Ich warte auf dich von NovemberGirl ================================================================================ Kapitel 3: Feinde ----------------- Ausgeruht und fit wachte ich auf, als mein Wecker mich morgens begrüßte. Ich stand auf und ging in die Küche, um Kaffee aufzusetzen. Während das Wasser kochte, suchte ich mir etwas zum Anziehen und machte mich fertig. Heute war Freitag und das bedeutete, dass morgen Wochenende war und darum mochte ich den Freitag. Ich trank gemütlich meinen Kaffee und las Nachrichten. Dann holte ich meine Tasche und machte mich auf den Weg zum Bus. Alles war wie immer. Ich genoss die morgendliche Stille im Bus und zählte die Autos, die vorbei fuhren auf dem Weg zur Schule. Es waren 47. Ich war gut gelaunt und passte ausnahmsweise im Unterricht auf. Der Vormittag verging schnell und Melody und ich fuhren zu ihr nach Hause, um wie jeden Freitag zusammen zu kochen. Alles war wie immer. Ab und zu war auch Melody's Familie da und dann aßen wir alle zusammen, aber heute nicht. „Was hast du denn zum Essen geplant?“, fragte ich Melody, während ich ihr in ihre Wohnung folgte. „Ich dachte an etwas schwäbisches. Das hatten wir schon lange nicht mehr.“ Sie grinste, „Ich dachte an Linsen mit Spätzle?“ Ich kicherte. „Stimmt. Das hatten wir schon lange nicht mehr.“ Und so verbrachten wir die nächste Stunde mit kochen und essen. Alles war wie immer. Bis es klingelte. „Erwartest du jemanden?“, fragte ich Melody. „Eigentlich nicht. Kannst du kurz für mich nachschauen wer das ist?“ Ich nickte und ging zur Tür. Ein Mann stand davor. Die halblangen schwarzen Haare standen wild in alle Richtungen und sein Gesicht war so blass wie das meine. Er musste auch etwa in meinem Alter sein. Er trug einen schwarzen Kapuzenpulli und eine Jeans. Ich wollte ihn schon fragen, was er von Melody wollte, als er den Kopf hob und mich anschaute. Überrascht riss ich meine Augen auf und machte einen Schritt rückwärts. Seine Augen waren smaragdgrün. Er lächelte. „Hallo Sophie. Endlich lernen wir und richtig kennen.“ Ich klappte meinen Mund auf und wieder zu wie ein Fisch. Ich war zu überrascht um irgendwas sagen zu können. Aber obwohl ich das Gefühl hatte den Boden unter den Füßen zu verlieren, hatte ich keine Angst vor ihm. Irgendwas gab mir das Gefühl, dass ich keine Angst haben brauchte. Mein Herz schlug schnell, aber nicht panisch. „Wer bist du?“ Meine Stimme versagte fast bei der Frage. Sie war sogar so leise, dass ich mich selber fast nicht mehr hören konnte. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass das Rauschen in meinen Ohren immer stärker wurde. „Sophie!“ Eine zweite Stimme riss mich in die Gegenwart zurück. Langsam drehte ich mich um. Melody war aus der Küche gekommen. Jetzt stand sie im Flur, ihr Gesichtsausdruck war kalt. Mit undurchdringlichem Blick schaute sie mich an. „Sophie, komm sofort her. Geh weg von ihm.“ Ihre Worte waren scharf und befehlend. Ich glaube, ich starrte sie nur an. Ihre Worte kamen nicht zu mir durch. In Melody's Augen lag etwas was ich nicht kannte. „Du siehst es auch, stimmt's? Dieses Funkeln in ihren Augen.“ „Was?“ Ich drehte den Kopf wieder in seine Richtung. Die Arme taten mir auf einmal weh und erst jetzt fiel mir auf, dass ich mich am Türrahmen fest geklammert hatte. Ich löste meine verkrampften Finger. „Sie ist kein Mensch. Schau ihr in die Augen.“ Er lächelte leicht, bewegte sich aber nicht. Ich wollte ihm entgegensetzen und ihm widersprechen so irreal klangen seine Worte, aber er verunsicherte mich. Es schadete zumindest nicht herauszufinden was er meinte und ich drehte meinen Kopf noch einmal. Gerade noch rechtzeitig um zu sehen wie Melody auf mich zu schoss. Ihre Haare wehten wie in einem starken Wind. Aber da war kein Wind. Mir kam es so vor als wären ihre Haare plötzlich noch röter als sonst schon. Wie Flammen sahen sie aus, als würde Melody brennen. Dann wurde ich auch schon gepackt und gegen die Wand gedrückt. Für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen als mein Kopf gegen die Wand krachte. Ich blinzelte heftig und vor mir wurde Melody's Gesicht scharf. Die Wut war ihr deutlich anzusehen und ihre Augen... ihre Augen waren so rot wie Rubine. Und sie schauten mich kalt an. Dann verschwand Melody's Gesicht vor mir und der Druck der mich gegen die Wand gepresst hatte verschwand auch. Damit hatte ich nicht gerechnet und mein Körper gab unter mir nach. „Wie kannst du es wagen sie auch nur zu berühren!“ Am Ende des Flurs, neben der Küche lag Melody. Sie versuchte aufzustehen und sich aus den Griffen des seltsamen Mannes zu befreien, doch er gab ihr keine Chance. Wenigstens aus seinem Würgegriff konnte sie sich befreien. „Wie kannst du es wagen hier einzudringen! Das ist mein Gebiet und du hast nicht das Recht hier zu sein, Cheonsa.“ Melody's Stimme klang wie die einer Schlange, so hasserfüllt spie sie ihm diese Worte entgegen. Plötzlich wandten sich die Feuerhaare in seine Richtung und loderten auf. Er stieß einen Schmerzensschrei aus und ließ Melody los. Im selben Moment stieß ihn Melody von sich. Er flog mehrere Meter weit in meine Richtung und blieb dort reglos liegen. Ich stieß einen Schrei aus und lief zu ihm doch ein Schwindel zwang mich wieder in die Knie. Melody hingegen lachte und ihr Lachen klang kein bisschen menschlich. „Lass ihn liegen. Er hat es nicht anders verdient. Er wollte mir mein Spielzeug wegnehmen.“ Ich rappelte mich hoch und stelle mich schützend vor diesen Mann, den ich nicht kannte. „Melody was soll der Scheiß. Jetzt hör auf. Es ist genug.“ Langsam setzte sie einen Schritt vor den anderen und lief auf mich zu. Dann blieb sie vor mir stehen. Der Boden fing wieder an sich zu drehen doch ich zwang mich klar zu sehen. „Süße, kleine Sophie“, sie kicherte, „du hast keine Ahnung was hier los ist oder?“ Sie legte ihre Finger unter mein Kinn und hob mein Kopf an. „Ich hatte so viel Spaß mit dir. Ich wollte dich wirklich behalten, aber dann musste er ja auftauchen. Weist du wie viel Aufwand ich hatte, deine Erinnerungen dauernd zu löschen?“ Sie lachte und drehte mich um. Ich hatte keine Kraft mich zu wehren. Hinter mir an der Wand hing der große Spiegel vor dem wir uns schon so oft gegenseitig frisiert und geschminkt hatten. Aber die zwei Frauen die mir jetzt aus dem Spiegel entgegen schauten, waren andere als noch zu diesen Zeiten. Melody's feuerrote Haare standen in Flammen und ihre Augen waren blutrot. Aber noch mehr erschreckte mich die andere Frau. Das Gesicht war noch blasser als sonst und die Haare erschienen noch schwarzer. Und die Augen strahlten smaragdgrün. Melody und ich waren der größte Kontrast den ich mir in diesem Moment vorstellen konnte. „Du bist Yeosin.“ Dass ich das gesagt hatte fiel mir erst auf, als ich weiter sprach. „Du bist Yeosin, die Feuerbringende.“ Sie kicherte und wickelte sich eine meiner Haarsträhnen um die Finger. „Erinnerst du dich jetzt wieder?“, sie kam mir noch näher und flüsterte mir schließlich ins Ohr: „Sehr gut, ich hasse es wenn mein Spielzeug nicht weiß, warum ich es töte.“ Mit einem Ruck zog sie mich an den Haaren nach hinten und noch bevor ich mich wehren konnte, biss sie mir in meinem Hals. Ich schrie auf und der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. Ich versuchte sie von mir zu stoßen, aber mein kopf arbeitete nicht mit mir zusammen. Meine Finger fanden keinen Halt auf ihrer Haut. „Nein!“, schrie ich und hörte mich dabei selbst nur wie aus großer Ferne. Ich wollte noch nicht sterben, nicht jetzt schon und nicht durch die Hand dieser Yeosin. Und dann brannte mein Blut. Wie Lava floss es durch mich hindurch und die Hitze war unerträglich, doch ich konnte auf einmal wieder denken. Ich packte Melody's Haare und riss sie in einer halben Drehung von mir. In Zeitlupe sah ich sie von mir fliegen und mein Blut, welches ihre Lippen benetzte. Die Wut hatte mich ergriffen. Die Wut darüber, was Melody mir all die Jahre angetan hatte und Wut darüber wie sie diesen Mann behandelte. Mit einem Schrei schoss ich auf sie zu. Mir war es egal, dass das Blut meinen Hals hinunter lief, ich wollte nur noch Rache. Sie wich mir aus und schlug selber zu. „Du kannst nicht gewinnen, also gib gleich auf“, zischte sie und aus ihren Augen war das Lachen endgültig gewichen. Ich hörte mein Blut in meinen Ohren schon bedrohlich laut rauschen, lange würde ich es wohl nicht mehr aushalten, aber ich wollte nicht aufgeben. „Lieber sterbe ich im Kampf, als dass ich jemals gegen dich aufgeben würde, Yeosin!“, gab ich keuchend zurück. Ich war nicht in der besten Verfassung, das muss ich zugeben und die Wunde machte mir das Leben im wahrsten Sinne des Wortes nicht gerade einfach. „Sterben kannst du gerne!“ Auf einmal hatte Melody dieses Messer in der Hand. Aus dem Blickwinkel sah ich es und konnte gerade noch meinen Arm schützend hoch reißen. Sie hätte mich mit diesem Messer leicht töten können, ich weiß, wie wichtig es Melody immer war, dass die Messer in der Küche gut geschärft waren. Doch diesmal schaffte sie es nicht. Die Klinge durchbohrte nur meinen Unterarm. Ein unmenschlicher Schrei drang aus mir und mir wurde wieder schwarz vor Augen. Ich nahm meine letzte Kraft zusammen und flüsterte „Verbrenne in der Hölle, Yeosin.“ Meinen ganzen Hass legte ich in diese Worte. Dann verschwand der Boden unter meinen Füßen und ich fiel. Das letzte was ich sah, war Melody's angst erfüllter Blick und ein grelles Licht, dass sich um sie ausbreitete. Dann war es still. Ich hörte meinen langsamen Atem und spürte heißes Blut über meinen Arm und Hals laufen. Es ist aus, dachte ich. „Du darfst nicht sterben, gib jetzt nicht auf!“ Ich spürte wie jemand mich vorsichtig aufhob. „Hörst du mich, gib nicht auf. Ich hab dich endlich gefunden, ich will dich nicht wieder verlieren.“ Doch die Stimme war schon zu weit entfernt und die Arme konnten mich nicht mehr halten. Und dann war alles weg, was mich an dieses Leben band. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)