Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 14: ------------ Schon seit Tagen hingen Gewitterwolken am Himmel, aber der erlösende Wolkenbruch ließ auf sich warten. Falkenherz klagte über wetterbedingte Schmerzen in ihrer Pfote, während Schneeflügel ein permanentes Ziehen und unterschwelliges Brennen an den Stellen hatte, die durch den Bärenangriff verletzt worden waren. Die beiden Ältesten hatten sich solidarisch an den Rand der Versammlung gesetzt, direkt neben Fliederpfote, die die beiden immer wieder von der Seite her musterte. Schwarzstern saß auf dem Felsvorsprung und wartete, dass Ruhe einkehrte. Jeder wusste, warum er diese Clanversammlung einberufen hatte: Es war an der Zeit, dass auch Schattenjunges, Frostjunges und Flockenjunges zu Schülern ernannt wurden. Ein wichtiges Ereignis im Leben der Jungen und des ganzen Clans. Schräg hinter Schwarzstern saß Haselschweif. Der rostbraune Kater mit dem buschigen Schweif sah müde aus, wie so oft. Worüber er sich wohl dieses Mal Gedanken gemacht hatte? Sturmherz hatte zwischen Milchkralle und Rindentänzer Platz genommen. Fleckennase hatte es gemeinsam mit Dachspfote neben Blaukralle und Nebelpfote verschlagen – oder eher gesagt hatte Dachspfote sich einfach zu ihrem Bruder und dessen Mentor gesetzt, was Fleckennase nicht auf sich sitzen lassen wollte. Ihm blieb nichts anderes übrig als Sturmherz einen leidigen Blick zuzuwerfen. Die drei Jungen, die in wenigen Minuten zu Schülern werden würden, belegten die erste Reihe. Dicht an dicht gedrängt saßen sie da und schauten mit großen, ehrfurchtsvollen Augen zu Schwarzstern hinauf. Schattenjunges ging zwischen seinen fluffigen, langhaarigen Brüdern beinahe unter, während Flockenjunges die Schultern einzog, um nicht ganz so groß zu wirken, wie er war. Natürlich brachte das nichts. Er war ein Riese, auch mit sechs Monden schon. Schließlich räusperte Schwarzstern sich. „Schattenjunges, du bist nun sechs Monde alt und es ist an der Zeit, um mit deiner Ausbildung zu beginnen. Von diesem Tag an, bis dieser Schüler sich seinen Kriegernamen verdient hat, wird er Schattenpfote heißen. Ich bitte den SternenClan, über diesen Schüler zu wachen, bis er in seinen Pfoten die Kraft und den Mut eines Kriegers findet. Milchkralle, du bist nun bereit, einen Schüler auszubilden. Du wurdest von Haselschweif hervorragend ausgebildet und du hast bewiesen, dass du stark und mutig bist. Du wirst die Mentorin von Schattenpfote sein und ich bin davon überzeugt, dass du dein Wissen an ihn weitergeben wirst.“ Milchkralle trat vor und berührte Schattenpfotes Nase mit ihrer eigenen. Beide strafften synchron die Schultern und drehten sich zum Clan um, der Schattenpfote mit Jubelrufen zum Schülerdasein gratulierte. Vor allem Schneeflügel gratulierte ihrem Sohn inbrünstig. Schwarzstern ließ nicht viel Zeit verstreichen und nickte nun Frostjunges zu. „Frostjunges, du bist nun sechs Monde alt und es ist an der Zeit …“ Sturmherz‘ Gedanken drifteten weg. Er dachte an die große Verantwortung, die gleich als Mentor auf seinen Schultern lasten würde. Nicht nur, dass er einen Schüler auszubilden hatte – das alleine würde er sich zutrauen, ohne mit den Schnurrhaaren zu zucken. Er hatte sich bewusst für Flockenjunges entschieden und er wusste, dass Schneeflügel ihm dafür ewig dankbar sein würde. Aber würde er es wirklich schaffen, aus dem großen, ängstlichen und friedliebenden jungen Kater einen richtigen Krieger zu machen? Und wenn ja, wie lange würde diese Ausbildung dauern? Drei Monde? Sechs? Ein ganzes Jahr? Er wurde aus seinen Selbstzweifeln gerissen, als der Clan Frostpfote gratulierte. Wie üblich schwieg sich der graue Kater mit dem flauschigen, langen Fell aus, ebenso wie sein Mentor Rindentänzer. Die beiden passten gut zueinander, daran bestand nun wirklich kein Zweifel mehr. Sturmherz wartete, bis Schwarzstern seine Ansprache für Flockenjunges beendet hatte, dann erhob er sich und ging auf seinen Schüler zu. Flockenjunges sah ihn mit riesengroßen Augen an, beinahe verstört von der ganzen Aufmerksamkeit, die der Clan ihm schenkte. Sie berührten einander an der Nase, dann sprach Sturmherz ihm leise Mut zu und stimmte in die Jubelrufe mit ein, die allerdings – und das entging wohl niemandem – weniger enthusiastisch ausfielen als bei Schattenpfote und Frostpfote. Der FeuerClan freute sich über jeden Schüler, das stand außer Frage, aber Flockenpfote war eine Ausnahme. Er war der Außenseiter, bei dem die anderen sich immer fragen würden, woher er seine Größe und Gestalt hatte. Ob nicht doch ein Fünkchen ErdClan in ihm steckte. Und beim SternenClan, wenn die Lästermäuler nur wüssten, dass sie der Wahrheit viel näher waren, als sie ahnten. *** Am nächsten Morgen wartete Sturmherz mitten im Lager auf seinen Schüler, der vor Aufregung die halbe Nacht nicht geschlafen hatte und dementsprechend gleich zu seiner ersten Lektion zu spät kam. Milchkralle und Fleckennase waren mit ihren Schülern bereits vor einer halben Stunde losgezogen, während Blaukralle und Rindentänzer es vorzogen, ihre Schüler alleine in der Abgeschiedenheit zu unterrichten. Sturmherz wusste noch nicht, ob er im Laufe des Tages zu seinen beiden Freunden stoßen würde, denn zuerst wollte er Flockenpfote die Reviergrenzen zeigen, was, wie er fand, eine äußerst wichtige Angelegenheit war. Begleitet von Rosentaus gehässigem Blick und ihrer gerümpften Nase eilte Flockenpfote geduckt quer durch das Lager des FeuerClans zu seinem Mentor. „Ich bin zu spät.“ Sturmherz musterte seinen Schüler. Schließlich ließ er seinen Blick jedoch über den großen, weißen Kater hinweg gleiten bis zu Rosentau gleiten. „Gibt es ein Problem?“ Blaukralles Mutter starrte ihn mit ihren grasgrünen Augen eisig an. „Ich wünsche dir viel Glück bei der Ausbildung deines Schülers, Sturmherz. Du wirst es brauchen.“ Kurzerhand erhob sie sich und stolzierte mit aufgerichtetem Schwanz von ihnen fort in Richtung des Heilerbaus, um ihre Enkelkinder zu besuchen. Sturmherz atmete tief durch, dann schaute er Flockenpfote milde an. „Unpünktlichkeit wird im Clan nicht geduldet. Sie beim nächsten Mal pünktlich.“ Damit war das Thema für ihn beendet und er ging voran. Eine Weile streiften sie schweigend und ziellos durch das Gebiet des FeuerClans umher, bis Sturmherz endlich eine Richtung gefunden hatte, die er einschlagen wollte. Flockenpfote beschwerte sich kein einziges Mal über den langen Marsch, das zügige Tempo und den Erdboden, der steiniger und unwegsamer wurde, je weiter sie sich in östliche Richtung vom Lager entfernten. Es war die Richtung, aus der damals die Zweibeiner mit ihren Hunden gekommen waren, um den wilden Bären zu töten. Auch nach einem halben Jahr zog es Sturmherz wie magisch an die Grenze des Reviers zurück – so auch jetzt. Als der Geruch des FeuerClans in konzentrierter Form an Baumstämmen und großen Steinen klebte, wusste er, dass sie die Grenze erreicht hatten. Noch ein paar Schritte mehr und sie wären wieder in der clanlosen Wildnis, in der die Zweibeiner ihn vor einer gefühlten Ewigkeit ausgesetzt hatten. Sturmherz setzte sich hin, starrte hinaus in die Büsche und Bäume, suchte nach etwas, ohne zu wissen, welche Zeichen er erwartete. Es musste eine ganze Weile vergangen sein, bis Flockenpfote sich räusperte und Sturmherz damit aus seinen wortlosen Gedanken riss. Sein Schüler schaute ihn aus großen, treuen, goldenen Augen an. „Was tun wir hier, Sturmherz?“ Reine Neugierde, keine Kritik. Sturmherz seufzte. „Weißt du, wo wir uns hier befinden?“ „An der Grenze zur Wildnis“, sagte Flockenpfote unvermittelt und schaute ebenfalls angestrengt nach Osten. „Aber ich verstehe nicht, wieso wir hier sitzen. Warten wir auf etwas?“ „Ich weiß es nicht.“ Dann stand er kopfschüttelnd auf. „Es war der Tag deiner Geburt, als eine wilde Bestie in unser Lager einbrach. Ein Kampf auf Leben und Tod, der viele Opfer gefordert hat. Hier an dieser Stelle habe ich damals die Grenze zur Wildnis übertreten, um über das verwilderte Gebiet der Zweibeiner zu rennen. Nur sie konnten uns noch helfen, obwohl sie doch unsere Feinde sind.“ Nun hellte sich Flockenpfotes Miene auf, als würde er endlich verstehen, wo sie sich befanden. Neugierig schaute er sich um. „Hier, genau an dieser Stelle?“ „Ja.“ „Mutter hat uns oft davon erzählt, wenn wir danach gefragt haben. Wir haben einen Bruder gehabt, Lichtjunges, nicht wahr?“ „Ich habe ihn nie kennen gelernt. Keiner von uns hat das. Er ist viel zu früh zum SternenClan gegangen.“ „Das weiß ich.“ Flockenpfote richtete seinen durchdringenden Blick nun direkt auf seinen Mentor. „Ich bin sehr glücklich darüber, dass du mein Mentor bist, Sturmherz. Du bist ein mutiger Krieger und hast dein Leben riskiert, um Mutter, meine Brüder, mich und den ganzen FeuerClan zu retten. Du hast alles für uns getan, obwohl viele sagen, dass du nicht wirklich zum Clan gehörst. Aber das ist mir egal. Nicht das Blut macht einen zu einem wahren Krieger des Clans, sondern die Stärke des Herzens.“ Einen Augenblick lang wusste Sturmherz nicht, was er darauf erwidern sollte. Er war gerührt von der Treue, die sein junger Schüler ihm schenkte. „Weise Worte für jemanden, der noch so jung ist.“ „Danke, aber die Worte sind nicht von mir. Ich habe sie nur zitiert.“ Das ließ ihn hellhörig werden. Er wandte der Wildnis den Rücken zu. „Wer hat dir das denn erzählt? Schneeflügel?“ „Nein.“ Flockenpfote gähnte, knetete dann den Waldboden und schaute unsicher hin und her. „Einmal haben Schattenpfote, Frostpfote und ich uns aus dem Lager geschlichen. Es war Nacht. Ich habe den beiden gesagt, dass wir das nicht dürfen, aber sie haben nicht auf mich gehört und … na ja, ich wollte nicht alleine zurückbleiben. Auf einmal habe ich die beiden aus den Augen verloren und mich verirrt. Ich hatte solche Angst, aber dann war plötzlich Flohnacken da. Er hat gestunken und sah aus wie eine zerbissene Maus, hat auf einer Nacktschnecke herumgekaut … Ich habe ihn nach dem Weg gefragt. Ein wenig seltsam ist er schon gewesen, aber er hat mich zurück zum Lager geführt und mir gesagt, dass auch ich eines Tages ein großer Krieger sein werde. Dann war er so schnell weg, wie er aufgetaucht ist.“ Sprachlos starrte Sturmherz seinen Schüler an. „Ihr habt euch heimlich aus dem Lager geschlichen?“ Flockenpfote duckte sich in Erwartung einer nachträglichen Strafe. Sturmherz schüttelte den ersten Gedanken ab. „Du hast Flohnacken getroffen? Mitten im Revier des FeuerClans?“ Wie war das möglich? Er warf einen Blick über seine Schulter nach hinten in Richtung Wildnis. Flohnacken war ein Einzelläufer, ein stinkender Streuner, der in der Wildnis lebte und jeden Moment an Alter oder Krankheit sterben konnte. Sein Geruch hätte doch jemandem auffallen müssen, wenn er über die Grenze in das Clan-Revier gekommen wäre. Mit abgeknickten Ohren nickte Flockenpfote und als er seinen Kopf wieder hob, standen Reue und Traurigkeit in seinem Blick. „Das war falsch, Sturmherz, ich weiß das. Bitte sei nicht böse auf mich. Es tut mir leid und ich werde mich nie wieder den Befehlen von euch Kriegern widersetzen. Man schleicht nicht nachts herum. So etwas tut man nicht.“ „Lassen wir das Thema.“ Sturmherz musste tief durchatmen, um die Gedanken, die in ihm herumwirbelten, ordnen zu können. „Es ist alles gut gegangen. Aber wenn du Flohnacken noch einmal begegnen solltest, sagst du mir bitte umgehend Bescheid.“ „Natürlich, das mache ich.“ „Gut.“ Er setzte sich wieder in Bewegung, folgte der Reviergrenze nach Süden. „Dann kennst du jetzt den östlichsten Punkt unseres Reviers. Ich zeige dir nun den südlichsten Punkt an der Grenze zum ErdClan. Und die Grenze zum WasserClan … heben wir uns für ein andermal auf.“ *** „Wie ich hörte, hast du deinem Schüler die östliche Grenze gezeigt und die Stelle, die zum verlassenen Ort der Zweibeiner führt.“ Blaukralle fixierte Sturmherz mit seinen intensiv gefärbten Augen, die in seinem dunkelblauen Fell sehr deutlich zur Geltung kamen. „Wolltest du deinem Schüler zeigen, wo du herkommst?“ Sturmherz hatte Blaukralles fiese Kommentare ignorieren wollen, doch an diesem Punkt musste der blaue Krieger natürlich wieder aufgreifen, dass Sturmherz bei den Zweibeinern, weit jenseits des ehemaligen Bergbaugebiets, geboren worden war. Er schluckte das Eichhörnchenfleisch in seinem Maul komplett herunter und erwiderte den herausfordernden Blick. „Ich habe ihm lediglich die Stelle gezeigt, die unserem Clan das Leben gerettet hat. Du wirst sie sicherlich noch gut in Erinnerung haben, schließlich ist es die Stelle, an der du mich damals in die Wildnis geschickt hast, um mich loszuwerden.“ Blaukralles Schnurrhaare begannen zu beben und er richtete sich zu voller Größe auf. Gerade öffnete er seinen Mund, um etwas zu sagen, als sich seine Mutter Rosentau elegant neben ihren Sohn setzte. Mit ihren grünen Augen starrte sie Sturmherz in Grund und Boden. „Du wirst doch nicht schon wieder mit diesen haltlosen Anschuldigungen gegen Blaukralle fortfahren wollen, nicht wahr? Falls ich mich irre, kannst du mich gerne eines Besseren belehren, aber soweit ich mich erinnere, hat Schwarzstern damals bereits zu Gunsten meines Sohnes entschieden.“ Um ihren Standpunkt zu unterstreichen, leckte sie sich einmal über die rechte Vorderpfote. „Pass besser auf, was du sagst, mein lieber Sturmherz. Mit solchen Worten säst du Zwietracht im Clan und das wollen wir doch nicht, nicht wahr?“ Flockenpfote und die anderen Schüler, die gemeinsam vor dem Bau der Schüler saßen und ebenfalls ihr abendliches Mahl genossen, bekamen allmählich mit, dass ich ein Streit anbahnte. Sie hörten auf zu fressen und schauten neugierig und mit großen Augen zu Sturmherz und Blaukralle herüber. Sturmherz bemerkte natürlich, dass er anfing, die Aufmerksamkeit des Clans auf sich zu sehen, weshalb er frustriert schnaubte. „Mit dem Säen von Zwietracht kennst du dich ja bestens aus, Rosentau.“ Die Worte waren leise gesprochen, aber so scharf wie die Zähne eines Raubtieres. Zufrieden schaute er zu, wie Blaukralles Mutter ihre hübschen Augen zu schmalen Schlitzen verengte. Glücklicherweise konnte er sich bisher stets darauf verlassen, dass Rosentau in der Öffentlichkeit ihre Maske nicht ablegte und den Schein der besorgten, treuen FeuerClan-Katze wahrte. Auch Milchkralle und Fleckennase hatten mitbekommen, dass er mal wieder in ein Wortgefecht mit Blaukralle geraten war. Gemeinsam setzten sie eine möglichst fröhliche Miene auf und lockerten die Situation damit auf. „Kommst du mal kurz mit? Wir hatten die Idee, morgen gemeinsam mit unseren Schülern eine Trainingsstunde im Kämpfen zu veranstalten. Du hast bestimmt auch noch einige Ideen dafür.“ Am liebsten hätte er Blaukralle und Rosentau einfach seine Meinung gesagt, doch er wusste, dass er sich nicht zu viel herausnehmen durfte. Blaukralle war der allgemeine Liebling des Clans, Rosentau war über die Clangrenzen hinaus als Schönheit bekannt und noch dazu war sie die ehemalige Gefährtin von Schwarzsterns verstorbenem Sohn Fuchsauge. Gegen einen von ihnen kam er vielleicht an, aber nicht gegen die geballte Prominenz. „Natürlich, ich komme.“ Er schnappte sich den Rest seines Eichhörnchens und ging damit herüber zu Milchkralle und Fleckennase, die an der steilen Felsmauer auf ihn warteten. Kaum war er bei ihnen angekommen, verfinsterte sich Milchkralles Gesicht schlagartig. „Was sollte das nun wieder?“, fauchte sie ungehalten und rümpfte demonstrativ die Nase. „Wieso musst du dich immer wieder darauf einlassen?“ „Weil Blaukralle und Rosentau mich absichtlich provozieren. Sie haben mich nie als Teil des FeuerClans akzeptiert und nun fangen sie an, auch auf Flockenpfote herumzuhacken.“ Milchkralle kam ihm blitzschnell so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. „Lass. Es. Gut. Sein.“ Sofort zog sie sich wieder auf Abstand zurück und schüttelte ihr blaugraues Fell. „Du kannst nicht beweisen, dass deine Version der Geschehnisse von damals stimmt und im Grunde genommen macht es auch gar keinen Unterschied mehr, weil das schon über ein halbes Jahr her ist. Rosentau hat Recht, wenn sie sagt, dass du den Clan mit deinem Hass gegenüber Blaukralle spaltest.“ „Also soll ich einfach so tun, als wäre nichts gewesen, und mich seinem Fanclub anschließen? Ausgerechnet jetzt, wo er sich Flockenpfote als nächstes Opfer aussucht?“, erwiderte er schnippisch. Fleckennase, der zwischen den beiden saß, schaute ganz unglücklich drein. „Hört doch auf über dieses Thema zu diskutieren. Du magst Blaukralle nicht, er mag dich nicht, das war’s. Belass es einfach dabei, okay?“ Sturmherz sah seinen besten Freund zweifelnd an. Fleckennase seufzte. „Na ja, weißt du, Blaukralle ist total beliebt und eigentlich ganz in Ordnung. Er ist ein guter Krieger und ich will nicht … nun … du weißt schon. Jetzt, wo wir alle Schüler haben, ist es doch sowieso wie ein Wettkampf.“ In diesem Augenblick verstand Sturmherz, was Fleckennase damit sagen wollte. Er fühlte sich verraten und gekränkt und legte seinen buschigen Schwanz dicht um seine Pfoten. „Du willst nicht, dass er dich als Rivalen sieht, weil du glaubst, ohnehin keine Chance gegen ihn und Nebelpfote zu haben?“ Nun schaltete sich auch Milchkralle wieder ein und ihr skeptischer Blick richtete sich dieses Mal auf Fleckennase. „Du spinnst doch. Blaukralle will, dass Nebelpfote in kürzester Zeit zu einem perfekten Krieger ausgebildet wird, weil er selbst ebenfalls nur zwei Monde lang in Ausbildung war, genau wie sein Vater, der legendäre Fuchsauge. Die durchschnittliche Ausbildungsdauer beträgt vier Monde.“ Sie pausierte kurz und ihre Ohren zuckten in Erwartung dummer Kommentare, weil sie selbst viel länger gebraucht hatte. Doch als ihre Freunde schwiegen, fuhr sie fort: „Ich bezweifle nicht, dass Blaukralle ein sehr strenger Lehrer ist, aber er und Nebelpfote passen sehr gut zueinander. Sie ergänzen sich, weil Nebelpfote bereit ist, sein gesamtes Leben dem Studium des Kriegerdaseins zu widmen. Er hat kein Interesse mehr an den anderen Schülern, weil er das Gefühl hat, sich nur so beweisen zu können. Damit kann Dachspfote nicht mithalten – und bevor du protestieren willst, auch Schattenpfote, Flockenpfote und Frostpfote nicht. Keiner von ihnen. Also vergleich dich und Dachspfote nicht mit den beiden, das würde dir und deinem Selbstbewusstsein gut tun.“ Das hatte gesessen. Fleckennase starrte sie wütend an, mürrisch, geknickt. Dann ließ er seine Ohren hängen und kaute lustlos auf seiner Maus herum. Er sagte kein einziges Wort mehr. „Musstest du so streng zu ihm sein?“, raunte Sturmherz Milchkralle vorwurfsvoll zu. Die Kriegerin schaute verständnislos drein. „Wieso? Was meinst du? Ich habe doch nur die Wahrheit gesagt.“ Sturmherz konnte nicht anders als mit dem Kopf zu schütteln. Gemeinsam saßen sie schweigend Seite an Seite und beendeten in Ruhe ihr Abendessen. Die Sonne verschwand allmählich hinter den Baumkronen und legte damit das Lager des FeuerClans wie jeden Abend in einen verfrühten Schatten. Während die Katzen zunächst noch alle in mehr oder weniger großem Abstand um den Frischbeutehaufen herum gesessen hatten, verteilten sich nun Kleingruppen auf das gesamte Lager. Zimtfeder kehrte in den Bau der Königinnen zurück, wo ihre Jungen Bienenjunges und Fuchsjunges bereits hungrig auf sie warteten. Honigblüte und Fliederpfote folgten ihr. Falkenherz und Schneeflügel saßen zusammen am Eingang vom Bau der Ältesten, putzten sich und erzählten sich Geschichten über ihre wilden Kriegerzeiten. Die restlichen Krieger teilten sich in Kleingruppen auf, ließen den Tag revuepassieren und rätselten dann und wann, wen Schwarzstern als Mentoren für Blaukralles Jungen aussuchen würde, auch wenn die beiden noch einige Monde Zeit hatten, bis sie zu Schülern ernannt würden. Sturmherz vermutete, dass Blaukralle alles daran setzen würde, selbst einen der beiden auszubilden – ein Grund mehr, weshalb er Nebelpfote kaum eine Pause gönnte und den ganzen Tag über ein straffes Programm mit ihm durchzog. Doch die Mühe lohnte sich, wie Sturmherz mit einem Blick zu den Schülern feststellen konnte. Bereits nach so kurzer Zeit besaß Nebelpfote einen definierten, muskulösen Körper, sodass von seiner rundlichen, niedlichen Kittengestalt nicht mehr viel übrig war. Alle waren da, bis auf Apfelpelz, natürlich. Die Abwesenheit des dunkelroten Kriegers nahm kaum noch jemand zur Kenntnis, weil es zur Gewohnheit geworden war. Fleckennases ehemaliger Mentor hatte nie sonderlich viel Elan gezeigt und stillschweigend schienen alle hinzunehmen, dass Apfelpelz seine Pflichten schleifen ließ und sich so oft wie möglich um seine Dienste drückte. Umso mehr Aufmerksamkeit zog Apfelpelz auf sich, als er mit hektischen Blicken durch die Büsche, die den Eingang des Lagers flankierten, ins Lager stürmte. „Schwarzstern, ich muss mit dir reden!“, rief er ohne Vorwarnung und kam neben dem Frischbeutehaufen zum Stehen. Die Gespräche, die bis dahin munter aus allen Ecken des Lagers ertönt waren, verstummten schlagartig und eine unangenehme Stille machte sich breit. Ohren wurden gespitzt, Blicke getauscht. Schwarzstern, der sich bis gerade in einem Gespräch mit dem Zweiten Anführer Haselschweif vertieft hatte, schaute auf. „Nicht jetzt, Apfelpelz.“ Kurzerhand wandte er sich wieder Haselschweif zu, setzte erneut zum Reden an, als er unterbrochen wurde. „Bitte, es ist wichtig. Ich muss mit dir reden. Jetzt.“ Einige sogen scharf die Luft ein. Was war nur los mit Apfelpelz? „Wie redest du mit deinem Anführer!“, wies Haselschweif ihn sogleich zurück. Vor Zorn plusterte sich sein ohnehin buschiger, rostroter Schweif zur doppelten Größe auf. Schwarzstern bedachte Apfelpelz mit einem kühlen und dennoch genervten Blick. „Später.“ Apfelpelz‘ Brust begann zu beben. Unsicher schaute er umher, suchte nach Honigblüte, die, angelockt von der plötzlichen Stille, vor ihrem Heilerbau saß und ihren Bruder durchdringend musterte. Dann sah er wieder Schwarzstern an, der ihm erneut den Rücken zugekehrt hatte. Er schien all seinen Mut zusammen zu nehmen. „Nein, du hörst mir jetzt zu, Schwarzstern!“ Sturmherz glaubte, dass sein Herz vor Schreck einen Aussetzer machte. „Ich bitte dich nicht als ein Krieger des FeuerClans, sondern als der Sohn deines Sohnes, also bitte, höre mich jetzt an!“ Langsam drehte Schwarzstern sich um. Seine Präsenz schien schlagartig das halbe Lager auszufüllen. Seine gelben Augen richteten sich auf Apfelpelz, der die Frechheit besaß, so mit ihm zu reden. Einen Augenblick lang schien niemand zu wissen, wie der Anführer reagierte. „Wenn du etwas zu sagen hast, was so dringlich ist, dann sag es vor deinem gesamten Clan. Sprich.“ Apfelpelz atmete tief durch. Sein Schwanz zuckte unruhig hin und her. „Ich bitte dich, Wolkentänzer aus dem WasserClan und ihre beiden Jungen unter den Schutz des FeuerClans zu stellen.“ Kaum hatte er den Satz vollendet, platzte der Knoten und ein aufgebrachtes Raunen ging durch den Clan. Rosentau war nahezu blass, als sie ihren Sohn fassungslos anstarrte. „Apfelpelz, das kann nicht dein ernst sein!“ Andere Stimmen wurden laut und mischten sich darunter. Auch Schwarzstern und Haselschweif konnten ihre Überraschung nicht verbergen. „Und wieso sollte ich das tun?“ Haselschweif nickte zustimmen und fügte hinzu: „Wir befinden uns aktuell in einer sehr angespannten Lage mit dem WasserClan. Es steht uns nicht zu, uns in ihre Angelegenheiten einzumischen.“ „Aber sie haben Wolkentänzer und ihre Jungen verbannt, sie produziert nicht genug Milch und wenn wir ihnen nicht helfen, werden sie in der Wildnis sterben!“ Verzweiflung spiegelte sich in Apfelpelz‘ Blick wider. Nun mischte sich Rosentau wieder ein und ergriff das Wort. „Wie kannst du auch nur daran denken, sie in unseren Clan zu bringen! Ich bin schwer enttäuscht von dir, mein Sohn. Was würde dein Vater, der große Fuchsauge, nur dazu sagen!“ Aufgebracht funkelte er seine Mutter an. „Es ist doch nichts Neues, dass du schwer enttäuscht von mir bist! Deine Meinung interessiert mich nicht, Mutter!“ Er spuckte ihr die Worte nahezu ins Gesicht. „Und ich habe Vater kaum gekannt, aber ich weiß, dass er das Gesetz der Krieger geehrt hat und darin heißt es, dass man ein Junges in Not niemals im Stich lassen darf, selbst wenn es einem fremden Clan angehört.“ Die letzten Worte hatte er wieder an Schwarzstern gerichtet. Der Anführer musterte seinen Enkelsohn eindringlich. „Es ist nicht das erste Mal, dass der WasserClan jemanden verstößt. Ich entnehme diesem Vorfall, dass Wolkentänzers Junge entweder krank oder HalbClan-Junge sind. Silberstern wird nach den Werten des WasserClans entschieden haben. Wenn wir uns jetzt einmischen, ziehen wir den Zorn des WasserClans noch stärker auf uns. Der Blattfall ist da, in ein paar Monden werden wir Blattleere haben. Unsere Priorität liegt bei uns selbst, bei unseren Schülern und den beiden Jungen, die Zimtfeder versorgen muss. Es spricht nichts dafür, dass wir uns ausgerechnet jetzt um dieses Anliegen kümmern sollten. Für Wolkentänzer mag es bedauerlich sein, aber sie hat ihr Schicksal selbst zu verantworten.“ Als Apfelpelz wieder sprach, zitterte seine Stimme und war kurz davor zu brechen. „Sie ja, aber ihre Jungen doch nicht! Bitte Schwarzstern, wir müssen ihr helfen!“ „Meine Entscheidung steht fest.“ „Das kannst du nicht tun! Ich habe sie bereits hier her gebracht, sie wird jeden Moment mit ihren Jungen in unserem Lager eintreffen!“ Das löste eine erneute Welle des Protestes aus. Rosentau bezeichnete ihn als Verräter und auch Blaukralle erhob nun das Wort gegen seinen Halbbruder. Selbst Eisbart stimmte in das feindselige Brummen mit ein. Herbstwolke schüttelte immer wieder ungläubig ihren Kopf und rückte näher an ihren Sohn Fleckennase heran, ganz so, als wollte sie sich davon versichern lassen, dass er so etwas niemals tun würde. „Du hast was getan?“ Nun hob auch Schwarzstern seine grollende Stimme. „Das steht nicht in deiner Macht! Nenn mir einen guten Grund, wieso ich sie nicht auf der Stelle weiter in die Wildnis schicken sollte!“ Apfelpelz kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder, sein buschiger Schwanz sank resigniert und kraftlos auf den Boden. „Weil es … meine Jungen sind. Und wenn du sie verbannst, wirst du auch mich verbannen müssen.“ Schlagartig war jedes Geräusch verstummt und die Luft schien stillzustehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)