Magnetismus von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 30: Die „Vater-des-Jahres-Plakette“ ------------------------------------------- Peter blickte hinab auf seine Hände. Die Krallen wollten sich einfach nicht zurückziehen. Er bebte noch immer. Da war die Jagd gewesen, die Beute, doch nicht die Tötung. Der Werwolf hörte das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Gerade hatte Derek angerufen. Es war ein kurzes Gespräch gewesen; eine knappe Mitteilung: Der Schädel sei nicht gebrochen und es gäbe dennoch eine leichte Hirnschwellung. Stiles müsse noch eine Weile im Krankenhaus verbleiben. Eine Prognose, ob er einen dauerhaften Hirnschaden zurückbehalten würde, könne man jetzt noch nicht geben. Peter bedankte sich für die Information und legte auf, ganz so, wie ein zivilisiertes Wesen es tun würde. In Wirklichkeit jedoch war er wie im Fieber. Sein Wolf und der Mensch lagen miteinander im Kampf. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, setzte Peter sich ins Auto und fuhr weit hinaus ins Beacon Hills Resevat, zu einem Ort, wo er mit Sicherheit keinem anderen Menschen begegnen würde. Dort ließ er seinen Wagen zurück, entkleidete und verwandelte sich und dann rannte er los. Er hatte kein Ziel vor Augen. Stiles Freunde saßen immer noch mit angespannten Gesichtern im Wartebereich. Derek und Loba waren auch wieder bei ihnen. Das Kind hatte die Arme eng um den eigenen Körper geschlungen und wiegte sich selbst. Sie ließ niemanden an sich heran, wollte keinen Trost und knurrte, wenn man sie berührte. Derek hielt sich ganz in ihrer Nähe, um zu zeigen, dass er da war, doch er respektierte ihr Bedürfnis nach Rückzug, denn es war wirklich etwas, was er nachfühlen konnte. Wenn er in diesem Moment allein nach seinem Gefühl gehandelt hätte, dann wäre er jetzt bestimmt nicht hier in einem grell beleuchteten Krankenhausflur unter so vielen Menschen, sondern irgendwo da draußen in der modrigen Finsternis und würde den Mond anheulen: ein Klagelied für seinen verwundeten Gefährten! John kehrte eine Weile später ins Krankenhaus zurück, um von der Festnahme zu berichten, doch nur Derek gegenüber verriet er die Wahrheit über die Beteiligung von dessen Onkels. Die offizielle Version, die der Sheriff auch zu Bericht gegeben hatte lautete, er habe einen anonymen Tipp bekommen und dann die bewusstlosen Täter aufgefunden. Glücklicherweise waren die Aussagen der drei Schläger darüber, wer sie so zugerichtet hatte derart unglaubwürdig, dass nichts auf Peter Hale schließen ließ und schon gar niemand auf die Idee kommen würde, anzunehmen, es sei der Sheriff selbst gewesen, um Rache für seinen Sohn zu nehmen. Zwei der Kerle behaupteten allen Ernstes, ein hundegesichtiger Kerl, mit Krallen und Reißzähnen habe sie attackiert, während der dritte aussagte, es sei ein Terminator aus der Zukunft gewesen. Als man ihnen später im Krankenhaus Blut abgenommen hatte, stellte man darin verschiedene Partydrogen und eine gehörige Dosis THC fest. Johns Blick fiel auf seine Enkelin: „Was ist mit ihr?“ wollte er von Derek wissen: „Soll ich sie mit nachhause nehmen? Es ist spät! Sie sollte zu Abend essen und dann ins Bett, oder nicht?“ „Lassen wir sie noch eine Weile hier.“ Entschied Derek: „Sie bringen Stiles gleich in sein Zimmer zurück. Loba sollte ihn wenigstens noch einmal sehen.“ Zwanzig Minuten später stand das Mädchen ein weiteres Mal am Bett ihres bewusstlosen Herzensvaters, starrte ihn an und rührte sich nicht. Schließlich traf Loba eine Entscheidung: Sehr vorsichtig kletterte sie neben Stiles in das Krankenbett und streckte sich aus. Schmal wie sie war, hatte sie dort genügend Platz: „Wach auf, Daddy!“ flüsterte sie leise und schmiegte sich vorsichtig an ihn. Ein wenig mulmig war Derek schon zumute, denn er fürchtete, dass sie Stiles unabsichtlich weh tun könnte, doch er hielt sich zurück und ließ das Kind gewähren. Er und der Sheriff hielten sich im Hintergrund und nahmen auf zwei Stühlen Platz. Nach einer halben Stunde bestimmte Derek: „Sie sollte jetzt wohl wirklich gehen. Kannst du sie über Nacht zu dir nehmen, John?“ Der Sheriff nickte und versuchte nun, Loba zu überreden, ihm zu folgen. Natürlich weigerte sie sich und der Sheriff versuchte es mit Versprechungen: „Komm´ schon, kleine Maus! Wir werden Cartoons schauen und deine Lieblingspizza essen; die mit den Pilzen, ja? Bist du denn gar nicht müde? Na komm!“ bettelte er, doch das Kind weigerte sich und schließlich verlor Derek, der ohnehin schon mit den Nerven am Ende war die Geduld und er bediente sich weniger sanfter Mitteln. Er verwandelte sich und knurrte: „Hör auf mit dem Quatsch und geh´ mit deinem Großvater, verdammt!“ Loba sprang vom Bett auf, transformierte sich ihrerseits, grollte ihrem Ziehvater entgegen, bis der Sheriff dazwischenging und schimpfte: „AUS! HÖRT AUF! Was soll denn das, ihr zwei?“ Er ignorierte Reißzähne und Klauen und nahm Loba hoch: „Ist gut, Baby!“ sagte er besänftigend: „Wir kommen gleich morgen früh wieder hierher. Versprochen! Und Derek bleibt hier und wird auf Stiles aufpassen, während er schläft, in Ordnung?“ Loba sah mittlerweile wieder aus, wie ein ganz normales Mädchen. Sie blickte John Stilinski aus großen, verwundeten, kohleschwarzen Augen an. Dann nickte sie. Der Sheriff küsste seinem Sohn zum Abschied noch einmal sehr sacht die Stirn und Loba folgte seinem Beispiel. Dann tauschten sie und Derek noch einen weiteren feindseligen Blick, ehe sie sich mit ihrem Großvater auf den Weg machte. Derek ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken. `Was sollte er bloß mit Loba anstellen, wenn Stiles...also wenn er nicht mehr der Alte werden sollte?´, fragte er sich selbst. Sein Gefährte war der Kitt zwischen Derek und dem Mädchen. Obwohl auch sie ein Wolf war, verstand Stiles Loba so viel besser, als er selbst und ohne ihn hätte Derek das Mädchen ehrlicherweise gar nicht erst zu sich genommen. Derek war jedoch auch bewusst, dass Stiles es ihm niemals verzeihen würde, wenn er einfach aufgab und das Mädchen weggab, wie einen Wanderpokal. Er musste sich dem Gedanken stellen, dass er sie möglicherweise allein großziehen musste. Nackte Angst erfasste Derek und er griff unwillkürlich nach der Hand von Stiles. Peter kehrte zu seinem Wagen zurück, nahm sich ein Handtuch aus dem Kofferraum und wischte sich die blutigen Hände sauber. Ein Hirsch, ein großes, altes, prächtiges Tier hatte dran glauben müssen. Peter hatte es nicht einfach erlegt, er hatte es geopfert! Er hatte es mit Fängen und Klauen zerrissen und nun war ihm schon wieder ein klein wenig besser zumute. Er hatte vielleicht noch nicht wieder vollständig zu seiner Mitte zurückgefunden, doch er hatte immerhin auch nicht mehr dass Bedürfnis, jedes lebende Wesen auf grausame Weise zu vernichten. Er zog sich wieder an, stieg in seinen Wagen und fuhr nachhause, wo er duschte, sich frische Kleidung überzog und etwas zu essen machte. Danach wurde ihm klar, was er nun noch brauchte, um wieder vollständig runterzukommen. Er kramte nach seinem kleinen, roten Telefonbuch und begann zu blättern. Vorname, Adresse, Telefonnummer und irgendein Wort, um die Person zu beschreiben war hier vermerkt. Bei Lloyd, LEIDENSFÄHIG, blieb er hängen. Er wählte die Nummer. John und Loba hatten auf dem Heimweg die versprochene Pizza besorgt und saßen einander nun am Esstisch gegenüber. Beide starrten sie eher missmutig auf ihre Teller, nahmen hie und da einen Verlegenheitsbissen, doch es wurde deutlich, dass ihnen nicht nach essen zumute war. Irgendwann räumte der Sheriff ganz einfach die halbvollen Teller ab und machte der Qual ein Ende. Dann zogen sie um ins Wohnzimmer, um Cartoons anzuschauen. Für gewöhnlich gab es für Loba kein Halten mehr, wenn der Fernseher lief und sie starrte wie hypnotisiert hin, aber nicht heute. Stattdessen schaute sie ihren Großvater an und ihr Blick war ein einziges Fragezeichen. Ihr Anliegen indes war nicht schwer zu erraten, auch wenn dem Kind noch die sprachlichen Möglichkeiten fehlten die naheliegenden Fragen zu formulieren, wie etwa: Was zur Hölle ist hier passiert? Wird Stiles wieder gesund werden? Wieso wacht er nicht auf? Warum darf ich nicht bei ihm sein? Was wird denn nun aus mir? John wusste, dass Lobas passiver Sprachschatz weitaus größer war, als der aktive. Vieles von dem, was man ihr erklärte, konnte sie verstehen. Und so schaltete er den Fernseher aus und begann darzulegen; dass man Stiles angegriffen hatte, dass die Verantwortlichen nun im Gefängnis wären, dass man Stiles im Krankenhaus Medizin gegeben hatte, damit er schlief und er dadurch leichter gesund werden konnte. Aber er erklärte ihr auch die schweren Dinge, wie dass sie nicht wussten, wie lange Stiles noch schlafen musste und dass er vielleicht zu schwer verletzt wäre, um wieder so wie vorher zu werden. Loba lauschte aufmerksam und daran, dass sie zu weinen begann, konnte John sehen, dass das Mädchen sehr wohl begriffen hatte, was er sagte. Und schließlich weinten sie beide und hielten und trösteten sich gegenseitig. Einmal mehr staunte der Sheriff über dieses eigenartige kleine Mädchen, dass doch eigentlich hart und hasserfüllt sein müsste, nach allem, was es bereits erlebt hatte und in Wirklichkeit doch so sensibel und freundlich war und in diesem Moment fasste er einen Entschluss: Ganz gleich, was mit Stiles werden würde, dieses Kind würde seine Enkelin bleiben; ein Teil seiner Familie! Er würde immer für sie da sein, weil es andernfalls nichts Gutes; keine Gerechtigkeit, nichts, woran man glauben konnte mehr in dieser Welt gab. Und noch etwas wurde ihm klar: Auch wenn er sie erst so kurz kannte, er hatte sie bereits jetzt schon lieb, denn er konnte gar nicht anders! „Komm´ schon, Spätzchen!“ sagte er nun: „Es wird Zeit, dass du schlafen gehst!“ Er nahm sie bei der Hand, führte sie ins Bad und wollte ihr beim Zähneputzen helfen, stellte jedoch fest, dass sie das, mit Sicherheit durch die eifrige Unterstützung seines Sohnes, mittlerweile schon sehr gut allein beherrschte. Dann legte sich das Mädchen in Stiles Bett und der Sheriff nahm neben ihr Platz, um ihr ein paar Bilderbücher vorzulesen. Eines davon war „Die schöne und das Biest“ und als John auf das Bild des Biestes deutete, welches hier groß, düster und mit buschigen Augenbrauen dargestellt war und fragte: „Schau mal Mäuschen! Sieht das nicht genauso aus, wie dein Daddy Derek?“ brachte er sie mit diesem Vergleich sogar ein klein wenig zum Lachen. John ließ die kleine Nachttischlampe brennen, küsste Loba auf die Stirn und ging dann wieder hinunter. Er setzte sich an den Küchentisch und lauschte der Stille im Haus. Und dann tat er etwas, von dem er wusste, dass Stiles es hassen würde: Er holte eine Flasche Whiskey und ein Glas hervor und begann zu trinken, während er die düsteren Gedanken in seinem Hirn von der Leine ließ. Er dachte an Claudia. Sie war seine große Liebe gewesen. Vom ersten Moment an hatte John gewusst, dass sie beide dazu bestimmt wären, miteinander alt zu werden. Und dann hatten sie geheiratet und sie war schwanger geworden. Ihn selbst hatte man zum Sheriff befördert und damit war alles absolut vollkommen gewesen! Aber dann war Claudia aus der Mitte ihres gemeinsamen Lebens einfach herausgerissen worden. Es hatte mit Vergesslichkeit angefangen und sie hatten sich zunächst noch nicht viel dabei gedacht, hatten Stress dafür verantwortlich gemacht. Dann waren sie irgendwann doch noch zum Arzt gegangen und zu noch einem und noch einem und noch einem, hatten nach einer Ewigkeit endlich eine Diagnose erhalten, doch ab da war es dann auch bereits ganz schnell gegangen. Zuletzt war Claudia kaum noch sie selbst gewesen und ein halbes Jahr später war sie einfach nicht mehr da. Doch auf diesem Weg John hatte nicht mit ihr gehen dürfen, denn er trug ja nun die Verantwortung für Stiles ganz allein. Und jetzt schien die Geschichte sich in gewisser Weise zu wiederholen. Stiles hatte doch gerade erst damit angefangen, glücklich zu sein und ausgeglichener und ruhiger zu werden, als sein Vater ihn je erlebt hatte. Sein Sohn war verliebt und er war glücklich! Und auf einem verrückten Weg war Stiles sogar selbst zu einem Vater geworden. Dies war zwar sicher nicht das Leben, dass John sich einst für Stiles ausgemalt hatte, doch er war klug genug, um zu wissen, dass es dennoch gut und richtig war. Dann kamen drei gelangweilte, hasserfüllte Wichte vorbei, um all´ dies mit Fäusten und schweren Stiefeln zu zerstören! John nahm einen weiteren zornigen Zug aus seinem Glas. Und wieder war da ein Kind, dass zurückblieb. Als Peter Hale angeboten hatte, diese Schläger zu töten und die Leichen verschwinden zu lassen; wie gern hätte John da einfach seinen niederen Instinkten nachgegeben. Doch das er hatte nicht und nun bestand eine gute Chance, dass ein milder kalifornischer Richter diese drei Unmenschen mit Sozialstunden davonkommen ließe. Und Stiles, sein hochintelligenter, wunderbarer Junge würde sein Leben möglicherweise von jetzt an als ein Stück Gemüse fristen. John schüttete grimmig sein drittes Glas in einem Zug herunter. Doch dann geschah etwas Eigenartiges: Plötzlich sah der Sheriff vor seinem geistigen Auge in unwahrscheinlich großer Klarheit seinen Sohn, welcher ihm die Flasche wegnahm und sie wieder in der Hausbar verstaute. Und weil Stiles nun einmal gerade nicht hier war, um genau dies für ihn zu tun, erledigte John es selbst! Er stieg nun die Treppen wieder hinauf, verschwand kurz im Bad und legte sich ins Bett. Hier blieb er jedoch nicht lange allein, denn das Patschen nackter Füße auf dem Parkettboden verriet ihm, dass Loba zu ihm gekommen war. So war es auch nach Claudias Tod gewesen. Nacht für Nacht war Stiles zu ihm ins Schlafzimmer gekommen und John hatte dann seine Decke angehoben und sein Sohn war neben ihn gekrochen, denn sie hatten beide die Gesellschaft des jeweils Anderen gebraucht. Und heute machte er es wieder ganz genau so; er schlug die Decke beiseite und Loba legte sich zu ihm. Dann nahm er das magere, kleine Ding in seine Arme und schlief ein. Loba selbst fand zwar keinen Schlaf, doch es war allemal besser, liebevoll gehalten zu werden, während sie wachlag, als allein zu sein. Scott und Stiles hatten eigentlich vorgehabt, während der Sommerpause, die zwischen Schule und College lag, ein paar Tage zu verreisen und auf den Putz zu hauen. Kira und Derek hätten sie zuhause gelassen, denn dieser Trip hatte nur für sie beide sein sollen, weil es das schon so lange nicht mehr gegeben hatte: heilige, unbeschwerte Bro-Zeit! Es sollte ein letzter kleiner, kindischer Roadtrip werden sollen. Ein Abenteuer! Vielleicht ein kleiner Abstecher nach San Francisco, bei Scotts Dad reinschauen und anschließend irgendwo Marihuana herbekommen und dann nachts am Strand aromatischen Rauch in die Luft blasen (das natürlich OHNE seinen Dad, den FBI-Beamten!), obwohl vermutlich nur einer von ihnen beiden die berauschende Wirkung hätte genießen können. Stiles hatte gewitzelt, dass sie für Scott stattdessen vielleicht ersatzweise Katzenminze hätten nehmen können, denn was die Katze berauschte, wirkte ja vielleicht auch bei einem Werwolf. Scott hatte anstandshalber ein ganz kleines bisschen darüber gelacht. Doch jetzt würden nichts von alledem tun! Stattdessen lag Stiles in diesem verdammten Krankenhausbett und war noch blasser als gewöhnlich. Scott hatte lange mit seiner Mom gesprochen und sie hatte versucht, ihm schonend beizubringen, dass diese College-Sache, die vor ihm lag, möglicherweise ein Solo-Flug für ihn werden würde, weil Stiles dazu vielleicht nicht mehr in der Lage wäre. Verdammt! Wozu war man denn ein mächtiger Alpha, wenn man nicht einmal seinen besten Freund vor ein paar Schlägertypen beschützen konnte. In seinem Kopf hatten sich seine Gedanken schon hunderte von Malen um diesen einen verdammten Tag gedreht, an welchem Stiles verletzt worden war. Wäre er doch bloß ein paar Minuten früher dagewesen und hätte nicht wie immer getrödelt. Hätte Derek doch bloß gemeinsam mit Stiles auf ihn gewartet. Aber andererseits war es doch mitten am Tag geschehen? An einem öffentlichen Ort? Das alles war so vollkommen sinnlos! Aber es gab doch die EINE Sache, die ein Alpha tun konnte, falls Stiles Zustand sich nicht verbessern würde und die würde er, wenn nötig auch tun. Und er würde weder Sheriff Stilinski noch Derek hierfür um Erlaubnis bitten. Er hoffte, Stiles würde ihm vergeben. In all´ den Jahren hatte sein bester Freund nie um den Biss gebeten und als Peter ihm dieses, in seinem Fall zugegebenermaßen sehr fragwürdiges Angebot gemacht hatte, hatte Stiles es ausgeschlagen. Doch wenn die Optionen waren, entweder für den Rest seines Lebens dahinzuvegetieren oder ein Werwolf zu werden, so hoffte Scott, Stiles würde sich für die zweite Variante entscheiden. Aber vielleicht schaffte sein Freund es ja auch ohne seine Hilfe. Immerhin war er verdammt zäh! Man musste es abwarten. Doch Geduld gehörte nicht zu Scotts Stärken. Das war etwas, worin sein bester Freund und er sich ähnelten. Mitten in Scotts Gedanken hinein öffnete sich plötzlich die Tür des Krankenzimmers und Derek kam herein. Der war inzwischen zuhause gewesen um zu duschen, sich zu rasieren, wenigstens noch eine Stunde zu schlafen und dann zurückzukehren, während Scott hier die Stellung gehalten hatte: „Danke, dass du bei ihm geblieben bist.“ murmelte Stiles Partner und zog sich einen der Stühle ans Bett. Er nahm eine von Stiles Händen in seine und teilte dem Bewusstlosen mit: „Ich bin wieder da, mein Liebling! Tut mir leid, dass ich weg musste.“ Dann führte er die Hand zu seinen Lippen und fügte hinzu: „Ich liebe dich, Kleiner!“ Scott beobachtete das Schauspiel und schluckte. Er hatte plötzlich das Gefühl, sich zurückziehen und die zwei allein lassen zu sollen, jedoch nicht ohne vorher dem, ihm eigenen, übergroßen Bedürfnis nach körperlicher Nähe nachzugeben. Erst war der komatöse Stiles an der Reihe. Scott legte einen Arm um ihn, rieb seine Wange an der seines Bruders und flüsterte: „Komm´ zurück zu uns, O.K.? Ich schaff´ das hier nicht ohne dich!“ Mit einem kurzen Blick auf Derek fügte er hinzu: „Und der Große braucht dich auch!“ Dann war Derek an der Reihe und dieser ertrug die Umarmung seines Alpha mit bewundernswerter Haltung und ohne allzu großes Knurren und Murren. Scott war fort, doch Derek blieb mit Stiles nicht lange allein, denn eine halbe Stunde später kam John mit Loba ins Krankenhaus, damit sie, wie versprochen Stiles wiedersehen konnte: „Ich muss bald zum Dienst! Eure Tochter hat in der Nacht nicht wirklich geschlafen.“ gab der Sheriff bekannt: „Willst du herumtelefonieren und sehen, ob du einen Babysitter für Loba findest? Aber bitte nicht deinen Onkel, denn nachdem ich ihn gesehen habe, wie er diese Kerle zerfleischen wollte, habe ich kein gutes Gefühl mehr dabei, ihn mit dem Mädchen allein zu lassen. Ich kann sie zur Not auch mit auf´s Revier nehmen. Die Frage ist nur, was ich mit ihr mache, wenn wir einen Einsatz haben?“ John antwortete auf seine eigene Frage: „Na ja, es wird sich schon etwas finden. Mit Stiles musste ich es oft auch so machen, als er noch klein war. Dann wird halt mal ein Kollege einen Moment auf sie aufpassen“ Der Gedanke, die Verantwortung für das Mädchen einfach einem Anderen auf´s Auge zu drücken war reizvoll, doch Derek hatte eine Entscheidung getroffen: Er würde dieses Mädchen aufziehen, gleichgültig, ob er es mit oder ohne Stiles tun würde und so sagte er seufzend: „Loba bleibt bei mir!“ John Stlinski blickte seinen Beinahe-Schwiegersohn zweifelnd an und darum versicherte Derek: „Ich bekomme das hin und ich schwöre, ich werde sie nicht wieder anbrüllen, so wie gestern. Ich werde schon lernen, mit ihr umzugehen. Ich muss!“ Loba küsste den schlafenden Stiles auf die Stirn und nahm dann in einem Stuhl auf der gegenüberliegenden Bettseite Platz, von wo aus sie Derek finster anstarrte. Kein Zweifel, dass sie ihm immer noch böse war, wegen des kleinen, wölfischen Machtkampfes, welchen sie beide gestern hier im Krankenzimmer ausgetragen hatten: „Entschuldige, kleine Maus! Ich hatte kein recht, dich so anzubrüllen.“ murmelte Derek und fand dies selbst ziemlich großzügig von sich, doch was tat Loba? Sie knurrte ihn leise an und erwiderte: „Böser Daddy!“ Also gut; die Kunst der Vergebung musste seine Tochter offensichtlich erst noch erlernen. Derek zählte innerlich bis zehn und strafte das Mädchen lediglich mit gezieltem Augenbraueneinsatz: „Ich sollte wohl lieber noch einen Augenblick hierbleiben?“ fragte der Sheriff vorsichtig. Derek schüttelte den Kopf: „Danke John, aber wir zwei schaffen das!“ Und leise fügte er hinzu: „Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben!“ Sheriff Stilinski streichelte seinem Sohn die Wange, küsste seine Enkelin auf den Scheitel und dann bot er Derek eine Umarmung an, von der er sicher war, dass dieser sie ausschlagen würde, doch das tat er nicht. Im Gegenteil! Derek Hele erhob sich eigens dafür und ließ sich in die väterliche Umfassung fallen, ohne offensichtlich die Absicht zu haben, diese allzu bald wieder zu beenden. Derek musste sich wohl unglaublich verloren fühlen, wenn er dies zuließ, dachte John bei sich. Er blickte Derek noch einen Augenblick lang prüfend an. Dann nickte er und verabschiedete sich. Den halben Vormittag lang schauten sich Derek und Loba über Stiles bewusstlosen Körper hinweg eisig an, bis dem Mädchen irgendwann die Augen zufielen und sie von ihrem Stuhl zu fallen drohte. Da endlich erhob sich Derek, ging um das Bett herum und öffnete seine Arme: „Komm´ schon Süße! Komm´ zu Daddy, damit du ein bisschen schlafen kannst, ja?“ Loba schaute ihn misstrauisch an, doch Derek blieb hartnäckig stehen, wie er war und hielt die Einladung aufrecht, bis Loba schließlich ein großmütiges Einsehen hatte. Ob sie Derek tatsächlich vergeben hatte, oder einfach bloß so müde war, dass es ihr egal war, ließ sie offen. Derek wertete es so oder so als einen guten Anfang, hob das Mädchen hoch, setzte sich mit ihr wieder hin und legte die Arme so um sie, so dass sie es bequem hatte: „Ich hab´ dich lieb, du dummes kleines Wölfchen. Weißt du das denn gar nicht?“ Schalt er sie zärtlich und küsste ihr auf die Stirn. Anstatt einer verbalen Antwort, die nun einmal nicht Lobas Stärke waren, kuschelte sie ihr Gesicht in Dereks Brust und schlang nun ihrerseits die Arme um ihren großen, grimmigen, emotional verstockten Ziehvater. Wenig später schlief sie. Es war auf die Dauer sogar für Derek als Werwolf anstrengend, eine schlafende Zwölfjährige zu halten, aber es war auch noch etwas anderes; nämlich schön! Ihr Körper war warm, ihre regelmäßige Atmung und der ruhige Herzschlag wirkten wohltuend und das Vertrauen, dass darin zum Ausdruck kam, dass sie so fest schlafen konnte, obwohl ihr einziger Halt die Arme eines Anderen; nämlich seine Arme waren, berührte Derek ganz eigenartig. Die nächsten beiden Tage vergingen mit einer Unzahl an Untersuchungen, die am bewusstlosen Stiles vorgenommen wurden und am Abend des zweiten Tages war das ganze Rudel, einschließlich John und Peter im Krankenhaus eingetroffen und Melissa versammelte sie alle um sich, um ihnen die Ergebnisse mitzuteilen. Man wolle Stiles Medikamente absetzen, da die Hirnschwellung bereits zurückgegangen sei, verkündete sie. Dies würde allerdings nicht bedeuten, dass er sofort aufwachen werde, weil man die Medikation ausschleichen müsse. Beim Erwachen werde Stiles zunächst desorientiert sein und sich vielleicht auch nur bruchstückhaft an sein Leben erinnern. Die Erinnerungen sollten früher oder später wieder zu ihm zurückkehren. Seine Freunde könnten ihn darin unterstützen, indem sie mit ihm sprachen oder ihn mit vertrauten Gegenständen, Klängen, Gerüchen und dergleichen umgaben. Langzeitschäden seien leider nicht völlig auszuschließen, wie etwa ein geschwächtes Immunsystem, oder lebenslange Kopfschmerzen, doch das sei sehr unwahrscheinlich, da das künstliche Koma nur so kurze Zeit bestanden habe und Stiles noch so ein junger Mensch sei. Als sie in die betretenen Gesichter von Stiles Freunden und Familie blickte, fügte Melissa lächelnd hinzu: „Leute! Das sind im Großen und Ganzen wirklich gute Neuigkeiten. Als ich Stiles gesehen habe, als sie ihn hier einlieferten, habe ich das Schlimmste angenommen! Aber wir werden ihn wiederbekommen und wenn wir Glück haben, bleibt diese Sache ohne größere Folgen für ihn!“ Sie atmete tief durch und fügte an: „Zumindest in körperlicher Hinsicht. Was diese Sache auf psychischer Ebene angerichtet haben mag, werden wir abwarten müssen.“ „Wie lange kann es dauern, bis Stiles aufwacht?“ wollte nun Derek wissen. Melissa zuckte mit den Schultern: „Das kann ich nicht sagen. Tage? Vielleicht Wochen!“ Derek schluckte: „Verstehe!“ murmelte er. In den folgenden zweieinhalb Wochen wichen Derek und Loba tagsüber nicht von Stiles Bettseite, berührten ihn, sprachen mit ihm, spielten seine Lieblingsmusik, taten alles, was möglicherweise helfen konnte, Stiles schneller zu ihnen zurückzuholen. Am Abend kehrten sie dann in Dereks Apartment zurück und jemand anderes übernahm die `Nachtschicht´ in Stiles Krankenzimmer. Meist waren es Scott und der Sheriff. In diesen Wochen lernte Derek eine ganze Menge neues über seine Ziehtochter. Es reichte vielleicht noch nicht, um sich selbst die `Vater-des-Jahres-Plakette´zu verlieren, aber er wusste nun, dass sie ihre Schokomilch beinahe schwarz und zuckersüß mochte, dass sie mittlerweile so unverschämt gut mit den Controllern von Stiles Spielekonsole umgehen konnte, dass sie Derek auch noch mit verbundenen Augen schlagen würde und er hatte gelernt, dass der rote Rollkragenpullover niemals, unter gar keinen Umständen zu ihrer grünen Cordhose getragen wurde. Nachts schliefen sie in einem Bett und Derek stand jetzt schon der Schweiß auf der Stirn, wenn er an die Strafpredigt dachte, die Stiles ihm sicherlich halten würde, wenn das Mädchen sich später weigern würde, wieder im eigenen Bett zu liegen. Aber dies hier war eine Ausnahmesituation, richtig? Da konnte man doch wohl nicht von Loba verlangen, dass sie sich des nachts fürchtete, oder? ODER? Am siebzehnten Tag um die Mittagszeit war es dann endlich so weit. Loba hielt in ihrem Stuhl ein kleines Nickerchen und Derek blätterte in einer Zeitschrift, als er plötzlich Stiles kratzige Stimme vernahm: „Du bist Derek Hale!“ Stellte Stiles fest: „Du bist ein paar Jahre älter als ich...deine Familie...vor zehn Jahren...! Du...du bist zurück in Beacon Hills? Was machst du hier im Krankenhaus? Was mache ICH hier im Krankenhaus?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)