Sterben nach Wunsch von KiraNear (Path of Amy) ================================================================================ Kapitel 6: Rachefeldzug ----------------------- Das erste, was er spürte, als er wieder zu Bewusstsein kam, war der pochende Schmerz auf seinem Hinterkopf. Anschließend einen metallenen Geschmack in seinem Mund, welcher recht schnell wieder nachließ. Sich noch über seine komplette Situation im Unklaren, öffnete er langsam die Augen und versuchte sich zu orientieren. Doch alles, was er sah, war ein ihm völlig unbekanntes Wohnzimmer. Auch die Landschaft, die er durch das Fenster erkennen konnte, konnte ihm nicht verraten, wo er sich befand, da er diese ebenfalls noch nie gesehen hatte. Er versuchte sich daran zu erinnern, was mit ihm passiert war, was er, bevor er an diesem Ort aufwacht war, getan hatte. Nachdem Sherlock die Wohnung verlassen hatte, habe ich mich um Amy gekümmert. Anschließend habe ich sie kurz zu Mrs. Hudson gebracht, damit sie sie füttern konnte. Genau, sie hat ihr frisches Karottenpüree zubereitet. Dann hat es an der Tür geklingelt, Mr. North kam vorbei, um mich zu holen. Er sagte … er sagte, Sherlock wäre vom Täter verwundet und bräuchte meine Hilfe … Aus dem Pochen wurde ein Stechen, reflexartig wollte er sich an die schmerzende Stelle greifen, doch es gelang ihm nicht. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er an einen Stuhl gebunden war, seine kompletten Unterarme und Unterschenkel waren mit einem Seil an diesem befestigt. Rüttelnd versuchte er sich zu befreien, ohne jeglichen Erfolg. „Hallo, kann mich jemand hören! Ich bin hier eingesperrt!“, rief er so laut er konnte, doch soweit er erkennen konnte, war vor den Fenstern niemand zu sehen. Er rief noch ein paar weitere Male um Hilfe und kurz keimte Hoffnung in ihm auf, als sich die Tür öffnete. Sherlock, gut dass du gekommen bist …    Bis er das finstere Grinsen seines Entführers erblickte, das sich ihm näherte. Die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, verschluckte er auf der Stelle. Gänsehaut breitete sich großzügig auf seinem Rücken aus und er konnte sich nun daran erinnern, was nach der Autofahrt geschehen war. „Sie … Sie haben mich hierhergeführt und dann hinterrücks angegriffen! Wer sind Sie wirklich und was wollen Sie von mir?“, rief er ihm entgegen, doch der Mann lächelte nur. Den Kopf schief, wirkte es wie das Lachen einer Puppe. Einer fürchterlichen, geisteskranken Puppe. „Nun, von Ihnen möchte ich nichts, Mr. Watson. Aber ich bin froh, dass Sie nun endlich aufgewacht sind. Ich hatte schon befürchtet, ich hätte zu fest zugeschlagen und Ihnen somit vorzeitig das Lebenslicht ausgepustet. Aber das wäre doch viel zu früh. Nein, der beste Teil kommt für uns alle ja noch. Auch wenn sie nicht meine richtige Zielperson sind.“ Sein Grinsen vergrößerte sich und John brauchte ein paar Momente, um zu verstehen, was er damit gemeint hatte. „All diese Morde, all die Warterei und die Vorbereitungen. All dies für den einen Moment, für diesen großen, besonderen Moment!“ Übelkeit stieg in John auf, er konnte nicht glauben, was er da hörte. Doch dann wurde es ihm bewusst. „Sherlock … Sie wollen über mich an Sherlock herankommen, nicht wahr? Aber Sie hatten ihn bereits in Ihrer Wohnung, warum dieses ganze Theater? Wozu mussten all diese Leute sterben? Etwa zu Ihrem persönlichen Vergnügen?“ Erneut begann er zu lachen, dieses Mal finsterer und lauter. „Mein lieber Mr. Watson … Sie haben wirklich ein gutes Herz. Aber glauben Sie mir, damit kommen Sie nicht weiter im Leben. Nicht, wenn Sie ganz oben ankommen wollen. Manchmal … muss man eben Opfer bringen, um seine Ziele zu erreichen. Und sobald Mr. Holmes durch die Tür tritt, was wohl jeden Augenblick der Fall sein wird, werde ich endlich bekommen, was ich mir so sehr wünsche.“ Unsicher darüber, ob er es wirklich hören wollte, fragte er: „Und was genau wünschen Sie sich?“ Das Lachen stockte, McCormick drehte sich von ihm weg, ungeduldig auf die Tür starrend. „Nun, das kann ich Ihnen beantworten, Mr. Watson. Ich möchte Rache. Rache für das, was er dem wirklich größten Genie aller Zeiten angetan hat. Rache für den Tod von Jim Moriarty!“ Augenblicklich blieb John das Herz stehen, allein die Erwähnung des Namens reichte ihm vollkommen als Beweis, wie ernst es McCormick damit war. Ich … ich muss ihn warnen. Sherlock, komm auf gar keinen Fall her, das ist eine Falle! McCormick wandte sich ihm wieder zu, sein Grinsen wurde zu einem Lachen, laut und grell. Aber auch irre. „Oh, natürlich, es gibt da noch eine Sache, an die ich nicht gedacht habe. Wir wollen ja immerhin nicht, dass wir unserem Ehrengast die Überraschung versauen, nicht wahr? Sie sind doch jemand, der Überraschungen mag, nicht wahr, Mr. Watson? Genau, das dachte ich mir. Und deswegen sind Sie jetzt ein braver britischer Staatsbürger und versauen Ihrem besten Freund nicht die Überraschung. Ich habe mir extra so viel Mühe in der Vorbereitung gegeben und wir wollen ja nicht, dass er enttäuscht wird.“ Mit schnellen Schritten näherte McCormick sich ihm wieder, stopfte ihm eine frisch gewaschene Socke in den Mund und packte ihn an den Haaren. „Hören Sie gut zu“, flüsterte er John ins Ohr. Erneut schob sich eine Welle aus Schüttelfrost über seinen gesamten Rücken. „Wenn Sie trotzdem irgendeinen faulen Trick versuchen, dann werde ich nicht mehr so nett zu Ihnen sein. Sehen Sie das als einen kleinen … Vorgeschmack an“, und verpasste ihm eine saftige Ohrfeige. Mit tränendem Auge unterdrückte John jeglichen Reflex, sich an die schmerzende Wange zu fassen. Doch unfähig, sich zu bewegen oder mitzuteilen, wusste er keine weitere Möglichkeit, wie er Sherlock warnen könnte. „Ich weiß, was Sie sich denken. Warum kann ich keine Telepathie? Oder nicht wenigstens in die Zukunft sehen? Nun, sehen Sie es ein: Nicht immer läuft alles so, wie es sich die Guten wünschen. Auch die Guten dürfen mal einen Verlust einholen. Und dafür werde ich sorgen … Oh, wenn das nicht unser Gast ist. Wir müssen ihn ganz freundlich begrüßen, wenn er gleich hier reinkommt. Was meinen Sie, Mr. Watson, schaffen wir das?“ Sachte klopfte er seinem menschlichen Paket auf die Schulter, welches nur schwer einen Würgereiz unterdrücken konnte.   „Da, das dort drüben ist das Haus“, sagte Mrs. North und deutete auf ein kleines Haus direkt am Wasser. Das Gelände rund um das Haus wirkte verlassen, hatten sich auf ihrem gesamten Weg nach der Ortschaft sämtliche Fischer auf einem Platz versammelt, ließ sich hier nicht ein einziger blicken. Unter anderen Umständen wäre Sherlock dies sicherlich aufgefallen, doch nun hatte er andere Dinge, auf die er sich konzentrierte. „Sie beide, Sie hören mir nun genau zu!“, sagte Lestrade und sah die beiden Zivilisten scharf an. „Sie müssen auf jeden Fall hier im Auto bleiben, wir wissen nicht, was sich dort drinnen abspielt. Das dient nur zur Ihrer Sicherheit. Daher müssen Sie sich auf jeden Fall daranhalten.“ Eindringlich sah er sie an, doch dies war nicht nötig. Die beiden nickten wortlos und blieben im Auto zurück, bereit, im Fall eines Falles Lestrades Kollegen über den Polizeifunk anzufordern. Wie bereits abgesprochen näherten sich Sherlock und Lestrade vorsichtig der Haustür, auf alle möglichen Anzeichen eines verstecken Angriffs achtend. Doch der Vorgarten wirkte so harmlos wie jeder andere britische Vorgarten, den sie bisher gesehen hatten. Auch die Fenster verrieten nichts davon, dass im Inneren gerade jemand festgehalten wurde. Oder möglicherweise Schlimmeres mit ihm geschah. Sie wollten es sich gar nicht ausmalen. Nicht für eine einzelne Sekunde. Den Griff erneut auf seiner Pistole, nickte Lestrade ihm zu, bevor Sherlock die Tür öffnete und zusammen mit dem Polizisten das kleine Haus betrat. „Willkommen, Mr. Holmes. Ich würde Sie gerne in meinem bescheidenen Heim begrüßen, bedauerlicherweise haben wir uns nie darin befunden. Sie haben es offenbar wirklich herausgefunden, wenn auch ein wenig spät, finden Sie nicht? Und Sie haben uns auch noch einen Gast mitgebracht, wie freundlich von Ihnen. Er war zwar nie für die Gästeliste vorhergesehen, aber man kann auch zu viert eine wundervolle, gemütliche Runde haben. Nun denn, meine Herren, treten Sie ein oder haben Sie etwa vor, in dem Türrahmen Wurzeln zu schlagen?“ Angewidert vom Ton, schoben sie sich in den kleinen Flur und ließen die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Vor ihnen stand McCormick, mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht, doch seine Augen strahlten Kälte aus. „Endlich zeigen sie uns Ihr wahres Gesicht, Mr. McCormick“, begann Sherlock, rührte sich dabei nicht vom Fleck. „Ich bin beeindruckt, dass Sie tatsächlich auf meine kleinen, aber feinen Hinweise gekommen sind. Es wäre aber auch eine Schande, wäre es anders gewesen …“ „Sie wissen ganz genau, weshalb wir hierhergekommen sind. Hören wir auf, um den heißen Brei herumzureden und sagen Sie uns, was Sie mit John Watson getan haben.“ Kichernd krümmte sich McCormick zusammen, hielt sich den Bauch fest und kicherte immer lauter. Dann hob er den Zeigefinger und knabberte an dessen Spitze. „Noch habe ich gar nichts getan, Mr. Holmes. Im Moment ist er noch mein Gast, es fehlt ihm an nichts, er bekommt von mir sogar eine Kleinigkeit zum Essen oder Trinken, wenn er das möchte. Natürlich ist nichts davon vergiftet, was wäre ich denn für ein schrecklicher Gastgeber, würde ich meine Gäste einfach vergiften?“ Erneut lachte er, dieses Mal noch künstlicher als bisher. „Sagen Sie, was Sie mit ihm vorhaben“, sagte Sherlock einen Ton lauter, es fiel ihm immer schwerer, die Fassung zu bewahren. „Sie sind einer von Moriartys Leuten, Sie sind nicht gerade jemand, der einfach so aus einer Laune heraus jemanden mitnimmt. Nein, Sie waren gezielt hinter John Watson her. Moment, nicht mal er war ihr richtiges Ziel. Wie auch die Entführungsopfer ist John nur ein weiteres Mittel zum Zweck. Was Sie in Wahrheit wollen, bin ich. Hier bin ich nun – was gedenken Sie zu tun?“ „Sich zu ergeben wäre eine gute Option“, meinte Lestrade und zielte mit seiner Dienstwaffe auf McCormick. Doch dieser ließ sich das Lächeln nicht nehmen. „Erneut liegen Sie mit Ihren Vermutungen richtig, Mr. Holmes. Theoretisch hätte ich auch viele andere Wege finden können, um Sie anzulocken, oder um Sie zu verletzen. Sie mögen ein besonderer Detektiv sein, aber wenn man Sie auf der Straße anschießt, sterben Sie wie jeder andere Mann auch. In Ihrem eigenen Blut liegend und hoffend, dass das noch nicht das Ende bedeutet. Doch so einfach will ich es Ihnen nicht machen. Mr. Moriarty war ein Genie, er war brillant und hat seine geistigen Schätze im Gegensatz zu Ihnen für die richtigen Zwecke genutzt. Er wusste, was die Zukunft dieser Welt ist. Denn wenn Sie einen Verbrecher verurteilen und einsperren werden drei weitere nachfolgen. Sie hätten die Chance gehabt, zusammen mit ihm die Welt zu verändern. Doch stattdessen haben Sie sich dafür entschieden, ihn vollkommen aus der Welt zu radieren! Seine Werke, seine jahrelangen Arbeiten und Mühen zu vernichten! Glauben Sie ja nicht, dass ich Sie so einfach damit durchkommen lasse. Nein, Sie sollen auch mal in den Genuss davonkommen, was es bedeutet, jemanden zu verlieren, der einem wichtig ist. Natürlich können Sie jetzt sagen, Ich bin Sherlock Holmes, ein ganz wichtiger und berühmter Detektiv, mir ist niemand wichtig. Doch das wären Lügen und das wissen Sie. Ich habe Sie beobachtet, Recherchen angestellt. Es gibt nicht viele Personen, die Ihnen nahestehen, aber von allen, die es tun, steht Ihnen John Watson am nächsten. Nun, da wir nun gerade auf ihn kommen, es ist doch etwas unhöflich ihn aus unserer gemütlichen Runde auszuschließen, nicht wahr? Warum gesellen wir uns nicht zu ihm?“, sagte er, und verschwand durch die Tür hinter sich. Sherlock und Lestrade sahen sich für einen Moment an, bevor sie McCormick in den nächsten Raum folgten.   Dort sahen sie John, wie er mit einer Mischung aus Erleichterung und Verzweiflung an einem Stuhl gefesselt saß, mitten im Raum und mit etwas Stoffartigem im Mund. Er sah aus, als würde er ihnen etwas zurufen wollen, doch dazu war er nicht in der Lage. Auf seine Schläfe war das tödliche Ende eines Pistolenlaufs gerichtet. „Nun, ich denke, ich muss nicht weiter erwähnen, was ich mit diesem netten Mann vorhabe, Mr. Holmes. Andere an meiner Stelle hätten ihm nun etwas abgeschnitten, ihn anzündet oder die Haut am lebendigen Leibe weggeätzt. Doch nein, ich mache das nicht. Es ist einfach nicht mein Stil und es wäre eine viel zu große Sauerei. Und dann allein diese ganzen Schmerzensschreie … es mag Menschen geben, für die ist das Musik in ihren Ohren, aber zu diesen zähle ich mich nicht. Sie können sich also glücklich schätzen, Mr. Watson. Ihr Ende ist garantiert, aber immerhin kurz und nur mit leichten Schmerzen verbunden. Bin ich nicht überaus großzügig zu Ihnen?“ Panik stand im Gesicht des gefesselten Mannes, auch gleich er nicht die Hoffnung aufgab, dass Sherlock es irgendwie doch schaffen könnte. Ob er einen Plan hat? Doch der Detektiv blieb zusammen mit dem Polizisten, wo er war. Lestrade stand das Entsetzen im Gesicht geschrieben, Sherlock dagegen verzog keine Miene.   „Nun denn, Mr. Holmes, haben Sie noch ein paar letzte Worte, bevor Mr. Watson uns für immer verlässt?“, fragte McCormick lächelnd, mit dem Finger am Abzug. „Ja, die habe ich. Allerdings gelten diese Worte nicht ihm, sondern Ihnen, Mr. McCormick“, sagte er so ruhig er konnte. Im Nachhinein überraschte es ihn, wie ruhig er dabeigeblieben war, war sein Herz in diesem Moment zum Zerbersten nervös. „So so, mir wollen Sie also etwas sagen?“, stellte er amüsiert fest und zielte mit der Pistole auf den Boden. „Und was genau haben Sie mir denn zu sagen?“ „Genauer betrachtet, ist es eine Frage: Was haben Sie vor, wenn Sie mit Mr. Watson fertig sind?“, fragte er ihn in einem vollkommen ernstem Ton. „Sie haben bestimmt nicht gedacht, dass es so einfach werden würde. John können Sie einfach erschießen, er kann sich nicht wehren und ist an den Stuhl gefesselt. Doch mit uns beiden werden sie nicht fertig. Gut, mit Mr. Lestrade haben sie nicht gerechnet, aber was hatten Sie mit mir vor, wenn Sie fertig sind? Nein, sagen Sie nichts, die Frage kann ich mir auch ebenso gut selbst beantworten. Sie wollen sowohl mich als auch John tot sehen. Wenn Sie ihn allerdings einfach erschießen, laufen Sie Gefahr, dass ich in der Zwischenzeit flüchte oder mich gegen Sie zur Wehr setze. Selbst wenn Sie ein paar Schüsse auf mich abfeuern, steht es nicht fest, dass Sie mich auch wirklich verletzen. Das Risiko wollen und können Sie natürlich nicht eingehen. Meine Vermutung ist, dass Sie eine Notfalllösung haben. Erst verwunden Sie John, dann schießen Sie mir ins Bein und am Ende kommt Ihre zweite Waffe zum Einsatz. Eine, die sicherstellt, dass wir beide auch wirklich sterben – das mit dem schnellen und leicht schmerzhaften Tod war eine Lüge. John mag darauf hereinfallen, aber mich beeindruckt das nicht im Geringsten.“ McCormick fing zu lachen an, ein Lachen, welches schrill in ihren Ohren klingelte. „Auch wenn Sie mein Erzfeind sind, bin ich doch ein wenig von Ihrem Können beeindruckt, das muss ich zugeben. Und ja, Sie haben Recht, das hier war nicht die richtige Art, mit der ich mich an Ihnen rächen wollte. Wovor Sie sich fürchten sollten, halte ich hier, in meiner anderen Hand.“ Aus seiner Hose holte er einen Funkzünder hervor, den Knopf hinter einem kleinen Plastikdeckel versiegelt, damit dieser nicht versehentlich aktiviert wurde. Zufrieden, immer noch die Fäden in der Hand zu haben, sah er zu den beiden Männern hoch. Nun hatte sein Blick endgültig nichts mehr mit dem Mann zu tun, den sie wenige Tage vorher als besorgten Ehemann kennengelernt hatten. „Der Sprengstoff ist übrigens an mehreren Stellen im Haus versteckt – man muss ja sichergehen, dass auch alles hier in diesem kleinen Haus gleichmäßig in Flammen gesetzt wird. Nicht, dass es noch eine kleine, sichere Ecke gibt, in der Sie sich verstecken können, das wollen wir doch nicht, wenn Sie beide sterben sollen“, sagte er in einem fast schon mütterlichen Ton.   Verzweifelt sah Lestrade zu Sherlock, in der Hoffnung, dass diesem etwas einfallen würde. Doch als nichts von ihm kam, richtete er seine eigene Waffe auf den Täter. „Oh, Sie wollen mir drohen? Das würde ich an Ihrer Stelle nicht machen, oh nein, ganz und gar nicht. Es könnte gar nicht gut für Sie ausgehen. Sie würden nun gerne Dinge sagen, wie Lassen Sie die Waffe fallen, oder Legen Sie den Zünder weg. Dummerweise funktioniert das nicht so einfach, nicht bei mir. Wenn Sie sich noch einen Zentimeter bewegen, vor allem in meine Richtung, werde ich den Knopf drücken. Auf die Distanz erreichen Sie mich nicht schnell genug, selbst, wenn Sie beide gleichzeitig loslaufen. Verabschieden Sie sich voneinander, aber nicht traurig sein, Sie drei werden sich noch im Nachleben lange genug sehen können!“ Wieder hielt er die Pistole an Johns Kopf, bereit, in diesem Moment abzudrücken. Jetzt wurde Sherlock bewusst, dass McCormick keinerlei Absichten zur Flucht hatte. „Sie wollen sich mit uns zusammen umbringen!“; stellte er fest, und ein Blick in McCormicks Augen zeigte dessen Entschlossenheit. Er sah aus, wie jemand, der schon längst mit dem Leben abgeschlossen hatte und nur noch auf den entscheidenden Moment wartete.   „Sayonara, Dr. Watson“, sagte er, als mehrfaches Klirren von Glas zu hören war. Keiner von Ihnen realisierte, was mit Ihnen geschah, erst im Nachhinein konnte ihr Gehirn die Information verarbeiten. Kleine, runde Dosen flogen durch die aufgeschossenen Fenster, ein grelles Licht breitete sich aus. John kniff sich so fest er konnte die Augen zu, die anderen hoben Ihre Arme, um sich vor dem beißenden Licht zu schützen. „Was soll denn das?“, fragte McCormick, verwirrt torkelte er ein paar Schritte von John weg. In diesem Moment wurde er von einer unbekannten Person zu Boden gerissen. Er vermutete Sherlock oder den anderen Mann dahinter, doch so richtig war er nicht überzeugt davon. Wie haben die das gemacht? Wo haben sie die Blendgranate her? Die haben sich doch gar nicht bewegt … Er spürte, wie man ihm die Pistole aus der Hand trat, der Zünder wurde ihm dagegen schon fast zärtlich aus der anderen Hand genommen. Ganz langsam ließ das Licht nach, nach ein paar wenigen Minuten konnte er die Augen öffnen, ohne, dass es ihm Schmerzen bereitete. Nun sah er auch, wer den Druck auf seinen Körper ausübte: Auf ihm lag ein schwer uniformierter Mann, um sie herum standen ein paar weitere. Ernst, mit Maschinenpistolen bewaffnet, hatten sie die Situation augenblicklich in ihre Kontrolle gebracht. Erleichtert, aber auch verwirrt, sah sich Lestrade nach Sherlock um. Fragte sich, ob das Ganze auf seine Kappe ging, ob das Gespräch mit dem Täter nur als Ablenkung gedient hatte, bis die Mitglieder der Spezialeinheiten bei ihnen eintreffen würde. Doch dieser verneinte, konnte es sich jedoch denken, wer der Drahtzieher hinter der ganzen Sache war. „Los, stehen Sie auf! Widerstand ist zwecklos!“, ruppig zog das Spezialeinheits-Mitglied McCormick auf seine Beine, um ihn dann zusammen mit einem Kollegen aus dem Haus zu schaffen. Ein dritter befreite John aus seinem engen Gefängnis und half ihm auf die Beine, bis dieser in der Lage war, selbstständig stehen zu können. Er bedankte sich bei dem Mann und dieser nickte tonlos. „Sherlock, Lestrade … vielen Dank, dass ihr mich gerettet habt. Ihr habt die Jungs gerade zum richtigen Moment kommen lassen; ich hatte schon mit meinem Leben abgeschlossen.“ Sherlock wollte ihm gerade widersprechen, als es jemand anderes für ihn übernahm. „Nein, mein kleiner Bruder hat dieses Mal nichts damit zu tun.“ Wie üblich mit einem Schirm im Arm, betrat er langsam den Raum und sah sich um. „Mycroft – dachte ich es mir doch.“, sagte Sherlock freudlos. „Wenn du deinen Kopf doch nur noch öfter zum Denken nutzen würdest, dann wärst du weniger … nachlässig, kleiner Bruder“, wusch er ihm ohne jede Vorwarnung den Kopf. „So war es mir möglich, euch beide zu beobachten und im richtigen Moment einzugreifen. Das hätte ziemlich böse ins Auge gehen können.“ Die beiden sahen sich an und man sah Mycroft an, wie sehr er es genoss, seinen jüngeren Bruder zu necken. Diesem gefiel es gar nicht, so vorgeführt zu werden, auch, wenn Mycrofts Vorwürfe den Tatsachen entsprachen. „Das nächste Mal möchte ich nur bitte informiert werden, wenn du mit Gegnern dieses Ausmaßes zu tun hast. Ich habe immerhin nicht zwei Jahres meines Lebens damit verbracht, dir bei der Vernichtung des Moriarty-Netzwerkes zu helfen, nur, damit du an einem kleinen Helferlein stirbst. Und ja, von der Bombe wissen wir, meine Männer sind gerade dabei sie zu entschärfen. Nächstes Mal kontrollierst du deine Aufgaben, bevor du sie abgibst, Brüderchen. Sonst bekommst du wieder nur ein C. Das geht noch besser, das wissen wir beide.“ Scharfe Blicke teilten sie untereinander aus, wie zwei Raubtiere, die sich umkreisten und nach dem idealen Zeitpunkt suchten, um ihren Gegner zu Boden zu ringen. Schließlich ging Mycroft an ihm vorbei; in einer Lautstärke, die nur sie beiden hörte, bedankte sich Sherlock bei ihm. „Danke Mycroft …, dass du John gerettet hast.“ Er sah seinen kleinen Bruder für einen Moment aus den Augenwinkeln an, antwortete etwas Unverständliches und verließ den Raum genauso schnell, wie er ihn betreten hatte. Mit flotten, aber auch eleganten Schritten.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)