Die Nacht der Krähe von Phinxie (Phinxies Bloodborne Lores) ================================================================================ Kapitel 7: Wiedersehen ---------------------- Blut spritzte mir ins Gesicht, als ich dem Werwolf, der mich unter sich begraben hatte, eine Kugel ins Gehirn schoss. Das Monster jaulte und bäumte sich auf; ich zückte meinen Dolch und schnitt ihm beinahe schon elegant die Unterseite auf – Blut und Eingeweide fielen gleichermaßen auf mich herab und die Bestie lebte nicht mehr lange, ehe sie zusammenbrach. Angewidert stieß ich sie von mir runter, dann stand ich auf und klopfte mir den Dreck von meinem Jägermantel. Dann schaute ich mich in der dunklen Gasse Yharnams um - ein paar Leute waren stehen geblieben, um mir beim Kämpfen zuzusehen. Ich sah ihre Mistgabeln und Holzkeulen und funkelte sie wütend an. Sie verschwanden in der seltsam schlurfenden Gangart, welche die schlaksigen Einwohner dieser Stadt auszeichnete. …sie wollten sich nicht mit mir anlegen, das wusste ich. Ich sah auch gefährlich aus – meine Jägerkleidung war blutdurchtränkt und es tropfte stetig herunter, bildete unter meinen Füßen eine kleine, rot-schwarze Pfütze. Ich achtete nicht auf das schmatzende Geräusch, das ich verursachte, als ich durch die Gassen lief. In der Ferne hörte ich weitere Werwölfe jaulen, einzig und allein das Kreischen der Kleriker-Bestie blieb aus. Ich war schon seit Stunden unterwegs. Ich hatte Yharnam erkundigt, so gut es mir möglich war und immer noch war der Mond hoch am Himmel zu sehen; nur langsam verschwand das Abendrot der Dämmerung und hinterließ eine sternenklare Nacht. Die Schatten der Gebäude und Statuen in Yharnam wurden länger und der leichte, aufkommende Neben verlieh der Stadt etwas Geheimnisvolles, Mystisches… und gleichzeitig auf Angsteinflößendes, Grauenvolles. Doch der Nebel war mein Freund – er verdeckte mich vor sich nähernden Feinden, allerdings konnten sich jene auch gut vor mir verstecken; aber meistens war ich schneller, insbesondere gegenüber den Einwohnern Yharnams, die anfangs auf mich gestürzt sind, wie Wölfe auf ihre Beute. Wölfe… Welch eine Ironie. Ich lief weiter die Straße entlang. Das Blut verklebte meine Haare, doch ich würde nicht in den Traum des Jägers zurückzugehen, um mich zu säubern. Ich spürte das gleichmäßige Pulsieren der Blutechos in meinen Adern und die Macht, die sie mir verliehen... es war ein seltsames und doch atemberaubendes Gefühl, das mit jedem toten Gegner wuchs. Ich hatte keine Ahnung,, wie genau dieses... System funktionierte, aber es musste mit dem 'Fluch' zusammenhängen, der in mir sein Unwesen trieb. …ich hatte mich, in den letzten paar Stunden, daran gewöhnt und ich hatte viel gelernt. Unheimlich viel… unheimlich viel… beinahe schon ZU viel für meinen Kopf und meinen Verstand. Einmal, da hatte ich eine seltsame Kreatur gesehen und ich war wahnsinnig geworden – mein Blut hatte förmlich gekocht und mich von innen heraus zerrissen, während ich mich mit letzter Kraft in eine Gasse geschleppt habe, nur, um einzuschlafen, und mich von der Puppe im Traum trösten zu lassen. „Wahnsinn", hatte sie erklärt, „ist einer deiner größten Feinde in dieser Welt. Wenn du merkst, dass du ihm verfällst, nimm das hier zu dir." Sie hatte mir eine kleine, braune Flasche mit der Aufschrift Beruhigungsmittel in die Hand gedrückt. Ich hatte das Geschenk sofort angenommen und bewahrte es seitdem in einer meiner vielen Manteltaschen - im Traum hatte ich auch ein neues Gewand erstanden, das nach meinem Erwachen auf magische Weise direkt neben mir lag - gut greifbar auf. In der Nähe hatte ich einen der Boten gesehen, der mir nur kurz zugenickt hatte, bevor er wieder verschwunden war. Dieser Traum schien ein Universum oder eine Parallelwelt zu sein, den wohl keiner so recht verstand – am allerwenigstens ich selbst. Doch ich hatte beschlossen, die Dinge so hinzunehmen, wie sie waren; ansonsten würde ich wohl dauerhaft dieses Beruhigungsmittel zu mir nehmen müssen, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen, so, wie es wohl vielen der Yharnam-Bürger geschehen war. Eine weitere Sache, die ich nicht verstand war, dass ich aus der Essenz meines Blutes Quecksilberkugeln herstellen konnte. Es war ein schmerzhafter Progress und ich spürte immer einen Anflug von Schwäche, wenn ich dies tat, doch es hatte mir mehr als einmal bereits das Leben gerettet. Dabei stach ich mir mit einer speziellen Phiole in den Oberschenkel und zapfte mein eigenes Blut ab – und nach wenigen Sekunden hatte sich diese Blut mit der Substanz in der Phiole (ich tippte mal stark, dass es sich um Quecksilber handelte…) vermengt und verhärtet, sodass fünf kleine Quecksilberkugeln in der Phiole klimperten, die ich dann nur noch rausholen musste. Und an das Trinken der Blutphiolen, daran hatte ich mich schon lange gewöhnt – beziehungsweise trank ich diese Phiolen nicht mehr, sondern injizierte mir das fremde Blut ebenfalls in meinen Oberschenkel, damit ich keine wertvolle Zeit beim Öffnen der Phiole verschwendete. Alles, was ich bisher gesehen und selbst ausprobiert hatte, war ein unheimlich gut durchdachtes System – ich konnte kaum Fehler entdecken und selbst diese waren so unbedeutend, dass es sich nicht mal lohnte, sie zu erwähnen. Innerhalb von weniger Stunden war ich zu etwas geworden, das sich Jägerin nennen durfte. War ich stolz darauf? Ich wusste es nicht… Ich ging weiter und achtete stets auf meine Umgebung – Unachtsamkeit bedeutete den Tod. „Liebling…!“, hörte ich plötzlich eine Stimme rufen. „Liebling, wo bist du?“ Ich blieb stehen; die Stimme klang lieblich, sanft… und vor allem unschuldig. Dies schien keine Bürgerin zu sein, die dem Wahnsinn verfallen war, sondern jemand, der… …der sich auf die dunklen Straßen hinaus getraut hatte, um nach einer geliebten Person zu suchen. Einen kurzen Moment lang war ich versucht, einfach weiterzugehen – die Frau zu ignorieren und so zu tun, als würde sie nicht existieren. …aber das konnte ich nicht. Ich erinnerte mich daran zurück, dass Gascoigne mir ebenfalls geholfen hatte, obwohl er mich nicht gekannt hatte; klar, er hatte sich später als… Monster entpuppt (zumindest in meinen Augen) und ich war fortgelaufen… aber er hatte mir geholfen, die ersten Stunden in meinem neuen Leben als Jägerin. Also gab ich mir einen Ruck und lief der Stimme nach, die sich langsam zu entfernen schien. Ich entdeckte eine hübsche, blonde Frau mit einem unscheinbaren Kleid und einem hübschen Mantel, die sich beinahe schon verzweifelt um die eigene Achse drehte und dabei rief: „Liebling? Liebling, bitte, antworte mir!“ Ich trat näher und der Klang meiner Schuhe ließ die Frau aufschrecken. Ihre Augen weiteten sich einen Moment, doch dann schien sie sich zu entspannen: „…Ihr seid… eine Jägerin?“ Ich nickte – es war unschwer zu erkennen, blutbespritzt wie ich war und mit den Jägerwaffen im Gürtel. Außerdem schimmerte das Jägerabzeichen an meiner Kleidung… eine wirklich hübsche Brosche und das einzige Teil, das ich vom Blut befreite. Es schimmerte silbern im schwachen Mondlicht und ich meinte: „Dies bin ich. Kann ich… Euch vielleicht helfen?“ Die Frau blickte mich ratlos an, dann senkte sie ihren Blick: „…ich suche meinen Mann“, gab sie zu und unterdrückte ein Aufschluchzen. Ich dachte einen kurzen Augenblick an meine eigene Familie… die nicht mehr lebte. Und wie es sich anfühlte, alleine zu sein – vor allem in dieser seltsamen, verrückten Stadt. „…ich kann Euch helfen“, bot ich schlussendlich an. „Wie sieht er aus?“ Die Frau wirkte mit einem Mal unheimlich erleichtert und in diese Moment war ich froh, ihr meine Hilfe angeboten zu haben: Viele Einwohner Yharnams waren verschroben und seltsam und beschimpften einen wüst, selbst, wenn man einen Werwolf von dessen Tür ferngehalten hatte… Aber diese Frau war anders. Und es freute mich. „Mein Mann ist sehr groß gewachsen… Er trägt die Kleidung der Heilenden Kirche und hat eine große Axt bei sich. Er ist ein Jäger, genau, wie Ihr…“ …eine dunkle Ahnung beschlich mich und mit leiser Stimme fragte ich: „Heißt Euer Mann zufällig Pater Gascoigne?“ Die Frau lächelte und etwas… Liebevolles schlich sich in ihren Blick, als sie meinte: „Ja, das ist er. Er ist immer so lange weg… eigentlich wollte er schon längst Zuhause sein. Ich bin ihn suchen gegangen, während unsere beiden Kinder warten…“ Kinder? Pater Gascoigne hatte Kinder? …fiel es nur mir gerade schwer, sich vorzustellen, wie dieser Mann mit einer so hübschen Frau wie jene, die vor mir stand, ins Bett zu gehen und tatsächlich Kinder gezeugt zu haben? Beim besten Willen, doch der knurrige, grimmige und fordernde Pater schien mir jetzt nicht gerade ein Familienmensch zu sein. Dennoch schluckte ich meine Erwiderung, die mir auf der Zunge lag, herunter und meinte: „Ich habe ihn heute schon gesehen.“ „Wirklich?“ Die Frau wirkte hoffnungsvoll und kam zu mir hin, streckte ihre Hände aus und ergriff die meinen. Ich erkannte eine rote Brosche an ihrem Mantel hängen… eine schöne Brosche. Wirklich, wunderschön. „Wo war er? Und wieso habt Ihr ihn verlassen?“ „Ich…“ Es fiel mir schwer zu erwähnen, dass ich vor Angst vor ihrem Mann weggelaufen bin und entschied mich von daher für eine neutrale Aussage: „Ich habe ihn zuletzt am Grab Oedons gesehen.“ „Oh ja…“, seufzte die blonde Frau, „Er liebt diesen Ort. Könnt… könnt Ihr mich dorthin begleiten?“ Ich wusste nicht so recht, ob ich es nicht gerade bereute, ihr meine Hilfe angeboten zu haben – Pater Gascoigne wirkte auf mich nicht mehr wie ein… Mensch, als ich vor ihm geflohen bin. Er war wahnsinnig geworden und die Vorstellung, diese liebe Frau direkt in seine Arme zu treiben war… „Ich bin übrigens Viola.“ Und dabei lächelte sie mich so lieb an, dass ich nur ergeben aufseufzte. „Euer Mann… wirkte so, als wäre er nicht ganz bei sich gewesen…“, versuchte ich, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, aber Viola winkte nur ab: „Ach ja… manchmal vergisst er uns. Aber ich habe eine Spieluhr, die ein bestimmtes Lied spielt. Wenn er es hört, dann erinnert er sich wieder an uns und alles ist so, wie immer.“ …sie wusste von Gascoignes seltsamen Anfällen – er hatte sie also nicht zum ersten Mal. Und im Endeffekt hatte ich jetzt auch kein schlagfertiges Argument mehr, um sie umzustimmen… …Pater Gascoigne. Eigentlich wollte ich gerade ihn nicht wiedersehen… „…kommt mit“, murmelte ich schließlich und wandte mich um. „Ich begleite Euch bis zum Grab.“ Als wir am Grab ankamen, war es still – und der Ort schien genauso auszusehen, wie ich ihn verlassen hatte, ja, sogar die Nebelschwaden schienen sich keinen einzigen Zentimeter bewegt zu haben – und dank des Mondlichtes wirkte er nun noch viel unheilvoller, als so schon. Und dieser Eindruck wurde von dem am Boden kauernden Pater Gascoigne auch noch verstärkt. Viola neben mir schnappte freudig nach Luft und meinte dann: „Vielen Dank, werte Jägerin! Ab hier komme ich alleine zurecht.“ Ich war mir nicht so sicher, ob das tatsächlich stimmte und nickte daher nur stumm, während ich dabei zusah, wie Viola durch den großen Torbogen ging, um zu ihrem Mann zu gelangen. Irgendetwas sagte mir, dass ich lieber bleiben sollte… und das, obwohl mein Kopf mir sagte, zu fliehen, so schnell ich nur konnte. Doch Pater Gascoigne hockte so seltsam mitten aus dem Platz – er hatte die den Kopf in die Hände vergraben, wippte hin und her und mir war, als würde ich ein Schnauben von ihm hören können. Und Viola marschierte auf ihn zu, als wäre er ein kleines Kind, das sich beim Spielen verletzt hatte. „Liebling!“, rief sie voller Freude. „Liebling, hier bin ich…“ Ich schluckte und zog mich ein wenig weiter in den Nebel zurück, aber nur so weit, dass ich noch genug sehen konnte. Ich sorgte mich um Viola und das, obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu haben sollte. Die hübsche Frau hob eine Hand und berührte Gascoignes Schulter. Jener wandte sich sofort um und richtete sich zu seiner vollen Große auf – im schwachen Mondlicht konnte ich seine bleiche, fahle Haut erkennen und… ich blinzelte und kniff die Augen zusammen. …ich hatte Pater Gascoigne kennengelernt, da hatte ich noch in seine Augen sehen können. Jetzt hatte er sie verbunden – warum? Viola zuckte ein wenig zurück und meine Hand schnellte automatisch zu dem Dolchgriff, der an meinem Gurt hing – ich schluckte schwer und betete für Viola, sie möge tatsächlich heil aus dieser Situation rauskommen. „Schatz…“, meinte Viola mit liebevoller Stimme. „Ich bin es. Viola. Ich bin gekommen, um dich zu holen… Unsere Kinder vermissen dich…“ Gascoigne gab einen Ton von sich – eine Mischung aus Schnauben und Knurren – dann nahm er seine gewaltige Axt zur Hand. Ich schnappte nach Luft und Viole ging ein paar Schritte zurück und suchte in ihrer Tasche… Nach… der Spieluhr? Sie hatte mir ja davon erzählt… „Gleich wird es dir besser gehen, Liebling“, meinte sie und kramte hektischer – Pater Gascoigne kam mit jedem Schritt, den er tat, bedrohlich näher. „Ich habe die Spieluhr mitgebracht, und…“ Sie stockte und ich musste meine Ohren spitzen, um ihre nächsten Worte mit anhören zu können: „…die Spieluhr. Ich… ich muss sie vergessen haben…“ Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. „VIOLA!“, brüllte ich im selben Moment, in dem Pater Gascoigne seine Axt hob und seine Frau spaltete – wortwörtlich. Die Schneide der Waffe traf auf ihren Kopf und Blut und Hirnmasse spritzte in jede Richtung – Violas Körper spaltete sich entzwei, bis ich Gascoignes Axt mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden aufkommen hörte; die beiden Leichenteile fielen nach rechts und links zur Seite und ich, die sich, dämlich wie sie war, aus ihrem Versteckt getraut hatte, stand direkt vor ihm. Ich starrte auf die Verbände, hinter denen sich seine Augen befanden hatten – doch jetzt konnte ich nur leere, weiße Hüllen ausfindig machen. Schweiß lief an meinem gesamten Körper herunter und ich wusste nicht, was mich mehr schockte: Der Tod Violas oder die grausame Erscheinung von Pater Gascoigne – einen Mann, der eigentlich wie ich, ein Jäger war. …was war mit ihm passiert? Das konnte unmöglich nur Wahnsinn sein… Ich zog langsam meinen Dolch – Pater Gascoigne lachte und ich hörte, wie er die Luft durch seine Nase einzog. „Ich kenne diesen Geruch…“, schnurrte er und es schien, als würde er mich direkt anstarren; selbst mit blinden Augen. „Du bist die Jägerin, die ich heute schon einmal getroffen habe… Du bist vor mir weggelaufen…“ Er lachte abfällig und ich spürte, wie mein Herz schneller schlug – sehr viel schneller. Der… Jäger vor mir stellte sich breitbeinig hin, nahm seine Axt in die eine Hand und zog mit der anderen seine Pistole. „Bestien…“, schnarrte er, „Bestien überall. Du wirst zu einer von ihnen werden… früher oder später…“ Was? Was redete der Pater da? Ich würde eine Bestie werden…? „Ich werde das nicht zulassen… Mach dich bereit, deinem Ende entgegen zu blicken!“ In dem Moment, wo ich dem Pater in die blinden Augen starrte und ich sein zu einer Fratze verzerrtes Gesicht sah, wusste ich, was aus Gascoigne geworden war: Eine Bestie. Und sie war bereit, mich zu töten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)