ich aufsah, hatte Nira ebenfalls einen Teil ihres Anhängers in ihrer Hand. Der Wind wurde stärker, als wir aufeinander zu gingen. Die Luft schien Funken zu schlagen als wir voreinander standen und uns ansahen. Und tatsächlich zuckten weiße und schwarze Blitze in der Luft, als sich die beiden Steine erhoben und von einem magischen Strom getragen, in die Hand des anderen geleitete. Niras Stück des Anhängers brannte in meiner Hand, wurde unglaublich heiß und glühte fast unerträglich. Es lag daran, das sich gut und böse, Licht und Schatten immer noch abstießen, voneinander weg wollten aber doch zusammengehörten, wie Magneten. Mein Herz raste und doch musste ich bangen, das es jeden Moment seinen Dienst verwehren würde. Ich konnte kaum atmen, als ich langsam versuchte, die beiden Hälften, die sich abstießen und doch anzogen, zusammen zuführen. Als nur noch ein kleiner Spalt zwischen den Gegensätzen war, ging es plötzlich ganz schnell. Mit einem Ruck fuhren beide Teile zusammen, strahlten ein blendendes Licht aus, schlugen Funken gaben eine ungewöhnliche Welle aus Energie von sich. Dann erloschen sie schlagartig, meine Kette sank wieder auf meine Brust zurück und es war geschafft. Heiß und immer noch glimmend lag das Schmuckstück auf meiner Haut und ich konnte es spüren, in seinem Inneren waberten noch immer die zwei unterschiedlichen Kräfte. Sie hatten sich noch nicht vereinigt, noch waren sie sich Spinnefeind. Wie ein unregelmäßiger Herzschlag pochte der Stein. Unsichtbare Wellen gingen mit jedem Pochen von ihm aus, sie erfüllten mich und durchdrangen jede Faser meines Körpers. Der Wind flaute Sekunden später ab, die Blase um uns platze regelrecht und wir waren wieder in dem Talkessel. Ich konnte die Vögel wieder zwitschern hören und sah, wie der Himmel schon dunkel war. Ich war geschafft und total erledigt, konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Vor mir sackte Nira plötzlich zusammen und lag und dann bemerkte ich nur noch, wie ich umfiel und das Bewusstsein verlor. Das letzte was ich spüren konnte, neben dem unaufhörlichen Pochen in mir, war das ich sanft auf den kühlen Boden glitt ... Ich wusste nicht, wie lange ich da gelegen hatte bis mich jemand hochhob, und ich wusste nicht mehr wie lange ich geschlafen hatte. Ich hatte einen wirren Traum, der mich voll und ganz einnahm, der mich nicht wollte erwachen lassen. Ich wachte erst auf, als mich ein warmer Sonnenstrahl an der Nase kitzelte. Vorsichtig schlug ich die Augen auf und wurde von der hellen Sonne geblendet. Mir stieg der Duft von tausenden von Blüten in die Nase und in meinen Ohren klangen hunderte Vogelstimen, die von einem sanften Blätterrauschen und Wassergeplätscher begleitet und untermalt wurden. Es dauerte nicht lange, bis sich meine Augen wieder an das helle Licht gewöhnt hatten und ich sehen konnte, wo ich lag. Und als ich sah, konnte ich es nicht glauben, ich wollte es nicht glauben. Ich war wieder im Himmelreich, dem Paradies Gottes, dem himmlischen garten Eden. Ich lag in der Astgabelung einer rießigen Trauerweide, die schützend ihre langen Äste und Blätter um mich legte. Ich konnte auf einen kleinen Bach blicken, den ich nur zu gut kannte. Der Wind frischte auf, als ich mich aufsetzte um mich zu vergewissern, das ich nicht doch noch träumte. Alles war so wie ich es kannte und es fühlte sich fast so an, als wäre ich nie weggewesen. Lange saß ich noch so da und konnte kaum einen klaren Gedankten fassen. Ich versuchte mich an das zu erinnern, was geschehen war, doch es kam mir vor, als wäre es mir nicht wirklich widerfahren. Und erst als ich nach meinem Anhänger griff, wurde die vergangene Zeit wieder real. Es war nicht mehr ein nach unten hängender, durch und durch hellblauer Tropfen. Er hatte sich verändert. Es war kein tropfen mehr, sondern ein richtiger Kristall, in der Form einer Raute. Und in der Mitte lag ein tief dunkelblauer Punkt, der wabernd wie eine Flüssigkeit zwischen dem hellblau eingebettet lag. Nachdenklich streifte ich die Kette ab und betrachtete mir das Schmuckstück genauer. Ich hielt es gegen die Sonne und lies ihre Strahlen den Stein durchdringen. Er brach das Licht in tausende Farben, die er auf mein Gesicht warf. Erst als er wieder kühl und angenehm auf meiner Brust lag, fiel mir auf das er nicht mehr pulsierte. Das Pochen schien sich meinem Herzschlag angepasst zu haben, es machte sich nicht mehr bemerkbar. Er war nun ein Teil von mir, wie der vorige Anhänger auch. "Schön das du aufgewacht bist, ich hatte schon Angst du würdest nie wieder erwachen!" Eine mir wohlbekannte Stimme riss mich schlagartig aus meinen Gedanken heraus und lies mich vor Schreck zusammen fahren. Unbemerkt von mir war Mai auf einem der dicken Äste der knurrigen alten Weide gelandet und hatte mich angesprochen. Mein Gesicht hellte sich schlagartig auf, als ich in ihre freundlichen und gutmütigen Augen blickte, die mir so lange gefehlt hatten und die mich nun endlich wieder an lachten. Glücklich richtete ich mich auf, saß nach einem kleinen Sprung neben ihr auf dem Ast und schloss sie übermütig in meine Arme. Sichtlich überrascht von dieser doch heftigen Reaktion war Mai etwas verschreckt, erwiderte doch dann ohne längeres Zögern meine Umarmung. Dann fing ich plötzlich unkontrolliert an zu schluchzen und mir stiegen tränen in die Augen. Die ganze Anspannung, der Druck und die Angst die in erlitten hatte bahnten sich nun ungehindert ihren Weg an die Oberfläche und ich konnte es kaum noch unterdrücken. Wenig später war Mai's Kragen ganz durchweicht von meinen Tränen. "Ich habe dich ja so vermisst!!! Es ..... es war ....... war so schwer für mich ........" Meine Worte gingen fast unverständlich in meinem Geschluchze unter. Doch Mai verstand sie ganz genau, sie strich mir sanft über meine glatten Haare, die nicht mehr zu einem Zopf gebunden waren und mit denen der Wind nun spielte. "Schon gut, du hast es nun alles hinter dir und du hast deine Aufgabe zur vollen Zufriedenheit aller erledigt." Ihre Stimme war sanft und fast schon ein bisschen mütterlich. Und sie zeigte ihre Wirkung. Langsam beruhigte sich meine Atmung wieder, und die Tränen versiegten. Ich löte mich aus unserer Umarmung und sah Mai durch einen Schleier aus Tränen an. Sie lächelte wieder und dann musste auch ich unweigerlich Grinsen. "Wie hast du dich verändert." Sie strich mir die Haare aus dem Gesicht und betrachtete mich ausgiebig. "Du bist an dieser Aufgabe sehr gewachsen. Du bist erwachsen geworden. Und du hast viel für uns alle, die Engel, die Dämonen und auch die Menschen getan." Sie lächelte wieder. Etwas verlegen senkte ich den blick und schaute über die Weiten des himmlischen Paradieses. "Doch an eines werde ich mich sicher nie gewöhnen können ..." Ich sah sie wieder an. Ihr Blick lag auf meinem Rücken, sie sah ihn etwas kritisch an. Ich konnte mir nicht helfen, was war denn mit meinen Flügeln? Verunsichert legte ich meine Flügel nach vorne, lies sie mit dem Wind vor mich tragen und erstarrte fast vor Schreck. Meine Augen weiteten sich und mein Mund ging ungläubig einen Spalt auf. Ich konnte einfach nicht fassen, was ich da sah. "Aber das ....." Ich war irritiert. Ein Flügel war wie seither mit schneeweißen Federn gedeckt. Doch der linke war überdeckt mit pechschwarzen Feder, die einen eigenartigen Glanz hatten. Als ich mit etwas zittrigen Fingern an den Federn entlang fuhr, jagte mir ein kalter Schauer über den Rücken. Die fühlten sich an wie Haut. Angeekelt zog ich meine Hand ruckartig an mich. "Ich habe zwar gewusst, dass das passieren würde, doch ich konnte es mir einfach nicht vorstellen!" Meine Stimme klang ein wenig kläglich und fast heißer. Ich schluckte schwer während ich die Schwinge bewegte. Sie lies sich führen und bewegen wie die rechte auch. Nur langsam kroch der Ekel von mir und lies der heimlichen Bewunderung platz. Ich wusste nun, das mich nichts mehr von meiner Zwillingsschwester trennen würde. Ich war nun endlich nie mehr allein, wusste immer das es noch jemanden gab, der genau so war wie ich. "Weißt du", meine Stimme war wieder normal und ich hatte meine Flügel wieder auf dem Rücken zusammengefaltet, "Ich war erst so schockiert, weil ich das nicht gewohnt war. Doch jetzt, als ich mir das vor Augen geführt hatte, bin ich froh darum. Dieser Flügel läst mich nun nie vergessen, das Nira und ich zusammen gehören." Ich strahlte Mai an. Sie wusste wohlgenau, was in mir vorging. Doch da lag so ein trauriger Ausdruck in ihren Augen, als ich ihr von Neo, Nira und natürlich von Dimion erzählte. Wusste sie etwas, das mir bis jetzt verschwiegen wurde ? Kapitel 12: Zuhause ------------------- K nisternd umgab uns der Baum, während ich Mai von all meinen Erfahrungen und Eindrücken von der Erde und den Menschen erzählte. Sie hörte mir aufmerksam zu und während ich so erzählte und erzählt, neigte sich der Tag schon wieder seinem Ende zu. Die Sonne war schon verschwunden, doch ihre warmen goldenen Strahlen erfüllten immer noch die Luft. Die Schatten wurden länger und ich berichtete Mai immer noch von der vergangenen Zeit auf der Erde. Mit ein wenig Verlegenheit in der Stimme und einer heimlichen Röte auf den Wangen erzählte ich auch von Dimion und den Gefühlen, die mich damals fast überrannt hatten und mit denen ich lange nichts anfangen konnte. Und erst als ich damit geendet hatte, viel mir das ein, was mich schon die ganze Zeit über gestört hatte. Dimion war ja gar nicht da! Schlagartig verstummte ich. Und als hätte Mai meine Gedanken erraten können, sah sie mich mitleidig an und man konnte spüren, das sich ein Widerwillen in ihrer Stimme aufbäumte als sie sagte: "Du hast dich also doch ...." Ihre Stimme versagte, sie wusste es schon lange, da war ich mir sicher, doch sie wollte es noch einmal von mir hören. Sie wollte die anscheinend grausige Bestätigung haben. Ich war verwirrt und meine Stimme wollte mir nicht gehorchen. So nickte ich nur, fast unmerklich. Mai atmete tief durch bevor sie mit gesenktem Blick weiter sprach. "Du bist dir doch im klaren, das er niemals hier bei dir sein kann und du niemals bei ihm, oder?!" Sie war traurig, und ich konnte nichts dagegen tun. Doch wusste ich nicht, was schlimmer war. Die Tatsache, das die einzige Person die alles von mir wusste neben mir saß und traurig auf den Boden starrte, oder die Bedeutung ihrer Worte. "Es ist ganz unmöglich, das ein Mensch hier leben kann. Und da du diejenige sein wirst, in deren Hand das Weiterleben der ganzen Engel liegt, kannst du nicht von hier fort." Mitleidig sah sie mich nun an. Ihre großen Augen waren naß von Tränen des Mitleids, die jeden Moment über ihr Gesicht tropfen könnten. Ich konnte in diesem Moment nicht beschreiben, was in mir vorging. Es war seltsam. Ich schien vollkommen leer zu sein, nichts wollte sich regen, alles war wie tot. Das einzige was ich sah, war dieser traurige Engel vor mir und ich hörte nichts als den Wind in den rauschenden Zweigen der Weide. "Aber Mai, du musst nicht weinen." Ich nahm sie in den Arm. Nun war es andersherum. Sie war die jenige die weinte und ich tröstete sie. Ich redete weiter, mit einer sanften und beruhigenden Stimme, die nur in solchen Momenten aus meiner Kehle schlüpfte. "Er ist kein Mensch .... " Diese Worte waren wie ein Blitzschlag, wie der Urknall. Nach langer Stille durchschnitten diese Worte die Luft wie ein heißes Messer. Und dann war da wieder Stille. Ich fragte mich selbst, ob ich diese Worte tatsächlich ausgesprochen hatte. Es kam mir vor, als ob sich jemand anderes meines Körpers bemächtigt hätte, um diese mit meinem Mund zu formen. Mai richtete sich schlagartig auf und saß kerzengerade vor mir. Ich sah in ihre ungläubigen Augen. Fast blitzartig hatte sich der Ausdruck ihres Gesichtes geändert. "Aber der Herr hat doch ... " Ich schüttelte den Kopf, bevor sie ihren Satz beenden konnte. "Ich weiß nicht warum, aber in diesem Punkt hat dich unser Her Gott wohl hinters Licht geführt. Dimion ist kein Mensch, er ist einer der Ersten. Verstehst du nicht?!" Noch mehr fragende Blicke durchbohrten mich. Sie wusste anscheinend wirklich nicht, von was ich sprach. "Er ist nicht Mensch, nicht Dämon und auch nicht Engel. Er ist eben einer der Ersten, die leben können wo sie wollen. Er wurde nirgends geboren. Ihm war es freigestellt zu wählen. Und nachdem ich aufgetaucht war, war sein Schicksal besiegelt. Ich war sein Gegenstück, seine Seelenverwandte. Der Herr wusste genau, das es so kommen würde und hat mich hinuntergeschickt." Mai sah noch ungläubiger aus als zuvor. Aber sie wusste, das ich keinen Grund und auch nicht die Fähigkeit hatte, zu lügen. Und deshalb musste sie meinen Worten wohl Glauben schenken, auch wenn sie mehr als absurd waren. Ich sprach weiter: "Und weil er eben auch ein geflügeltes Wesen ist, kann er im Himmel, auf der Erde und auch in der Hölle leben." "Das heißt also, das ich mir umsonst so Sorgen um dich gemacht habe?!" Ihre großen Augen sahen mich an. Und als ich nickte, schien sie auf einmal um einiges leichter zu sein. Sie atmete tief durch und schien sich über sich selbst zu ärgern. "Na, da bin ich aber froh ..." Sie lächelte wieder. "Was ich dir noch sagen wollte; du sollt noch zum Herrn kommen, sie will dich sehen." Das hatte ich mir schon fast gedacht, das Mai das sagen würde. Und weil ich meine Gebieterin nicht warten lassen wollte, verabschiedete ich mich von Mai und erhob mich sanft mit der frischen Briese, die durch die Weide strich. "Soll ich nicht mit dir kommen?!" "Nein, ich kann das alleine. Schließlich bin ich nun erwachsen, nicht wahr?!" Wieder lächelte ich sie an. Ich war dankbar, das sie sich so um mich sorgte, das gab mir ein Gefühl der Sicherheit, das mir niemand sonst geben konnte. Doch war es wirklich so, das Dimion bei mir sein könnte?! Ich lies mir Zeit, schaute mich genau um und erkannte alles wieder. Der Himmel hatte sich nicht verändert, alles schien in der Zeit stehen geblieben zu sein, als ich den Garten Eden verlies. Unter mir strich der Wald, die Wiesen und die Flüsse vorbei. Und schließlich überflog ich den "Baum des Lebens". Und als ich über ihm schwebte, fing er an zu glühen, das Wasser an den Ufern der kleinen Insel auf der er wuchs schlug kleine Wellen und der Wind rauschte durch die frischen grünen Triebe der Äste. Er schien wohl zu spürte, wer ich war. Er musste wissen, das ich es sein würde, die die nächsten Jahre mit ihm verbringen würde. Ich hatte gehört, das die Engel, die für die Geburten der Engelchen verantwortlich waren, eine ganz spezielle Bindung zu diesem Baum hätten. Ein unsichtbares Band war zwischen ihnen geknüpft. Und genau das konnte ich in diesem Moment auch spüren. Noch bevor ich ihn ganz überflogen hatte, stiegen kleine rosa Punkte aus seinem Wipfel. Es mussten die neugeborenen Engel sein, die grade geschlüpft waren. Einer von ihnen kam direkt auf mich zu, während die anderen eher Abstand zu mir gewinnen wollten. Ich hielt an, stand auf der Stelle und sah zu, wie dieses kleine Wesen mit den zarten weißen Flügelchen auf mich zuflog. Kurz bevor es mich erreichte, streckte es seinen Arme nach mir aus. Und ohne zu zögern nahm ich es in den Arm. Es war ein kleines Mädchen und auf ihrer Stirn glühte ein schöner meerblauer Punkt. Sie war auch etwas besonderes. Denn nicht jedes Engelchen wurde mit so einem Punkt geboren. Jeder, der einmal eine wichtige Aufgabe übernehmen sollte, wurde mit so einem Punkt geboren, nur die Farbe variierte. Denn auch ich wurde so geboren, mit diesem Mal auf der Stirn. Müde und erschöpft kuschelte sich das kleine Geschöpf in den Stoff meines Kleides. Ihre schönen grünen Augen sahen mich noch einmal aus dem mit hellbraunen Haaren umrahmten Gesicht an, bevor sie einschlief. Ich war froh, denn bis jetzt hatte mich jeder nur komisch angesehen, dem ich auf meinem Flug begegnet war. Ich war anders und das wusste ich nur zu gut. Darum war ich um so glücklicher und berührter, dass ein so reines und noch vollkommen unschuldiges Kind sich so arglos an mich schmiegte und selig in meinem Arm lag. Es hatte keinerlei Angst vor meinen komischen Flügeln, die ja nicht gleich, sondern unterschiedlich waren. Ich flog weiter, wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Doch das Mädchen, behielt ich im Arm, ich wollte sie mitnehmen und nicht einfach allein lassen. Denn die anderen Neugeborenen waren schon vorgeflogen. Es dauerte nicht lange, da war ich schon am Fuß des riesigen Baumes angekommen. Gezielt ging ich mit dem schlafenden Engelchen im Arm auf einen der Eingänge zu und fand mich schon bald in der gigantischen Halle wieder. Der Anblick war wie das erste Mal einfach überwältigend. Jeder schritt auf dem wabernden Boden schlug Wellen, die sich in der Weite des Raumes verloren. Immer noch verbreitete die kleine Sonne eine wohlige Wärme und erfüllte ihre Umgebung mit einem goldenen Licht. Sacht hob ich wieder hab, ließ den Boden unter mir und steuerte zielstrebig auf die Plattform im Zentrum zu. Die Kleine schlief noch immer. Vorsichtig landete ich auf der glatten Fläche, die sich bei der Berührung durch meine ledernen Schuhe sofort wieder kräuselte. Langsam und angezogen ging ich auf die zierliche Gestalt in der Mitte der Plattform zu. Sie hatte 'die Augen geschlossen, aber ich wusste das sie spüren konnte wie ich mich näherte. Schließlich gab es nichts, was sie nicht wusste. In mir kribbelte alles und mein Herz begann vor Aufregung fast schon zu rasten. Ich war neugierig und gespannt auf das was sie mir zu sagen hatte. Und als ich dann endlich vor ihr stand, schlug sie ihre goldenen Augen auf. Ihre langen weißen Haare, die fast auf die Plattform reichten und länger waren, als sie selbst, wurden von der von ihr ausgehenden Kraft sanft gewiegt. Genau so kräuselte sich die Oberfläche der Wasserplattform unter ihr, in gleichmäßigen Wellen. Noch immer schlief das Engelchen in meinem Arm, atmete gleichmäßig. Ein Schauer nach dem anderen durchfuhr mich, als dieses vollkommene Geschöpf mich liebevoll anlächelte. Und als sie begann zu sprechen, dachte ich mir bleibt das Herz vor lauter Freude stehen. "Ich bin sehr stolz auf dich, Rai. Du hast alle diese harten Prüfungen bestanden und die von mir gestellten Aufgaben zu meiner vollen Zufriedenheit erfüllt." Mich fröstelte es, denn eine Gänsehaut nach der anderen lief meinen Rücken hinunter und lief mich erzittern. "Deshalb bin ich dir sehr dankbar." Ich konnte es nicht fassen, das sie sich bei mir bedankte! Plötzlich wachte das Engelchen an meiner Brust auf. Mit seinen kleinen Händen rieb es seine verschlafenen grünen Augen und sah sich dann staunend um. Und als es unsere Gebieterin sah, kam ein strahlendes und unschuldiges Lächeln auf sein Gesicht. Wie noch kurz zuvor bei mir streckte es nun seine Hände nach dem Herrn aus. Seine kleinen Flügelchen schlugen sacht aneinander. Ich lies es sanft aus meinen Armen gleiten und sah zu, wie es auf die zerbrechlich wirkende Frau zuflog. Auch sie hob ihre Arme und nahm das kleine Mädchen mit einem mütterlichen Blick in Empfang. Ich war überwältigt davon, dass sie das zu lies. Aber auf der anderen Seite wunderte es mich kein bisschen. Mit einem typisch kindlichen Lachen schmiegte sich die Kleine an die unscheinbare Frau, die doch so vollkommen war und eine unvorstellbare Macht verinnerlichte. Beide lächelten. "Danke das du Kiara zu mir gebracht hast. Sie hat wohl gespürt, das du es sein würdest, die mich nun sehen würde. Und da sie genau so etwas besonderes ist wie du, hatte sie keine Angst vor dir." Und noch während diese Worte aus ihrem Mund schlüpften, verblasse der tiefblaue Punkt auf Kiaras Stirn und nach einigen Augenblicken war nichts mehr von ihm zu sehen. Kapitel 13: Neues Schicksal --------------------------- T rotz dieser wohligen Wärme in meinem Herzen, stimmte irgendetwas nicht. Es war eine so scheinheilig wirkende Atmosphäre um mich, die mir gar nicht behabte. Es beschlich mich eine seltsame Vorahnung, die mir gar nicht gefiel. Und noch während diese Frau vor mir, die ich nicht kannte und ihr doch auf ewig verbunden war, die kleine Kiara in den Armen hielt, sagte sie: "Du wirst im Himmel bleiben müssen, wegen deiner Aufgabe." Es klang beiläufig, doch es musste etwas wichtigeres dahinter liegen. Gehorsam nickte ich und bestätigte ihre Aussage, die schon fast wie ein befehl klang. Ich wusste, das ich nur hier das tun konnte, für das ich geboren wurde. "Und deshalb kannst du nicht mehr auf die Erde zurück kehren, bis Kiara groß geworden ist." Immer noch schaute sie das kleine Engelchen an, das inzwischen wieder eingeschlafen war. Was hatte sie denn nun damit zu tun? "Dann wird sie also meine Nachfolgerin sein?!" Sie nickte. "Aber wie kann das sein? Ich dachte das nur alle tausend Jahre Engel geboren werden, die dazu bestimmt sind anderen das Leben zu schenken." Ich stockte, doch da ich keine Antwort erhielt, fuhr ich fort. "Müsste sie eigentlich nicht auch verschiedene Flügel haben?" Nun sah der Herr mich an. Es war kein Vorwurfsvoller Blick, wie ich erwartet hätte. Es sah eher so aus, als würde sie auf ein unwissendes Kind blicken, das wissbegierig seine Mutter ausfragt. Und es dauerte, bis sie den Mund öffnete und mir meine Fragen beantwortete, die meinen Wissensdurst stillen sollten. "Es gibt da etwas, das ich dir verschwiegen habe." Plötzlich wurde sie ernst und das Lächeln war wie aus ihrem zarten weißen Gesicht gestrichen. Nun würde sich zeigen, das mein ungutes Gefühl richtig gewesen war. "Durch den Bruch deines Kristalles und der Zusammenfügung mit den Kräften der Unterwelt wurde er geschwächt. Das bedeutet, das du nicht mehr die volle Kraft zur Verfügung stehen hast. Du warst nicht dafür geschaffen worden, von jetzt auf nachher mit dieser Umstellung zu leben und zu überleben. Dein Körper wird die dunkle Macht nicht lange ertragen können, er wird sie abstoßen und nicht akzeptieren." Sie sah mich traurig an. Ich konnte es nicht fassen, was mir da gerade eröffnet wurde. Es klang nicht gut und ich konnte mir schon fast denken, was es heißen sollte, was es für mich bedeuten würde. Doch ich wollte es genau wissen. "Und was heißt das für mich?" Ich hatte meinen Blick gesenkt und wartete auf die Worte wie auf den Donner nach einem Blitzschlag, der unverhinderlich kommen musste und sich nie aufhalten lies. "Das bedeutet für dich, das du sterben wirst." Die Worte schlugen mich fast nieder. Es herrschte Stille. Die ganze Welt und auch mein Herz schienen einen Moment auszusetzen. Alles war erstarrt und nichts mehr war lebendig. "Ich weiß, das ist ein harter Schlag für dich und ich wünschte das ich dir das ersparen könnte. Doch es geht nicht. Es musste ein Opfer gebracht werden und ich mein mir sicher, das du mich auch verstehen kannst." Sie kam auf mich zu. Ich hatte immer noch den Blick gesenkt, starrte auf die wabernde Oberfläche der Plattform und war wie gelähmt. Ich war nicht traurig und ich machte niemandem Vorwürfe. Es war so als ob alle Gefühle aus mir gewichen wären und ich nichts mehr war außer eine leere Hülle. Dann spürte ich plötzlich eine Hand, die die meine nahm. Es war die Hand der Frau, die doch so zerbrechlich war wie Glas. Ich sah sie an und konnte die Trauer und den Schmerz in ihren goldenen Augen erkennen. "Doch du musst nicht gleich sterben. Dein Leben hat sich nur verkürzt. Du wirst nicht mehr die 1200 Jahre Leben, wie andere Engel auch. Dein Leben wird sich auf 200 Jahre beschränken." Immer noch war da nichts in mir und ich spürte wie sich meine Lippen bewegten, als wären es nicht die meinen. "Werde ich dann für diese Zeit dir dienen?" Es klang monoton und keinerlei Gefühl war in meiner Stimme. Man hätte annehmen sollen das ich geweint hätte oder sonst irgendwie meine Trauer ausgedrückt hätte. Doch da war nun einmal nichts. "Nein, du wirst so lange bei mir sein und den Baum des Lebens hegen, bis Kiara erwachen ist und selbst diese Aufgabe übernehmen kann. Danach stelle ich dir frei, wo du den Rest deines Lebens verbringen willst." Ich nickte. Langsam schien das menschliche, die Gefühle und alles wieder in mich zu kehren. Ich war aber immer noch nicht traurig. Ich hatte so etwas schon geahnt, doch hatte diese Vorahnung einfach ignoriert. Ich nahm Kiara aus den Armen des Herrn. "Darf ich mich um sie kümmern, bis sie meinen Platz einnehmen wird?" Ich lächelte. Ich konnte nichts dagegen tun, ich hätte weinen sollen, doch ich musste grinsen. Der Herr nickte. Sie wollte mir wohl meine Bitte nicht abschlagen und außerdem wäre die Kleine sowieso einem Engel zugeteilt worden, der sie aufziehen sollte. "Wenn sie ihren Kristall erhält, wird sich einer ihrer Flügel verändern." Ich sah den Herrn noch einmal an. Ihr Gesicht lies keinen Schluss zu, was in ihr vorging. Ich wollte mich gerade umdrehen um wieder zurück zu fliegen, um zu dem Baum des Lebens zu gelangen, als mir noch etwas einfielt, um das ich den Herr noch bitten wollte. "Allmächtige, ich habe noch eine Bitte an dich." Sie war wieder im Zentrum der Plattform, genau unter der kleinen Sonne die noch heller zu strahlen schien. Sie sah mich aus goldenen Augen an. "Kann ich, bevor ich meine Aufgabe erfülle? Ich würde gerne einem Wesen mehr die gleiche Lebenszeit schenken, die mir noch bleibt." Ich bekam keine Antwort, sondern nur ein Nicken das von einem wohlwollenden lächeln begleitet wurde. Dann formte sie ihre Hände zu eine Schale, in der eine kleine weiße Murmel erschien, die strahlend leuchtete.. "Hier drin sind zweihundert Jahre. Gib sie dem Wesen und sie werden sein." Ich nahm das Geschenk an mich und machte mich auf den Weg. Die Luft war frisch und der Wind fuhr durch meine Haare und lies mein Kleid flattern. Ich atmete tief ein und roch den Duft der unzähligen Blüten, die sich in langen Ranken um den gigantischen Baum schlängelten. Doch bevor Kiara und ich aus wieder ins Freie gelangten, bekam sie noch ihren Kristall und ein kleines Kleid, das genauso geschnitten war wie das meine, nur eben auf ihre Größe. Ich war fasziniert, als einer der kleinen Hilfsengel, die überall in der riesigen halle herumschwebten, Kiaras Stein aus einer mit einer wabernden Masse gefüllten Blühte nahm. Als sie dann den meerblauen Kristall um den Hals gelegt bekommen hatte, schien ihr ganzer Körper zu glühen. Ein weißes Licht kam aus ihrem Inneren und erfüllte jede Zelle ihres Körpers. Und dann geschah es. Ihr Linker Flügel veränderte sich, von dem Punkt, als dem er aus ihrem Rücken kam, setzte eine Welle an, die ihn veränderte. Wie in Zeitraffer wuchs sie ein Stück, und ihre Flügel glichen sich an, waren nun im Verhältnis zu ihrem Körper gleich. Ihre Haare wuchsen bis zu ihrer Hüfte und das Kleid passte nun. Jeder Engel wächst, wenn er seine Kraft bekommen hat, er hat dann etwa die Größe eines 3 Jährigen Kindes und auch das Verhalten. Als ihre Metamorphose abgeschlossen hätte, nahm ich sie an der Hand und ging mit ihr nach draußen. Da standen wir dann und Kiara sah sich zum ersten Mal ganz bewusst die Welt an, in der sie leben würde. Sie hielt mich immer noch an der Hand, als sie mich ganz aufgeregt an sah und mit ihrer schönen Stimme sagte: "Wow, das ist ja wunderschön hier!!" Ich musste schmunzeln und ihr zustimmen. "Du Rai?!" Ich zog an dem Saum meines Kleides. Ich stutzte, hatte ich ihr doch meinen Namen noch gar nicht genannt. Doch seit einiger Zeit konnte mich nichts mehr überraschen. "Was ist denn Kiara?" "Kann ich wirklich fliegen?!" Ich musste lachen. Doch sie schien es wirklich ernst zu meinen. Ich kniete mich also zu ihr herunter und nahm sie an beiden Händen. "Klar kannst du das. Jeder Engel kann das, auch du. Und wenn wir schon davon reden, komm, wir müssen gehen. Man wartet schon auf uns." Ich richtete mich wieder auf, nahm Kiara an der Hand und erhob mich mit dem nächsten Windstoß in die Luft. Kiara schien das nicht ganz geheuer zu sein, doch ich ließ ihre Hand nicht los. "Du musst keine Angst haben, du kannst gar nicht runterfallen! Und wenn doch, dann fange ich dich ganz bestimmt auf!" Ich lächelte ihr aufmuntern zu. Ich wusste nicht warum, doch schon vom ersten Moment an war da eine ganz besondere Verbindung zwischen uns, etwas sehr tiefgehendes. Da ich sie nich immer hielt, waren wir schon gute zehn Meter über den Krönen der Bäume, die um den rieseigen Baum standen, aus dem wir gekommen waren. Langsam lies sie meine Hand los und vertraute auf ihre eigene Kraft um zu fliegen. Und als sie dann merkte, das ihr nichts geschehen konnte und sie ihre Flügel von alleine trugen, lachte sie glücklich. Den restlichen Weg zu dem See und dem Baum des Lebens, wurde sie immer gewagter und flog so manchen Looping. Ich sah ihr nur zu und fragte mich, ob ich wohl auch so gewesen war ... Kapitel 14: Kleiner Engel ------------------------- Q uietschend und lachend lag Kiara im Gras. Sie hatte ihre Landung nicht richtig geschafft und war kullernd vor den Wurzeln des großen Baumes aufgekommen. Mit einem besorgtem Blick kam ich zu ihr und sah sie an. "Bist du auch okay?!" Und obwohl ich mich eigentlich um sie sorgte, musste ich doch auch mitlachen. Ich half ihr aufzustehen und klopfte die Erde und ein paar Blätter von ihrem Kleid und sah sie mir an. Vor mir stand ein Kind, das einmal meine Nachfolge antreten sollte. Doch noch immer machte mich das nicht traurig. Ich sah sie mir an und schwor mir, auf sie acht zu geben solange ich hier sein sollte um meine Aufgabe zu erfüllen. "Deine Haare sehen ja furchtbar aus ..." Mit gespielter Entrüstung befasste ich mich nun mir ihren Haaren, die ganz durcheinandergewuschelt waren. Ich strich sie glatt und band ihr einen Zopf wie ich ihn hatte. Mit einem weißen Band machte ich eine Schleife an dessen Ende. Als ich gerade fertig war, hörte ich eine Stimme aus der Krone des Baumes. "Ich hatte euch schon früher erwartet. Aber nun seit ihr ja da." Kurz darauf lies sich vor uns eine schlanke Gestalt im Gras nieder. "Ich bin Taya, der Engel der für den Baum des Lebens und die Engelchen verantwortlich ist." Ich sah mir die Frau genau an, die ich ablösen sollte. Sie hatte ein jugendliches Gesicht., obwohl sie mehr als 1000 Jahre alt war; denn kein Engel altert äußerlich. Und wenn wir sterben, dann lösen wir uns in viele kleine Funken auf, die vom Wind in alle Himmelsrichtungen getragen werden. Sie hatte pechschwarze kurze Haare, die ihr Gesicht einrahmten, aus dem uns zwei rubinrote Augen ansahen. Nicht alle Engel glichen den Menschen ... Ihr Stein war auch rot, wie ihre Iris. Sie lächelte und kam auf Kiara und mich zu. "Du musst Rai sein, freut mich dich kennen zu lernen!" Ich sah sie freundlich an und erwiderte ihr Lächeln. "Ja, ich bin Rai. Und das hier neben mir is Kiara. Auch sie wird einmal den Baum hegen und sich um die Kleinen kümmern." Taya sah mich ungläubig an. Ich wusste schon was sie so stutzig machte. "Ich werde nicht sehr lange hier sein ..." Ich sagte es noch immer mit einem fröhlichen Ausdruck im Gesicht und ich musste auch nicht weiter reden, da Taya mich zu verstehen schien. Plötzlich fiel mir meine Bitte von vorhin ein. "Taya, ich muss ich bitten auf Kiara aufzupassen, bis ich wieder da bin. Ich habe noch etwas zu erledigen, bevor ich dich dann ablösen kann un du einen verdienten Lebensabend bekommst." "Natürlich." Sie nickte und schaute Kiara lieb an, die sich währenddessen an das Ufer der kleinen Insel gesetzt hatte und ins Wasser zu den Fischen sah. "Ich pass auf sie auf. Geh du nur, ich kann auch noch ein paar Stunden warten, nicht so das ich nicht schon lange hier gewesen bin." Sie zwinkerte mir zu und ich war erleichtert. Keine halbe Stunde später stand ich vor dem riesigen Tor, das zu der Welt der Menschen und über den Rand des Himmel führte. Ich hatte diesen Entschluss schon lange gefasst und ich wusste, das es das richtige sein würde. Noch einmal atmete ich tief durch, bevor ich schon fast ungeduldig über die Schwelle schritt und mich ins Leere fallen lies. Lange lies ich mich fallen, es gab mir ein Gefühl von wirklicher Freiheit. Erst als ich in etwa hundert Metern Höhe war, faltete ich meine Flügel auf und lies mich langsam nach unten tragen, in einen kleinen Wald. Und als ich landete, wurde ich schon erwartet. Auf einem der großen Bäume saß der, den ich suchte und wegen dem ich noch einmal hier her kommen musste. "Du hast dir aber Zeit gelassen." Dimion sah mich nicht an, er schien zu schmollen. Ich lächelte und setzte mich nehmen ihn auf einen der dicken Äste. Ich sah ihn an und nahm seine Hand. "Ich konnte nicht gleich gehen. Deshalb hat es etwas länger gedauert." Ich sah ihn an und wusste, das mein Vorhaben nicht leicht werden würde. Ich legte meine Arme um seinen Hals und zwang ihn, mich anzusehen. Mir wurde ganz warm und es kribbelte in mir als er meine Umarmung erwiderte. "Ich werde nicht bei dir bleiben." Diese Worte platzen fast aus mir heraus und verfehlten ihre Wirkung nicht. Dimion sah mich an und konnte es nicht glauben, das spürte ich genau. Und noch bevor er etwas sagen konnte, legte ich meinen Kopf an seine Brust und erklärte ihm, wieso. Er unterbrach mich nicht und hörte mir zu. Ich konnte hören wie sein Herz immer schneller und fast schon unregelmäßig begann zu schlagen. Und als ich dann endete und ihn fragte, was er dazu sagte, schwieg er. "Ich weiß, ich habe es auch nicht geglaubt, als ich es gehört habe, doch ich wusste, das so etwas passieren könnte. Es dauert nicht mehr lange, dann wird Kiara erwachsnen sein und meine Aufgabe übernehmen können. Und dann werde ich noch 200 Jahre haben." Wieder Stille. "Und was wird aus mir? Wird ich dich nie wieder sehen?!" Auf diese Worte hatte ich schon gewartet. Ich richtete mich auf und holte das Geschenk des Herrn, die Lebenszeit, hervor und hielt sie Dimion hin. Er sah mich nur verständnislos an. "Das hier ist ein Geschenk des Herrn, das ich bekommen habe. Es ist Lebenszeit. Um genau zu sein, zweihundert Jahre. Ich möchte sie dir schenken." Er sah mich an, schien nicht ganz zu glauben, was ich meinte. "Du willst mir also sagen, dass ich das annehmen soll?!" "Ja. ich möchte, das wenn ich mein Soll erfüllt habe, du diese Murmel schluckst und mit mir meine restliches Leben verbringst! Doch bis ich wieder bei dir sein kann, musst du sie gut verwahren und du musst auf mich warten. Versprichst du mir das?!" Ich sah ihn an. Er streckte langsam seine Hand nach der glühenden Kugel aus und nahm sie an sich. "Du musst mir aber versprechen, das du auch wirklich wieder zu mir zurück kommst ..." Zweifelte er an meinem Wort? Ich schmiegte mich an ihn. "Natürlich komme ich zu dir, Engel lügen nicht ..." Wir saßen noch einige Zeit so da, doch dann musste ich mich auf den Rückweg machen, denn schließlich wartete Taya auf mich. Ich verabschiedete mich von ihm und ich konnte seinen traurigen Blick spüren, als ich mich erhob um auf das nur für Engel und andere magische Geschöpfe sichtbare Tor zuzugbewegen. Ich hoffte nur, das er vorsichtig sein würde, das er die Lebenszeit gut aufbewahren würde und auf mich wartete. Es würde ja nicht lange dauern, da würde ich wieder zu ihm gehen dürfen. Einzelne Tränen flossen aus meinen Augen und tropften wie regen auf die Erde nieder. Taya erwartete mich schon und auch Kiara freute sich, als ich auf dem weichen Gras der Insel landete. Sie kam zu mir gelaufen und schmiss sich in meine Arme. "Wo wart du denn so lange?!" Mit großen Augen sah sie mich an. Ich lächelte sie an "Ich war auf der Erde und habe etwas wichtiges erledigt." Ungläubig sah sie mich an. "Was ist denn die Erde, wo ist das?!" "Davon erzähle ich dir nachher." Ich nahm sie an der Hand und ging mir ihr auf Taya zu. "Aber erst muss uns Taya zeigen, was wir machen sollen, damit sie gehen kann." Taya grinste. Sie zeigte uns alles und erklärte was wir besonders beachten mussten. Es dämmerte schon, als wir uns von Taya verabschiedeten. "Ich wünsche dir eine schöne Zeit, vielleicht sieht man sich ja noch einmal!" Ich sah Taya an. "Ja, das hoffe ich auch." Sie beugte sich zu Kiara herunter, die noch immer na der Hand hielt. "Und du wird schnell groß und stark, damit du die Aufgabe übernehmen kannst!" Sie strich ihr eine ihrer unbändigen Strähnen aus dem Gesicht. Dann drehte sie sich um und flog davon, bevor sie über die Kronen der Bäume hinweg war, rief sie mir noch einmal zu: "Ich wünsche euch alles gute und passt auf euch auf!" Wir winkten und sahen ihr noch lange nach, auch als sie nur noch ein winziger Punkt in dem orangen Abendhimmel war ... Kapitel 15: 2 Jahre später -------------------------- C reamfarben war der Morgenhimmel, als Kiara mich weckte. Es waren 2 Jahre ins Land gegangen, als wir Taya verabschiedet hatten. Seither war viel passiert. Ich hatte vielen Engeln zu ihrem Leben verholfen, was eine schöne und beeindruckende Erfahrung für mich war. Fast jeden Tag hingen an den vielen Ästen und Zweigen Tropfen, in denen ein kleiner Engel darauf wartete, befreit zu werden und hinaus zu fliegen. Manche Tropfen glühten, manche hatten eine andere Blaufärbung und aus ein paar wenigen schlüpften sogar Engel mit einem Mal auf der Stirn, so wie Kiara und ich einst. Und wenn keine Tropfen hingen, dann hatte ich den Baum gepflegt. Er trug auch einmal einige Blüten, aus denen golden schimmernder Staub flog, wenn man sie berührte. Da der Baum nur sehr selten blühte, freuten Kiara und ich uns besonders darüber. Kiara war sehr schnell gewachsen, wie die anderen Engel, die mit ihr geschlüpft waren, auch. Und ich konnte mich fast in ihr wieder sehen. Wie auch ich wurde sie nie richtig akzeptiert und war immer in wenig ausgegrenzt worden. Aber auch sie hatte, neben mir, jemanden an den sie sich wenden konnte, der aber anders wie bei mir Mai, in ihrem Alter war. Sie hieß Sira und war ein sehr nettes Mädchen. Sie hatte fast weiße Haare, die sie sehr kurz geschnitten trug und aus ihrem schmalen Gesicht strahlten immer zwei wunderschöne hellblaue Augenpaare. Kiara und Sira waren oft zusammen und auch lernten beide ihre Fähigkeiten zu nutzen und zu beherrschen. Es erfüllte mich immer mit einem unbeschreiblichen Glück, wenn ich sie so ansah und wusste, dass sie behütet sein würde, wenn ich dann gehen konnte. Kiara war inzwischen schon, in Menschenjahren ausgedrückt, 16 Jahre alt und stellte immer noch viel Fragen, auf die ich manchmal keine Antworten mehr wusste. Doch das Schönste, was in diesen zwei Jahren geschehen war, war das Nira gekommen war. Da uns ja nun keine Grenzen mehr gesetzt wurden, konnten man von der Unterwelt in den Himmel und andersherum auch. Ich war froh und erleichtert sie zu sehen und zu wissen, das es ihr wirklich gut ging. Doch ich hatte auch so schon gespürt, wie es ihr ging. Schließlich waren wir mit einem besonderen Band miteinander verbunden. Sie erzählte mir viel und wir saßen da und redeten, schauten aber auch zusammen einfach nur in die Ferne und genossen das Schweigen. Sie hatte mir auch davon berichtete, das auch ihr Leben nicht mehr so lange dauern würde, wie es eigentlich vorgesehen war. Aber auch sie schien nicht traurig zu sein. Wie auch ich hatte sie ihre Nachfolgerin selbst aufzeihen wollen, und hatte sie auch mitgenommen mich zu besuchen. Sie hieß Reiya und war genauso wie Kiara. Es waren auch Zwillinge und als sich beide gegenüber standen, konnten es beide nicht glauben, schauten sie doch in ihr Spiegelbild. Reiya hatte ein schwarzes kurzes Kleid an und an ihren Füßen trug sie schwarze Lederschuhe. Ihre Haare waren fast golden und fielen in langen Wellen über ihren Rücken, während ihre Nussbraunen Augen den selben wissbegierigen Blick hatten, wie Kiaras. Beide schienen sich auch von Anfang an zu verstehen. Noch bevor Nira und Reiya wieder Abschied von uns nahmen, nahm ich Nira bei Seite und flüsterte ihr ins Ohr: "Nira, wie verbringst du eigentlich deine restliche Zeit?" "Ich werde danach durch die Welten streifen und sehen, wo es mich hinzieht." "Ganz alleine?" "Nein, nicht ganz ..." Sie setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf und Zwinkerte mir zu. Ich verstand sofort und lächelte zurück. "So etwas hatte ich mir schon gedacht. Na dann, ich wünsche dir alles Gute, ich hoffe wir werden uns noch oft begegnen." Ich umarmte sie und dann flogen beide auch schon wieder davon. Auch ihnen sah ich lange nach. Aber die ganze Zeit konnte ich den Gedanken an Dimion und an die Erde nicht vergessen. Ich hatte Kiara nichts davon erzählt und ich wollte sie nicht damit belasten. Sie wusste nicht, das ich bald schon gehen würde und das ich auch, für einen Engel, bald sterben müsste. Sie war so wunderschön un ihr Herz war ohne Kummer, da wollte ich nichts unnötiges daran ändern. Doch der Tag, an dem ich entlassen sein würde, kam immer näher und so faste ich schweren Herzens den Entschluss ihr alles zu sagen. Ich konnte ihr nicht länger das vorenthalten, was ich mich schuldig fühlte ihr zu sagen. So nahm ich sie eines Abends mit, an den Rand des Himmels. Wir setzten uns auf den selben Baum, auf den Mai und ich oft gesessen hatten. Wir sahen beide auf die Lichter und glitzernden Punkte hinunter, die von der Erde zu uns hinauf strahlten. Kiara war unbefangen wie immer und stellte wieder Fragen. "Es sieht so schön aus, wie diese Lichter glitzern und funkeln. Ich würde gerne einmal nach da unten und sehen, was sie sind. Warst du da schon einmal?!" Ich zuckte unmerklich zusammen und wusste, das es nun unausweichlich war. Ich musste es ihr sagen. "Ja, das war ich." Ich sprach ganz ruhig und als mich Kiaras ungläubiger und begeisterter Blick traf, musste ich doch grinsen. "Vor fast schon drei Jahren bekam ich die Aufgabe von unserem Herrn, einen Talisman der auf die Erde gefallen war, wieder zuholen. Ich war furchtbar aufgeregt und fühlte mich doch geehrt, eine solche Aufgabe übernehmen zu dürfen. Du musst wissen, damals wusste ich noch nichts von meiner besonderen Stellung und der eigentlich Aufgabe, wegen der ich auf die Erde sollte." Ich machte eine Pause und genoss den Wind, der von der Erde her hoch bis an den Rand des Himmels und durch die Äste des Baumes wehte. "Als ich auf der Erde landete war ich überwältigt von ihrer Schönheit und ich machte mich auf den Weg, den Talisman zu suchen. Doch bevor ich ihn finden konnte, geriet ich in eine brenzlige Situation, aus der mich ein sehr netter Mensch rettete. Er nahm mich mit zu sich nach hause und dort traf ich dann auf Nira, die du schon kennen gelernt hast. Und ich lernte Neo kennen, einen Dämon, der sie begleitete. Ich erfuhr dann durch sie, das ich eine direkte Tochter des Herrn wäre. So wie du." Ich sah Kiara an, die meiner Geschichte aufmerksam lauschte und stupse sie an der Nase an. Es war eine Angewohnheit, die ich nur zu gerne behielt. "Erst konnte ich es nicht glauben, als mir eröffnet wurde, das ausgerechnet ICH den Paktschluss zwischen den Dämonen und den Engeln durchführen sollte und das die Suche nach dem Talisman nur ein Vorwand war. Aber noch bevor der Tag kam, an dem wir den Schluss besiegeln konnte, wurde ich von Menschen gefangen genommen. Sie steckten mich in ein Labor, nahmen Proben von meine m Blut, meinen Haaren, meiner Haut und sie nahmen mir büschelweise Federn aus den Flügeln. Es war furchtbar und ich dachte, ich müsste in dem dunklen Zookäfig sterben. Und als ich schon fast mit dem Leben abgeschlossen hatte, kamen Nira und Dimion, so heißt der Mensch, der mir geholfen hatte, und befreiten mich. Und das gerade noch rechtzeitig, denn der Tag des Paktschlusses war nicht mehr fern. Der Pakt selbst war ein unbeschreibliches Erlebnis. Nira und ich brachen beide unsere Kristalle, tauschen die Hälften aus und fügen sie wieder zu einem zusammen. Deshalb haben alle neugeborenen Engel unterschiedliche Flügel und ich war die Erste ..." Kiara sah mich mit offenem Mund an. "Das ist doch jetzt nur eine Geschichte, oder nicht?! Ich meine, das ist doch nicht wirklich wahr, das DU das warst!" ich schüttelte den Kopf. "Kiara, du weißt doch, Engel können nicht lügen." Ich lächelte sie an und sah zu, wie langsam in ihr die Erkenntnis und der Glaube an meine Worte durchsickerte. "Aber das ist noch lange nicht das Ende der Geschichte." Unwillkürlich verhärtete sich mein Gesichtsausdruck und während ich meinen Blick gen Horizont schweifen lies, sagte ich mit unheilvoller Stimme: "Du weißt doch, das Engel, die für den Baum des Lebens zuständig sind, eigentlich nur alle tausend Jahre geboren werde." Kiara nickte neben mir. "Und du wurdest nur deshalb schon jetzt geboren, weil ich schon früher sterben werde." Es herrschte unheimliche Stille und ich konnte wieder die kriechende Kälte spüren und die Trauer, die Kiara nun erfüllen musste. Sie atmete tief durch und versuchte somit einen Schluchzer zu unterdrücken. "Und wann wirst du gehen müssen?!" Man konnte hören, wie traurig sie über meine Worte war. Ich nahm sie an der Hand, schaute aber immer noch in die Ferne. "In einem Monat wird deine Ausbildung und auch deine Kindheit vorbei sein und du kannst meine Nachfolge antreten. Dann kann ich gehen. Und in zweihundert Jahren werde ich mich dann wie jeder Engel in goldenen Staub auflösen, der mit dem Wind zu den Sternen an das Firmament getragen wird. Aber ich bitte dich, sei nicht traurig. Ich hatte schon mit so etwas geahnt und ich bin zufrieden mit der Zeit, die mir noch bleiben wird. Ich weiß das ich etwas Großes vollbracht habe und ich bin stolz auf mich. Dafür nehme ich diese Bürde auf mich." Ich sah sie an und wischte eine Träne von ihrer Wange. "Und .... und wo wirst du dann ... hingehen?" Sie schlunzte und ihre Worte gingen fast in ihren Tränen unter. Ich nahm sie in dem Arm und wiegte sie so, wie ich es getan ahnte, als sie noch klein war und mit Sorgen zu mir gekommen war. Normalerweise hatte sie es abgewehrt, noch wie ein Kind behandelt zu werden, doch nun schien sie es zu brauchen. "Ich gehe wieder zu Dimion auf die Erde. Ich hatte den Herrn gebeten ihm auch 200 Jahre zu schenken und sie hat mir diese Bitte erfüllt. Aber ich werde dann nicht ganz gehen, ich werde kommen und dich besuchen um zu sehen, wie es dir geht. Sei unbesorgt, du wirst nicht alleine sein, niemals. Denn du hast ja mich und wenn ich nicht mehr bin dann hast du immer noch Sira, Reiya und natürlich den Herrn und alle anderen, die im Himmel leben. Du bist nie allein, auch wenn du das glaubst. Also bitte weine nicht, sonst werde ich auch traurig und wenn deine Tränen auf die Tropfen der kleinen Engel fallen, werden auch sie traurig sein." Kiara wand sich aus meinen Armen und sah mich an. Ihre haare waren wieder aus dem Zopf gefallen und klebten an ihren nassen Wangen. Ich strich ihr mit dem Finger die widerspenstigen Strähnen aus dem Gesicht und lächelte aufmuntern. "Gut." Sie setzte sich nun ganz auf und trocknete ihre Tränen. "Ich werde nicht weinen, für dich. Und damit die Kleinen nicht traurig sein müssen." "Ich weiß, das du deine Sache gut machen kannst. Vergiss nur nie das du nicht allein sein wirst, was auch passieren wird." Danach saßen wir noch lange da und sahen in die Ferne, betrachteten die Sterne und ließen uns von dem lauen Wind streicheln. Die nächsten Wochen waren nicht anders als die zuvor, doch etwas hatte sich doch verändert. Kiara war mehr daran interessiert, was ich sie lehrte. Man konnte ihr den Eifer anmerken, mit dem sie mir half. Sie hatte sich wohl den Entschluss gefasst, so gut wie möglich zu sein, damit die kleinen Engelchen nicht doch trauern mussten. Ich freute mich über diese Einstellung, auch wenn sie auf einer nicht sonderlich erfreulichen Tatsache basierte. Und ich versuchte die Zeit noch zu genießen, in der ich mich um den Baum des Lebens zu kümmern hatte und auf die kleinen und großen Tropfen Acht zu geben, das sie auch schlüpften. Es überraschte mich nicht, das auch die Neugeborenen spüren konnten, das etwas nicht stimmte. Manche kamen zu mir und sahen mich traurig mit ihren großen Augen an und schlugen sacht mit ihren kleinen Flügelchen. Aber ich wollte sie nicht so sehen und sagten ihnen, das es nichts sei, worüber sie sich Sorgen machen müssten und so flogen sie mit einem Lächeln zu dem riesigen Baum. Und als es dann bald so weit sein sollte, das Kiara ihre Prüfung bestehen sollte und ich von ihr abgelöst werden sollte, kam Mai zu uns und holte Kiara ab. Ich hatte sie darum gebeten, denn ich wollte das Kiara das alleine macht und nicht den Gedanken hatte, mich im Rücken zu haben, die sie beschützt, wenn es doch einmal brenzlig werden sollte. Trotzdem fieberte ich an diesem Tag mit ihr mit. Als sie dann zum Herr aufbrach um ihre Aufgabe in Empfang zu nehmen. Der Tag schien sich fast endlos hin zu ziehen und ich war ganz kribbelig, konnte mich auf nichts richtig konzentrieren. Erst jetzt wurde mir eigentlich so richtig bewusst, was Kiara mir doch bedeutete und wie weh es mir tun würde, sie alleine zu lassen. Doch der Gedanke, dass ich sie trotz alle dem noch sehen und besuchen konnte, beruhigte mich. Als dann die Sonne den Horizont erreichte, sah ich aus der Ferne Kiara heran fliegen. Und als sie näher kam, sah ich ein triumphierendes Lächeln auf ihrem zarten Gesicht. Vor Freude umarmte sie mich stürmisch, flog eine Schleife nach der anderen und jubelte mit den Vögeln um die Wette. Erst als sie sich wieder beruhigt hatte, erfuhr ich, was mich schon den ganzen Tag beschäftigte. Kiara erzählte von der großen Halle und den vielen Engeln dort, dem Herrn und wie aufgeregt sie war, als sie ihr die Prüfung nannte. Sie sollte in die Unterwelt fliegen um dort eine schwarze Blume zu holen, die eine weitere Ranke um den Baum bilden sollte und die Bindung zwischen "Gut und Böse" noch stärken sollte. In der "Hölle" traf sie dann wieder auf Reiya und Nira. Die Suche nach der Pflanze hatte sich als nicht sonderlich schwer erwiesen und so war sie noch vor der Dämmerung wieder im Himmel angekommen. Der Herr war sehr zufrieden mit ihr und nachdem sie dann die Blume eingepflanzt und ein stuck hatte wachsen lassen, konnte sie auch schon gehen. Ich lauschte ihr aufmerksam und nickte als sie endete. Ich konnte mir schon denken, warum sie keine so schwere Aufgabe bekommen hatte. Ich hatte ja schon so viel leisten müssen, da wollte der Herr sicherlich sicher gehen, das Kiara nicht ein ähnlicher Vorfall widerfahren würde. Ich war erleichtert über diese Vorsicht und endlich lies die beklemmende Anspannung und die Ungewissheit von mir ab, die schon die ganzen Stunden zuvor an mir genagt hatten. Die Nacht war kurz und der Himmel sternenklar. Ich bekam kein Auge zu, war ich doch mehr als ungeduldig endlich gehen zu können. Doch diesem Drang von hier los zu kommen stellte sich die Zuneigung zu den hier lebenden Geschöpfen entgegen, die ich den Großteil meines Lebens um mich gehabt hatte. Doch wie soll man seinem herzen folgen, wenn es ein geteiltes ist?! Ich wollte das Richtige tun und das war für mich nun einmal, zu dem zu gehen, der so lange und geduldig auf mich gewartet haben musste. Deshalb musste ich mich schweren Herzens von meine Lieben verabschieden. Als die Sonne aufgegangen war, machte ich mich gleich auf den Weg zu Mai, denn ich wusste das Kiara noch lange schlafen würde. Ich schlich mich leise davon, genoss die frische Luft die mir kühl um den Körper strich und mich sanft davon trug. Mai war schon wach, sie musste gespürt haben das ich komme. Sie besaß diese Fähigkeit schon immer, sie nutze sie nur selten. Ich landete sacht vor dem Baum, auf dem wir uns schon so oft getroffen hatten und sah in ihr Gesicht, in dem sich in dem orange rotem Licht glitzernde Spuren gelebt hatten. Sie hatte mir versprochen nicht zu weinen, aber ich hatte schon gewusst, das sie es nicht einhalten könnte. Ich kannte sie dazu einfach viel zu gut. Und als ich sie in den Arm nahm, flossen noch viele Tränen auf meine Schulter und wurden von dem Stoff meines Kleides aufgesogen. "Du hattest mir doch versprochen, nicht traurig zu sein und nicht zu weinen, wenn ich gehe." Ich strich sacht über ihre Haare und als sie sich aus der Umarmung löste und sich an den Stamm des Baumes lehnte, sagte sie fast kleinlaut: "Du verlangst Sachen von mir. Wie kannst du glauben, dass ich nicht traurig sein könnte. Ich habe mein versprechen nicht absichtlich gebrochen ..." "Ich weiß, ich hatte das auch nicht erwartet!" Aufmunternd lächelte ich ihr entgegen und nun hörten auch ihre Tränen auf zu rinnen und sie trocknete ihre Wangen. "Wann willst du dann gehen?!" Ihre Stimme zitterte. "Ich muss noch zu unserem Herrn und natürlich darf ich Kiara nicht vergessen." Stille. "Ich verspreche dich besuchen zu kommen, mindestens einmal im Jahr!" Mai versuchte zu lächeln, doch der Versuch verunglückte jäh. Sie sah eher noch gequälter aus, als fröhlich. "Natürlich kannst du kommen, es hindert dich niemand und du weißt, das ich mich darüber freuen würde! Und jetzt zieh nich so ein Gesicht hin, sondern akzeptiere es so wie ich auch. Ich bin glücklich damit und ich würde lieber in zweihundert Jahren sterben, als ein ganzes Leben ohne euch und ohne Dimion zu sein." Das schien sie aufgemuntert zu haben, und da ich mich auf den Weg machen sollte, nahm ich sie noch einmal fest in den Arm. "Bitte vergiss nicht, das ich dich immer bei mir haben werde und das ich dich nie vergessen kann ..." Meine Worte gingen fast unter, doch Mai wusste was ich sagen wollte. Ich sprach ihr aus der Seele. Es tat mir dann doch sehr weh, als ich mich langsam von dem Baum und auch von Mai entfernte. Aber ich wollte nicht traurig sein, es gab schließlich keinen Grund dazu. Als ich auf der kleinen Insel im See landete, wurde ich schon Kiara erwartet. Vorwurfsvoll sah sie mich an und ich konnte mir denken, was in ihr vorging. "Ich hatte schon gedacht du wärst gegangen, ohne dich von mir zu verabschieden!" Und plötzlich stand da wieder die kleine Kiara, die, die andauernd Fragen stellte und sich mit keiner meiner Antworten zufrieden gab. Tröstend kam ich auf sie zu und nahm sie in den Arm. "Du Dummerchen ..." Meine Stimme war weich und ich wusste, das Kiara wusste, wie ich diese Worte meinte. "Ich würde dir so etwas nicht antun, das weißt du genau. Ich wollte nur schnell zu Mai, denn du hattest noch geschlafen." Kiara kuschelte sich an mich, wie sie es als Kind getan hatte. "Darf ich dich begleiten?" Die Frage verwirrte mich, da sie wie von der Pistole geschossen kam. "Wohin?!" Ich schaute Kiara fragend an. Wo wollte sie mich hin begleiten?! "Na, an das Tor des Himmels ..." Verständnislose Augen sahen mich an und mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich hatte schon befürchtet, sie wolle mit mir auf die Erde gehen. "Natürlich. Ich muss nur vorher noch zu unserem Herrn und mich quasi abmelden." Ich nickte, nahm Kiara bei der Hand und hob sacht mit ihr von dem grünen Gras ab. Denn von dem Baum und den noch kleinen Tröpfchen, hatte ich mich schon lange verabschiedet ... Kapitel 16: Abschied und Neuanfang ---------------------------------- X -mal war ich schon hier vorbei und auch hindurch geflogen. Doch dieses Mal schien das Tor des Himmels noch gewaltiger und das Kribbeln in meinem Bauch noch heftiger zu sein. Mein Herz raste und ich hatte Mühe gleichmäßig zu atmen. Es war mir schwerer gefallen als ich dachte, als ich in der großen halle im inneren des Baumes war und mich auf der Plattform in seiner Mitte niedergelassen hatte. Mein Magen war wie ein Stein und mein Herz schlug so schnell, das ich fürchtete man könnte es laut hören. Ich wusste, was auf mich zukommen würde. Kiara stand hinter mir, hielt doch ehrwürdig abstand und lies mich allein auf die schlanke Frau zugehen, die eine unaussprechliche Energie ausstrahlte. Meine Lippe zitterte, als ich sie ansprach. Sacht hob sie ihren Kopf und sah mich an. In ihren Augen lag etwas trauriges und ich konnte mir denken, was in ihrem Kopf vorging. Doch konnte das sein?! "Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, das du, bevor deine Zeit abgelaufen sein wird, noch einmal zu mir kommst. Ich würde dich gerne noch einmal sehen." Sie war tatsächlich traurig und betroffen über die Zustände und machte sich Sorgen um mich. Sie kam mir in diesem Moment weniger wie der Allmächtige vor, sondern eher wie eine Mutter die einfach um das Wohlergehen ihres Kindes besorgt war. "Natürlich werde ich euch aufsuchen, bevor mein Lebenslicht verlöschen wird." Ich nickte noch einmal, um meiner Aussage Nachdruck zu verschaffen. Gütig sah sie mich an, während sie sprach. "Dann geh nun, du bist von deinem Dienst entlassen und wirst von der jungen Kiara abgelöst werden. Geh in mit meinem Segen ..." Sie hob leicht die Hand, schwebte lautlos auf mich zu und strich mir über die Wange. Die Berührung ihrer kleinen und zierlichen Hand und die Kraft, die von ihr ausging, durchfuhr mich wie Elektrizität. Es schien ewig zu dauern, bis ich mich wieder in der Gewalt hatte und mich entgültig von ihr los riss, um mich auf den Weg zu dem großen Himmelstor zu machen. Und als ich davor stand und es sich langsam und ächzend öffnete, nahm ich Kiara noch einmal in den Arm. "Ich werde dich vermissen. Doch ich komme zu euch, so oft ich die Zeit dazu finde. Und ich hoffe, das auch du mich einmal besuchen kommst." Kiara schwieg. Doch es machte mich nicht traurig, dass sie nichts sagte. Ich wusste, das sie nicht dazu in der Lage gewesen war. Wahrscheinlich wären ihre Worte in einem jämmerlichen Schluchzen untergegangen. Und sie hatte mir ja versprochen nicht zu weinen. Stattdessen schlossen sich ihre Arme noch fester um mich, als wöllte sie mich nicht gehen lassen. Doch dann lies sie mich doch ziehen. Ich winkte ihr, während ich lautlos und mit sanften Flügelschlägen durch das Tor in den freien Himmel flog. Noch einmal drehte ich mich um und sah auf das zurück, was ich nun lange Zeit wohl nicht mehr sehen werden könnte. Meine Heimat, meine Zuflucht und mein Geburtsort lies ich hinter mir und flog wie eine leichte Feder dem entgegen, nach dem ich mich schon so lange gesehnt hatte. Und doch wurde ich das Gefühl nicht los, das hinter mir eine Träne nach der anderen auf den heiligen Boden des Paradies tropfte. Ich näherte mich immer weiter der Erde, lies mich von Wind hinabtragen und erinnerte mich unweigerlich an die Zeit, als ich diesen Weg zum ersten Mal gegangen war. Viel Zeit war vergangen und es hatte sich einiges geändert. Ich erlebte meine eigenen Erinnerungen fast wie einen Traum, als wäre nichts davon jemals eingetreten. Viel hatte ich erleiden müssen, doch noch mehr habe ich das gefunden, was ich gesucht hatte und ich hatte eine große Bestimmung erfüllt, die mir auferlegt worden war. Der Wind trug mich weiter auf den boden zu und in einen kleinen Wald. Ich landete und lies meine ungleichen Flügel verschwinden. Der eine zersprang in tausende Federn die glitzern auf dem Gras zersprangen, während der andere sich in eine dunkle Wolke aus dunkelblau schimmernden Teilchen auslöste. Die Sonne schien durch die Kronen der Bäume und die kleinen Lichtflecken tanzten auf dem grünen Gras der Lichtung. Ungeduldig setzte ich mich in Bewegung, genoss aber trotzdem die Ruhe und die Geräusche, die von diesem Wäldchen ausgingen. Es hatte sich anscheinend nichts verändert. Ich näherte mich immer mehr der Stadt, in der Dimions Haus stand. Ich kannte mich hier zwar nicht aus, doch wusste ich aus einem unerfindlich Grund genau, wo ich lang gehen musste. Die Straßen waren leer, fast wie ausgestorben. Doch das war mir ganz recht, wenn ich keinem Menschen begegnen musste. Ich hatte einen heiden Respekt vor ihnen, schließlich hätten einige von ihnen mich beinahe sterben lassen. Endlich kam ich an den kleinen Park, durch den man gehen musste, um zu Dimions Haus zu gelangen. Ich betrat ihn und mir war er sofort wieder vertraut. Fast wie alte Freunde kamen mir die ganzen Bäume und der kleine See in deren Mitte vor. Ich fühlte mich heimisch und wusste, das ich hier leben könnte, ohne mich zu sehr nach dem himmelreich zu sehnen. Und dann, als ich aus dem Park herausgekommen war, stand ich plötzlich wieder vor dem Haus, das ich gesucht hatte. Ich war aufgeregt und ungeduldig, als ich auf die Haustüre zuging. Ich zitterte und mein ganzer Körper schien zu glühen, während mein Magen von einem heftigen Kribbeln durchzogen wurde. Mein Finger drückte vorsichtig auf die Klingel, die auch sogleich mit einem schrillen Ton erklang. Mein Herz schlug immer schneller und schneller, es hämmerte gnadenlos in meiner Brust und machte mich nur noch nervöser. Es war eine unangenehme Situation, ich bekam Angst, das er nicht da sein könnte. Auf einmal durchfuhren mich wirre Gedanken. Was wäre, wenn er nicht auf mich gewartet hatte, was wenn er eine andere gefunden und mich schon ganz vergessen hatte. Aber vielleicht wohnte er auch nicht mehr hier, vielleicht war er weggezogen und erinnerte sich nicht mehr an sein Versprechen, das er mir gegeben hatte. Doch es könnte auch sein, das ihm etwas zugestoßen war und er nun gar nicht mehr unter den Lebenden weilte! Mir wurde bei diesen Gedanken ganz schlecht und das Kribbeln in meinem Magen wurde durch eine stechende Übelkeit abgelöst. Ich wollte mich schon umdrehen und gehen, voller Trauer und auch von Selbstvorwürfen geplagt, als ich von der anderen Seite der Tür eine Stimme hörte, die mir wohl vertraut war, auch wenn ich sie schon lange nicht mehr vernommen hatte. Und mein Herz setzte fast aus, als sich die Türe dann öffnete und ich denjenigen sah, dem diese Stimme gehörte! Ich sah in sein Gesicht und konnte es doch nicht fassen, das er es tatsächlich war. Ich zögerte keinen Augenblick mehr, sondern fiel ihm stürmisch um den Hals. "Ich konnte es kaum erwarten, dich wieder zu sehen, Dimion ..." Etwas verdutzt sah Dimion mich an, verwirrt darüber das ich hier war. Doch dann freute auch er sich und erwiderte meine Umarmung. Nach fast einer halben Ewigkeit fragte er: „So bloß, die zwei Jahre sind schon um??“ Ich sah auf und sah in seine dunkelbraunen Augen, die mich liebevoll ansahen. „Ja, sie sind endlich um ...“ Glücklich darüber hob er mein Kinn mit seiner rechten Hand an und küsste mich sanft auf die Lippen. Wie lange ich doch darauf gewartet habe!! Meine Haut schien Feuer zu fangen, mein Herz aus meinem Hals zu springen und ich in Ohnmacht zufallen. Jetzt wusste ich ganz genau, warum ich so lange gewartet hatte und dann wieder zu ihm zurückgekehrt war. Seine Liebe hatte mich zurückgerufen. Die Sonne schien mir warm auf die Beine, als sich mich neben Dimion auf die Terrasse setzte und in den Garten schaute, der sich nicht ein bisschen verändert hatte. Da waren immer noch der Kirschbaum, die Blumen, das Gras und natürlich die Vögel, Insekten und anderen kleinen Tiere. Dimion ging auf den Kirschbaum zu und steckte seine linke Hand in eine kleine Höhle, die sich im Stamm des Baumes befand. Prüfend sah ich ihm dabei zu und streckte neugierig den Hals, als er sich neben mich auf das warme Holz setzte. „Was hast du da?“ Lächelnd sah Dimion mich an und streckte mir die flache Hand entgegen und offenbarte, was er geholt hatte: Es war die Perle mit der Lebenszeit, die ich ihm vor zwei Jahren gegeben hatte. Mein Herz begann heftig zu klopfen und ich konnte das neugierige und unsichere Glitzern in Dimions Augen sehen, als er sich die leuchtende Perle besah. Doch noch ehe er sie zu seinem Mund führen konnte, hielt er inne und sah mich eindringlich an. „Und du bist dir sicher Rai, dass du dein restliches Leben mit mir verbringen willst? Ich meine, 200 Jahre sind eine lange Zeit …“ Einige Augenblicke lang konnte ich überhaupt nicht reagieren, war wie vor den Kopf gestoßen und auch etwas verunsichert. Hatte er es sich doch anders überlegt, oder traute er mir nicht mehr? Behutsam nahm ich seine freie Hand und fuhr mit den Fingern sanft über deren Haut. „Ach Dimion, wie könnte ich mir da nicht sicher sein? Ich habe dir diese Perle geschenkt, weil ich nie wieder getrennt von dir sein möchte. Und ich hoffe, dass du mein Geschenk immer noch annehmen willst …“ Nun war ich es, deren Augen Unsicherheit ausstrahlten. Einige Sekunden lang herrschte um uns eine unheimliche Stille, selbst der Wind und der ganze Garten schienen die Luft anzuhalten und auf die Antwort Dimions zu waren. Umso erleichterter war ich, als ich seine warmen Lippen auf meinen spürte und mich ein wohliges Kribbeln bis in die letzte Faser meines Körpers durchzog. Als er sich wieder von mir entfernte, sah er mich mit liebevollen Augen an. Ja, er wollte bei mir bleiben … Ohne noch einen Moment zu zögern, nahm Dimion die glühende Murmel zwischen Zeigefinger und Daumen und lies sie in seinem Mund verschwinden, keinen Augenblick später schluckte er sie auch schon herunter. Und dann … nichts. Leicht verwirrt sah ich Dimion an, der meinen Blick mit demselben Ausdruck erwiderte. Auch er hatte wohl irgendetwas Besonderes erwartet, das passieren würde. Doch das blieb aus. Schon wollte er seinen Mund zum Sprechen öffnen, als seinen Körper plötzlich ein unnatürliches Leuchten durchzog, das im Rhythmus seines Herzschlages pulsierte und immer heller wurde. Auch der Wind hatte schlagartig wieder eingesetzt und strich mir mit einigen starken Böen durchs Haar. Erschrocken wich ich ein kleines Stück von ihm zurück und beobachtete mit einem Gemisch aus Faszination und Besorgnis, was mit ihm geschah. Noch einige Atemzüge lang dauerte das eigenartige Aufglimmen seines Körpers, ehe sich das Licht in kleinen Funken von seinem Körper entfernte und in Nichts auflöste. Dann herrschte wieder friedliche Stille in dem idyllischen Garten, als wäre nie etwas derart übernatürliches geschehen. Beinah prüfend fasste sich Dimion an die Brust und sah mich danach mit undefinierbarem Blick an. „Dimion … geht es dir … gut?“, fragte ich vorsichtig und sah ihn von der Seite aus an. Kurz zögerte er, ehe er sich erhob, mich mit sich zog und sagte, während er mich in seine Arme zog: „Ich habe mich noch nie besser gefühlt …“ Voller freudiger Gefühle sah er mich an und ich konnte spüren, dass er es wirklich so meinte. Überglücklich stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Und dieser Moment hätte ewig dauern können … Kapitel 17: Erfüllung des Schicksals... --------------------------------------- K omm jetzt, lass uns gehen …“ Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen löste sich Dimion aus meiner Umarmung und sah mich auffordernd an. Amüsiert erwiderte ich sein Lächeln. Mittlerweile hatte schon die Dämmerung eingesetzt und die ersten Sterne hatten sich schon am Firmament eingefunden. Der Himmel war in die strahlendsten Farben getaucht und ein warmer, nach süßen Blüten duftender Abendwind strich durch die Bäume und lies ihre Blätter säuselnd rauschen. „In Ordnung … Und wo möchtest du gern hin?“ „Das ist mir eigentlich egal, Hauptsache ich kann bei dir sein …“, antwortete er mit einer Stimme, die mir eine wohlige Gänsehaut über den Rücken laufen lies. „Na dann komm …“ Mit einem glücklichen Lächeln nahm ich seine Hand und noch während dieser Bewegung glühten mein Anhänger und meine Augen in weißem Licht auf. Mit einem leisen Knistern schnellten meine Flügel zwischen den blauen Bändern meines Kleides aus meinem Rücken und entfalteten sich zu ihrer vollen Größe. Lächelnd sah Dimion die unterschiedlichen Schwingen an, ehe er seine Flügel erscheinen lies. Ich fand es noch immer faszinierend, da er dazu keinerlei Hilfsmittel gebrauchte, es geschah einfach so. Kleine silbrige Flammen loderten für einige Wimpernschläge auf zwischen seinen Schulterblättern, ehe sich das Silberfeuer in die ledrigen Federschwingen in glänzendem Schwarz daraus formten. „Lass uns endlich gehen …“, sagte er noch, ehe er mich fester an der Hand nahm und mich mit der nächsten Böe, die ihn erfasste, mit sich in die wohlige Abendlust mitzog. Es dauerte keine Minute, da schwebten wir auch schon hoch über seinem Haus und sahen noch einmal darauf zurück. „Was passiert nun damit?“ „Nichts, ich lass es einfach leerstehen, bis wir wieder zurück sind.“ Und noch ehe ich eine weitere Frage stellen konnte lies er meine Hand auch schon los und stieg weiter in den bunten Himmel auf. Lächelnd folgte ich ihm und schon bald hatte und der Wind von der Stadt weg in Richtung Westen und Sonnenuntergang getragen. Ein kleiner Vogelschwarm begleitete uns mit freudigem Gezwitscher. Ich hatte das Gefühl mein Herz lachen zu hören und ich hätte beinah vor Glück laut geschrieen. Nun würde alles gut werden. Ich würde bis an mein Ende mit Dimion zusammen sein, ich würde mit ihm um die ganze Welt reisen, ihm den Himmel zeigen, das Paradies Gottes, ich würde ihm meine liebe kleine Kiara vorstellen und ich würde mit ihm zusammen in das Reich der Dämonen gehen und Nira und Neo wieder sehen. Mein Herz klopfte freudig vor Glück und Vorfreude und ich wusste, dass es noch lange ein so schönes Gefühl sein würde. Und plötzlich war er da wieder, der Sprechgesang des Windes, dieselbe Melodie, tausende Frauenstimmen ineinander und eine, die besonders hervortrat. Wie vor einigen Jahren schon einmal. „Seheft e donimus … treft of pliti … lin komi es efahime … treft kosi …“ Mich durchfuhr ein unbeschreibliches Kribbeln und ich verlor beinah das Gleichgewicht in der Luft. Doch dieses Mal verstand ich die Worte auf Anhieb: „Geliebte Tochter … wir sind untrennbar… ich segne euch … wir sehen uns wieder …“ Tränen der Rührung stiegen mir in die Augen und ich hatte das Gefühl von all der Liebe, die in diesen Worten lag, zu zerspringen. „E tadi ha plu … he stami laminu … ohfami ha tschi hinus … kopli ho kluhime …“, sandte ich als stille Antwort gen Himmel und war mir sicher, das nicht nur meine Herrin Mutter, sondern auch meine kleine Kiara es hören konnten. „Ich denke immer an euch … ihr seit in meinem Herzen … nichts kann uns je trennen … ich liebe euch …“ Eine Träne, aus meiner Rührung und den überschäumenden Emotionen geboren, rann aus meinem Auge und fiel von meiner Wange gen Erde. An der Stelle, an der sie auf eine weite grüne Wiese fiel, erblühten alle Blumen und auch im weiteren Umkreis erwachten die Pflanzen zu neuem Leben. Das Licht des Mondes begann hell zu scheinen, ebenso das der Sterne. Der Abendhimmel verblasste, die Nacht brach herein. Zwei Flügelwesen schwebten durch die milde Nacht, einem ihrer vielen Ziele entgegen. Die unzähligen Sterne funkelten vom Himmel. Unter ihnen die Engel der vergangenen Zeiten. Doch ein Stern, der hellste Stern, würde erst in 200 Jahren geboren werden. Zusammen mit seinem Zwillingsstern in der anderen Himmelsrichtung. Und jeder dieser beiden großen, hell funkelnden Sterne hatte einen kleineren Begleitstern, der niemals von ihrer Seite weichen würde … Ende °~°°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~° Noch ein kleiner Kommi von mir: Das war meine aller erste Geschichte, und sie hat promt am aller längsten gedauert... *g* Ich finde es schön sie im nachhinein zu lesen, auch mit den ganzen Fehlern drin. Das zeigt mir, dass ich mich bereits weiterentwickelt habe und dazugelernt habe. Danke fürs lesen, eure May Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)