Zum Inhalt der Seite

Stormpaw's Destiny

Warrior Cats - New Clans, New Stories
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Es fühlte sich an, als würde sich der Boden unter Sturmherz‘ Pfoten auftun. So schockiert, wie er war, wich er einen Schritt zurück und löste damit aus, dass sich der gesamte Clan um sie herum versammelte. „Nein“, stammelte er verwirrt, doch ihm war klar, dass niemand – nicht einmal Blaukralle – es wagen würde, darüber einen Scherz zu machen. Jetzt ergab alles einen Sinn: Milchkralles und Fleckennases merkwürdiges Verhalten, das Tuscheln, die Blicke, Schwarzsterns Abwesenheit. Sturmherz schluckte den riesigen Klos in seinem Hals herunter. Schwarzstern war tot. Sein Anführer war gestorben und er war nicht hier gewesen, um seinem Clan beizustehen. Beschämt senkte er den Blick, hob ihn jedoch wieder an, um Blausterns Siegesgefühle nicht noch weiter zu stärken.

Blaustern leckte sich in vollkommener Zufriedenheit über die Vorderpfote. „Wie ich sehe, bist du zurückgekehrt, Sturmherz. Wir alle haben vier Monde lang auf dich gewartet, aber vier Monde waren zu lang. Du hast den FeuerClan in den Zeiten seiner größten Verwundbarkeit alleine gelassen.“

Noch immer fühlte sich Sturmherz‘ Kehle staubtrocken an. „Schwarzstern … ist tot?“ Er fühlte sich um die Wahrheit betrogen. Man gönnte ihm nicht einmal Zeit, um in Ruhe trauern zu können.

Blaustern nickte. „Seit zwei Monden bereits. Bedauerlicherweise hat er sich nicht mehr von seinen Verletzungen durch den Blitzschlag erholt.“

„Bedauern kann ich in deinem Gesicht aber nicht erkennen, wenn du die Chance direkt genutzt hast, um meine Position zu ergreifen und dich selbst zum Anführer zu krönen!“, zischte er wütend.

Der FeuerClan quittierte sein Verhalten mit Luftschnappen und unterschwelligem Knurren.

Blausterns Blick wurde hart. „Ich war für den Clan da, ganz im Gegensatz zu dir! Der FeuerClan hat einen Anführer gebraucht und weil niemand wusste, ob du jemals zurückkehren würdest, habe ich mich für diese Rolle geopfert.“

„Oh ja, es muss ein wirklich großes Opfer gewesen sein“, spottete Sturmherz aufgebracht. „Es war Schwarzsterns Wille, dass ich Zweiter Anführer werde und eines Tages seine Nachfolge antrete!“, rief er lauter.

Rosentau drückte sich in die erste Reihe. „Du bist schon lange nicht mehr unser Zweiter Anführer! Zoll Blaustern Respekt oder verschwinde!“

Falkenherz spießte Rosentau mit ihren Blicken förmlich auf. „Sturmherz sagt nur das, was viele von uns auch gesagt haben! Es war Schwarzsterns Wille, ihm steht die Position als Anführer ebenfalls zu!“

„Aber wir haben uns dafür entschieden, Blaukralle zum Anführer zu wählen“, konterte Rosentau und legte so viel Lieblichkeit in ihre Stimme, dass sie zuckersüß zu tropfen schien.

Augenblicklich brach ein Stimmengewirr über den FeuerClan herein. Jeder wollte Partei ergreifen, vertrat lautstark seine Meinung. Fell wurde gesträubt, Ohren angelegt.

Blaustern fixierte Sturmherz mit einem unnachgiebigen Blick. „Ruhe!“ Seine Stimme besaß genügend Autorität, um selbst Falkenherz verstummen zu lassen. Er blinzelte nicht einmal, während er Sturmherz, seinen größten Widersacher, ansah. „Keiner von uns weiß, wieso Schwarzstern ausgerechnet dich ausgewählt hat. Doch Schwarzstern starb und du warst nicht da, um deinen Pflichten als Zweiter Anführer nachzugehen. Der SternenClan hat dich auf eine Mission geschickt, daran zweifle ich nicht, keiner zweifelt daran. Doch gleichzeitig hat der SternenClan dafür gesorgt, dass ich Anführer werden kann, als wäre es schon immer so vorbestimmt gewesen. Du hast nun die Wahl, dies zu akzeptieren oder den FeuerClan zu verlassen. Ich werde dich nicht aufhalten, wenn du gehen willst, doch der Clan untersteht mir.“

Sturmherz spürte, wie sein Herz zu zittern begann. Er wollte keine Schwäche zeigen, nicht jetzt, nicht vor Blaustern, doch dessen Worte verunsicherten ihn zutiefst. Hatte der SternenClan wirklich gewollt, dass Blaukralle Anführer wird? „Der SternenClan wird Schwarzsterns Wille respektieren und wissen, wer der wahre Anführer des FeuerClans ist.“

Blaustern gähnte gelangweilt. „Natürlich. Und genau deshalb hat mir der SternenClan meine neun Leben verliehen.“
 

***
 

Sturmherz hatte sich zurückgezogen, lag eingerollt in der hintersten Ecke vom Bau der Krieger. Wenigstens besaßen die anderen genügend Taktgefühlt und ließen ihm diesen Rückzugsort, zumindest für den Moment. Er wollte alleine sein, die Augen schließen und hoffen, dass alles wieder gut war, wenn er aus diesem Alptraum erwachte. Doch es war kein Traum. Schwarzstern war tot und Blaukralle war vom SternenClan zu Blaustern ernannt worden. Jeder im Clan konnte das bezeugen und die meisten störten sich nicht einmal daran. Sturmherz fühlte sich, als hätte er sein Zuhause verloren.

Milchkralle, Flockenherz und Fleckennase kamen mit besorgten Blicken zu ihm. Sie hatten ihn eine Weile alleine gelassen, doch nun drängten sie sich um ihn herum auf das weiche Moos.

„Ihr hättet mich vorwarnen können“, klagte er mich schwacher Stimme.

Milchkralle seufzte. „Das haben wir vorgehabt, aber Blaustern war schneller.“

„Blaustern … Also ist es wahr? Der SternenClan hat ihm wirklich neun Leben verliehen?“

Milchkralle nickte. Die anderen beiden schienen sie zur Wortführerin auserkoren zu haben und gesellten sich nur stumm dazu. „Ja, es ist die Wahrheit.“

Geknickt legte Sturmherz den Kopf wieder auf seine Vorderpfoten, ließ die Ohren und Augenlider hängen. „Dann … erzählt mir alles. Von Anfang an. Ich möchte wissen, was während meiner Abwesenheit geschehen ist.“

„Ja, natürlich. Wie du weißt, gab es schon bei deiner Abreise Spannungen im Clan. Viele fanden es nicht gut, dass du überhaupt gegangen bist, doch Schwarzstern hat jedem gesagt, dass es der Wille des SternenClans ist. Schwarzstern war geschwächt und seine Verletzungen machten ihm schwer zu schaffen. Wir alle haben uns Sorgen um ihn gemacht. Blaukralle, nun ja … Er hat sich wirklich gut um den Clan gekümmert. Niemand hat ihn darum gebeten, die Patrouillen zu organisieren, er hat es einfach getan. Morgens stand er als erster auf, abends ging er als letzter schlafen. Er hat Fuchspfote trainiert, jeden Tag für Frischbeute gesorgt und mehr getan als jeder andere. Dann kam die nächste Große Versammlung. Wir haben erfahren, dass auch Wacholderstern und Löwenzahnstern schwer verletzt waren. Silberstern hatte ein Leben verloren, doch ihr ging es vergleichsweise gut. Alle Clans waren verunsichert, wie es weitergehen würde. Und dann …“ Sie pausierte kurz. „Dann kamen die Zweibeiner.“

Sturmherz spürte, wie ihn dieses Wort aus seiner Lethargie riss. „Zweibeiner?“

Milchkralle nickte betrübt. „Zuerst waren es nur ein paar, doch sie blieben mehrere Tage, umrundeten den Heiligen Berg und hatten merkwürdige Metallmaschinen dabei, mit denen sie herumgespielt haben. Dann kamen mehr und sie brachten Metallmonster mit, mit denen sie sich unweit des LuftClans niedergelassen haben.“

„Sind sie immer noch dort? Was ist geschehen?“

„Sie fingen an, den Boden aufzureißen. Unmengen an Erde, bis große Hügel entstanden. Der LuftClan lebte in großer Angst und zog sich immer weiter an die Grenze zum WasserClan zurück. Eines Tages verschwanden die Zweibeiner wieder, doch die Heiler sagen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie zurückkehren werden. Nessellicht hatte einen Traum, der ihr verraten hat, dass die Zweibeiner den Heiligen Berg zu ihrem Zuhause machen wollen. Sie werden den See vom LuftClan vergiften, den Wald zerstören und am Ende auf dem Heiligen Berg ihre Nester bauen.“

„Das ist … furchtbar! Wie geht es dem LuftClan jetzt?“

„Sie leben in großer Angst. Wacholderstern war verzweifelt und schloss sich erneut dem WasserClan an. Er sagte, dass der LuftClan sein Zuhause verloren hatte. Dann … starb Wacholderstern. Regenkauz sagt, dass mit ihm auch der LuftClan gestorben ist, deshalb hat sie nie ihre neun Leben beim SternenClan eingefordert. Sie leben nun beim WasserClan unter der Führung von Silberstern. Es gibt keinen LuftClan mehr.“

Sturmherz setzte sich auf die Hinterläufe und verzog das Gesicht. Er konnte sich nicht vorstellen, wie groß der Schock für Hummelschatten sein musste, wenn er das Gebiet seines Clans verwüstet vorfand und er herausfand, dass sich der LuftClan endgültig Silberstern und dem WasserClan angeschlossen hatte. Mit Sicherheit würde es Hummelschatten das Herz brechen. „Regenkauz hat also den Schwanz eingezogen und einfach hingenommen, dass Silberstern ihre neue Anführerin ist?“

„Das ist nicht so einfach, wie es vielleicht für dich klingt, Sturmherz“, tadelte Milchkralle ihn. „Alle Clans haben in den vergangenen vier Monden sehr schwere Zeiten durchlebt.“

Sturmherz kniff die Augen leicht zusammen. „Gut, wie du meinst. Was ist dann passiert?“

Milchkralle setzte sich gerade hin. „Löwenzahnstern hat durch den Blitzschlag ein Leben verloren, der Grüne Husten kostete ihn ein weiteres Leben. Niemand wusste, dass Löwenzahnstern dadurch sein letztes Leben lebte, aber er stellte sich den Zweibeinern mutig entgegen, als diese auch auf das Gebiet des ErdClans übergriffen. Unter Einsatz seines Lebens rettete er Lehmpelz und ihre Jungen, doch die Anstrengung war zu viel gewesen.“

Sturmherz schluckte schwer. „Nein …“

Sie nickte schwach. „Kirschliebe ist nun Kirschstern. Sie kündigte dem FeuerClan noch am Tag ihrer Ernennung zur Anführerin die Freundschaft, weil sie sagte, diese besondere Verbindung wäre nur an Löwenzahnstern und Schwarzstern geknüpft gewesen. Nun aber liege ihr Augenmerk darauf, einzig und alleine dem ErdClan und dessen Wohlergehen zu dienen.“

Fleckennase konnte sich ein Schnauben aus dem Hintergrund nicht verkneifen.

„Schwarzstern hat der Verlust seines Freundes schwer getroffen“, fuhr Milchkralle fort. „Er war nur noch ein Schatten seiner selbst und als er ebenfalls am Grünen Husten erkrankte, wusste er wohl, dass seine Zeit gekommen war. Kurz vor seinem Tod ernannte er Flockenpfote zu Flockenherz, dann schlief er nachts friedlich im Beisein von Fliederpfote ein. Das war vor etwas mehr als zwei Monden.“

„Und ich war nicht da, um ihm beizustehen – oder dem Clan.“

„Es war klar, dass der Clan nicht ohne Anführer bleiben konnte.“

„Das verstehe ich, aber … musste es wirklich so kommen?“ Diese Frage quälte Sturmherz schon die ganze Zeit. „Ich kann einfach nicht glauben, dass der SternenClan so gehandelt hat.“

„Wieso fragst du den SternenClan nicht einfach?“, brachte Flockenherz ein.

Alle blickten zu ihm.

„Wie meinst du das?“, fragte Milchkralle. „Sturmherz wird wohl kaum zur Mondhöhle spazieren können, um ein Pläuschchen mit dem SternenClan abzuhalten.“

„Wieso nicht?“

„Weil …“

„Ja, wieso eigentlich nicht?“, fragte nun auch Fleckennase und stand auf. „Du bist immer noch der von Schwarzstern gewählte Zweite Anführer. Der SternenClan ist dir zumindest eine Erklärung schuldig, meinst du nicht auch?“

Sturmherz war ebenfalls aufgestanden und spürte, wie ihn neue Energie durchströmte. „Ja, das finde ich auch. Und wenn Schwarzstern mir nicht antwortet, dann werde ich Mondstern fragen.“

Verwirrt blickte Milchkralle ihn an, ganz so, als hätte er gerade den Verstand verloren. „Mondstern?“

„Das ist eine lange Geschichte“, erwiderte Sturmherz ausweichend.

„Apropos lange Geschichte, was hat eure Mission ergeben? Schwarzstern sagte, ihr seid auf der Suche nach einer neuen Heimat für alle Clans.“ Aufgeregt blickte Fleckennase ihn an.

Sturmherz nickte. „Und die haben wir auch gefunden. Es ist … traumhaft. Perfekt. Ein riesiges Tal mit einem klaren See, Wäldern, Wiesen, weiten Ebenen an den steilen Berghängen und die Zweibeiner werden niemals dort hinkommen. Aber es ist einen ganzen Mond von hier entfernt. Wenn Rauchsturm nicht verletzt worden wäre, wären wir auch schon früher zurückgekehrt, dann hätte ich Schwarzstern vielleicht noch davon erzählen können und -“

Milchkralle unterbrach ihn. „Mach dir keine Vorwürfe, Sturmherz. Vielleicht sollte alles genau so kommen. Das kannst du den SternenClan persönlich fragen. Die Frage ist nur, wie wir dir den Rücken decken können, damit Blaustern nicht mitbekommt, dass du dich auf den Weg zur Mondhöhle machst.“

„Seit wann bist du so verwegen und handelst hinter dem Rücken deines Anführers?“, fragte er sie überraschend.

Sie bleckte die Zähne. „Ich bin weder für noch gegen Blaustern, nur damit das klar ist. Aber es würde dem gesamten Clan guttun, zu erfahren, wer nun der rechtmäßige Anführer ist. Und wenn dabei herauskommt, dass es Blaustern ist und du keinen Anspruch erheben kannst, dann ist das so.“

So war sie: sachlich, direkt und nicht immer taktvoll. Sturmherz nahm es ihr nicht krumm. „Ich möchte nicht länger der Grund dafür sein, dass der FeuerClan zerbricht.“

„Dann sorgen wir dafür, dass du zur Mondhöhle gehen kannst und wenn du wiederkommst, erzählst du uns allen, was der SternenClan gesagt hat.“ Milchkralle nickte ihm aufmunternd zu.

„Und im Anschluss daran schmierst du Blaustern bitte auf die Nase, dass immerhin du der Auserwählte vom FeuerClan warst, der unsere neue Heimat gefunden hat“, ergänzte Fleckennase grimmig. „Ich hoffe nur, dass bei der Reise dorthin alles gut gehen wird. Dachsfuß und die Kleinen …“

„Oh.“ Sturmherz fühlte sich schlagartig schuldig. Bei all dem Trubel hatte er vollkommen vergessen, dass sein bester Freund zwischenzeitlich Vater geworden war. „Oh! Fleckennase, ich … Es tut mir so leid, ich hätte dich noch danach gefragt!“

Fleckennases Ohren zuckten. „Ist schon gut, bei dem ganzen Stress kann das untergehen.“

„Das sollte es aber nicht! Wie geht es Dachsfuß und deinen Jungen? Du musst sie mir unbedingt so schnell wie möglich vorstellen!“

Ein stolzes Funkeln legte sich in Fleckennases Blick und er reckte die Brust hervor. „Sie sind wundervoll. Ich habe nie etwas Schöneres gesehen als meine eigenen Jungen.“

„Das sagen alle“, murrte Milchkralle augenrollend. „Sie sind eine Rasselbande, die einem den letzten Nerv rauben.“

Fleckennase schnaubte leise. „Sie können manchmal etwas anstrengend sein, aber ich liebe sie mehr als mein Leben und wehe, unsere neue Heimat wird ihnen nicht das Leben bieten, das sie verdient haben.“

„Beruhig dich“, sagte Sturmherz. „Ich werde euch alles darüber erzählen, wenn ich von der Mondhöhle zurück bin. Und im Gegenzug erzählt ihr mir alles, was ich sonst noch verpasst habe.“

„Abgemacht.“ Fleckennase stupste ihn freundschaftlich gegen die Seite. „Und ich warne dich vor, als ich meine Jungen das erste Mal alle auf einem Haufen gesehen habe, war ich kurz vor der Verzweiflung.“
 

***
 

„Sechs Junge? Und alles Mädchen?“

„Nicht so laut“, zischte Fleckennase. „Und ja, alle sechs sind weiblich. Ich dachte, ich spinne.“

„Womit hast du das verdient?“

Fleckennase gluckste belustigt. „Keine Ahnung. Aber Dachsfuß ist eine großartige Mutter und ich liebe sie nur von Tag zu Tag mehr.“ Die Bewunderung für seine Gefährtin konnte man ihm förmlich ansehen.

Sturmherz spürte irgendwo tief in seinem Inneren eine Art Neid, denn er wünschte sich, ebenfalls so eine tiefe Verbindung zu jemandem haben zu können. Nun, vielleicht war es auch möglich, immerhin war er aktuell kein Zweiter Anführer mehr und was passierte, wenn sich alle Clans auflösten, war ohnehin fraglich. Vielleicht war der SternenClan gnädig mit ihm und es war wirklich nicht schlecht, dass Blaustern nun der Anführer war. Trotzdem wollte er wenigstens ein letztes Mal mit Schwarzstern sprechen.

Seite an Seite huschten Fleckennase und er durch das Unterholz, während Milchkralle im Lager eine erneute Diskussion darüber, welche Position Sturmherz nach seiner Rückkehr im Clan haben sollte, anzettelte. Der Mond war durch dicke Wolken verdeckt, doch sie fanden ihren Weg auch so. Hin und wieder lauschten sie in die Stille hinein, um zu überprüfen, dass niemand zufällig ihren Weg kreuzte. Blaustern könnte es als Meuterei auffassen, wenn Sturmherz hinter seinem Rücken die Mondhöhle aufsuchte – ein Privileg, das normalerweise nur den Heilern und Anführern vorbehalten war.

Kurz vor der Grenze zum WasserClan entspannte er sich ein wenig. Er hoffte, dass der WasserClan mit den SeelenClan-Kriegern genug zu tun hatte und deshalb auf die nächtliche Patrouille verzichtete.

„Ich habe ihnen jeden Tag von dir erzählt“, flüsterte Fleckennase schließlich wieder. „Sie sind sehr aufgeregt und möchten dich unbedingt kennenlernen. Allerdings sehen sie Blaustern als ihren Anführer an. Sie kennen ja nur ihn.“

„Ich kann es ihnen nicht verübeln“, flüsterte Sturmherz zurück. „Wie heißen sie eigentlich? Du hast mir ihre Namen noch nicht verraten.“

Fleckennases Miene hellte sich schlagartig auf, wie immer, wenn er von Dachsfuß oder seinen Jungen sprach. „Sillberjunges, Graujunges, Birkenjunges, Rabenjunges, Schlangenjunges und Bärenjunges. Und alle sechs haben den Sturkopf und das Temperament ihrer Mutter geerbt. Nur Silberjunges scheint zumindest ein wenig nach mir zu kommen.“

„Dann hast du wirklich alle Pfoten voll zu tun“, witzelte Sturmherz, wurde kurz darauf jedoch wieder ernst. „Wir sind an der Grenze zum WasserClan. Ab jetzt müssen wir noch vorsichtiger sein. Lass uns einfach immer an der Grenze zur Wildnis bleiben und so schnell wie möglich vorwärtskommen.“

„Einen anderen Plan hatte ich sowieso nicht“, meinte Fleckennase.

Die beiden Freunde warfen sich noch einen letzten, langen Blick zu, dann rannten sie los und schauten nicht zurück.
 

***
 

Die Mondhöhle war anders, als Sturmherz sie sich vorgestellt hatte. Zu seiner großen Verwunderung hatten sie problemlos ihren Weg gefunden und waren ohne Unterbrechungen dem Fluss durch das Gebiet des WasserClans gefolgt. Im Anschluss daran ging es noch einige Minuten lang durch die Wildnis, bis der Wasserfall zu hören war, hinter dem sich die Mondhöhle befand. Sturmherz hatte zwar nicht unbedingt die besten Erinnerungen an Wasserfälle, doch dieser hier gab ihm Hoffnung und ein Gefühl von Sicherheit, das er seit seiner Ankunft im FeuerClan vermisst hatte.

Der Wasserfall war nur wenige Fuchslängen hoch und da die Oberkante viel weiter in den kleinen Teich hineinragte, war es keine Schwierigkeit, hinter dem Wasserfall an einem schmalen, feuchten Steinweg entlang in die Höhle zu gelangen. Moose und Flechten wuchsen an Wänden und Böden, Wasser tropfte von der Decke.

Fleckennase blieb unruhig am Eingang stehen. „Ich werde nicht mit reingehen. Das steht mir nicht zu.“

Sturmherz nickte seinem Freund knapp zu. „Ist gut. Dann warte dort vorne auf mich. Wenn jemand kommt, kannst du mich rufen oder wecken.“

„Hoffen wir einfach, dass alles reibungslos läuft.“ Fleckennase bemühte sich um einen ruhigen Gesichtsausdruck, doch er war zu aufgekratzt dafür. „Alles Gute dort drinnen.“

„Danke, für alles.“ Dann drehte Sturmherz sich wieder um und schlich vorsichtig in die Dunkelheit der Höhle hinein.

Die Höhle war nicht sonderlich groß und er konnte sich nicht vorstellen, dass vier Heiler hier drin Platz fanden, ohne sich gegenseitig zu berühren. Trotzdem fühlte er sich sogleich geborgen und legte sich in die Mitte auf den kalten, harten Boden. Das gleichmäßige Rauschen des Wassers machte ihn schläfrig. Er wehrte sich nicht gegen die bleierne Müdigkeit in seinen Knochen, sondern ließ sich einfach forttragen, bis aus Schwarz langsam Blau wurde.

Er hatte Mondstern erwartet, doch sie war nicht da. Niemand war da. Sturmherz saß alleine in der Höhle, vor deren Eingang das Wasser auf einmal einem leuchtenden, silbernen Vorhang glich, der alles erhellte. Er wollte aufstehen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Im ersten Moment überkam ihn Panik, doch dann zwang er sich zur Ruhe, atmete gleichmäßig ein und aus. Der SternenClan hatte ihn bereits empfangen, also konnte es nicht falsch sein, dass er hergekommen war. „Hallo?“

Der Wasserfall gab keine Geräusche von sich, plätscherte einfach vor sich hin, leuchtete mal mehr und mal weniger stark.

Sturmherz kniff die Augen zusammen und starrte durch das Wasser hindurch. Im nächsten Augenblick zuckte er erschrocken zusammen, denn das Wasser schien sich aufzulösen, wurde zu Nebel, umhüllte ihn und füllte die gesamte Mondhöhle aus. Der Nebel brannte in seinen Augen, stieg ihm in Mund und Nase, schien sich durch seinen Körper zu fressen, bis zu seinem Herzen. Er wollte aufschreien, doch er konnte nicht, bekam keine Luft mehr, fühlte, wie er erstickte. Benommen sank sein Kopf auf den Boden, alles war verschwommen. Eisige Kälte ergriff von seinem Körper Besitz. Hinter dem Wasserfall sah er die unendlichen Weiten des Sternenvlieses.

Die Blumenwiese an einem sonnigen Sommermorgen riss ihn aus seiner Starre, brachte ihn in das Leben zurück.

Er sah auf, schaffte es, mit letzter Kraft seinen Kopf zu heben. „Mondstern?“

Ihre strahlend weiße Gestalt schälte sich aus dem silberblauen Licht und schwebte dort, wo sich bis vor kurzem noch der Wasserfall befunden hatte. „Sturmherz, du bist hier, weil die Verwirrung dein Herz ergriffen hat.“

Sturmherz nickte schwach. „Ich habe alles getan, was der SternenClan wollte … was du wolltest. Ich bin zu eurer Mission aufgebrochen und bei meiner Rückkehr musste ich feststellen, dass Schwarzstern nicht mehr lebt und Blaukralle zum Anführer geworden ist. Er ist jetzt Blaustern und … ich frage mich … ob das wirklich richtig ist.“

Mondstern schien in sich hinein zu lächeln, doch auch Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit, als sie wieder zu reden begann. „Die Zeit am Heiligen Berg ist vorüber. Die neue Heimat und der SeelenClan warten auf euch. FeuerClan, WasserClan, ErdClan und LuftClan werden nicht mehr sein. Was einst zusammengehörte, muss wieder zusammenfinden, um daraus neu geboren zu werden.“ Einen Moment lang pausierte sie, trat einen Schritt auf ihn zu, ehe sie wieder stehen blieb. „Die Zeiten der Dunkelheit werden vorübergehen.“ Mondsterns Augen begannen zu leuchten.

Ein Gefühl der Wärme ergriff Sturmherz, füllte ihn bis in die Schwanzspitze aus, gab ihm neue Kraft und Energie. Es fühlte sich an, als würde die Sonne seinen Körper berühren. Er streckte sich dieser Wärme entgegen, lechzte danach, sie auszukosten, solange es ging.

„Ich gebe dir das Leben der Wahrheit, um zu erkennen, wer du wirklich bist.“ Sobald Mondstern diese Worte ausgesprochen hatte, verblasste sie und schwebte in den Hintergrund zurück, wo sie mit dem Sternenvlies verschmolz.

An ihre Stelle trat Honigblüte, die ihn mit keckem Ausdruck musterte. „Ich gebe dir das Leben der Liebe, um dein Herz entscheiden zu lassen.“

Sturmherz spürte, wie sein Herz mit einem Mal zu bersten drohte. Er schnappte nach Luft, sah Schneewolke vor seinem inneren Auge aufblitzen, ihre weichen Konturen, die himmelblauen Augen. So schnell, wie ihr Antlitz gekommen war, verschwand es auch wieder und als das sehnsüchtige Brennen in seinem Herzen verglomm, war auch Honigblüte verschwunden.

Stattdessen schlug der süße Schmerz der Sehnsucht in ein unerträgliches Stechen um, das Sturmherz beinahe von den Pfoten riss. Er keuchte, atmete schwer, sah hinauf zu Haselschweif, dessen Gestalt auf ihn herabblickte.

„Ich gebe dir das Leben der Ausdauer, um in der neuen Heimat bestehen zu können.“ Zum Abschied winkte er ihm kurz mit seinem buschigen, rostroten Schwanz zu.

Wieder traf ihn der Schmerz wie aus dem Nichts. Herbstfleck schwebte im Licht des SternenClans, ihr Blick distanziert, aber streng. „Ich gebe dir das Leben der Selbstlosigkeit, um dich für die Schwächsten einzusetzen.“ Dann verblasste sie.

Sturmherz wappnete sich für die nächste Schmerzattacke, doch stattdessen fühlte er sich auf einmal leicht und unbeschwert.

Ahornseele tänzelte aus dem silberblauen Licht hervor, strahlte ihn an und ihre leuchtend grünen Augen machten ihm schmerzlich bewusst, wie sehr er die junge Katze seit ihrem Tod vermisst hatte – beinahe so sehr, wie er Schneewolke seit ihrer Trennung vor wenigen Stunden vermisste. „Ich gebe dir das Leben der Freundschaft, um niemals zu vergessen, auf wen du dich am meisten verlassen kannst.“ Leichtfüßig sprang sie nach vorne, berührte seine Nase mit ihrer, ehe auch sie verblasste.

Dort, wo sie noch vor wenigen Herzschlägen geschwebt hatte, saß nun ein winziges Junge, das ihn aus halb geschlossenen Augen anschaute. „Ich gebe dir das Leben des Schutzes, um diejenigen beschützen zu können, die du am meisten liebst. Und … sag meiner Mama, dass es mir gut geht! Grüß meine Brüder von mir!“

Sturmherz sah Bilder von Schneeflügel aufblitzen, dazu Flockenherz, Frostzahn und Schattenflamme, als sie als Junge den Bärenangriff überlebt hatten. Überrascht blickte Sturmherz zu Lichtjunges, den er selbst nie gesehen hatte. Er wirkte so klein und zerbrechlich, doch als Lichtjunges verschwand, überrollte Sturmherz erneut eine Welle des Schmerzes. Mit zittrigen Muskeln hielt er sich halbwegs aufrecht und starrte in das Licht des SternenClans hinaus.

Löwenzahnstern strahlte selbst im Tod die Autorität eines wahren Anführers aus. „Ich gebe dir das Leben der Treue, um auch in den dunkelsten Zeiten nicht vom Pfad abzukommen.“ Löwenzahnstern nickte ihm gebieterisch zu, ließ sich zum Abschied jedoch zu einem flüchtigen Zwinkern hinreißen.

Und dann – endlich – stand Sturmherz wieder seinem Anführer gegenüber. „Schwarzstern“, wisperte er erleichtert. „Endlich …“

Schwarzstern sah nicht mehr kränklich oder verletzt aus, als er im silbrigen Licht schwebte. Sein Blick fing den von Sturmherz ein und beim nächsten Herzschlag hatte Sturmherz das Gefühl, eine Erinnerung seines Anführers zu durchleben.

Er sah Blaustern in jungen Jahren, viel jünger, wahrscheinlich sogar noch ein Schüler. Mutig, zielstrebig, dem Clan loyal ergeben. Schwarzstern beobachtete ihn aus der Entfernung.

„Blaupfote steht Großes bevor“, sagte Honigblüte, ebenfalls noch sehr jung, vielleicht gerade erst eine Heilerin geworden. „Auch wenn er nicht fehlerfrei ist.“

„Wer ist das schon?“

Honigblüte wiegte ihren Kopf leicht hin und her. „Er hat das Herz eines Kriegers, doch noch fehlt ihm etwas – oder eher jemand. Sein Gegenstück zum Gleichgewicht. Sie werden wie Eis und Feuer sein. Wie Blitz und Donner. Wie Windstille und Sturm.“

„Jeder Anführer muss seine eigene Prüfung bestehen“, sagte er. „Blaupfote hat noch einen weiten Weg vor sich.“

„Ja, das hat er. Aber er ist zum Anführer geboren, Schwarzstern. Das ist der Wille des SternenClans.“

Schwarzstern nickte bedächtig, beinahe schon ehrfurchtsvoll. „Wenn er eines Tages Anführer wird, werde ich ihm das Leben der Gerechtigkeit und der Vergebung geben. Das ist es, was ihm fehlt: Gerechtigkeit und Vergebung, damit aus Feinden Freunde werden.“

Die Erinnerung verschwand, Sturmherz blinzelte und fand sich wieder Schwarzstern gegenüber. „Ich gebe auch dir das Leben der Gerechtigkeit und der Vergebung, um aus einem Feind einen Freund zu machen. Sei weise, Sturmherz, ich lege das Erbe meines Clans in die Pfoten von euch beiden.“

Sturmherz wollte noch etwas sagen, doch er wusste nicht was, also nickte er stumm und sah zu, wie Schwarzstern verschwand.

Acht Leben hatte er bereits vom SternenClan erhalten, das letzte Leben fehlte ihm.

Das Licht des SternenClans fing an zu verblassen, das Sternenvlies entfernte sich und Sturmherz hatte das Gefühl, als würde ihn etwas innerlich zerreißen.

Aus weiter Ferne schwebte das neunte Licht heran, formte einen grau getigerten Körper, einen Krieger, den Sturmherz nicht zuordnen konnte. Verwirrt blickte er ihn an.

Der Kater verzog das Maul zu einer amüsierten Fratze, dazu ein schelmischer Blick, den er von irgendwoher kannte. „Ich gebe dir das Leben der Erinnerung, um niemals zu vergessen, dass die Heimat aller Clans in ihrer Verbundenheit liegt.“ Er nickte ihm gütig zu. „Und nun wird es an der Zeit für dich, zurückzukehren und zu vollenden, was mir nie gelungen ist. Meine vollste Dankbarkeit gehört dir und ich werde für immer in deiner Schuld stehen. Generation um Generation habe ich darauf gewartet, dass die Clans wieder in Frieden vereint werden können. Selbst dann, als mein Körper längst zu Asche zerfallen war, brannte dieser Wunsch so tief in meinem Herzen, dass ich nicht aufhören konnte, am Heiligen Berg auszuharren. Der SternenClan band mich an die kränkliche, irdische Hülle der Verzweiflung und mir blieb nichts anderes übrig als auf Erlösung zu warten – für mich und für alle Clans.“ Erneut nickte er ihm zu und pure Dankbarkeit erstrahlte in seinen goldenen Augen. „Geh und führe die Clans an den See, Sturmstern.“

Sturmstern … Das klang so fremd und dennoch erfüllte es seine Brust mit Stolz und einem unbeschreiblichen Gefühl von Macht und Güte. Er spürte, wie sich die Welt des SternenClans bereits zu entfernen begann.

„Aber tu mir noch einen persönlichen Gefallen, ja?“, sagte der SternenClan-Kater und schenkte ihm zum Abschied und ziemlich vertrautes Keckern. „Stell dich dabei zur Abwechslung mal nicht wie ein Schneckenhirn an.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Wolfsfeuer
2017-09-08T16:25:31+00:00 08.09.2017 18:25
In diesen 4 Monden ist wie erwartet viel passiert. Fleckennase tut mir mit seiner weiblichen Rasselbande richtig leid xD Der Clan wird es mit 7 Dachsfuß' auch nicht leicht haben :)
Ein Clan und zwei Anführer? Ich könnte mir denken, dass im neuen Territorium ein neuer Clan entsteht. Oder etwas ganz anderes. Aber wie der Clan wohl reagieren wird? Auf Anhieb werden sie wohl nicht Freunde, das dauert schon noch etwas. Ob Schwarzstern bei Blausterns Zeremonie auch schon erwähnt hat, dass es zwei Anführer geben wird?
Antwort von:  Kalliope
08.09.2017 20:59
Fragen über Fragen :D Hm ich denke mal, Schwarzstern hat es nicht direkt erwähnt, aber Blaustern weiß, dass Sturmstern sein Gegentück ist. Nur gemeinsam können sie ihre wahre Größe finden. Aber ob Blaustern einfach über seinen Schatten springen kann ... und Sturmstern natürlich auch. Deine restlichen Fragen klären sich noch :)


Zurück