„A quaint Dream“ von Gosick (Beginn) ================================================================================ Kapitel 24: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Schmerz ----------------------------------------------------- Dutzende Blicke belasteten ihn. Jeder schlimmer als der Nächste. Wie konnte die ganze Sache nur ein solches Ausmaß annehmen? Und war alles wirklich seine Schuld? Unmöglich! Nein, doch möglich! In ihm meldete sich eine undefinierbare Stimme, die eines ausgewachsenen Mannes. Erst eher kleinlaut, dann jedoch bestimmend flüsterte sie dem jetzt wohl völlig verrückten Genin zu. 'Sie waren deine Freunde, na und? Es gibt haufenweise davon. Dann bist du halt Schuld, wen juckts. Zwei schwächliche Ninjas weniger eben. Steh auf und geh. Such nach ihnen, den Teilen. Such sie! Das hat oberste Priorität... Kanba verdeckte beidseitig die Ohren, was jedoch wenig brachte, da diese merkwürdige Stimme aus seinem Inneren kam. Schnappte er wirklich total über? Wem gehörte die Stimme? Ihm selbst? Wollte er seine eigene Schuld unterbewusst abwälzen? Ihm kam Momoka-Senseis strenger Blick vor Augen und sofort Begriff der Junge. Wütend schlug er mit der Faust auf den pitschnassen verschlammten Boden, sodass die vielen Dreckspritzer seine gesamte durchnässte weiße Krankenhauskleidung übersäten bis hin zum verzweifelten Gesicht. Der regendurchströmte Friedhof passte zu seiner derzeitigen Lage sehr gut. Unaufhörlich hämmerte Kanba seine Faust in den Halbschlamm, sodass am Ende beinahe sein ganzes Gesicht davon trifte. „Hör auf! Hör auf! Hör auf!!! Es ist meine Schuld! Meine Schuld! Sie waren tolle Ninjas gewesen! Ich muss dafür gerade stehen, egal was passiert! Ich werde nicht flüchten! Niemals!“ Durchgehend bohrte die Stimme nach. Wiederholte ihre Sätze, bis Kanba einen anderen Schmerz spürte. Körperlichen Schmerz. Von allen Seiten dreschten nun einige Familienmitglieder der Verstorbenen auf den am Boden kauernden Genin ein, der keine Chance auf Abwehr bekam. „Du bist Schuld! Du allein!“ „Genau! Denkst du wir verzeihen dir, weil du hier rumheulst?! Nimm das!“ Es schmerzte. Es schmerzte so sehr. Ihre Worte schmerzten mehr als jeder Tritt von ihnen. Der Schmerz saß so tief in ihm drin. Wenn das alles ein Traum wäre, wäre der Schmerz nicht so groß. Das alles war echt! Jeder Tritt, jede Beule. Ihm tat alles weh, von der Seele bis zum Körper. Von einem Moment zum Anderen brannte sein rechter Arm lichterloh, weshalb Kanba kurz schrie. „Wie fühlt sich das an, häh?! Leide wie er, du Nichtsnutz!“ Irgendeiner der wütenden Familienmitglieder hatte wohl die Beherrschung verloren und ihn mit einer Ninja-Technik angegriffen. Sofort zerrten die übrigen Gäste ihre Artgenossen von dem Opfer, da selbst das zu weit ging und aufgeregte Diskussionen folgten. Währenddessen löschte Kanba den entflammten Arm unter Schmerzen, wobei ihm der Regen sehr recht kam. Danach gaben alle wieder böse Blicke ab, aber fortführende Gewalt blieb glücklicherweise aus. Tränen hatte der verletzte Junge sowieso keine mehr übrig, wofür auch. Schwer angeschlagen humpelte er von dannen, seine Nerven blank und der Kopf wie leergefegt. Niemand mochte ihn mehr und das alles war so real wie der Schmerz, der ihn durchfuhr. Unscheinbar entdeckte sein vom blauen Auge verzogen er Blick eine Gestalt auf eines der hohen Häusern, ca zehn Meter erhöht, von einem leuchteten Blitz enttarnt. Winkte sie ihn herauf? Wie ein Zombie schlenderte Kanba gedankenlos Richtung Dach des Gebäudes, wo ihn der schwarze Kuttenträger, welcher knittrig im Sturm wehte, bereits mit dem Rücken zu ihm am Rand des Daches stehend erwartete. Wer zum Teufel sollte das sein? Kanba dachte nicht länger über etwas nach. Jegliche Hirnfunktion war bereits zum stillstand verkommen, was zu guter Letzt nichts übrig ließ als eine leere Hülle, die lediglich wandelte. Ohne Gefühle, ohne Gedanken. Genauso stand Kanba neben dem schweigsamen Typ, die Zehen bereits minimal über die Kante schauend, während seine leeren trotz des Regen ausgetrockneten Augen die unendlich neblige Sturmferne beobachteten. Der Sturm wurde immer stärker. Blitze fegten über die Stadt hinweg und der laute knisternde Donner sprengte das laute prasseln der dicken Regentropfen. Aber was spielte alles jetzt noch bitte für eine Rolle? Halluzinationen, Realität, Schmerz, die Erinnerung an Vergangenes, Zukunft, Vergangenheit, Gegenwart. Seine Existenz, die derer die Fehlen, Familien, Feinde, Freude, Leid... Traurig fiel sein Blick hinunter zur Hauptstraße, welche eher einem kleinen Fluss ähnelte mittlerweile wegen der Regenmassen. „Nichts davon hat noch eine Bedeutung...“ Schwerfällig blickte der Rothaarige in das Gesicht seines Gegenübers, wovon nur die stechenden dunklen roten Augen durch die Kaputze heraus stachen. „Nichts davon spielt eine Rolle... Lass mich dir helfen, deine Wünsche zu erfüllen...“ Die vorhin so tiefe Stimme wandelte sich plötzlich in eine Höhere, gar weiblich hallende Tonlage, doch das Interessierte ihn keineswegs. Kanba sprach kein Wort, sondern weinte emotionslos weiter. „Es wird vorbei gehen...“ Bärenstark hob die wohl weibliche rotäugige Kuttengestalt ihn empor und sprang, ihn umarmend in die Tiefe, wobei ihre Augen seine förmlich verfolgten. Langsam vergingen die Zentimeter des Sturzes, bis eine vertraute Stimme seinen Namen rief. Verwirrt erblickte Kanba Momoka-Sensei, die unter ihnen an der Stelle stand, wo sie gleich den Aufschlag verübten. „Reiß dich zusammen!“ Kanba presste seine Augenlieder so fest wie möglich zusammen und das letzte was er sah, war wie er sowie die unbekannte Frau direkt in Momoka reinkrachten. Danach blieb schlichtweg Schwärze. Schwärze, tiefer als jeder dunkle Schatten dieser Welt sein könnte. Kurz glaubte er, zwei verschwommene rote Augen in der Finsternis zu erkennen, doch da wich die Schwärze dem Licht bereits entgültig. „Kanba?“ Zum nun zweiten Mal öffnete der verwirrte Genin seine Augen, weil diesmal erneut die Krankenstation vor ihm zum Vorschein kam. „Kanba!“ „Häh?Was?!“ Auf einem Stuhl neben ihm saß lächelnd Souzen, beinahe ganz körperlich verbunden. Seinen Namen rief allerdings Jemand anderes. Zur Linken stand Momoka-Sensei, die kalten Ausdruckes seufzte. „Na endlich. Wurde auch mal Zeit, dass du aufwachst. Hier sind die Hausaufgaben der letzten drei Tage, arbeite sie gefälligst nach du Nichtsnutz.“ Forsch knallte die junge Lehrerin ihm einen Stapel Dokumente auf den Schoß und verschwand wieder hoch erhobenen Hauptes zum Abschied nickend. Souzen lächelte weiter. „Sie ist so nett...“ Kanba realisierte keinen Deut mehr als vorher. Erschrocken wirbelte er herum. „W-Wo ist Akari!!? Was war das eben? Ich fühle immer noch die Schmerzen... Ist Akari tot? Ist er tot? Das kann gar nicht sein, oder?“ Als Souzen schmerzhaft das Gesicht verzog, löste Kanba natürlich seinen Griff. „Oh, tut mir leid...“ Enttäuscht wich sein Blick weg vom Verletzten. War alles nur ein Traum gewesen? Wie sollte er seinem Freund ins Gesicht blicken?! Dem, den er fast in den Tod befördert hätte! „Es tut mir so leid Souzen...“ „Halb so wild. Wir sind Freunde.“ Diese Worte brachten ihn für einen Moment zum schluchzen. „Akari geht es gut... Er kommt morgen wieder.“ Souzens langsame Sprachweise beruhigte ihn irgendwie. Verständlich. Immerhin glaubte er seitdem Tag, dass er nie wieder sein Freund sein würde, oder gar starb. Unvermittelt bekam der Hausaufgabenstapel nun eine erhöhte Priorität, als Kanba diesen entdeckte. „Was das denn?“ „Die Hausaufgaben der letzten drei Tage.“ Souzen beantwortete sofort seine Frage. „Aha... Gute Nacht!“ Er vergrub schmollend das Gesicht im Kissen. Einerseits wegen der dämlichen Aufgaben, andererseits damit der Sohn des Awai-Clans seinen schuldigen Blick nicht erkennen konnte. Solche Schuld vergeht langsam, das wusste er... Souzen erhob mühsam den bandagierten Körper und humpelte angestrengt zur Tür, aber drehte vorher nochmal seinen Blick zu ihm. „Bis Morgen, Kanba. Mach dir keinen Stress... Sondern deine Hausaufgaben.“ Er lachte leicht verunsichert und verschwand dann. Lachen war nie sein Ding gewesen. Bei dem Gedanken lächelte Kanba, bevor er Selbstgespräche flüsterte. „Naja, er hat es für mich versucht...hmhm.“ Sofort flogen die Hausaufgaben weit weg durch den Raum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)