Auf Regen folgt Sonnenschein von KiraNear (Path of Amy) ================================================================================ Kapitel 1: Auf Regen folgt Sonnenschein --------------------------------------- Müde schob er seinen widerwilligen Körper aus dem gemütlichen Bett hinaus. Die Nacht war seiner Meinung nach viel zu schnell vergangen, nur zu gerne hätte er sich auf die andere Seite umgedreht, in die Decke gekuschelt und noch zwei weitere Stunden geschlafen. Dennoch gab es eine Menge Pflichten, die er an diesem Tag zu erfüllen hatte. Die Herbstzeit hatte erst vor wenigen Tagen begonnen, was für ihn bedeutete, dass viele Menschen die sinkenden Temperaturen ein weiteres Mal unterschätzen werden. Noch mit dem Kopf im warmen August, kleideten sie sich in viel zu sommerlichen Kleidungen und werden daraufhin mit Erkältungen und Grippalen Effekten bestraft. Das Wartezimmer wird wieder gefüllter sein, mit schniefenden und hustenden Menschen, die seinen Rat und seine Medikament-Rezepte für die Apotheke benötigten. Auch hatte er noch eine ganz andere Aufgabe, der er sich voll und ganz widmen musste. Seine kleine Tochter, mittlerweile zwei ganze Jahre alt, war sein ganzer Stolz, aber auch seine Sorgen. Kurz nach ihrer Geburt hatte Mary den zu starken Blutverlust nicht überlebt, und John konnte nicht aufhören, sich Vorwürfe deswegen zu machen. Auch, wenn ihm bewusst war, dass er absolut keine Erfahrungen in der Gynäkologe hatte. Er hatte Schusswunden versorgt, Amputationen vorgenommen, Entzündungen behandelt und sterbenden Soldaten einen friedlichen Tod gegeben. Doch das Wunder der Geburt blieb für ihn ihm Neuland. Er hatte sich die detaillierten Aufzeichnungen der zuständigen Hebamme durch gelesen und kam zu dem Schluss, dass kein Fehler auf Seiten des Geburtshauses oder der hinzugezogenen Notärzte vorlag. Sie alle hatten getan, was in ihrer Macht stand und doch waren sie machtlos. Knappe 12 Stunden später hatte Marys Herz aufgehört zu schlagen, sie hatte gekämpft und war am Ende zu schwach. Die Nachricht hatte sie alle zutiefst erschüttert, und hätte John nicht den Zusammenhalt seiner Umgebung gehabt, wäre er an ihrem Tod zerbrochen. Wie zu dem Zeitpunkt, als er Sherlock vom Dach des Gebäudes springen sah. Mary dagegen war fast friedlich im künstlichen Koma von ihm gegangen, wenn man von ihren inneren Kämpfen und dem Bemühen der Ärzte absah. Auch half es ihm, zu wissen, dass es wenigstens seiner Tochter gut ging, sie hatte die Geburt ohne Komplikationen überstanden. Laut der Notizen der Hebamme konnte Mary ihr gemeinsames Kind noch in die Arme nehmen, bevor sie in Ohnmacht fiel. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass es ihr noch gegönnt gewesen war, ihre Tochter für wenige Minuten kennenzulernen, sie zu sehen und ihre kräftige, gesunde Stimme zu hören.   Für eben diese Tochter musste er nun stark sein, sich nicht den Schatten der tiefen Trauer hingeben. Amy hatte nur noch ihn, und er schwor sich, ihr Leben so schön wie möglich zu gestalten. Sie sollte nicht unter der Tatsache, dass sie als Halbwaise heranwächst, leiden. Zu seinem Glück hatte er dabei die Unterstützung seines Arbeitgebers, der ihm für die ersten Jahre eine dreiviertel Anstellung angeboten hatte. So konnte er genug Geld für sie beide verdienen und Zeit mit ihr verbringen. Jeden Tag sah er, wie sie heranwuchs, etwas neues lernte und zu ihm als Vorbild aufsah. Unterstützt wurde er dabei von Mrs. Hudson, und, wenn sie gerade keine Zeit dafür hatte, einem jungen Jura-Student, der für ein paar Stunden auf Amy aufpasste und sich mit ihr beschäftigte. Das alles änderte nichts an der Tatsache, dass ihm jetzt, zwei Jahre später, das Einschlafen schwer fiel. Nur mit Mühe konnte er sich dazu durchringen, Amy in ihrem eigenen Brettchen schlafen zu lassen, um Nachts nicht vollkommen alleine zu sein. Für ein paar Jahre hatte er mit Mary jede Nacht das Bett geteilt, nun war das Bett an dieser Stelle vollkommen leer. Auch konnte er nichts gegen die Einsamkeit in seinem Herzen unternehmen, Tabletten wollte er seiner Tochter zuliebe nicht zu sich nehmen. Einzig die Zeit, die er mit ihr oder mit Sherlock Holmes verbrachte, kamen ihm wie die besten Stunden seines Lebens vor. Sherlock, der beste Detektiv aller Zeiten und auch oft der asozialste Mensch der Welt. Dennoch konnte John nicht genug von den Abenteuern mit ihm bekommen, den seltsamen Fällen und natürlich auch vom Detektiv selbst nicht. Das war das einzig richtig Positive, dass er Marys Tod abgewinnen konnte: Seitdem waren sie sich noch näher genommen, und verstanden sich blind. Auch fühlte er sich in seiner Gegenwart immer wohler, verbrachte gerne seine Zeit mit ihm. Sherlock hatte ihn nach seinem Besuch, der schließlich mit einer Reise zu einem Tatort endete, des Öfteren angeboten, wieder mit ihm zusammen zu ziehen. Auch seine Tochter wäre in der 221B willkommen. Obwohl Sherlock Kinder nicht sonderlich mochte, schien er an Amy einen Narren gefressen zu habe. Was für John von Vorteil war, denn er hätte sich nur ungern zwischen ihnen entscheiden müssen. Jedoch gab es auch lange Wochen, in denen sie sich nicht sehen konnten. Wochen, in welchen die Einschlafprobleme zurückkehrten und selbst das Schlafmittel erst nach einer kurzen Zeit wirkte. An Morgen wie diesen fühlte er sich erschöpft, doch seinen Alltag interessierte es herzlich wenig. Ebenso das kleine Loch in Amys Magen oder all die kranken Patienten, die dringend bis sehr dringend eine Behandlung benötigten.   So zog er sich um, mit einem dunklen Hemd, das zum trüben Morgenwetter passte. Anschließend ging er ins Zimmer nebenan, Amy hatte sich bereits an ihrem Bettchen aufgerichtet und strahlte ihn aus vollem Herzen an. John erwiderte das Lächeln. "Guten Morgen, kleine Prinzessin", sagte er sanft, seine Worte brachten sie zum Glucksen. "Papa muss heute wieder in die Arbeit gehen, aber Amaniel wird wieder auf dich aufpassen. Du weißt doch, dieser nette junge Mann, der öfter zu uns gekommen ist." Amy strahlte immer noch und John konnte nicht sagen, ob es an ihrer Vorfreude lag oder ob ihr einfach nur der Klang seiner Stimme gefiel. Lächelnd hob er sie hoch und nahm sie mit in die Küche, wo er für sie beide das Frühstück zubereitete. Kurze Zeit später klingelte Amaniel an der Tür, beriet und pünktlich wie immer. Er war einer dieser Menschen, die einen chaotischen Eindruck machten und nach denen man trotzdem die Uhren stellen konnte. Mit ihm kam die Morgenpost in die Wohnung, die meisten von ihnen waren offene Rechnungen, die John noch bezahlen musste. Dazu eine Post hatte mit einem altmodischen Teddybär als Motiv und ein dicker Brief seines Vermieters. Normal öffnete John seine Post erst am Abend, wenn er aus der Arbeit zurückkam. Da er jedoch aufgrund einer Chef-Konferenz erst zwei Stunden später zur Arbeit musste, nahm er sich nun die Zeit dazu. Dazu sah der Briefumschlag zu ernst, zu wichtig aus. Mit einem Kloß im Hals öffnete er den Umschlag, heraus kam ein mehrseitiger Brief, in welchem ihm sein Vermieter auf eine sehr ausführliche Weise erklärte, dass er die Miete im gesamten Wohnblock erhöhen müsste, auch wurde John an die zwei letzten offenen Monatsmieten erinnert, die noch ausgeglichen werden müssen. "Haben Sie Probleme, Mr. Watson?", fragte Amaniel vorsichtig  nach. " Also, ich möchte mich ja nicht zu sehr in ihr Privatleben einmischen, aber geht es um ihre Miete?" Verwirrt sah John den jungen Studenten an, woher wusste er das? "Nein, ich durchwühle nicht Ihre Post, der Postbote kam zufällig vorbei und hat sie mir gleich in die Hand gedrückt. Er wusste offenbar, dass ich zu Ihnen gehe. Da war ein Mann, der sagte, dass Sie ihm sehr gut kennen würden und hat mir die Karte gegeben. Er meinte, dass sie jetzt noch mehr Schwierigkeiten mit der Mietzahlung bekommen und meinte, er könnte ihnen helfen." John verstand im ersten Moment nichts, dann ging ihm ein Licht auf und er drehte die Karte um. Erst jetzt sah er, dass sie weder frankiert war, noch irgendeinen Stempel der Royal Mail auf sich trug. Er las den Text, der nur eine schriftliche Version von dem war, was Amaniel ihm erzählt hatte.   Das Lächeln auf seinen Lippen fiel ihm schwer, er würde wohl nie damit aufhören, für Sherlock Holmes durchschaubar zu sein. Natürlich musste der Detektiv nur eins und eins zusammen rechnen, um sich ein Bild von Johns Situation zu machen. Seufzend sah er zwischen Brief und Postkarte hin und her, er musste eine Entscheidung treffen. Eine, die Sherlock bereits vorher gesehen hatte. "Amaniel, ich muss gehen, am besten sofort. Ich habe noch ein wenig Zeit, bevor ich in die Praxis muss und möchte vorher noch etwas wichtiges erledigen ..." Neugierig sah Amaniel seinen Geldgeber an: "Gehen Sie zu ihm hin, zu diesem Freund? Wird er Ihnen helfen? Ist das dieser Detektiv, den sie damals besucht haben? Ich habe lange auf Sie gewartet und am Ende kamen Sie in einem Polizeiauto zurück." John nickte und er fühlte sich so entschlossen wie schon lange nicht mehr. "Ja, und es war für ihn nur eine Frage der Zeit, bis ich seine Hilfe annehmen würde." Er gab seiner Tochter einen kleinen Kuss auf die Stirn, bevor er die beiden alleine ließ. Amy winkte ihm unbeholfen hinterher, sie verstand nichts von dem, was um sie herum gerade passiert war. Aber sie spürte, dass ihrem Vater etwas Gutes passiert war und wie glücklich es ihn gemacht hatte. Sie begann zu lächeln und freute sich auch über Amaniels Anwesenheit. Denn das bedeutete, sie würden wieder ihr Lieblingsspiel spielen: Tempo kleine Schnecke. Hastig, mit unsicheren Bewegungen schob sie sich das Essen in den Mund. Amaniel beobachtete dies belustigt und machte sich auf der Suche nach dem Brettspiel.   Mit eiligen Schritten ging in die Richtung, die ihn in die Baker Street führte. Gleichzeitig versuchte er, den Detektiv am Handy zu erreichen, als sein Blick auf eine Gestalt auf der anderen Straßenseite fiel. Diese kam mit federnden Schritten auf ihn zu, und lächelte ihn spitzbübisch an. "Ich wusste, dass dieser Tag kommen wird, John, es musste nur noch dein Starrsinn überwunden werden. Und nein, mit der Erhöhung der Miete habe ich nichts am Hut, eher der neue Besitzer des kompletten Viertels ..." John wirkte noch vollständig überzeugt, doch ihm blieb nichts anderes übrig. "Jedenfalls freue ich mich, euch beide in der Baker Street willkommen zu heißen. Ja, deine Tochter muss auch mit, an anderen Orten würde ihr Verstand nur verkümmern und das wäre eine echte Schande." "Danke für das ... Kompliment, Sherlock", sagte John, bevor er davon überzeugte, dass er keine Hirngespinste vor sich sah. " Na dann, gehen wir, John? Wir wollen die arme Mrs. Hudson doch nicht warten lassen. Sie denkt sonst noch, du hättest mich erschossen oder derartiges." Das brachte John zum Schmunzeln, wie schon lange nicht mehr in den letzten Wochen und begleitete den Detektiv in die Baker Street, zu seinem ehemaligen und bald auch wieder zukünftigen Zuhause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)