Die Nacht der Krähe von Phinxie (Phinxies Bloodborne Lores) ================================================================================ Kapitel 6: Rückblick -------------------- Ich sah das Feuer am kleinen Waldrand aufflackern und näherte mich ihm langsam. Bis auf die Knochen war mir kalt und der Hunger nagte an mir wie ein Rudel Wölfe an dem letzten, übrig gebliebenem Stückchen Fleisch. Das Gras und trockene Laub raschelte unter meinen Füßen und ich bemühte mich erst gar nicht, leise zu sein – ich war erschöpft, müde und durchgefroren, nicht mehr zu rationalem Denken fähig. An dem Feuer saß ein einziger Mann und er hatte sich in eine warme Decke gehüllt und schien irgendetwas im Schein des Feuers zu lesen. Als er es Rascheln hörte, blickte er auf und seine Augen trafen auf mich, die dort am Rande stand, gerade eben so, dass sie von dem Scheint des Feuers angestrahlt wurde. Ich wirkte ungefährlich und seine Miene entspannte sich, als er sah, dass ich nichts anderes als ein dünn angezogenes Mädchen war, dass die Arme ängstlich um ihren Oberkörper geschlungen hatte, um sich zu wärmen. „Was tust du hier?“, wollte er wissen und stand auf – seine Stimme klang sanft und in seiner Hand konnte ich ein Buch ausmachen, doch die goldenen Lettern, die den Titel bestimmten, konnte ich nicht entziffern. „Ganz alleine. Es ist gefährlich in der Wildnis.“ Das wusste ich. Ich war mehr als einmal mit Wölfen und Bären aneinander geraten und konnte von Glück sprechen, so schnell rennen zu können, dass ich ihnen stets entkommen war. In den Augen des Mannes musste ich wohl nicht älter als Sechzehn aussehen – obwohl ich bereits schon zwanzig Winter erlebt hatte. Ich spürte bereits die Wärme der knisternden Flammen auf meinem Gesicht und seufzte schwer aus – ich war ungefährlich und zu dieser Entscheidung schien auch der Mann zu gelangen, denn er meinte: „Setzt dich. Ich kann ja niemanden in die kalte Nacht zurückschicken.“ Ich trat näher und ließ mich erschöpft auf den Boden sinken – ganz kurz schloss ich die Augen und genoss die Wärme, dann öffnete ich sie wieder. Der Mann sah mich neugierig an und legte sein Buch zur Seite. Byrgenwerth, konnte ich im Schein des Feuers ausmachen. War das ein Roman? Eine Fantasiegeschichte? Ich hatte dieses Wort noch nie gehört… aber momentan interessierte es mich auch eher wenig. „Wo kommst du her?“, wollte er wissen. „Aus dem Süden“, antwortete ich und zog die Knie an den Körper, um sie mit den Armen zu umschlingen – das Kinn bettete ich auf meine Knie und eine Stimme in meinem Innern schrie mir zu, ich solle verschwinden, diesem Mann nicht einfach so trauen. Ich traute ihm auch nicht. Aber hier war ein Feuer und es war warm. Schlimmer als die letzten Tage konnte es nicht mehr werden. „Bist du weit gereist?“ Ich nickte schwach und blickte in die Flammen; die Holzscheite verbrannten schnell, doch ich hatte den Holzhaufen bemerkt, denn der Mann angesammelt hatte: Wenn man immer nachlegte, könnte das Feuer die ganze Nacht lang brennen. Ich fummelte ein wenig an einem Faden herum, der an den dem Ärmel meiner dünnen Jacke hing und fragte zögernd: „Wohin seid Ihr unterwegs?“ „Nach Yharnam“, kam die prompte Antwort und ich entdeckte ein begieriges Funkeln in den Augen des Mannes. „Ich bin seit Wochen unterwegs, um die Stadt zu erreichen! Ich habe lange geforscht und kann es kaum erwarten…!“ Er sprach voller Begeisterung. Ich setzte mich ein wenig gerader hin und legte den Kopf neugierig schief: „Was ist denn in Yharnam?“ Der Mann grinste und beugte sich ein wenig vor, um im gespielt verschwörerischen Ton zu sagen: „Es heißt, wenn man in Yharnam alles richtig macht, kann man viel Ruhm und Ehre verdienen!“ Die Flammen warfen tänzerische Schatten auf sein Gesicht und unwillkürlich musste ich ein wenig erschaudern. Und gleichzeitig wurde ich neugierig auf Yharnam. Ruhm und Ehre…? Das wäre mal etwas anderes als das Leben auf der Straße, das ich bisher geführt hatte. „…und wie weit ist die Stadt noch entfernt?“ „Eine Wochenreise.“ Der Mann lehnte sich wieder zurück und seufzte wohlig auf. „Ich freue mich schon darauf, die Stadt endlich zu sehen! Sie soll fantastisch sein! Eine Augenweide und voller Geheimnisse und Mysterien!“ Mh. Ich mochte Geheimnisse und Mysterien... Es war spät in der Nacht, als ich die Taschen des Mannes durchsuchte. Hinter mir konnte ich ihn leise vor sich hin schnarchen hören – wir hatten uns noch um einiges Belangloses unterhalten, danach hatte er eine Flasche gezückt und daraus getrunken. Angeboten hatte er mir nichts, aber ich war glücklich um das Feuer gewesen. …wenn man eines auf der Straße lernte, dann war es, dass man jede Chance nutzen sollte. Ich hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen, als ich einen runden, roten Apfel in die Hand nahm, weil mich der Mann nicht weggescheucht oder begrapscht hatte, doch dann verjagte ich diesen Gedanken schnell wieder: Er hätte mich am nächsten Morgen weggeschickt. Sein Proviant reichte bis nach Yharnam für genau eine Person und er hätte mich nie mitgenommen. Es war nicht so wie in Büchern und Märchen, wo man jemanden traf, der sich dann ab sofort um jemanden kümmerte… die harte Realität sah anders aus. Ganz anders. Auch für den Mann, der am nächsten Morgen wohl aufwachen und sich wunder wird, wo ich hin verschwunden sei… oder er konnte es sich denken. Ich hatte keine Ahnung. Aber ich glaubte, er würde noch eine Weile schlafen und nichts bemerken, denn als ich probeweise an seiner Flasche gerochen hatte, war mir der stechende Geruch von Alkohol in die Nase gestiegen. Aber ich sah ja auch wirklich ungefährlich aus. Ich tastete weiter und holte noch ein paar mehr Früchte zum Vorschein, als ein kleiner Zettel aus der Tasche fiel. Stirnrunzelnd hob ich ihn auf und faltete ihn auseinander. Bleichblut. Iosefka’s Klinik, Yharnam, zur Blutbehandlung. …musste ich das verstehen? Ich schaffte es nicht, mir große Gedanken darüber zu machen, denn plötzlich hörte ich hinter mir eine Bewegung. Und dann eine verschlafende Stimme: „Hey… was machst du da?“ Ich erstarrte und glaubte wohl, ich hatte mich verhört. Doch dann hörte ich, wie der Mann aufstand und ich tastete umher, bis meine Finger gegen einen der Holzscheitel stießen, die eigentlich verbrannt werden sollten. „Du kleines Miststück…“ Weiter kam der Mann nicht, denn ich drehte mich um und schleuderte ihm das Holzstück direkt gegen den Kopf; er brüllte auf und fasste sich an die Stelle, wo ihn meine behelfsmäßige ‘Waffe‘ getroffen hatte und taumelte zur Seite. Er stolperte über seine Decke und fiel nach hinten – direkt in die Flammen. Sein Brüllen ließ mir einen Schauer über den Rücken jagen und ich rutschte von ihm weg, während mir der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase stieg. Meine Augen tränten wegen dem plötzlichen Rauch, der entstand und die Flammen brannten lichterloh, streckten ihre gierigen Arme gen Sternenhimmel. Ich keuchte schwer und kroch weiter weg – bis es mich überkam und ich mich vornüber krümmte, nur, um mich zu übergeben. "Du...!" Langsam sah ich rüber und erkannte, wie er wieder aufstand, um auf mich zuzukommen - Fett tropfte von seinem Körper und ich wunderte mich, dass er überhaupt noch lebte. Ich stand auf, einen stummen Schrei auf den Lippen und fragte mich, welches Monster hier vor mir stand. Meine Hand huschte zu meiner Hosentasche, in der ich ein kleines Messer aufbewahrte und ich umklammerte den Griff, bis meine Knöchel weiß hervorkamen. Der Mann stürzte auf mich zu. Ich sprang einen Schritt nach hinten und schwang mein Messer mit einer etwas holprigen Bewegung - die Klinge zischte durch die Luft und ich traf den Mann an der Wange. Er stieß einen Schrei aus und stürzte sich nach vorne, direkt auf mich. Wir purzelten in das Graß und ich biss die Zähne zusammen, versuchte, mich nicht noch einmal zu übergeben und hob das Messer an, während sich seine verbrannten Hände um meinen Hals legten. ...dieser Mensch schien keine Schmerzen zu kennen. Ich stieß mit dem Messer nach seiner Kehle und traf ihn - mein Angreifer jaulte auf und ließ von mir ab; schnell glitten seine Finger zu dem Messergriff und zogen daran, während ich die Chance nutzte, um von ihm wegzukrabbeln. Ich blickte über die Schulter zurück und sah, wie er das Messer aus seinem Hals zog. Blut spritzte in alle Richtungen und ich wusste, dass der Mann nicht mehr lange zu leben hatte. Er schrie, bis seine Schreie in ein schwaches Gurgeln übergingen und er vornüber fiel. Sein Körper zuckte noch ein paar Mal, dann blieb er regungslos liegen, das Messer noch immer krampfhaft mit einer Hand umklammert. Ich hatte mich währenddessen zusammengekauert, die Hände über den Kopf geschlagen und gezittert, gehofft und gebettelt, dass es bald zu Ende sein würde. …ich hatte einen Menschen umgebracht. Einen echten Menschen. Ich… Ich richtete mich langsam wieder auf und wischte mir über das Gesicht. Der Mann war tot. Und ich hatte ihn ermordet. Es war... Notwehr gewesen und dennoch hatte ich ihn getötet. Es war eine seltsame Erfahrung... eine, die ich nicht noch einmal machen wollen. Ich blickte zögernd auf den Leichnam und verspürte den Drang, mich erneut übergeben zu müssen. Doch stattdessen versuchte ich, ruhig zu atmen und mich zu sammeln, ehe mein Blick langsam zu dem Rest des Lagers glitt. ...ich wollte weg. Einfach nur weg. Ich schnappte mir die Tasche mir Proviant und steckte mir den kleinen, beschrifteten Zettel in meine Hosentasche. Das Messer ließ ich jedoch zurück, denn ich wollte den Toten nicht anfassen - mir lief es alleine schon bei dem Gedanken kalt den Rücken runter. Meine Hände zitterten immer noch und ich biss die Kiefer zusammen, um nicht loszuweinen. In wenigen Tagen würde es mir besser gehen und ich würde mich besser konzentrieren können… so hoffte ich zumindest. Aber erst einmal weg von diesem Ort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)