Silberner Schimmer von Varlet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sesshomaru streifte durch den Wald. Er war auf der Suche. Auf der Suche nach Ruhe. Ruhe vor Jaken, Rin und Kaede, die zu Besuch kam. Hier draußen musste er die keifenden Stimmen nicht mehr hören. Jaken gegen Kaede. Kaede gegen Jaken. Und Rin mittendrin. Sie versuchte diplomatisch zu sein – teils auf Jakens Seite, teils auf Kaedes Seite. Unweigerlich machte sie die Situation nur schlimmer. Und dann zogen sie ihn rein. Sesshomaru aber blickt nur zwischen den einzelnen Parteien hin und her, und entschied anschließend, dass sie es nicht wert waren. Schweigend ging er zur Tür und trat heraus. Die Reaktion seiner Gefährten fiel nicht gut aus. Er hörte sie reden. Es war zumindest besser als das Gezanke. Trotzdem suchte Sesshomaru den Wald auf. Nach einer Weile setzte er sich gelangweilt auf den Boden, lehnte sich gegen einen Baum und schloss seine Augen. Unwillkürlich dachte an vergangene Ereignisse in seinem langem Leben. Zeiten, an denen er anfangs alleine und später mit Jaken durch die Welt zog. Später kam Rin dazu. Mit der Zeit wuchs sie zu einer jungen Frau heran und trotzdem sah er immer noch das kleine Mädchen – das Kind, welches beschützt werden musste – in ihr. *** Sesshomarus Kampf gegen seinen Bruder InuYasha war mühsam und hart. Verletzt zog sich der Inu-Daiyokai in den Wald zurück. Und dort fand sie ihn. Rin. Zuerst beäugte sie ihn mehrere Minuten, bis sie ging und mit Essen wiederkam. Rin wartete, doch Sesshomaru kam keine Hilfe an – zumindest nicht so. Sesshomarus Wunden heilten und er konnte wieder durch die Welt streifen. Das Schicksal meinte es anders. Tage später fand er Rins leblosen Körper auf dem Boden liegen. Und auch, wenn es gegen seine Natur war und zum Testen seines Schwertes, verhalf er ihr zu einem neuen Leben. Tatsächlich wurde er belohnt. Seit jenem Tag bestand seine kleine Gruppe nicht mehr aus ihm und seinem Diener Jaken. Und auch, wenn er sie oft beschützen musste, war eine Zeit ohne sie unvorstellbar. Je mehr Jahre vergingen, desto mehr bedeutete sie ihm. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen von damals, sie war seine Vertraute, eine Freundin, seine Tochter. Ihr Glück war ihm wichtig. Wichtiger als alles andere auf dieser Welt. Und so vergingen weitere Jahre… Sesshomaru blickte stumm auf den Boden. Die Erde war aufgequollen und ein kleines Kreuz – besorgt von Jaken – zierte diesen Ort. Traurigkeit überkam Sesshomaru. Das war es also. Das Ende. Menschen erlebten es früher und während sie alterten, sah Sesshomaru immer noch jung aus. Jaken, der immer noch an der Seite des Inu-Daiyokai blieb, näherte sich mit einem Strauß weißer Blumen. Der treue Diener sah kurz zu seinem Meister, trat dann aber weiter nach vorne. Langsam legte er die Blumen auf das Grab. Jaken seufzte. Auch für ihn war sie mehr als ein Anhängsel. Sie wurde seine Freundin. „Meister Sesshomaru?“, sprach er- Der Blick des Angesprochenen änderte sich nicht. „Sesshomaru!“ Erneut war es Jaken, der diesmal die Anrede ,Meister´ wegließ. Sesshomaru bewegte kurz seinen Kopf. Es schien, als hörte er Rins Stimme. „Meister?“ Jaken wirkte besorgt. „Lass uns gehen.“ Jaken wusste nicht wie ihm geschah. Hastig sah er zwischen Sesshomaru und der Grabstelle hin und her. „Wollt Ihr nicht hier bleiben?“, fragte er. „Ich ziehe weiter. Du kannst bleiben.“ Die Kälte in seiner Stimme kam hervor. Jahrelang war sie verschwunden, aber nun schien er wieder der Alte zu sein. „Aber…Meister…Sesshomaru…“ Jaken war hin- und hergerissen. Wieder sah er abwechselnd zwischen dem Grab und seinem Meister hin und her. „Rin hat Euch über 50 Jahre begleitet…wollt…Ihr nicht…“ „Schweig!“ Sesshomaru bewegte sich weg. Jaken wich einige Schritte nach hinten. „Meister…“, wimmerte er. Der Angesprochene stoppte. Er blickte nach hinten. Ein letztes Mal sah er auf das Grab. „Verzeih. Du bist mir dein ganzes Leben gefolgt ohne an dein eigenes Glück zu denken. Selbst im hohen Alter scheutest du den Reisen nicht. Hier kannst du nun endlich ruhen.“ *** Sesshomaru schreckte hoch. Mit der Hand fuhr er sich über das Gesicht. Ein Traum. Das alles war nur ein Traum. Dennoch kam es der Realität sehr nahe. Rin wollte ihm folgen, wollte ihr Leben für ihn wegwerfen. Sie war am Leben, jung und mit Gesundheit gesegnet. Ihr standen alle Wege offen. Sie konnte ein anderes Schicksal wählen. Sesshomaru wusste, dass sie es nicht täte. Er musste es sein, der ihr Schicksal änderte. Der Inu-Daiyokai stand auf und ging zurück. Im Haus herrschte Ruhe und es schien, als hätten Kaede und Jaken ihre Missverständnisse beigelegt zu haben. Sesshomaru öffnete die Tür. Die Gruppe saß am Tisch und aß. Einen Teller hatten sie für ihn bereitgestellt. Sesshomaru beobachtete die Gruppe. Sein Blick fiel auf Jaken. Er würde ihn immer begleiten. Dann sah er Rin. Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen. Anschließend ging sein Blick zu Kaeda. Das würde aus Rin werden. Eine alte Frau, die das Leben nicht in vollen Zügen auskostete. Es musste für Rin Hoffnung geben. Wenn nicht in dieser Welt, dann in einer anderen. Kagome kam ihm in dem Sinn. Sie blieb an der Seite seines Bruders InuYasha und immer wenn Rin die beiden Liebenden besuchen wollte, erzählte sie von ihrer Welt. Sie war ihm sofort zu wider und trotzdem überlegte er, ob ein anderes Leben für Rin das bessere wäre. Vielleicht konnte er sie dorthin schicken. In eine Welt, die anders war und die weniger Gefahren barg. Eine Welt, die ihr alle Wünsche erfüllen konnte. „Sesshomaru!“ Rins Stimme holte den Hundedämon aus seinen Gedanken. Kurz schüttelte er den Kopf, schüttelte die Gedanken hinfort. „Ich bin im Wald.“ Verdutzt sah Rin ihm nach. „Jaken?“, fing sie an. „Kommt er nicht gerade aus dem Wald?“ Jaken nickte. „Meister Sesshomaru verhält sich merkwürdig.“ *** Es war später Abend als Sesshomaru zurück kam. Die Ruhe tat ihm wieder gut. Weitere Zeit nachzudenken, die Gedanken zu ordnen und sich zu entscheiden. Kurz vor dem Haus erblickte er ein wohlbekanntes Gesicht. Kohaku. Der Dämonenjäger, der einige Zeit an seiner Seite verweilte. Und obwohl er normalerweise nicht zimperlich war, klopfte er zaghaft an Rins Tür. Rin riss die Tür auf. „Sess…“ Sie brach ab. „Kohaku.“ Ein Lächeln zierte ihr Gesicht. „Entschuldige. Du hast mit Sesshomaru gerechnet…“, fing er an. „Nein, schon gut. Ich hätte wissen sollen, dass er nicht an die Tür klopft. Möchtest du rein kommen?“ Kohaku nickte und folgte dem Mädchen ins Innere. Kohaku wurde wie Rin in jungen Jahren zum Begleiter der Gruppe. Wie Sesshomaru beschützte er das Mädchen. Sein Leben wollte er für sie geben. Ein Grund, weswegen er auch höher als manch anderer Mensch in der Gunst des Fürsten stand. Wollte man rührselig werden, konnte man genau beobachten, dass Rins Freunde auch seine Freunde wurden. Zumindest wenn die Umstände gut lagen. Und trotzdem war es eine Lüge. Denn in Wahrheit war er mit keinem von ihnen befreundet. Er duldete ihre Anwesenheit und rettete sie vor Gefahren. All dies nur damit Rin nicht noch mehr Traurigkeit im Leben erfuhr. Sesshomaru trat an das Haus heran. Durch das Fenster konnte er die Kohaku und Rin beobachten. Die einstigen Kinder waren erwachsen und befanden sich in einem Alter, in dem es üblich war, sein eigenes Leben oder seine eigene Familie zu besitzen. Abrupt fiel dem Fürsten sein Traum ein. Rin starb einsam und allein. Ohne Glück. Ohne Familie, keinen Mann, keine Kinder oder Enkelkinde. Einsam und allein. Und alles nur, weil sie ihm folgte. Wollte er wirklich ein solches Leben für sie? „Meister Sesshomaru.“ Der Angesprochene drehte sich um. Jaken beobachtete seinen Meister misstrauisch. „Meister…“, fing Jaken an. „Mach was du willst“, kam es von dem Angesprochenen. Sesshomaru drehte sich vom Haus weg und ging. Rin war ohne ihn besser dran. Und so hatte sie die Möglichkeit ihr eigenes Glück zu finden. Sie musste ihren eigenen Weg gehen. Genau so, wie er seinen ging. *** Zusammen mit Jaken streifte Sesshomaru durch den Wald. „Meister?“ „Schweig.“ Jaken nickte, auch wenn er wusste, dass seine Geste vom Fürsten nicht wahrgenommen wurde. Es war ruhig. Je näher sie allerdings dem Dorf kamen, desto lauter wurde es. Die Menschen standen auf dem Markt, verkauften Ware, feilschten und die Kinder spielten auf den leeren Plätzen. Ohne auf die Fragen der Standbesitzer einzugehen, durchquerte der Inu-Daiyokai den Platz. Vor dem Haus – dem Grund seines Besuches – blieb er für einen Moment stehen. Abrupt öffnete sich die Tür und drei Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren kamen rausgelaufen. Fast liefen sie die Besucher um, tollten dann aber unbeschwert weiter. Jaken schüttelte den Kopf. „Keine Manieren.“ „Pass auf, was du sagst. Das sind meine Enkelkinder.“ Jaken sah zu der alten Frau. Er lächelte. „Meister Sesshomaru. Schön dich nach so langer Zeit wieder zu sehen.“ Der Fürst nickte. „Hallo, Rin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)