Bloß nicht Slytherin! von SeKaYa (Löwen in der Schlangengrube) ================================================================================ Prolog: -------- Harry fragte sich, ob es ihm vielleicht im nächsten Jahr vergönnt wäre, die Auswahl mitzuerleben. Im letzten Jahr hatte er sie verpasst, da er mit Ron in einem fliegenden Auto nach Hogwarts geflogen war. Zumindest würde er dieses Jahr das Festessen nicht verpassen – und dieses Jahr hatte er auch nicht die Auswahl von jemandem, den er kannte, verpasst.   Er und Hermine versuchten, sich möglichst unauffällig an ihre Plätze am Gryffindortisch zu begeben, aber es war ihnen nicht vergönnt. Wäre es nur Hermine gewesen, hätten sie vielleicht weniger Blicke auf sich gezogen, aber offenbar hatte sich Harrys Ohnmachtsanfall weit herumgesprochen. Zum Glück hatte Ron ihnen ein paar Plätze freigehalten, so dass sie nicht nach Sitzplätzen suchen mussten.   "Was war los?", fragte Ron, aber bevor Harry ihm die Erklärung zuflüstern konnte, erhob sich Dumbledore.   Er verstummte, als der Schulleiter zum Sprechen ansetzte. Es schien, als würde auch dieses Jahr nicht ganz so normal werden, wie Harry es sich erhofft hatte. Dementoren, die rund um die Schule postiert waren, waren wirklich das letzte, was er gebrauchen konnte. Einer allein hatte bereits gereicht, um Harry in Ohnmacht fallen zu lassen. Es wurde zumindest besser, als Dumbledore die neuen Lehrer vorstellte – auf der einen Seite natürlich Professor Lupin, der unscheinbar wirkte, dabei aber fähig zu sein schien. Ganz im Gegensatz zu ihrem vorherigen Lehrer in Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Und dann – Hagrid. Es war eine Überraschung, aber im Nachhinein war es offensichtlich. Ron hatte es bereits gesagt: Nur Hagrid konnte auf die Idee kommen, ihnen beißende Bücher auf die Liste zu setzen.   "Dementoren und zwei neue Lehrer." Harry sah zum Lehrertisch. "Warum habe ich das Gefühl, dass das nicht alles ist?"   Hermine und Ron sahen ebenfalls zum Lehrertisch.   "Bis auf Snapes finstere Miene scheint doch alles normal?" Ron grinste. "Irgendwie gefällt es mir, dass Snape noch angefressener aussieht als sonst. Ich weiß nicht, warum, aber es scheint, als würde Lupin ihn noch mehr ärgern als Lockhart."   Harry nickte. Snape sah mit einem Blick, den er normalerweise für Harry reserviert zu haben schien, quer über den Lehrertisch. Wenn Blicke töten könnten, dann würden sie bereits einen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste benötigen. Vielleicht wäre das ein neuer Rekord, wenn auch kein positiver.   Aber bevor sie weiter darüber sinnieren konnten, erschien das Festessen vor ihnen auf dem Tisch. Trotz aller Ohnmachtsanfälle und Dementoren, Harry fühlte sich ausgehungert. Was auch immer Dumbledore sonst noch zu sagen hatte, es war zweitrangig geworden. Wenn er es nicht sofort erklärte, dann konnte es nicht so problematisch sein, wie es die Dementoren waren. Warum sich also Gedanken machen?   ~*~*~   Als sie am nächsten Morgen zum Frühstück hinunter in die Große Halle gingen, hatte Harry es fast schon wieder vergessen. Vor allem, da in der Großen Halle andere Dinge seine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Da war Draco Malfoy, der mit großer Freude seine Schauspielkünste zum Besten gab – indem er Harrys Ohnmachtsanfall dramatisch nachspielte – und der Rest der Slytherins, der sich köstlich zu amüsieren schien. Das Schuljahr fing ja großartig an.   "Hey", grüßte Rons Bruder George, als Harry sich neben ihn fallen ließ. "Was ist los?"   "Die Slytherins", erklärte Ron und setzte sich gegenüber. "Wer sonst?"   "Ignorier sie", riet George nur und blätterte durch den Stapel Stundenpläne, der ihm gereicht wurde. "Hm, scheint, als wären eure Pläne nicht dabei."   Hermine runzelte die Stirn. "Was soll das heißen, unsere sind nicht dabei?" Sie griff nach dem Stapel und blätterte ihn selbst durch. Aber es blieb dabei: Die Stundenpläne für die Drittklässler waren nicht da.   Harry sah durch die Große Halle. Es schien, als wären sie nicht die einzigen ohne Stundenpläne. Wenigstens das, aber Hermine hatte schon irgendwie recht, wenn sie anfing, sich darüber zu beschweren. Wenngleich Harry es nicht ganz so eng sah, dass sie eine Unterrichtsstunde verpassen könnten, war es doch irgendwie unglücklich. Als er zum Lehrertisch sah, zeigte sich jedoch, dass die Lehrer keineswegs besorgt darüber waren.   Außer, man bedachte die eindeutig unglücklichen Mienen der Hauslehrer. Snape sah so finster drein wie sonst auch, aber McGonagall sah aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Und die vier Lehrer wirkten sich seltsam einig, dass Dumbledore der Schuldige an dieser Misere war.   Besagter Schuldige erhob sich gerade, um ein paar Worte an die Schüler zu richten. "Nach all den Aufregungen gestern hielt ich es für besser, mit dieser Nachricht zu warten. Es ist euch natürlich schon aufgefallen, dass die Stundenpläne der Drittklässler noch nicht verteilt wurden." Er wartete kurz die Zustimmung der Schüler ab, bevor er fortfuhr: "Das liegt darin begründet, dass wir ein neues Projekt ins Leben rufen wollen, dass das Verständnis zwischen den Häusern fördern soll."   Harry sah, wie Snape sich leicht zu seinem Sitznachbarn Flitwick beugte und ihm etwas zuflüsterte. Flitwick sah so wenig begeistert aus wie Snape, was sehr ungewöhnlich war. Was auch immer dieses Projekt war – es sah mehr so aus, als wollte Dumbledore es, und die Lehrer nicht.   "Dieses Projekt wird vornehmlich die Drittklässler betreffen, was die Ausführung betrifft. Für das Gelingen dieses Projekts werden wir jedoch die Hilfe jedes einzelnen benötigen. Um das Verständnis zu fördern, haben wir uns ein System überlegt, durch das jeder die Möglichkeit erhalten soll, die anderen Häuser zu verstehen und kennenzulernen." Dumbledore lächelte in die Runde. "Ich weiß, dass es schwierig wird, aber ich bin zuversichtlich, dass, nachdem wir das Projekt ins Rollen gebracht haben, alle die Erfahrungen, die sie dadurch sammeln können, wertschätzen werden.   Kommen wir zur Ausführung. Um eine möglichst gerechte Methode zu entwickeln und die Machbarkeit im Blick zu behalten, haben wir uns darauf geeinigt, dass die Drittklässler die geeignetste Gruppe für dieses Projekt sind. Dazu werden wir euch per Losverfahren in zwei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe wird bis Mitte Februar den Wechsel vollführen, während die zweite Gruppe dann den Rest des Schuljahrs hat. Die Reihenfolge wird dabei den Durchlauf von Gryffindor, dann Slytherin, Hufflepuff und Ravenclaw vorsehen. Das bedeutet, dass die Gryffindors aus der ersten Gruppe das erste Drittel dieses Zeitraums in Slytherin verbringen werden, die Slytherins in Hufflepuff und so weiter."   Wenn er noch mehr zu sagen hatte, dann wurde es durch das einsetzende Gerede und Gemurmel in der Halle übertönt. Harry konnte es Ron nachfühlen, der lautstark protestierte, aber er brachte keinen Ton hervor. Die Idee allein …! Dumbledore wollte ernsthaft, dass sie für … Wochen nach Slytherin umzogen? Sie würden die erste Nacht nicht überleben. Und überhaupt – sie sollten einen Schlafsaal mit Malfoy teilen? Das war der reinste Wahnsinn.   "Kein Wunder, dass die Lehrer so unglücklich aussehen", bemerkte George neben ihm. Scheinbar konnte er die Sache erstaunlich sachlich betrachten – er war ja nicht direkt betroffen. Vielleicht sah er auch das Streichpotential bei den unfreiwilligen Austauschschülern.   Es gab natürlich noch diejenigen, die weitaus dringendere Fragen hatten: "Was ist mit Quidditch?"   Oliver Woods Stimme übertönte sogar das Gemurmel der Drittklässler am Tisch. Die anderen Gryffindors verstummten und sahen ihn an. Die anderen Mitglieder des Quidditch-Teams hatten nun ähnlich besorgte Mienen aufgesetzt, selbst die Weasley-Zwillinge, die der Sache gelassen entgegengeblickt hatten. Nach Dumbledores Erklärung würde Harry bei mindestens einem Spiel in einem anderen Haus sein – damit brauchte Gryffindor einen neuen Sucher. Und was war mit den anderen Teams? Diejenigen, die keine Drittklässler im Team hatten, würden einen Vorteil gegenüber den anderen  haben!   George machte ein schockiertes Gesicht und schlang die Arme um Harry. "Nein, du kannst uns nicht im Stich lassen!"   Harry schoss die Röte ins Gesicht und er versuchte, sich zu befreien. "Lass das, das ist –"   "Mr. Wood, Sie brauchen sich keine Sorgen machen", übertönte Dumbledore den ausgebrochenen Tumult. "Die Spieler werden für das Training und die Spiele jeweils freigestellt, sofern keine gewichtigen Gründe dafür bestehen, fernzubleiben."   McGonagall beugte sich bei diesen Worten vor und sah hinüber zu Snape, als würde er direkt angesprochen sein. Harry konnte sich das gut vorstellen – Snape würde viele Gründe finden, um Harry vom Quidditchfeld fernzuhalten. Sei es mit Strafarbeiten oder fadenscheinigen Begründungen, wenn es Slytherin einen Vorteil verschaffte, dann würde Snape das in die Tat umsetzen.   "Um die Umstellung in die Wege zu leiten, wird der Unterricht für die Drittklässler heute ausfallen. Dasselbe gilt für den Unterricht in Zaubertränke, Kräuterkunde, Verwandlung und Zauberkunst", fuhr Dumbledore ungerührt fort. "Dadurch können die Hauslehrer ihre neuen Schützlinge sofort in Empfang nehmen und ihnen das Eingewöhnen in ihrem temporären Haus erleichtern."   Snape sah nicht so aus, als würde er irgendwem irgendetwas erleichtern, außer vielleicht den Weg in eine dauerhafte Bleibe auf dem Friedhof. Harry schnitt eine Grimasse. Dumbledore hatte ihnen bereits angedroht, dass die Gryffindors zuerst in Slytherin "zu Gast" sein würden. Er freute sich nicht darauf, in den Kerkern zu wohnen, vor allem nicht umgeben von Malfoy und den anderen Slytherins. Er erinnerte sich an den kurzen Abstecher in den Gemeinschaftsraum der Slytherins im Jahr zuvor und er bevorzugte deutlich die gemütliche Umgebung des Gryffindorgemeinschaftsraums.   Es dauerte nicht lange, da verließen die restlichen Schüler – und Lehrer – die Große Halle. Übrig blieben nur die vier Hauslehrer, Dumbledore und die bedauernswerten Drittklässler. Die Auslosung war eine simple Angelegenheit. Dumbledore hatte zuvor bereits erklärt, dass sie in zwei Gruppen aufgeteilt würden, und die erste Gruppe die ersten Opfer sein würden. Er führte das noch einmal detaillierter aus, aber Harry fühlte sich unfähig, zuzuhören. War es denn nicht genug, dass da draußen ein verrückter Mörder herumlief und rund um die Schule Dementoren postiert waren, die bei Harry Ohnmachtsanfälle auslösen konnten?   "Ich hoffe, wir sind wenigstens in derselben Gruppe", bemerkte Ron düster, als sie zu McGonagall trotteten, um einen Zettel zu ziehen.   Aus den Augenwinkeln sah Harry, dass auch die anderen Häuser sich bei ihrem jeweiligen Hauslehrer einfanden. Ziel des Losverfahrens war es, in jedem Haus zwei gleichgroße Gruppen zu bekommen. Harry hatte den Grund nicht wirklich verstanden, aber das konnte auch daran liegen, dass er sich nicht fähig fühlte, viel mehr aufzunehmen. Rons Worte hatten zudem eine schreckliche Ahnung in ihm aufkeimen lassen. Was, wenn er in einer anderen Gruppe war als Ron und Hermine? Dann würde er das ganze Jahr über allein sein. Sicher, da waren noch die anderen Gryffindors, aber Ron und Hermine waren eben seine besten Freunde.   Er schluckte und griff in die Box mit den Zetteln. McGonagall sah ihn beinahe mitleidig an, aber das war in den letzten Minuten ihr Standardgesichtsausdruck geworden. Harry trat zurück und sah auf den Zettel. Er fühlte sich noch matschiger als er sich bei der Auswahl gefühlt hatte. Er traute sich kaum, nachzusehen.   "Wie ich bereits erklärt habe, wird die erste Gruppe zuerst wechseln", unterbrach Dumbledore Harrys Hadern. "Wenn ihr eure Gruppe gezogen habt, und in der ersten Gruppe seid, dann geht zu eurem neuen temporären Hauslehrer."   Harry schluckte und entfaltete den Zettel. Als hätte er es bereits geahnt, prangte auf dem Zettel eine große, schwarze Eins. So viel zu "Bloß nicht Slytherin". Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)