Befreiung von __Kira ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog   Ich zog den Reisverschluss meiner Reisetasche zu und warf sie mir über die Schulter. Ein letzter Blick aus dem Fenster und mein Entschluss stand fest – ich musste hier weg. Langsam und leise stieg ich die Treppen hinunter, um niemanden zu wecken. Fast lautlos drückte ich den Griff unserer großen Haustür nach unten und zog sie auf, doch ein Seufzen hinter mir riss mich aus meinem Vorhaben.  Ich fuhr herum und blickte in das besorgte Gesicht meines älteren Bruder Deegan. "Lysander." sagte er mit einem tiefen Blick in meine Augen. Ich hatte immer einen besonderen Draht zu meinem Bruder, er hat mir immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden und hatte mir immer  aus jeder Scheiße die ich gebaut hatte geholfen,  ohne mir jemals eine Standpauke zu halten.  Und diese Situationen sind nicht gerade selten vorgekommen. Seit unsere Eltern vor 4 Jahren verstorben waren, war er es, der unsere Familie zusammen hielt und für uns sorgte. Wahrscheinlich hätte er es nie geschafft, diese Last zu stemmen,  wenn nicht seine Seelenverwandte Alienor an seiner Seite gewesen wäre.   Deegan riss mich aus meinen Gedanken, indem er mich immer noch voller Sorge  ansah.   "Du weißt, dass dein Vorhaben an Selbstmord grenzt.“ Ich seufzte.   "Natürlich weiß ich es, mir wird seit 24 Jahren nichts anderes eingebläut." Ich machte eine kleine Pause, in der ich meinem Bruder fest in die Augen sah.    "..aber was soll ich noch hier? Ich habe noch einen Monat zu leben und ich möchte nicht hier herumsitzend auf meinen Tod warten, der, wie es scheint, nicht aufzuhalten ist. Ich werde sie nicht finden. Und wenn doch, dann ganz sicher nicht hier…  Wer weiß, vielleicht habe ich durch meine Reise mehr Glück , 'Sie' doch noch irgendwie zu finden." Ich betonte das Wort stark, auch wenn ich selbst nicht an meine Worte glaubte. Der wahre Grund für diese Reise war es, noch etwas von der Welt zu sehen, als nur hier im Nirgendwo Norwegens festzusitzen.   "Ich weiß…" fing ich an. "Dass du damals mit uns hier her gezogen bist, weil es in der Großstadt und in einem kleinem Land wie Deutschland zu gefährlich für uns geworden ist. Aber wie soll ich hier meine Ali finden? Selbst du musst zugeben, dass es unmöglich ist, seine Seelenverwandte in dieser Umgebung kennenzulernen, in der die nächsten Menschen Hunderte von Kilometern weit weg sind." ich lächelte ihn an und wusste, dass diese Worte ihn wenigstens ein bisschen überzeugen würden. Er nickte.   "Na gut. Aber bitte komm zu uns zurück, bevor du irgendwo da draußen alleine stirbst und halt mich auf dem Laufenden. Es war nicht einfach, Netz in dieses Nirvana – Ähm, ich meine natürlich ‚Paradies‘ -  zu bekommen." Nun grinste auch er endlich. Sein Segen bedeutete mir sehr viel. Er stieg die Treppe zu mir herunter und nahm mich fest in seine Arme.   "Sei vorsichtig, versprich  es mir. Und bitte  verkürze deine dir verbleibende Zeit nicht noch zusätzlich." Auch ich drückte ihn fest zum Abschied.   "Ich verspreche es dir." Wir lösten uns und ich trat hinaus in die Nacht. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits 3 Uhr morgens  war, der Mond stand hell am Himmel und unser Land ertrank  in Dunkelgrünen Farben.  Lavendel und Farn wiegten sich in einer leichten Brise und ich verstaute -mit etwas Gewalt- meine Tasche in dem kleinem Fach meines Motorrads, zog mir meinen Helm auf und setzte mich auf meine Maschine.   Noch einmal hob ich die Hand und streckte meine drei mittleren Finger dem Mond entgegen, zwinkerte meinem Bruder zu, der lachend den alten Gruß unserer Vorfahren erwiderte, und fuhr los.   Während der Fahrt dachte ich an die Worte, die ich meinem Bruder soeben erzählt hatte und war mir immer noch sicher, dass es eine Lüge gewesen war -  doch ich sollte eines Besseren belehrt werden. Ende Prolog Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- *piep* *piep* *piep*- riss mich mein Wecker unfreundlich aus meinem Traum. ich sah auf die Uhr, die mir vorwurfsvoll  4:30 anzeigte.  Stöhnend  schob  ich die Decke zur Seite  und setzte mich schlurfend und noch halb schlafend in Bewegung.  Während ich mir die Zähne putzte fragte  ich mich selbst - wie fast jeden Morgen - 'Wieso bin ich noch mal Krankenschwester geworden? Ich hoffte, dass die Dusche mich etwas aufwecken könnte, da es gestern Abend doch recht lang geworden war. Das Sprichwort sagt doch, der frühe Vogel fängt den Wurm, was ein dummes Sprichwort wenn man so früh aufstehen musste das noch kein einziger Vogel wach war. Selbst die schließen noch. Ich meine es war allseits bekannt das ich nicht der Mensch fürs früh aufstehen bin und außerdem war bestimmt keiner dieser Vögel am Vorabend unterwegs gewesen. Eigentlich wollten wir nur ein Bier nach Feierabend trinken – doch wurden daraus ein paar Bier mehr und man sollte denken, dass Kölsch einem nicht viel ausmachen würde. Nun stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Wenigstens wusste ich, dass ich heute Morgen nicht die Einzige war, die zerknautscht zur Arbeit kam. Haylee, Benji und Liam würde es bestimmt nicht anders ergehen. Noch immer gähnend schnappte ich mir meine Thermoskanne und füllte sie mit einem leckerem Haselnuss-Cappuccino, den mir meine Mutter aus Amerika mitgebracht hatte. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass ich noch 5 Minuten hatte, bis die Bahn kommen würde. Schnell bürstete ich mir durch meine nur noch feuchten Haare und versuchte mir gleichzeitig meine geliebten Stormtrooper Vans anzuziehen. Zum Glück lag die Haltestelle in meiner unmittelbaren Nähe. Trotzdem musste ich rennen, um ich sie noch zu erreichen. Ich ließ mich auf den harten Sitz der Straßenbahn fallen und  hatte noch genau 10 Minuten, bis ich zu Benji in die Bahn umsteigen musste. Die Kopfhörer, die ich gerade aus meiner Tasche gekramt hatte, steckte ich mir zuerst in die Ohren und dann den kleinen Adapter in mein Handy. Auf Spotify ließ ich meine übliche Musikliste, die ich liebevoll Tagträumerei nannte, ablaufen. Ich musste daran denken wie glücklich ich war, als ich damals direkt nach meiner Ausbildung nach Köln gezogen war und auf die perfekte Station in einem Krankenhaus mitten in der Innenstadt kam. Dabei war nicht die Station an sich perfekt, sondern unser Team voller junger Leute, die mittlerweile alle ein fester Bestandteil meines Freundeskreises geworden waren. Um das perfekte Glück abzurunden, kamen letztes Jahr auch noch meine guten Freunde Gamze & David, die ich aus meiner Ausbildungszeit kannte, zu uns. Damit war alles absolut perfekt. Ich musste lächeln und sah dabei wohl ziemlich dämlich aus, denn ein paar der halbschlafenden Mitfahrer sahen mich an, als käme ich von einem anderem Stern. Im nächsten Moment drang auch schon die mechanische Stimme der Bahnansage in mein Ohr: „Nächste Haltestelle: Rudolfplatz“. Sie zählte noch die verschiedenen Umsteigemöglichkeiten auf, doch diese kannte ich mittlerweile auswendig. Schließlich fuhr ich diesen Weg nun schon seit 2 Jahren - und das (fast) täglich.    Das Schöne am Bahn fahren mit Benji war es, dass wir kein Wort miteinander sprachen. Das klingt im ersten Moment vielleicht merkwürdig -  aber welcher Mensch will sich um kurz vor sechs  denn schon unterhalten? Also lächelten wir uns an, kuschelten uns aneinander und hörten unsere Musik. Benji schlief meist noch ein wenig und meine Aufgabe war es, unsere Haltestelle nicht zu verpassen. Da es für mich nicht infrage kam,  in öffentlichen Verkehrsmittel zu schlafen, machte mir das nichts aus. Leicht stupste ich ihn an und wir schlenderten zur Tür der Bahn, stiegen aus und atmeten  die angenehme Frühlingsluft ein. Schweigsam liefen wir weiter bis zum Eingang des Krankenhauses, die Treppe hoch zu unserer Umkleide und erst dort zogen wir unsere Kopfhörer aus den Ohren. Ich lächelte Benji erneut an, der das Lächeln sofort erwiderte und mich nun richtig Begrüßte.  "Guten Morgen, du Traum von Frau in Jogginghose." ich musste lachen. Benji war ungefähr 1,80m groß und hatte kürzere braune Haare, die am Hinterkopf manchmal silbern schimmerten, womit ich ihn sehr  gerne aufzog. Sein Bart war wieder etwas länger geworden, er hatte ihn wohl länger nicht gestutzt, was mir besser gefiel als sein rasiertes Gesicht, er wirkte dadurch so nackt und eben nicht wie Benji. Aber das wirklich Besondere an ihm war sein Charakter, wie begeistert er von Filmen sprach und wie gut er sich damit auskannte. Quasi ein wandelndes Lexikon. "Guten Morgen.“ Erwiderte ich grinsend. „Entschuldige mein lieber, mehr war heute Morgen wirklich nicht drin." Während wir uns in unsere Kasacks schmissen (Ich habe keine Ahnung, wie das Bild der sexy Krankenschwester heute noch mit diesen Dingern standhalten kann), erzählte er mir, wie beschissen sein Morgen ablief und dass er fast verschlafen hätte. Ich knotete meine Haare zu einem lässigen Zopf und wir gingen, immer noch schwatzend,  Richtung Stationszimmer an unseren Tisch in der Küche, in der wir morgens unsere Übergabe vom Nachtdienst bekamen. Wir waren nicht die Einzigen. Peter, unser ältester Kollege – Mit 30 Jahren hatte schon mehr graue als braune Haare, die er wahrscheinlich nur dank uns ‚jungen Dingern‘ besaß, saß schon am Küchentisch. Er sah uns an und lachte aus voller Seele. Auch Sophie, die Nachtdienst gehabt hatte, kicherte: "War wohl doch keine so gute Idee nach einem Spätdienst noch etwas trinken zu gehen, wenn man am nächsten Tag zum Frühdienst muss, oder?" Wir grummelten bestätigend und setzten uns zu ihnen. Erst als ich Platz nahm, bemerkte ich die 4 großen Augen die mich etwas scheu anstarrten.   "Hallo, ihr müsst die zwei neuen Schüler sein.  Ich bin Amy, eure Praxisanleiterin." ich lächelte die beiden an und sie stellten sich uns vor.  Es war eine kleine, etwas breiter gebaute junge Frau mit kurzen, dunkellila Haaren. Ihr Name war Kira.  Eine  große Frau mit langen blonden Haaren, genau wie die von Sophie,  stellte sich uns als Isabelle vor. Da schaltete sich Benji wieder ein.   "Pff, du verschandelst deinen Namen!" er wandte sich zu den Schülerinnen um und ich versuchte ihm mit meinen Augen ein 'Sei bloß still' zu signalisieren, was  er aber gekonnt ignorierte.   "Ihr richtiger Name ist Prinzessin Amidala. Naja, nur ohne das ‚Prinzessin‘." Er grinste mich breit an und ich erwiderte seinen Blick mit einem bösen Funkeln, aber er hatte Recht. Mein Vater Christian Black war der wohl größte Star Wars Fan, den ich kannte - neben Benji natürlich -. Er hatte meine Mutter irgendwie dazu überreden können, mich nach der Geliebten von Anakin Skywalker -aka Darth Vadder- zu benennen. Meistens versuchte ich mich allen Leuten als Amy vorzustellen. Bei diesem Namen riefen sie mich auch, abgesehen von Benji und meinem Vater. Sie bestanden fest darauf, mich Amidala zu nennen. Ich seufzte und sah die Schülerinnen hoffnungsvoll an.   "Bitte nennt mich Amy." sie nickten eifrig und im nächsten Moment traten Liam und Haylee ein. Die beiden sahen mindestens genauso zerknautscht aus wie Benji und ich, nur mit dem Unterschied, dass Haylee wieder perfekt geschminkt war und eine noch perfektere Flechtfrisur hatte. Selbst die Mädchen starrten sie mit offenen Mündern an.  Kein Wunder - Haylee war das schönste Mädchen, das ich kannte. Ihre schneeweißen – und total echten - Haare hatte sie sich aufwendig und für mich unmöglich nach hinten geflochten. Ihr Eyeliner rahmte ihre blauen Augen perfekt ein und ihr knallroter Lippenstift betonte ihre vollen, sinnlichen Lippen. Dagegen wirkte Liam wie ein Penner, den sie auf der Straße eingesammelt hatte. Seine langen braunen Haare standen in alle Richtungen. Dass  er Locken hatte, machte die Sache nicht besser. Haylee gab mir einen Kuss auf mein rotbraunes Haar und setzte sich neben mich.   "Guten Morgen, meine Süßen." strahlte sie und stellte sich den immer noch staunenden Schülerinnen vor. Liam warf sich auf einen der Bürostühle und rollte, bis er hinten an der Heizung anstoß und zum Stehen kam.   "Morgen." murmelte er und nahm die Tasse Kaffee, die Benji ihm entgegen streckte. Ich sah mich um und war verwirrt.   "Sind wir heute Morgen so viele? Hat sich Mia im Dienstplan vertan?" Mia war unsere Zweitälteste und Stationsleitung wider Willen. Sie war süß, einfach nur süß. Ihre braunen schulterlangen Haare trug sie in einer natürlichen Dauerwelle. Sie war  nicht sonderlich groß,  ungefähr genauso groß wie Gamze, unsere Quoten –Türkin, wie wir sie spaßeshalber immer nannten. Trotz ihrer südländischen Herkunft war ihre Haut blass. Sie war das Paradebeispiel des Schneewittchen-Looks. "Nein, nein, das ist schon richtig." antwortete mir Peter. "Du bist heute einzig und allein für unsere neuen Schüler eingeteilt, um ihnen alles zu zeigen und sie einzuarbeiten. Das ist wohl jetzt neu und von der Schule so gewollt." Ich sah die beiden Mädels an.   "Das ist ja gar nicht mal so eine dumme Idee." Sophie setzte sich wieder an den Tisch und knallte die drei  vollen Aktenplatten  auf den Tisch.   "So, jetzt ist aber gut. Ich will nach Hause und schlafen." Mit diesen Worten begann die Übergabe, in der sie uns die Neuigkeiten über Patienten erzählte, die wir schon kannten und uns die Neuaufnahmen vorstellte. Wir erfuhren, die Diagnostik, ihre Vorerkrankungen, geplante Operationen oder Untersuchungen, Medikamentenzufuhr und Infusionen, und so weiter. Nach einer Viertelstunde war sie fertig und wir wünschten ihr  eine "Gute Nacht".  Normalerweise begann unser Dienst um 6:15, doch bis alle eingetrudelt waren und die Übergabe begann, war es meist 6:30. Nach der Übergabe saßen wir noch bis 7 Uhr zusammen. Um die Zeit klingelte für gewöhnlich der erste Patient – dies war unser persönlicher Startschuss geworden. Die vier Anderen schnappten sich ihre Durchgangswagen, auf denen die Medikamente für die Patienten lagen, sowie neue Gläser und  Schnabelbecher für älteren Patienten, eine Blutdruckmanschette mit Stethoskop und ein Thermometer zum messen der Vitalzeichen. Ich deutete Isabelle und Kira an, dass sie sich zu mir an den Tisch setzen sollten und holte den riesigen Ordner für neue Schüler, den alle Praxisanleiter zusammen mit der Schule entworfen hatten. Für jede Station gab es natürlich andere Schwergebiete und Lernmöglichkeiten,  welche kursabhängig waren  Meine zwei Mädels kamen aus dem Unterkurs und hatten ihren ersten richtigen Stationseinsatz, ich musste also ganz am Anfang beginnen. Ich schlug den Ordner auf und reichte den beiden unser Manuskript über die Station, die Schwergebiete und den Ablauf der verschiedenen Dienste.    "So..." begann ich. „dann fangen wir doch mal damit an, wer oder was für eine Station wir überhaupt sind. Ihr seid hier auf Station 1b. Wir sind aufgeteilt in die Unfallchirurgie, in der wir einerseits viel mit Brüchen zu tun haben,  andererseits  haben wir aber auch noch sechs internistische Betten, die kein besonderes Schwergebiet haben. Wir bekommen quasi alles, was das internistische Krankheitsbild zur Verfügung stellt. Habt ihr bis hierher irgendwelche Fragen?" Die Beiden schüttelten mit den Köpfen und ich fuhr fort.  "Dann kommen wir jetzt  zum Ablauf der verschiedenen Dienste. Blättert doch bitte mal eine Seite weiter, dort ist auch noch einmal alles schriftlich aufgelistet.“ Hastig blätterten sie weiter. „Heute Morgen habt ihr ja schon etwas mitbekommen, meine Kollegen messen gerade die Vitalzeichen und teilen die Medikamente aus, zudem befragen wir die Patienten nach ihrem Befinden durch eine Schmerzskala von 0 - 10. 0 bedeutet beschwerdefrei und 10 bedeutet  ein unerträgliches Schmerzempfinden. Erfahrungsgemäß unter- oder übertreiben die meisten Patienten gern, deswegen solltet ihr auf die Mimik und Gestik achten, diese kann euch viel darüber aussagen. Außerdem stellen wir die wohl wichtigste Krankenhaus Frage…" Ich schmunzelte. "Wir fragen, ob der Patient gestern Stuhlgang hatte, beziehungsweise wie lange der Letzte her gewesen ist. Nach Operationen ist es besonders wichtig darauf zu achten, eigentlich ist das eher das Gebiet der Bauchchirurgen, aber auch wir müssen darauf Acht geben. Wisst ihr, wie lange es in Ordnung ist, dass jemand keinen Stuhlgang hatte?" ich lächelte die Mädchen an, um sie aus ihrer Schüchternheit und dem Unbehagen zu locken. Kira meldete sich und ich nickte ihr zu. Ich hoffte, dass sie bald auftauen würden.  Normalerweise war die Ausscheidung eines Menschen ja ein eher unangenehmes Thema, doch im Krankenhaus machte man sich darüber so gut wie keine Gedanken, es gehörte zum Gesprächsthema wie die Frage nach dem Wochenende. Selbst untereinander scherzten wir darüber. "Nach drei Tagen sollte man dem Patienten etwas zum Abführen geben." sagte sie noch immer etwas verlegen.   "Ganz genau. Und dann langsam aufbauend, man muss nicht direkt mit einem Einlauf ankommen. Meistens reicht es schon aus, etwas Weichmachendes zu geben. Gut, dann machen wir mal weiter: Nach dem Durchgang, in dem  die alten Gläser eingesammelt werden und das Zimmer etwas aufgeräumt wird, ist meistens die Visite schon auf dem Weg. Diese sollte möglichst immer von einer Pflegekraft begleitet werden, um den Patienten zur Seite zu stehen, Veränderungen zu erwähnen und zu erfahren, wie das weitere Verfahren unserer Schützlinge ist. Der jeweils andere räumt den Wagen auf und fängt an, das Essen zu verteilen. Leider haben wir bei uns im Haus noch keine Servicehilfen und müssen das daher noch selbst erledigen. Ihr werdet merken, dass wir einige Patienten haben, denen man das Essen vorbereiten muss, sei es durch das Alter, die Vorerkrankungen oder eben durch eine Operation am Arm. Fallen euch Vorerkrankungen und Operationen ein,  nach denen besonders Hilfe benötigt wird?" Nun sprach Isabelle schon etwas lockerer und sichtlich stolz darauf, die Antwort  zu kennen.   "Nach einem Schlaganfall oder bei Parkinson zum Beispiel. Und bei Operationen..hmm..“ Sie zögerte.   „Einer Radiusfraktur?" Ich nickte zufrieden "Sehr gut. Aber nicht nur Radiusfrakturen, auch Brüche am Oberarm oder der Schulter, wie es hier öfters vorkommt, müssen speziell betreut werden."   Mit einem Sing Sang "Guten Morgen, Amylein." trat Moritz ins Zimmer und druckte sich seine Patientenliste am Computer aus, bevor er sich zu uns gesellte. Er sah die beiden Mädels an, die sofort knallrot wurden und  lächelte beschwichtigend   "Darf ich euch vorstellen, das ist einer unserer Stationsärzte,  Dr. Seller." Ich zeigte auf den Muskulösen Arzt mit kurzen Haaren, der den Mädels mit seiner morgendlichen Tasse Kaffee zuprostete. Selbst unsere Patientinnen reagierten so auf ihn, er sah gut aus und war wahrscheinlich der bestaussehendste  Arzt in unserem ganzen Krankenhaus. Trauriger weise  war er vom anderen Ufer.  "Ich störe euch dann mal nicht weiter und mache mich an die Arbeit Benji zu quälen." Lachend stellte er seine Tasse ab. Ich wollte gerade schon wieder motzen, dass er sie gefälligst direkt in die Spülmaschine räumen sollte, da sagte er schon: „Ich trinke später weiter daraus und falls nicht, darfst du mich gerne bestrafen." Er zwinkerte mir zu und ich musste unweigerlich grinsen, das war typisch für unseren Dr. Seller.   Ich konnte sehen, wie meine zwei Mädels ihm beim Gehen auf den Hintern sahen und räusperte mich. Hochrot drehten sie sich wieder zu mir um.    "Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, beim weiteren Ablauf." Ich erklärte ihnen noch, dass wir nach dem Essen austeilen anfingen, die Betten zu machen und nachdem die Patienten fertig gegessen hatten das große Waschen anfing.   "Wollen wir uns jetzt die Station ansehen?" fragte ich und sie nickten eifrig. Schnell, um die anderen nicht zu behindern, gingen wir an den Anfang unseres Flures und blieben vor einer massiven Tür stehen. Mit einem Stoß schwang ich die schwere Tür auf und wir gingen hinein.   "Das ist unser erster Schmutzraum. Hier werden unsere Pflegeutensilien gelagert und die benutzten Waschschüsseln und Steckbecken aufbereitet. Dieser silberne Kasten ist für Urinflaschen sowie für besagte Steckbecken, hier an den Seiten seht ihr auch Bilder, wie ihr diese optimal einstecken müsst, damit alles reibungslos funktioniert. Anstellen könnt ihr sie, indem ihr die Klappe fest schließt und dann diesen Knopf hier drückt. Wenn eine Waschung fertig ist, passt bitte beim Herausnehmen auf, da die Wäsche meist noch sehr heiß ist. Verbrennt euch also bitte nicht. Ansonsten haben wir hier noch einen Hahn, der das Desinfektionsmittel schon mit dem Wasser verdünnt, bitte beachtet, dass es nur für Flächen und zur Reinigung der Utensilien geeignet ist, nicht für die Hände oder Haut gedacht. Tragt deswegen bitte immer Handschuhe." Ich zeigte ihnen noch unsere anderen Räume, in denen wir unser Verbandsmaterial und die Wäsche aufbewahrten.   "Ihr werdet alles mit der Zeit besser kennenlernen. Keiner erwartet von euch, dass ihr direkt perfekt arbeitet und alles sofort findet. Gebt bitte einfach euer Bestes - die Hauptsache ist, dass die Patienten mit euch zufrieden sind. Wie sieht es aus, seid ihr bereit, euren ersten richtigen Patienten zu waschen?" Etwas ängstlich sahen sich die beiden Mädels an und nickten dann vorsichtig.    "Keine Angst, das erste Mal ist immer merkwürdig, aber bald wird euch das alles nichts mehr ausmachen. Leider kann ich nicht mit euch beiden mitgehen, aber ich denke, Haylee wird eine von euch beiden begleiten. Bitte macht euch keine Sorgen. Wir sind für euch da und wenn etwas sein sollte, könnt ihr mit allem zu uns kommen und jeder von uns wird euch mit Rat und Tat zur Seite stehen, so gut es uns gelingt." Sie lächelten und wirkten gleich etwas entspannter. Haylee war gerade dabei, den leeren Essenswagen nach vorne zu fahren und stieß zu uns, lächelnd und wunderschön wie immer kam sie auf uns zu.   "Na, bereit loszulegen?" fragte sie enthusiastisch. "Wer von euch beiden möchte mit mir mitkommen?" Sie sah die beiden scheuen Mädels an. Keine traute sich. .   "Amy wird euch schon nicht böse sein. Na dann, Isabelle, kommst du mit mir mit?" Isabelle nickte und folgte ihr in ein Patientenzimmer. Kira sah mich nun mit großen Augen an.   "Dann fangen wir auch mal an, es ist noch viel zu tun." Auch wir gingen in ein Patientenzimmer, welches ich vorher ausgewählt  und mir das Einverständnis der Patientin geholt hatte. Es war eine ältere Dame mit Humeruskopffraktur, also einem Bruch am Oberarm. Ich ließ Kira arbeiten und sah ihr über die Schulter hinweg zu, gab ihr ein paar Tipps und erklärte ihr, wie man die Armschlinge aus und wieder anzog. Sie machte sich gut und als ich sie fragte, ob ich sie alleine lassen könne, nickte sie und lächelte der Patientin freundlich zu. Ich ging zurück ins Stationszimmer, um weiter zu überlegen, was ich mit den Schülerinnen heute noch machen könnte. Ein Seufzen entfuhr mir und  ich spürte, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte.  "Schwester Amy, warum seufzten Sie denn so schwer?" ich drehte mich um.   "Professor Kramm, sie haben mich erschreckt!" Er trank einen Schluck aus seiner Tasse, in der ich einen Teebeutel mit grünem Tee erkannte. Er war ein junger Professor  in den Mittvierzigern, aber hatte schon einiges an Haar verloren und trug seine Brille immer nur halb auf der Nase.   "Das tut mir leid, das war nicht meine Absicht. Läuft hier auf meiner Herzstation denn alles gut oder gibt es etwas mit dem ich euch das Leben  verschönern könnte?" Er lächelte mich an. Es stimmte, wir waren seine liebste Station und er sorgte immer dafür, dass es uns an nichts fehlte.   "Hmm. Wenn Sie so fragen, dann würden wir uns alle natürlich sehr über frische Brötchen freuen." Er lächelte immer noch und stellte seine Tasse vorschriftsgemäß in den Geschirrspüler.   "Gerne, ich werde direkt welche holen lassen." Ich bedankte mich und machte mich wieder zurück an die Arbeit, was eher hieß das ich meinen Kopf auf den Ordner legte, der Abend gestern hing mir immer noch nach und ich war todmüde. Ich rollte meinen Kopf auf die andere Seite und sah, dass es erst neun Uhr war. 'Nur noch 5 Stunden' murmelte ich mir selbst zu.   "Nur noch drei Tage wohl eher.", sagte eine Stimme hinter mir. Ich hob meinen Kopf und versuchte mir den Abdruck, den das Blatt in meinem Gesicht hinterlassen hatte, wegzuwischen.   "Oh Liam, wie läuft es bei euch da draußen? Braucht ihr noch Hilfe? Kira wäscht schon alleine und Isabelle ist mit Haylee unterwegs." Er setzte sich zu mir und schenkte mir einen erhobenen Daumen  "Alles Tutti, viele versorgen sich selbst und die Betten sind auch schon alle gemacht, Peter fährt die erste OP rüber und ich warte nur noch auf unseren zuständigen Internisten – Wer auch immer das heute sein mag. Es kotzt mich echt an, dass wir momentan Niemanden haben, der fest für uns zuständig ist." ich nickte, denn ich verstand die Qual.   "Komm, lass uns den Tisch fürs Frühstück decken, unser lieber Prof besorgt uns Brötchen und vielleicht kommen wir heute ja mal etwas eher dazu, zu essen. Mein Magen hängt jetzt schon in den Kniekehlen." Er tätschelte meinen Kopf.   "Wir haben auch gestern kaum mehr ans Essen gedacht." Ich lachte und stupste ihn in die Seite, da trat Benji in die Küche.   "Flirtet ihr etwa ohne mich?!", sagte er gespielt eifersüchtig. Ich lief rot an und stotterte, ich müsse nach den Schülerinnen sehen. Liam und ich waren Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn wir wirklich ab und zu mal etwas miteinander flirteten, weiß ich, dass das nur ein Spaß ist, der den  Stationsalltag etwas schöner gestaltet. Ich meine, das machte ich mit Benji ja auch ständig.    Auf dem Flur kamen mir Peter, Haylee und Isabelle entgegen. Auch Kira schien fertig zu sein und schlenderte uns entgegen. Unsere Mägen knurrten im Einklang und Moritz traf keinen perfekteren  Zeitpunkt, als er winkend mit einer Tüte Brötchen im Arm auf uns zulief. Der Geruch der frischen Brötchen traf mich wie ein Schlag und das Loch in meinem Bauch wurde schlagartig größer. Ich rief ihm ein 'Beeil dich!' zu und wir gingen gemeinsam in unsere Küche. Am Tisch saßen wir sehr eng beieinander, da wir drei Leute mehr als üblich waren.  Auch Moritz nahm sich einen Stuhl und quetschte sich zwischen Haylee und mich. Wir griffen alle gierig in die große Tüte und luden uns eines der noch warmen Brötchen auf unsere Teller. Sie dufteten wirklich herrlich! Ich schnitt meines auf und knubbelte das weiche Innere heraus, bestrich es mit Butter und warf es mir sehr grazil in den Mund.   "Ich habe frischen Honig mitgebracht.", sagte Peter und kramte in seiner Tasche. Er imkerte  nebenbei und brachte uns daher immer leckeren Honig mit.   "Den Cremigen?" sagte ich mit vollem Mund und totaler Begeisterung.   "Aber natürlich, ich weiß doch, dass du den besonders magst." lachte er.   "Dann immer her damit!" Ich griff nach dem Glas voller süßem Gold, ein erfreutes Stöhnen entfuhr mir, als ich in das leckere Honigbrötchen biss. Um mich herum fingen alle an zu lachen und auch sonst verlief unsere Pause sehr lustig, wie immer lachten und alberten wir viel herum. Ich konnte sehen, dass meine Schüler endlich aus ihrem Schatten traten  und sich an den Gesprächen beteiligten. Die letzte halbe Stunde ging wie immer viel zu schnell um  und der nächste Anruf für die nächste Untersuchung kam rein. Wir räumten unser Geschirr auf und machten uns wieder an die Arbeit. Der Rest des Tages verging schneller als ich dachte. Wir halfen den restlichen Patienten beim Waschen und teilten das Mittagessen aus, bei dem ich Kira und Isabelle zeigte, wie man den Blutzucker eines Diabetikers maß. Schon bald kam der Spätdienst und Valentin trat mit Julia, unserer jüngsten Kollegin, in unser Stationszimmer. Valentin hatte hellbraune,  knapp schulterlange Haare die er wachsen ließ und sie sich heute zu einem kleinen Zopf zusammen gebunden hatte. Er begrüßte mich mit einem High Five und Julia umarmte mich schnell. Sie war gerade einmal 20 und erst seit  einem halben Jahr examiniert. Bei uns hatte sie auch ihr Examen abgelegt. Uns war sofort klar, dass wir sie bei uns wollten. Ihre kurzen blonden Locken rahmten ihr Gesicht perfekt ein und ihre braunen Augen ließen sie noch mehr wie ein junges Rehkitz aussehen.   "Amy, denk bitte daran, dass wir morgen unseren Termin beim Tätowierer haben." sagte Valentin und reichte mir einen Zettel mit der Uhrzeit.  "Oh, das hatte ich wirklich fast vergessen, es ist schon so lange her, dass wir den Termin ausgemacht hatten." Ich nahm den Zettel und verstaute ihn direkt in meinem Geldbeutel in meiner Tasche. „Das hab ich mir gedacht. Wir treffen uns morgen Früh um 10 Uhr am Barbarossaplatz." Ich nickte und war heilfroh, endlich mal wieder unter die Nadel zu kommen. Dies würde nicht mein erstes Tattoo werden, ich hatte schon ein größeres Projekt direkt unter meinen Brüsten. Es sah von weitem aus wie ein großes Amulett. Sehr filigran und nicht zu wuchtig, darin versteckt konnte man  Symbole aus meiner Lieblingsbuchreihe Harry Potter erkennen, wie zum Beispiel das Deathly Hallow, den Zeitumkehrer und natürlich den goldene Schnatz. Das Ganze war in der Tattoo Art Dots to Lines gearbeitet und ich plante vielleicht noch an meine Flanke einen Patronus als Wolf tätowieren zu lassen. Morgen allerdings war erstmal mein Rücken an der Reihe. Mit einer Mischung aus Watercolour und Dots to Lines sollte auf meinem Rücken ein Riesen Kunstwerk aus Schnörkeln und Hibiskus Blüten entstehen und das genau unter dem Mond, der in meinem Nacken lag, in dem das Datum und der Name meines verstorbenen Großvaters Gealei Black stand. Er war vor ca. einem Jahr verstorben und es hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich brauchte lange um wieder halbwegs klar denken zu können, ohne in Tränen auszubrechen. Mein Opa war mir der wichtigste Mensch in meiner Familie gewesen Auch wenn ich alle aus vollstem Herzen liebte, war es mein Opa zu dem ich ging, wenn ich Liebeskummer hatte oder einfach nicht mehr weiter wusste. Er war in meinen Augen immer magisch gewesen, besonders,  wenn er mir Geschichten und Märchen über seine Vorfahren erzählte. Er stammte aus einer sehr alten, irischen Familie, doch seinen  Stamm, wie er es nannte, gab es schon Jahrhunderte lang auf der ganzen Welt verteilt. Er erzählte mir oft, dass sein Volk mit dem Mond stark verbunden sei und er als Kind an Vollmondnächten mit seinen eigenen Großeltern spezielle Rituale abgehalten hatte, um sich zu reinigen und Kraft zu sammeln. Mit mir führte er diese Rituale meist vor Prüfungen oder nach schweren Schicksalsschlägen durch.  Auch seine Beerdigung fand in einer Nacht statt, in der der Mond so hell zu scheinen schien, wie wahrscheinlich vorher noch nie. Alles war von Mondlicht eingehüllt - was sehr passend war, da die Namensbedeutung meines Opas Mondlicht war. Kurz bevor er starb, sagte er mir, dass, solange das Mondlicht auf mich  schiene,  er auf mich aufpassen würde und ich keine Angst zu haben bräuchte, solange ich den Mond spüren kann.  An Vollmondnächten spürte ich meinen Großvater besonders stark in meiner Nähe. Dieses Gefühl half mir über sein Gehen hinwegzukommen. Automatisch griff ich an die kurze Kette an meinem Hals, an der ein Mondstein hing, den ich von ihm geerbt hatte. Der Mondstein wurde eingerahmt von einer Art Käfig aus reinem Silber der sich wellenartig um den Stein wund. Nachts schien er wie von alleine in wunderschönen Farben zu schimmern, sobald das Licht des Mondes ihn berührte. Ich nahm die Kette nie ab und sie gehörte zu mir wie eines meiner Körperteile.    Benji zog sanft an meinem Zopf, um mich wieder ins Hier und Jetzt zurück zu holen. Die Übergabe war vorbei und wir zogen uns gemeinsam um und gingen nach Hause.   Ich schloss meine Haustüre auf und warf meine Tasche auf den Sessel, der einzig und allein dafür da war, Dinge wie Jacken und Taschen darauf zu werfen. Ich merkte wieder, wie wenig Schlaf ich die letzte Nacht gehabt hatte und ging direkt in mein Schlafzimmer, warf mich auf mein Bett und schälte mich aus meiner Jogginghose. Kuschelnd schlang ich die Decke über mich und knautschte mir das Kissen passend zurecht, machte die Augen zu und schien in Sekunden eingeschlafen zu sein. Ich träumte von den Geschichten meines Opas und beschloss, bald mal wieder zu meiner Oma zu fahren, um sie und das Grab meines geliebten Großvaters zu besuchen. Sie würde sich sicherlich freuen mich einmal wieder zu sehen, da ich es bis jetzt vermieden hatte, sie zu sehen. Ich konnte sie mir einfach nicht ohne Gaelei an ihrer Seite vorstellen. Solange ich denken konnte, hatte ich die beiden keinen Moment getrennt erlebt. Selbst ohne einander aufs Klo zu gehen schien ihnen schwer zu fallen und nach all den Jahren in denen sie verheiratet waren, liebten sie sich noch wie an ihrem ersten Tag. Sie waren mein großes Vorbild, was die wahre Liebe betraf und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als so eine Liebe wie ihre zu erfahren. Ich lächelte und ließ mich immer weiter in die Erinnerung sinken, die mich tiefer und tiefer in den wohltuenden Schlaf sog. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Ich wachte erst spät am Abend wieder auf. 'Super, den ganzen Tag verpennt', gähnte ich und machte mich auf den Weg unter die Dusche. Jetzt konnte ich die warmen Wasserstrahlen auf meiner Haut genießen und ließ sie über mein Gesicht laufen, wusch meine Haare und ließ die Haarkur etwas länger einwirken, um meine langen widerspenstigen Wellen wenigstens etwas in den Griff zu bekommen.  Als ich endlich fertig  war, wickelte ich mir ein Handtuch um den Körper und mit einem Kleineren band ich mir einen Turban auf meinen Kopf.   'Nur ein bisschen antrocknen, dann kann ich mir mit meinem neuen  Tangle Teezer die Haare striegeln (Ungelogen: Es fühlte und hörte sich wirklich so an, als würde man einem Pferd das Fell und die Mähne striegeln.)‘ sagte ich laut zu mir selbst, denn wer sonst sollte es in meiner kleinen Wohnung auch hören. Ich ließ mich gerade auf mein Sofa fallen,  als ich auch schon den typischen Sound von Skype hörte, der verriet, dass mich jemand anrief. Ich drückte auf den grünen Hörer und das Gespräch begann wie -ich könnte darauf schwören - jedes Skype-Gespräch.   "Phyllis?" fragte ich meine Freundin und ich hörte auch schon den Satz, der mich zum Lachen brachte.   "Kannst du mich hören?" Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Ab und zu klang sie wie ein erschrecktes Eichhörnchen und das in Kombination mit diesem Satz brachte mich vollends aus dem Konzept. Leider Gottes bekam ich einen Lachkrampf, sodass mich ihre nächsten Worte ungewollt noch mehr zum Lachen brachten, obwohl sie nicht ansatzweise so lustig waren wie die davor.   "Wieso lachst du?" Ich versuchte ihr unter Lachern zu antworten, dass alles in Ordnung sei und konzentrierte mich dann auf meinen Atem.   "Liegst du in den Wehen oder was ist bei dir los?" Meine ganze Atemtechnik war dahin und ich lachte schon wieder, hörte aber in ihrer Stimme, dass sie sich so langsam anstecken ließ.   "Ne, ne, alles gut, ich hab's gleich wieder." Ich atmete noch dreimal mit einem 'Hap Huuu' durch und fragte sie dann, warum sie überhaupt anrief.   "Du weißt, ich hab dich sehr lieb, aber wie kommt's, dass du mich so plötzlich ohne Vorwarnung anrufst? Ich komme gerade aus der Dusche und hab mir noch nicht einmal die Haare ordentlich durchgekämmt. Also schieß los, wie kann ich dir diesmal helfen?" Sie antwortete mir nicht auf meine Frage, sondern rief nur: "Mach die Facecam an! Das will ich sehen!" Ich rollte mit den Augen.  "Das werde ich jetzt ganz sicher nicht tun, also wieso rufst du an, Phylui?", nannte ich sie bei dem Spitznamen, den ich ihr selbst gegeben hatte.   "Warte eben, ich hol eben meine Bürste und dann kannst du mir alles erzählen." Einen kurzen Moment später saß ich wieder auf der Couch und kämmte meine Haare, während ich Phyllis aufgeregten Erzählungen gewissenhaft lauschte.  "Ich komme zu euch! Also, ich meine zu euch in die Klinik, als PJ'lerin, Wahnsinn oder? Dann arbeiten wir zusammen und sehen uns endlich mal wieder öfter. Du Trulla hast ja kaum Zeit."   Ich hielt kurz Inne und ließ das gesagte Revue passieren.   "Auch auf unsere Station?" Sie hatte mittlerweile ihre Facecam angemacht und nickte, auch ich betätigte den Knopf und sagte, bevor sie etwas über meine nassen Haare sagen konnte:   "Du weißt, dass du meine persönliche Sklavin sein wirst?" Sie sah mich erschrocken an.   "Aber, aber, aber..." fing sie an, doch ich unterbrach sie.   "Das war ein Witz, du wirst mir sowieso  freiwillig helfen." Ich  warf ihr einen Kuss durch die Kamera zu, den sie spielerisch auffing und sich an ihr Herz drückte.   "Da hast du wohl recht.", lachte sie. Wir quatschten noch ein wenig weiter und unterhielten uns über ihr Medizinstudium, ihre Trennung von diesem Penner, den sie mal ihren Freund nannte und kaum, dass wir es bemerkten, waren auch schon zwei Stunden vergangen.   "Ach Phyllis, ich hab ganz vergessen zu fragen, ab wann du bei uns bist." Sie lachte seltsam.   "Naja, also eigentlich schon seit heute. Nur wurde uns erst alles gezeigt und erklärt und naja, als ich bei dir auf Station kam, wurde mir gesagt, dass du gerade mit den Schülern beschäftigt bist. Da wollte ich nicht weiter stören." Es entstand eine Pause.  "...Was?! Das ist jetzt nicht dein Ernst, wieso hast du mir denn nicht schon früher Bescheid gesagt?" Ich hätte sie am liebsten erwürgt.   "Ich..." ,sagte sie vorsichtig. " Ich hatte es vergessen." Eine noch längere Pause entstand, bis sie noch vorsichtiger fragte: "Bist du mir sehr böse?" Ich seufzte.    "Nein, bin ich nicht, nur überrascht und etwas verärgert. Aber ist schon in Ordnung. Ich muss jetzt sowieso mal Schluss machen, ich habe morgen um 10 Uhr einen Tattoo- Termin und den möchte ich ungern verpassen. Und du solltest schlafen, damit du morgen auf Arbeit fit bist.", sagte ich streng.    "Okay, dann viel Spaß und wir sehen uns ja sicher bald. Ich hab dich lieb.", grinste sie.   "Ich dich auch.", antwortete ich wohl eine Stufe zu hart, doch ich hatte schon aufgelegt und das Gespräch beendet. Ich schaltete meinen Laptop aus und legte ihn behutsam zur Seite. Bevor ich wieder zurück ins Bett ging, flocht ich mir zwei Zöpfe, damit meine Haare morgen schöne Wellen hatten.        Die Nacht war viel zu schnell wieder vorbei und ich war schon dabei mich anzuziehen. Ich hatte noch genügend Zeit, bis ich mich mit Valentin traf und mein neues Tattoo bekam. Die Zöpfe hatten ihr Werk getan und ich hatte schöne große Wellen, die ich mir mit etwas Schaumfestiger in die richtige Position frisierte. Eigentlich viel zu aufwendig dafür, dass ich stundenlang auf einer Bank liegen und eine Maschine hundert Nadeln auf einmal in mich hineinrammen würde.   Mein Frühstück bestand aus einem Apfel und einer Banane, die ich klein schnitt und in meinen immer vorbereiteten Chiasamen-Joghurt mischte. Dazu eine Tasse meines  leckeren Kaffees und der Tag konnte losgehen. Irgendetwas fehlte noch in meinem Frühstück, aber ich konnte  nicht genau sagen, was es war, also suchte ich meine Küche nach dem richtigen Gewürz ab und entschied mich letztendlich für etwas Zimt. Was natürlich dafür sorgte, das es Weihnachtlich schmeckte, was etwas verwirrend zu dieser Jahreszeit war.  Aber es schmeckte, und das war die Hauptsache. Mein Handywecker, den ich mir extra gestellt hatte, klingelte, damit ich die Bahn diesmal nicht (fast) verpasste. Ich schlang mir meine kleine Tasche über die Schulter und machte mich auf den Weg. Lange musste ich nicht auf die Bahn warten und ab der Haltestelle Rudolfplatz entschied ich mich zu laufen, denn weit war es nicht mehr. Der Tattooladen Inkfinity lag genau zwischen den Haltestellen Zülpicher Platz und Barbarossaplatz und war gleichzeitig der Treffpunkt für Valentin und mich. Ich sah ihn schon neben Raphael stehen, meinem Tätowierer, der genüsslich an seiner Zigarette zog und mir dann zuwinkte. Bei den Beiden angekommen nahmen sie mich kurz in die Arme und wir warteten zusammen auf den -diesmal- blauhaarigen Raphael, der seine Haarfarbe alle paar Monate wechselte. Dann  gingen wir gemeinsam in sein Studio. Wie immer saßen ein paar Kunden da und sahen sich die verschiedenen Ordner seiner Werke an, nur um sich dann ein Ohrloch stechen zu lassen. Wahrscheinlich waren sie nicht einmal 18 Jahre alt und Raphael würde sie direkt wieder nach Hause schicken, da war er konsequent.  Keine Tattoos oder Piercings unter 18 Jahren und selbst mit elterlicher Begleitung auch erst ab 16 Jahren, lautete seine Devise. Er wies mich an, doch schon einmal nach hinten zu gehen und es mir auf der Liege bequem zu machen. Ich hatte extra einen älteren BH angezogen, der ruhig etwas schmutzig werden konnte, legte mein weites T-Shirt auf einen Stuhl und platzierte mich halbwegs bequem auf der harten Pritsche. Valentin setzte sich auf einen der Stühle und wartete erst einmal bei mir, bis seine Tätowiererin kam, um ihm sein Tattoo zu verpassen.   "Na, bereit, meine Beste?" fragte mich Raphael während er mit einer Hand die Häkchen meines BHs aufspringen ließ und holte einen Stift aus seiner Tasche, mit dem er erst einmal grob die Linien der Schnörkel auf meinen Rücken zeichnete. Auch die Farbsprenkel und Blumen zeichnete er grob auf. Im Moment sah mein Tattoo eher aus wie von einem 6 –jährigen, der mit einem Filzstift auf meine Haut gekritzelt hatte, aber ich vertraute Raphael voll und ganz und wusste, dass er es perfekt hinbekommen würde. Ich hatte ihm meine Vorstellung geschildert und jetzt lag es an ihm, sie umzusetzen. Die groben Linien gefielen mir, sie verliefen flüssig und harmonisch über meinen Rücken, auch die Blumen waren nicht zu eng beieinander, sodass es nicht gequetscht aussah.  Noch waren es allerdings zu Wenige dass es leer und unfertig wirken könnte.   "Ich sehe es schon vor mir, es wird fantastisch!" Ich beobachtete mich ein letztes Mal im Spiegel und legte mich dann geschickt wieder zurück auf die Bare. Ich hörte nur noch das vertraute Surren der Tätoowiermaschine, die er langsam und sanft in die schwarze Farbe tunkte, um die ersten Outlines zu tätowieren.   "So, ich fange jetzt an. Du weißt ja, wenn es zu weh tut, sag Bescheid. Dann machen wir eine kurze Pause." ich nickte und spürte Raphaels warme Hände in seinen schwarzen Handschuhen auf meinem Rücken. Direkt bekam ich eine Gänsehaut vor Vorfreude auf mein neues Tattoo. Die Nadel stach in meine Haut und nach der ersten Schrecksekunde war es schon wieder gar nicht so schlimm. Es tut nicht so weh, wie man es sich vorstellt, klar ist es unangenehm, aber es ist nicht schmerzvoll oder unerträglich. Außerdem macht man es  ja freiwillig und das Endergebnis ist es nun wirklich Wert, zumal  man es nach einer Zeit fast gar nicht mehr spürt. Kaum hatte ich den Gedanken in meinem Kopf ausgesprochen, stach Raphael an einer Stelle zu, die direkt an meiner Wirbelsäule lag. Ich musste an mich halten, nicht laut aufzuschreien, doch das brauchte ich auch nicht, er stoppte und sah mich an.   "Du hast es gleich geschafft an dieser Stelle ist nicht mehr viel. Ich habe extra versucht dort etwas außenherum zu tätowieren, halt durch, mein starkes Mädchen." ich nickte und drückte Valentins Hand, die er mir entgegengestreckt hatte. Nach gefühlten Stunden, die wahrscheinlich nur 5 Minuten waren, hörte der Schmerz auf und der bekannte Druck regelte sich wieder ein. Raphael machte etwas Musik an und ich schloss die Augen, entspannte völlig und lauschte der ruhigen angenehmen Rockmusik. Und wieder einmal schweiften meine Gedanken um  Jahre zurück.   Niemals hätte ich vor vier Jahren gedacht, dass ich einmal so glücklich sein würde. Frisch nach der Trennung von meinem damaligen Freund und kurz vor dem Umzug in eine neue Stadt, die ich vorher noch nie gesehen hatte, fühlte ich mich, als würde ich den Boden unter den Füßen verlieren. Und trotzdem hatte irgendetwas in mir gesagt: Tu es! Zieh nach Köln! Da gehörst du hin!' Diese Stimme hatte Recht behalten. Auch wenn der Abschied meiner Freunde tränenreich und sehr schmerzhaft war, war es doch das einzig Richtige, das ich tun konnte. Ich fühlte mich Zuhause wie eine Wildkatze, eingesperrt in einem viel zu kleinem Käfig und alles schien mich zu erdrücken, all die Erinnerungen - selbst die Schönsten -wurden schmerzhaft durch die Erfahrung, dass es nie wieder so sein würde, selbst wenn ich zu Hause bleiben würde. Wir alle -meine Freunde und auch ich - wurden erwachsen, jeder hatte andere Prioritäten. Wir waren keine 16 mehr, eine Zeit, in der die größte Sorge darin lag, von wem ich meine Hausaufgaben abschreiben könnte. Also bewarb ich mich in Köln und wurde direkt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, bei dem ich auch Haylee kennenlernte. An diesem Tag setzte ich  das erste Mal einen Fuß auf Kölschen Boden... Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sehr mein Herz flatterte, als der Dom sich vor uns auftat und ich das erste Mal durch die Straßen lief, die so voller Leben steckten. Das Leuchten und Staunen war aus meinem Augen nicht mehr wegzudecken. Auch heute habe ich es, sobald ich den Dom ansehe, wie er nachts von den Lichtern um ihn herum angestrahlt wird und so pompös und mächtig da steht, dass er einem fast Angst machen könnte. Meine Liebe zu dieser Stadt wurde von Tag zu Tag größer und mit jedem Tag, den ich hier verbrachte, lernte ich Neues kennen. Die Menschen, die ich in dieser Zeit kennenlernen durfte, sind aber das wohl größte Geschenk, das man mir überhaupt hätte machen können. Von der ersten Minute an fühlte es sich auf meiner Station an, als wäre ich Zuhause angekommen, als wäre das der Ort, der für mich geplant war. Ich hörte immer wieder,  dass es Ärger und Zickereien auf anderen Stationen gab, aber das könnte man sich bei uns niemals vorstellen. Keiner würde dem Anderen jemals vorschreiben, wie er zu arbeiten hatte und niemand würde sich jemals fälschlicherweise krankmelden. Da es selbst an stressigen Tagen bei uns so humorvoll und entspannend von statten ging, dass man von dem Stress nie etwas mitbekam - könnte man denken, dass bei uns niemals etwas zu tun wäre. Doch das ist falsch. Es kommt nicht darauf an, wieviel Arbeit du hast, sondern wie du damit umgehst. Wir gingen nun mal anders an die Sache heran als andere. Wir waren das, was man ein Team nennen konnte, wenn nicht sogar eine Familie. Ich lächelte Valentin an, der es ohne nachzudenken erwiderte und meine Hand drückte, was mich in meinen Gedanken nur bestätigte.   "Wie lang möchtest du deine Haare denn noch wachsen lassen?" fragte ich um ein Gespräch zu beginnen. Valentin war ungefähr so groß wie Liam und David, also so um die 1,85 - 1,90m groß und seine langen Haare trug er heute offen, sodass sie ihm knapp an die Schulter reichten. Sie hingen ihm glatt und völlig formlos - wie Haylee immer schimpfte - an seinem Gesicht herunter. Mit seiner anderen Hand fuhr er durch sie hindurch und errötete leicht.   "Ach ich weiß nicht, ich habe ja nicht mal einen besonderen Grund sie wachsen zu lassen. Ich wollte einfach mal etwas Neues machen." Er grinste verlegen.   "Es ist noch sehr ungewohnt...", gab ich ehrlich zu.“...aber schlecht sieht es nicht aus."    "Danke. Mal schauen, wie lange ich sie noch so habe, bis sie mir zu viel werden.", sagte er lachend. Ich musste mitlachen und Raphael gab mir einen Klaps auf den Po, damit ich still hielt.    Drei Stunden waren nun schon vergangen und Valentin war nun auch dabei, sich sein Tattoo stechen zu lassen. Ich hielt es vor Neugier schon kaum mehr aus und wollte es unbedingt sehen. Noch immer surrte die Maschine in vollem Gange und es schien fast kein Ende mehr zu nehmen. Dass Raphael keinen Krampf bekam, wunderte mich ja am meisten. Ich hätte für solch eine Arbeit keine Geduld und bin auch viel zu unkreativ dafür. Wieder kuschelte ich mich auf meine Arme und legte den Kopf zur Seite, um mir seine besten Werke anzusehen, die er an die Wand seines kleinen Tätoowierzimmers gehängt hatte. Darunter war auch mein „Harry-Potter-Boobie-Tattoo“, wie Benji es schimpfte. Dots to Lines und Watercolour waren seine Spezialgebiete - in denen machte ihm niemand so schnell Konkurrenz und dafür war er auch in ganz Deutschland bekannt. Ich drehte mich vorsichtig mit meinem Kopf auf die andere Seite und versuchte einen Blick auf Raphael zu erhaschen.   "Und? Wie weit bist du?“, fragte ich etwas ungeduldig.   "Wieso? Kannst du nicht mehr? Sollen wir eine Pause machen?" Ich schüttelte schnell den Kopf.   "Nein, ich will es nur endlich sehen." Er lachte und schaute nachdenklich meinen Rücken an.   "Hm, also in Prozent gerechnet sind wir ungefähr bei 80." Ich fragte schnell hinterher:   "Die noch Verbliebenen  oder die schon Gemachten?"   "Es fehlen noch 20%, dann bist du fertig." Er lächelte und machte sich wieder ans Werk.   So langsam tat mir mein Rücken echt weh, das viele Liegen, ohne sich groß bewegen zu können, strengte an. Ich hatte das Gefühl, dass ich komplett steif war und hätte mich so gerne einmal der Länge nach gestreckt. Ich wusste einfach nichts mehr mit mir anzufangen. Ich kannte jeden Millimeter in diesem Zimmer und war einfach nur noch kaputt, obwohl ich ja gar nicht diejenige war, die arbeitete. Doch jetzt, nach all den Stunden,  war es nicht mehr das Tätowieren an sich, das weh tat, sondern das Tuch, mit dem er immer wieder über meine wunde Haut rieb, um die überschüssige Farbe und das Blut wegzuwischen. Mit jedem Strich stieg in mir das Bedürfnis, ihm das Tuch aus der Hand zu reißen und sein Gesicht mit einem Schmirgelpapier zu bearbeiten, denn genau so ließ sich das Gefühl auf meinem Rücken beschreiben. Ich atmete tief und versuchte mich zu beruhigen. Es war ja nicht Raphaels Schuld - so war es nun mal. Irgendwann ist die Haut mehr als nur wund, immerhin sind Tattoos nichts als schöne, bunte Wunden, für die man bezahlte. Bei dem Gedanken musste ich grinsen.   Es klopfte und Valentin kam wieder zu uns, er war schon fertig. Es war seine letzte Sitzung für dieses Tattoo und es wurden nur noch ein paar letzte Schatten und Effekte eingearbeitet. Sein Oberarm war in eine spezielle Folie gehüllt, die leicht knisterte als er sich wieder auf seinen alten Stuhl sinken ließ. Mitleidig sah er mich an.   "Wie geht's dir?" bei seinen Worten strich Raphael erneut mit seinem Schmirgelpapier über meine Haut und ich verbarg mein Gesicht in der Barre und schenkte Valentin einen zitternden Daumen nach oben. Er tätschelte mir vorsichtig den Kopf und versuchte mich aufzumuntern.   "Du hast es bald geschafft und es sieht wirklich geil aus! Denk dran du wolltest das alles in einer Sitzung - was ich immer noch nicht verstehen kann." ich zeigte ihm meinen Mittelfinger und er lachte, langsam kam ich wieder zu Atem und mit einem letzten Strich über meine Haut meldete sich nun Raphael zurück.   "So wir sind fertig!" wie aus Protest strich er noch einmal über meinen kompletten Rücken. Ich stieß einen Schrei zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen aus und fauchte ihn an.   "Das hast du doch mit purer Absicht gemacht!!" er lachte und streckte mir seine Zunge entgegen. In meinem Kopf bildeten sich die schönsten Mordgedanken die sein verschwinden wie einen Unfall aussehen ließen, nur wäre ich dann auch meinen Tätowierer los und sich einen neuen zu suchen ist wirklich schwere Arbeit. Ich war schon froh das ich Raphael kennengelernt hatte und das nicht wie man sich vielleicht denken könnte im Internet, auf einer Tattooconvention oder aus einer Werbung, nein ich hatte ihn beim Feiern kennengelernt und das obwohl ich so gut wie nie feiern ging. Er wusch die Überschüssige Farbe mit Vaseline von meinem Rücken und wollte gerade die fast identische Folie von Valentins Arm über meinen Rücken kleben bis ich aufrief.   "Warte!" ich stieg steif und völlig unbeweglich von der Britsche und streckte mich erst einmal ausgiebig was ungefähr so schmerzhaft war wie das Schmirgelpapier gerubbel. Außerdem musste ich mir ja noch mit einer Hand meinen BH festhalten um nicht Oben Ohne dazustehen. Das würde eine tolle Nacht werden. Langsam ging ich vor den Spiegel und mein Herzschlag beschleunigte sich schneller als ein Lamborghini auf der leeren Autobahn.    "Wow..." war das einzig was ich heraus bekam. Es war einfach Wunderschön und passte perfekt zu mir. Der Mond wirkte überhaupt nicht unpassend, da es schien als würde er einen Schein auf das untere Tattoo werfen. Die Blüten waren ohne Outlines in einem weichem blau und hellen lila gestochen und es sah aus als würde etwas von der Farbe leicht aber nicht zu sehr verwischend daran herunter laufen. Verbunden waren sie durch feine Linien die mit Punkten und Mustern wie Mandalas oder Ornamente verziert wurden und selbst die Blätter der Blüten bestanden aus Ornamenten in leichten Grünfarben. Die schwarzen Farbspränckel passten perfekt dazu und selbst dort - wenn man genau hinsah - konnte man erkennen das diese Muster in sich trugen. Von weitem sah es einfach aus als wären sie frisch und feucht und es wären Effekte. Doch bei genauerem Hinsehen konnte man die Spiralen und kleinen weißen Punkte erkennen die sich um die Spirale herum wunden.   Lächelnd drehte ich mich um bis ich meine Flanke sah an der er nicht zu weit hinein tätowiert hatte und an der keine Blüte zu sehen war. Fragend drehte ich mich zu ihm um. Überrascht aber lächelnd sah er mich an und stellte sich neben mich.   "Naja, hast du vergessen dass du mir gesagt hast dass du dort noch einen Wolf Patronus hin haben möchtest? Also habe ich direkt die Farben der Blüten darauf abgestimmt und etwas Platz gelassen um alle deine Tattoos perfekt verbinden zu können." Mir blieb der Mund offen stehen und ich schlang meine Arme um seinen Hals bis ich mich wieder daran erinnerte das mein BH ja die ganze Zeit offen gewesen war und nur durch meine Arme gehalten wurde. Ich lief rot an.   "Du bist der Beste wirklich und so lieb ich dich habe wehe du bewegst dich jetzt." er lachte und ich stimmte verlegen ein. Valentin reichte mir meinen BH und drehte sich um da sagte Raphael.   "Du kannst dich aber schon noch daran erinnern das du vor ungefähr einem halben Jahr oben ohne vor mir lagst? Denn das Tattoo unter deinen Brüsten habe ich gemacht." ich erinnerte mich und brachte nur ein peinlich berührtes "Oh." heraus. Trotzdem drehte sich Raphael um und ich zog mir meinen BH vorsichtig über die Schultern immer noch so dass dort die Folie befestigt werden konnte, die er direkt ausrollte und an meinem Rücken anpasste.    "Ich muss dir ja nicht mehr erklären wie du damit umzugehen hast oder?" ich schüttelte lächelnd den Kopf und zog mir mein T-Shirt über den Kopf als ich ihm erklärte:   "24 Stunden belassen dann Folie entfernen und mit klarem Wasser oder pH-Neutraler Seife abwaschen, 1 -2 Mal täglich eincremen und ansonsten in Ruhe lassen." er nahm mich nochmal in den Arm und wir gingen gemeinsam nach vorne an die Kasse. Ich sah Valentin an.   "Ich habe schon bezahlt, warte nur noch auf dich." er lächelte beschwichtigend. Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Geldbeutel und sah dann hoch zu Raphael.   "Wie viel bekommst du von mir mein Süßer?" mit dem was ich jetzt hörte hätte ich ganz sicher nicht gerechnet,   "300€." sagte er trocken. Ich konnte meinen Ohren nicht trauen.   "Das ist nicht dein ernst." mir sank die Farbe aus dem Gesicht, machte er Witze? Ich sah in meinen Geldbeutel und dann wieder ihn an.   "Das kannst du doch nicht wirklich ernst meinen." er lächelte und sagte genauso trocken wie zuvor auch schon.   "Doch ist es und jetzt diskutiere nicht mit mir das ist ein Freundschaftspreis." er streckte die Hand nach meinem Geldbeutel aus doch ich zog zurück.   "Freundschaftspreis?!" sagte ich schon fast auf 180 "Dieses Tattoo ist nicht 300€ Wert."   Ich glaubte immer noch dass es ein Spaß war, ich meine das Tattoo ging über meinen kompletten Rücken und es dauerte Stundenlang, er hatte heute nur mich als Kundin gehabt.   "Raphael, dieses Tattoo ist mindestens das 3fache davon Wert! 300€?! Ich fühl mich von dir verarscht." er seufzte und sah mich etwas traurig an.   "Wieso kannst du es nicht einfach annehmen? Immerhin habe ich dich auch gequält und ich weiß doch, dass du wieder zu mir zurückkommst. Außerdem will ich das sobald dieses Tattoo verheilt ist du zu mir kommst und wir ein Fotoshooting machen. Ich will ein hochwertiges Foto dieses Tattoos in Großaufnahme in meiner Folterkammer." er lächelte nun endlich wieder und nun war ich es die seufzte und sagte.   "Na gut, aber ich fühl mich echt nicht gut dabei." er nahm das Geld und schloss die Kasse schnell wieder. Wir verabschiedeten uns und Valentin und ich gingen noch ein Stück zusammen die Straße entlang. Es war jetzt ungefähr  Vier Uhr Nachmittags und sein Magen grummelte, er sah mich an mit einem Gesicht das so viel sagte wie 'Bitte Bitte lass uns irgendwo noch etwas zu essen suchen gehen'        Wir entschieden uns für ein Restaurant in dem man super lecker Burger essen konnte, was übrigens kein Gericht ist das man bei einem Date essen sollte. Zumindest habe ich noch nie jemanden gesehen der es geschafft hatte einen Burger elegant zu essen.   Ein Tisch am offenem Fenster war noch frei und dort ließen wir uns auch nieder, vorsichtig setzte ich mich hin. Es spannte überall an meinem Rücken doch war es mir egal. Ich war überglücklich mit meinem neuem Schmuckstück und so spürte ich wenigstens dass es kein Traum gewesen war. Erst da bemerkte ich den traurigen und in Gedankenversunkenen Blick von Valentin.   "Alles in Ordnung Valentin?" fragte ich vorsichtig und reichte ihm eine Karte.   "Ja, eigentlich schon ich denke in letzter Zeit nur zu viel nach und fühl mich dadurch immer einsamer, obwohl ich weiß das ich es nicht bin, werde ich dieses Gefühl in mir nicht los." er lächelte mich kläglich an.   "Das klingt ziemlich doof oder?" ich schüttelte den Kopf.   "Nein das tut es ganz und gar nicht, aber was sind es denn für  Gedanken die dich so einsam fühlen lassen? Du weißt ja das wir alle für dich da sind." Und das stimmte, jeder konnte mit egal welchem Problem zu egal welcher Person gehen und wusste das er dort ein offenes Ohr und eine Schulter zum Anlehnen hatte, genauso gut wusste man aber auch das dort eine Person wartete die einen zurück in die Realität holte auch wenn die Wahrheit manchmal weh tat.   Er sah mich nicht an sondern auf die Speisekarte und tat so als würde er sie ganz genau lesen, doch es war unübersehbar wie schwer es ihm viel darüber zu reden und er sich selbst für diese Gedanken verabscheute. Er ließ seine Maske etwas fallen und ich nahm seine Hand.   "Erzähl es mir, ich werde es für mich behalten." er lächelte und wollte gerade anfangen zu erzählen als die Kellnerin kam um unsere Bestellung aufzunehmen. Zum Glück erst einmal nur die Getränke, denn ich hatte noch keinen Blick in die Karte geworfen, obwohl ich mir sicher war, das ich am Ende wohl wieder dasselbe wie immer nehmen würde, trotzdem versuchte ich mich nach meiner bestellten Cola wieder auf ihn zu konzentrieren.   "Naja, eigentlich ist es wirklich dumm und total bescheuert..." er machte eine kurze Pause und starrte auf seine Finger mit denen er sich an seiner Nagelhaut herum knubbelte.   "Ich weiß auch nicht wieso ich plötzlich darauf komme, denn ich hab euch und bin wirklich glücklich bei euch auf Arbeit..." wieder machte er eine Pause und ich hatte schon angst das er gleich sagen könnte das er uns trotzdem verlässt und irgendwo anders arbeiten möchte. Ich biss mir auf die Lippe um nicht zu schnell etwas zu sagen und um ihm erst einmal Zeit zu geben zu Ende zu reden.  "..aber" fuhr er fort und meine angst stieg erneut hoch. "..ach weißt du ich bin jetzt schon so lange Single und würde einfach endlich gerne mal wieder ein Mädchen kennenlernen bei dem es funkt und mit dem ich mir sogar vorstellen könnte mein Leben zu verbringen." er seufzte und griff sich in seine langen Haare die ihm während er redete schwer ins Gesicht fielen.   "Valentin…" fing ich vorsichtig an. „Du bist genau wie ich erst 22 Jahre alt. Wir haben unser Leben noch vor uns und werden den oder die Richtige schon noch finden, meine Mutter sagt immer 'Es passiert dann wenn man es am wenigsten erwartet.' also Genieß dein Leben..." ich nahm seine Hand, sah ihm fest in seine traurigen Augen und fügte hinzu "...mit uns." Er lächelte leicht und drückte meine Hand. Da kam auch schon wieder die nette  Kellnerin mit unseren Getränken und nahm die Bestellung für das Essen entgegen. Ich bestellte einen Cheeseburger mit extra Guacamole und Valentin einen Double Bacon Burger beide mit Curly Fries. Er sah mich wieder an und fügte wieder einmal mit einem seufzten hinzu.   "Du hast wahrscheinlich recht, vielleicht brauch ich einfach mal etwas Ablenkung und kauf mir morgen ein neues Spiel für meine Play Station 4. David, Benji und ich wollten morgen eh mal nach der Arbeit in die Stadt, du hast Spätdienst oder?" ich nickte und trank einen großen Schluck aus meiner Cola - man hatte ich einen Brand das hatte ich vorher gar nicht bemerkt.   "Ich glaube ich habe mit Lara Dienst und bin für die Internisten zuständig. Hast du etwas herausbekommen wer momentan für uns zuständig ist?" er nickte und lachte.   "Wir haben Glück, es ist Yun. Er kam gestern schon freudestrahlend an und erklärte fast feierlich dass er diese Woche komplett nur für uns da war." Das wage ich mal zu bezweifeln, ein Internist ist nie nur für uns zuständig dafür sind es zu wenig Patienten bei uns auf Station.   "Du meinst Dr. viel zu jung für sein alter Lee?" er lachte und verschluckte sich fast an seiner eigenen Cola, hustete und nickte eifrig, nach ein paar weiteren Hustern hatte er sich wieder gefangen.   "Da bin ich ja mal gespannt." sagte ich betont sarkastisch. Er stupste mich leicht mit seinem Fuß unter dem Tisch und ich funkelte ihn gespielt Böse an.   "Willst du etwa Krieg?" fragte ich und hielt die Gabel nach oben, er parierte mit seinem Messer.   Wir kicherten und bemerkten gar nicht dass unser Essen auf dem Weg zu uns war bis es vor uns stand und mir das Wasser im Mund zusammen lief.    Der Burger schmeckte einfach Himmlisch! Die beiden Teller waren schneller leer als das jemand Endoplasmatisches Retikulum aussprechen konnte, na gut dies fiel wahrscheinlich vielen nicht Biologie Kennern schwer.    "Oh schon so spät!" rief Valentin als ich gerade den letzten Rest Cola austrank. Ein Blick auf meine eigene Uhr zeigte mir das wir schon 19 Uhr abends hatten und der Tag wirklich schnell vorbei ging - abgesehen von den letztens Stunden des Tätowierens. Bei dem Gedanken spannte es wieder und ich freute mich auf mein bequemes weiches Bett.    "Musst du noch wohin?" fragte ich Valentin.   "Ja, Nein also ich muss um 20Uhr bei meinen Eltern sein. Sie verreisen und ich soll sie zum Flughafen fahren." ich schaute erneut auf die Uhr.   "Und wie lange brauchst du zu ihnen?" Unschuldig piekte er auf dem leeren Teller herum und nuschelte mehr als das er sprach.  "Eine dreiviertel Stunde ungefähr." ich sah ihn mit offenen Augen an.   "Was machst du dann noch hier?"    "Ich..ehm..muss doch noch bezahlen." und nach diesen Worten als hätte unsere Kellnerin es gehört stand sie da, bereit uns abzukassieren. Valentin sprang auf, Umarmte mich schnell und warf mir beim rennen mit einem Blick zurück, so dass ich echt Panik hatte er könnte hinfliegen, ein 'Danke für den Tag und das andere' zu. Ich lächelte und winkte ihm nach bis ich mich selbst auf den Weg zu meiner Haltestelle machte. Wieder einmal hatte ich Glück und musste nicht lange warten bis der nächste Bus kam und hörte auf dem Heimweg noch etwas Musik, bis ich fast meine Ausstiegsstation verpasst hätte. Ich dankte dem Busfahrer, dass er die Türen für mich noch einmal geöffnet hatte, und sprang schnell über die Straße da gerade kein Auto in Sicht war. An meiner Tür öffnete ich nach Millionen von Jahren mal wieder mein Postfach und holte die ganze Werbung heraus sortierte die Rechnungsbestätigungen heraus und warf den Rest direkt wieder in den Müll. Ich brauchte unbedingt so einen 'Bitte keine Werbung'-Aufkleber.   Endlich in meiner Wohnung angekommen schleppte ich meinen Laptop mit in mein Schlafzimmer und legte ihn auf mein Bett. Während er hochfuhr zog ich mich um und betrachtete noch einmal mein wunderschönes Tattoo unter der Folie im Spiegel, es war noch etwas Surreal das es nun auf meiner Haut war und nicht mehr nur in meinem Kopf - wobei ich es mir nie so schön hätte vorstellen können. Es passte sich meinen Bewegungen an und es schien als würden sich die Blumen in meiner Bewegung mitwiegen und ein eigen Leben haben. Ich lächelte und zog ein weites Satintshirt über, putzte meine Zähne und holte noch eine Flasche Wasser da ich heute wirklich wenig getrunken hatte. Bequem im Bett liegend schaltete ich Netflix ein und schaute mir noch eine Folge Penny Dreadful an - ich war ein totaler Fan dieser Serie, allgemein von allen Serien und Filmen die im alten England spielten und wenn sie sich dann noch mit einem Horrortouch an all den 'bösen'  Fabelwesen orientierte war das Gesamtpaket einfach nur wie gemacht für mich. Ich kann nicht mehr sagen wie viel ich von der Folge mitbekam bis ich eingeschlafen war und von meinem Tattoo träumte. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- In meinem Halbschlaf drehte ich mich in meinem Bett zur Seite und mich durchfuhr ein drückender Schmerz in meinem Rücken. Schnell war ich hellwach und atmete schwer durch, fast hätte ich mein neues total Atemberaubendes Tattoo vergessen. Ich stand auf sah in den Spiegel und konnte mich kaum daran satt sehen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch massig Zeit hatte bis die Arbeit mich rief, also entschloss ich mich - auch wenn noch keine 24 Stunden vorbei waren - duschen zu gehen. Es war etwas kompliziert die Folie alleine von meinem Rücken zu entfernen die dort als Schutz vor Schmutz und festklebender Kleidung angeklebt wurde, stieg unter die Dusche und stellte die Wassertemperatur nicht zu warm ein. Vorsichtig und sanft strich ich so gut es ging über meine Haut um die alte Salbe zu entfernen. Zum Glück hörte es dadurch auch endlich auf zu Jucken! Durch das lösen des Juckreizes bekam ich eine Gänsehaut und fühlte eine wahnsinnige Glückseligkeit in mir aufkeimen. Ich wusch mir meine Haare Kopfüber um das Shampoo nicht auf das neue Tattoo zu bringen und stieg sobald ich fertig war aus der Dusche, schnappte mir ein Handtuch und wickelte es mir um. 'Fuck...' dachte ich 'Wie creme ich mir denn jetzt meinen Rücken ein?' ließ den Kopf hängen und seufzte, daran hätte ich mal vorher denken sollen. Ich nahm mein Handy von der Steckdose und schrieb Lara eine Nachricht in WhatsApp: "Hey Liebes, schon wach? Was machst du gerade?" Wenige Sekunden später wechselten die grauen Haken ihre Farbe in ein leuchtendes Grün und sofort bekam ich eine Antwort. "Hey Amy! Ja schon lange warte nur darauf dass die Zeit vorbei geht." Auch ich antwortete ihr direkt und strahlte innerlich. "Sehr schön, magst du vorbei kommen? Wir Frühstücken gemeinsam und ich bräuchte dich für eine kleine Problembewältigung." Sie tippte während ich überlegte ob ich alles für ein schönes Frühstück zuhause hatte. "Gerne, ich bring Unterwegs die Brötchen mit. Bis gleich :)" Ich wusste das Lara nicht lange brauchen würde, da sie nur ein paar Straßen weiter wohnte und zog mir schnell etwas Lockeres über. Der kleine Tisch auf meinem Balkon eignete sich Perfekt für unser Vorhaben, schnell stellte ich 2 Teller und Gläser darauf sowie Messer und all Mögliches zum Belegen. Es klingelte an meiner Tür und ich drückte auf den Knopf damit unten die große Haustüre auf ging, Laras Schritte waren im Hausflur zu hören. Sie umarmte mich zur Begrüßung und drückte versehentlich auf mein neues Tattoo was etwas unangenehm aber nicht weiter schlimm war. "Oh schicke neue Frisur!" bemerkte ich. Ihre Haare trug sie jetzt frech zu einem roten Bob-Schnitt mit Undercut. Sie schwang ihre Haare umher um sie mir noch besser zu präsentieren. "Danke, etwas gewagt aber ich traue mich ja sonst nichts." lachte sie. Ich nahm ihr die Brötchentüte ab und führte sie auf den Balkon. "Ich finde sie steht dir gut!" sie schenkte mir ein schüchternes lächeln und setzte sich auf einen der beiden Stühle. Das Wetter war herrlich, so angenehm warm das man gar keine Jacke brauchte. Ich ließ mich auf den anderen Stuhl nieder und reichte Lara die Tüte. "Tolle Idee mit dem Frühstück." sagte sie und schnitt währenddessen ihr Brötchen auf, ich tat es ihr gleich. "Ja, finde ich auch, nur nicht ganz uneigennützig." sie sah mich fragend an. "Ich war doch gestern mit Valentin beim Tätowierer und, naja, ich kann es mir nicht alleine eincremen." beschämt und mit mehr röte im Gesicht als nötig sah ich auf meinen Teller. "So muss ich wenigstens nicht bis zur Umkleide warten um es zu sehen." lachte sie. "Natürlich helfe ich dir es einzucremen, dann ganz ich es ganz genau betrachten." sie grinste mich an und ich erwiderte es. "Ich hatte einige Tage frei, ist denn viel los auf Station?" wechselte sie das Thema. "Wir hatten schon schlimmere Zeiten." sagte ich nachdem ich einen Bissen meines Brötchen runter geschluckt hatte. Mit vollem Mund und dem gleichen fragendem Blick wie zuvor starrte sie mich an. Ich schluckte wieder und trank einen großen Schluck Kaffee aus meiner Star Wars Tasse - die ich natürlich von meinem Vater geschenkt bekommen hatte. "Wir sind komplett belegt aber viele Patienten sind selbstständig." sie nickte zustimmend. "Schön, dann hab ich ja Zeit den Papierkram zu erledigen." jetzt war es an mir sie fragend anzusehen. "Was denn für Papierkram?" "Für die Uni. Ich möchte gerne meine Stelle etwas reduzieren und nebenbei Fotografie studieren. Es soll einfach nicht nur ein Hobby sein. Ich möchte besser werden, mehr mit Effekten und Licht spielen. Ich bin 23 Jahre alt wenn nicht jetzt wann dann?" Lara hatte Talent was das Fotografieren anging, unser Team hatte sie für Stationsbilder und Privat auch schon abgelichtet. "Das ist eine tolle Idee! Und ab wann soll es losgehen?" da seufzte sie. "Leider erst im Oktober aber hoffentlich an der Kölner Design Akademie." "Wow, dann wünsche ich dir aufjedenfall viel Glück dabei." und wir stießen mit unseren Kaffeetassen darauf an. Wir waren fast fertig mit dem Frühstück und es war auch schon fast Zeit aufzubrechen. Kurzfristig hatten wir beschlossen noch in einen Drogeriemarkt zu fahren um ein paar Kleinigkeiten zu besorgen, nur um dann wieder viel zu viel Kram zu kaufen den man nicht unbedingt benötigte – wie Frauen das ebenso tun. "Ah, bevor ich es vergesse ich sollte dir doch noch den Rücken eincremen." ich lächelte dankbar wie hätte ich das nur vergessen können. Wir gingen in mein Schlafzimmer und ich zog mein Oberteil aus, öffnete meinen BH und ließ die Träger leicht an meiner Schulter hinunter fallen. "Wahnsinn!" waren Laras erste Worte, dann hörte ich wie sie sich Handschuhe anzog - die jede gute Krankenschwester zuhause hatte. Also eigentlich benutzte ich die Handschuhe zum abwaschen. Ich hasste die runzligen Finger die man von dem Spülwasser bekam. "Das ist ja mal mega geil Amy." ich grinste und spürte wie sie mit ihren Finger sanft darüber strich. Es kitzelte etwas doch vor allem reichten diese kleinen Berührungen aus um den Juckreiz etwas zu beruhigen. Sie drückte sich etwas Salbe auf ihre Finger und cremte mir mein Tattoo dünn ein, die kreisenden Berührungen waren Balsam gegen den unerträglichen Juckreiz den ich schon die ganze Zeit ignorierte. "Die Farben und Linien, so fein und sauber. Ich beneide dich." lächelte sie. Ich wurde rot. "Danke, wenn du willst stelle ich dir Raphael mal vor. Er hat dieses Kunstwerk vollbracht." Sie schüttelte dankbar den Kopf und verneinte. "So schön ich Tattoos auch finde, für mich wären sie nichts. Du weißt doch ich brauche immer was neues, immer Veränderung." ich nickte, das stimmte. Lara wechselte zwar nicht so oft wie Raphael ihre Haarfarbe aber wenn war es immer etwas komplett anderes und neues. Vor ihren kurzen roten Haaren, hatte sie lange Mintfarbene Haare gehabt. Sie half mir dabei meinen BH wieder anzuziehen und ich warf mir ein lässiges, schwarzes Oberteil über das eine Schulter frei ließ und man somit einen kleinen Blick auf das Tattoo erhaschen konnte. Danach sammelte ich schnell meinen Schlüssel und Geldbeutel ein und wir gingen los Richtung Drogeriemarkt. Auf dem Weg dorthin blies ein kühler Wind und ich musste lachen als ich sah wie Laras Haare in alle Richtungen wehten, sie versuchte sie sich wieder geschickt zu ordnen. Am Drogeriemarkt angekommen teilten wir uns ein Körbchen und gingen direkt auf die Schminkabteilung zu. Ich suchte schon länger einen dunklen Kirschroten Lippenstift, der bis jetzt immer ausverkauft war. "Endlich!" schrie ich auf. "Ich hab ihn!" Lara lachte und ein Großteil der Leute im Laden drehten sich zu mir um, peinlich Berührt ließ ich den Lippenstift in das Körbchen fallen. "Ich bin so glücklich das sie hier Produkte von Nyx haben und immer war er nicht da." flüsterte ich Lara zu, sie tätschelte mir meinen Kopf und ich fand direkt noch 2 weitere Lippenstifte die mir gefielen. Schnell suchte ich noch nach meinem üblichen Concealer und schon waren wir fertig und wollten gerade an die Kasse da fiel mir auf, das mein liebstes Parfüm im Angebot war und auch das wanderte in unser Körbchen. Lara hatte sich neue Schminkpinsel und einen dunkel grünen Nagellack geholt, wir bezahlten und waren überglücklich mit unserer Ausbeute. Am Krankenhaus angekommen mussten wir uns beeilen, da es doch schon etwas spät geworden war. Der Frühdienst wartete schon sehnlichst auf uns damit er endlich nach der Übergabe nach Hause gehen konnte. Wir zogen uns also schnell um und liefen lachend Richtung Stationszimmer, darin angekommen setzten wir uns an den Tisch in der Küche und nahmen uns jeder ein ausgedrucktes Blatt der Stationsübersicht. "Wahnsinns Haare Lara!" sagte Valentin und ließ sich auf einen der freien Stühle nieder. Lara lächelte stolz und Valentin legte mit seiner Seite und der erste Hälfte der Patienten los. Wir schrieben die wichtigsten Informationen mit und markierten uns Informationen die besonders wichtig oder noch zu erledigen waren. "Elsa komm, du bist dran." sagte Valentin mit einem verschmitzten Lächeln. "Elsa?" fragte ich ihn neugierig. "Du wirst gleich sehen warum." lachte er und verließ die Küche, da trat Elsa aka Haylee auch schon zu uns. Ich biss mir auf die Lippe um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Haylee hatte ihre Haare zu einem seitlichen Bauernzopf geflochten und sah mit ihrer hochgezogenen Augenbraue haargenau so aus wie Elsa aus dem Disneyfilm Die Eiskönigin. "Let it got! Let it go! Can't hold it back anymore..." fing Lara an zu singen und ich konnte es nicht mehr zurück halten, ich fing hemmungslos und unter Tränen an zu lachen. " Ha. Ha. Sehr witzig Pumuckel." sagte Haylee schnippisch. "Mäuschen, Mäuschen." beruhigte Lara sie. "Die Frisur steht dir sehr gut, du kannst nur nicht abstreiten das du exakt so aussiehst wie Elsa. Wir haben damals schon gesagt das dir diese Figur wie auf den Leib geschneidert ist." sie grinste in der Erinnerung wie wir Mädels damals im Kino waren und alle mit offenem Mund dasaßen, sie anstarrten als Elsa ihre wilde Seite entdeckte. "Ihr habt ja Recht, aber ich mag diese Frisur eben und hatte mich bis jetzt nicht getraut sie auf Arbeit zu tragen. Wie man merkt aus gutem Grund." den letzten Satz zischte sie in Valentins Richtung der sich die Arme rieb und so tat als würde es ihn frieren. "Pass auf sonst verwandelt sie dich in eine Eisskulptur." lachte ich und erntete eine hochgezogene Augenbraue von Haylee. "Gut jetzt, hört mir lieber zu was ich zu sagen habe." und auch sie legte los mit den wichtigen Infos des Tages. Wir hatten wohl heute noch einiges zu tun, viel zu organisieren und die Visite der Internisten ist auch noch nicht gelaufen. Was hieß das es bestimmt noch viel zum Ausarbeiten der neuen Anordnungen gab. Ich seufzte, soviel zu 'Nur für uns zuständig.’ "Ich hab euren Dienstplan gesehen, ihr habt am Wochenende frei." sagte Haylee und an ihrem Tonfall konnten wir erkennen dass sie etwas vorhatte. "Liam und ein paar seiner Freunde gehen morgen Abend feiern, wollen wir mit?" sie formulierte es zwar als eine Frage aber in Wahrheit sagte sie 'Wir gehen mit.’! Ich sah zu Lara die freudig lächelte und so ungern ich auch feiern ging ich würde wahrscheinlich trotzdem mitgehen. "Klar, warum nicht. Kommt noch wer mit?" fragte ich in stiller Hoffnung. "Nein leider nicht. Gamze, Fiona, Sophie und Leonie arbeiten, David und Valentin veranstalten mit Benji einen Männer-Zocker-Abend und der Rest ist anderweitig verplant." "Hmm, okay." sagte ich etwas traurig, Lara strich mir über die Schulter. "Wird bestimmt trotzdem schön." sie lächelte mich an und ich ließ mich anstecken. "Na Klaro! Wir haben morgen alle zusammen Frühdienst und danach kommt ihr direkt mit zu mir. Ich bretzel euch auf, nehmt am besten direkt eure Klamotten zum feiern mit." Ich sah das glitzern in ihre Augen das mir etwas Angst bereitete. Hoffentlich sah ich am Ende nicht aus wie eine überschminkte, aufgekünselte Barbie. "Dann bis morgen meine Süßen und denkt daran alles mitzunehmen." Wir nickten und als alle gegangen waren warf ich meinen Kopf in den Nacken. Das konnte ja was werden. "Das ist doch ein super Anlass deinen neuen Lippenstift zu testen oder?" ich lächelte etwas verzweifelt, doch Lara ließ mir keine Zeit zum Trübsal blasen. "Mach dir nicht so viele Gedanken, Haylee wird uns schon nicht verunstalten." "Darüber mache ich mir nicht mal die größten Sorgen." seufzte ich. "Sie hat nicht mal gesagt wo wir hin gehen, geschweige denn was ich anziehen soll." Bei dem Gedanken an meinen Kleiderschrank wurde mir Übel. "Warte ich schreibe ihr eine Nachricht, dann wissen wir zumindest mal wohin wir gehen und ich kann später ja noch kurz mit zu dir und wir suchen dir was Schönes raus. Deal?" ich nickte dankbar und machte mich daran unsere Antibiosen für 14 Uhr vorzubereiten. Die meisten musste man mit einer Natrium Chlorid Lösung mischen um sie einem Patienten dann Intra venös also über die Viggo (Einem kleinem Plastikschlauch der in der Vene lag) als Infusion zu verabreichen. Ich schaltete das Radio ein und summte leise dabei mit. "Wir gehen in die Rockbar." Oh Gott sei Dank! Schon mal kein unbequemes Kleidchen. "Immerhin etwas Gutes." murmelte ich. "Hast du was gesagt, Amy?" fragte sie grinsend nach. "Nein, nein. Alles gut." sagte ich etwas lauter und schwenkte weiter die Infusionsflasche. "Aloha, Ladys!" riss mich Yun aus meinen Gedanken über meine Klamottenauswahl. "Na endlich tauchst du hier auch mal auf." motzte ich ihn an. "Das ist aber keine sehr nette Begrüßung für den charmantesten Doktor der Welt." lachte er. "Ist er hier? Kannst du ihn mir mal vorstellen?" grinste ich und streckte ihm die Zunge raus. Er griff sich an sein Herz als hätte ich ihn tief getroffen. "Dann schenke ich mein ganzes Charisma eben Lara." diese lief an ihm vorbei und winkte mit der Hand ab. Ich lachte wieder. "Wo sind denn meine Akten?" fragte er jetzt etwas professioneller. "In der Küche auf dem Tisch. Beeil dich etwas, deine Patienten warten schon auf dich." "Zu Befehl eure Hoheit." Und so marschierte er davon. Yun oder besser gesagt Dr. Lee war ein großer, koreanischer und vollkommen Tätowierter Doktor bei uns, der es gerne mal zu locker anging, doch seine Patienten vergötterten ihn. Lara verteilte währenddessen Kaffee und Kuchen an die Privatpatienten und ich machte mich auf den Weg die Antibiosen anzuhängen. Alle Patienten waren gesehen, jeder kleine oder große Wunsch erfüllt und jetzt wartete ich nur noch auf meine Internistischen Akten um diese auszuarbeiten. "Macht es dir etwas aus wenn ich jetzt etwas an meinen Bewerbungen arbeite?" fragte mich Lara und hielt ihr kleines Notebook in die Höhe. "Nein, mach du nur. Ich warte nur noch auf Yun…" da unterbrach er mich auch schon. "Hab ich hier meinen Namen gehört?" spähte er in die Küche. "Bist du fertig mit Visite?" fragte ich direkt. "Jep und ich muss jetzt auch schon weiter, ihr wollt mich ja eh nicht hier haben." schluchzte er gespielt und reichte mir die Akten. Ich nahm sie und setzte mich vor an den Computer um direkt die Untersuchungen anzumelden und Labore anzufordern. "Sei mal nicht so eine Memme." schimpfte Lara. Yun lachte und verabschiedete sich von uns. Die Visite war schneller ausgearbeitet als ich dachte und schon war ich mit der Zusatzaufgabe fertig. Allgemein der komplette Dienst verging schneller als gedacht, wir verteilten das Abendessen und machten zu guter Letzt unseren Durchgang in dem wir die Spritzen zur Thrombosevorbeugung und noch einmal Wasser für die Nacht verteilten. Sophie kam pünktlich zum Nachtdienst und wir machten auch ihr eine Übergabe. "Puh, ich bin jetzt schon müde." sagte sie und ließ sich tiefer in den Stuhl sinken. "Wie viele hast du denn noch?" fragte ich und tätschelte ihren Kopf. "Diese und dann noch Morgen." seufzte sie. "Aber hey danach hast du bestimmt schön lange frei." schaltete sich Lara ein. "Ja, 5 Tage in denen ich nach Hause zu meinen Eltern fahren werde. Sie brauchen mich bei ihrem Umzug in eine kleinere Wohnung." sie verzog das Gesicht. "Noch mehr Arbeit." beendete ich ihren Satz und sie nickte. "Genieß trotzdem die Zeit bei deinen Eltern. Bis morgen früh." verabschiedete ich mich. "Bis gleich." sagte sie frech. "Brr, sag das nicht so!" sie lachte und wir gingen. Wieder bei mir Zuhause angekommen saßen wir mit einem Glas Sekt vor meinem Schrank. "Hast du schon in etwa eine Idee was du anziehen willst?" fragte mich Lara und nippte an ihrem Glas bevor sie es vorsichtig auf den Boden stellte und aufstand. "Aufjedenfall kein Kleid." sagte ich und tat es ihr gleich. "Hmm, also dann eher eine Hose." sie überlegte und sah nicht von meinem Schrank los. Ich zog eine kurze schwarze Highwaist Hose heraus die an ihrem unterem Ende fransen hatte. "Was hältst du von der hier?" fragte ich und hielt sie ihr entgegen. Sie nickte zustimmend. "Dann brauchen wir ja nur noch ein Oberteil." sie schob ein paar Jeanshemden zur Seite und entschied sich dann für ein Grau-Schwarz-Kariertes leichtes Hemd das am Rücken, durch die dort befindende Spitze, durchsichtig wurde. "Das würde doch passen." sie legte es über die schwarze Hose. "Und das unten drunter." "Das?" fragte ich etwas skeptisch, sie hielt ein schwarzes Bandeau Top in die Höhe. "Das nehme ich meistens zum Sport." ich schüttelte den Kopf. "Nein, das nicht." "Ah, ich habe das perfekte Oberteil dafür zuhause. Vertrau mir einfach, ich bring es morgen mit. Du kannst dir ja noch eines deiner langweiligen Standard Tops einpacken." ich wollte protestieren doch recht hatte sie, sie waren langweilig und ich besaß mindestens tausende von ihnen. Ich sah mein Outfit an und legte noch eine schwarze Nylonstrumpfhose dazu. "Du bist von deinem Fetisch nicht wegzubekommen." lachte sie, ich wurde rot. "Das ist kein Fetisch!" entgegnete ich. "Ich trag sie nur lieber, da ich meine Beine nicht so sehr mag. Ich hab die ganze Zeit das Gefühl mal könnte meine Cellulite sehen." ich blickte beschämt auf den Boden und fummelte an der Strumpfhose herum. "Cellulite?! Bist du bescheuert? Du hast einen tollen Körper, alles genau da wo es hin soll. Schlanke, straffe Beine; nicht zu große oder zu kleine Brüste und einen Knackpo." ich sah sie verdutzt an und musste anfangen zu lachen. "Wieso lachst du denn jetzt? Glaubst du das war ein Witz was ich gesagt habe?" sie sah etwas wütend aus, deswegen legte ich ihr eine Hand auf die Schulter. "Nein, aber ich wusste gar nicht das du mich so siehst." sie haute mir leicht auf den Po. "Baby, du siehst heiß aus." jetzt lachten wir beide. "Danke für das Kompliment aber mit meinem Bauch bin ich noch nicht zufrieden." ich zog mein Oberteil aus, da Lara mich auch noch einmal eincremen wollte. Bzw. ich sie gebeten hatte mir noch einmal zu helfen. Sie sah mich fragend an. "Was ist an deinem Bauch denn nicht gut?" "Da, schau doch mal." ich quetschte meinen Speck zusammen. Lara lachte. "Dieser kleine Babybauch? Der ist doch süß und nur menschlich. Mach dir mal nicht zu viele Gedanken um deinen Körper." ich setzte mich auf mein Bett. "Naja, er war harte Arbeit. Die fast 15Kilo runter zu bekommen war kein Zuckerschlecken." sie setzte sich neben mich und schlang einen Arm um meine Schultern. "Hey, du kannst stolz auf dich sein was du erreicht hast und solltest deinen Körper jetzt auch mit mehr Selbstbewusstsein präsentieren. Und ich meine damit nicht das du nackt durch die Gegend rennen sollst, sondern das du dich ruhig mal sexy anziehen kannst." ich lächelte und umarmte sie fest. "Danke." sagte ich und sie strich mir über meinen Kopf. "Komm ich creme dir jetzt dein prachtvolles Tattoo ein." sie holte sich Handschuhe und cremte mir etwas dicker als heute Vormittag meinen Rücken ein. "Wir sehen uns dann morgen früh, Liebes." verabschiedete sie sich von mir. Ich winkte ihr zum Abschied noch am Balkon zu. Die Gläser und der Rest vom Frühstück waren schnell aufgewaschen und ich machte mich auf den Weg ins Badezimmer, putzte mir meine Zähne und legte mich dann in mein weiches Bett. Na hoffentlich wird das morgen kein Griff ins Klo mit dem Outfit, ich versuchte mir mich in dieser Kombination vorzustellen doch es viel mir schwer. Ich war nie so freizügig sondern immer eher lässig und bequem gekleidet. Lara hatte dennoch recht, ich habe hart für meinen jetzigen Körper trainiert und sollte stolz darauf sein was ich erreicht habe. Ich war schon immer selbstbewusst gewesen, doch bei meinem Körper fiel es mir schwer.' Egal was mir Lara morgen mitbringt, ich werde es anziehen!' schwor ich mir. Langsam glitt ich in den Schlaf hinüber und erlebte eine Traumlose Nacht. Der letzte Frühdienst für diese Woche verging schnell und wir waren schon auf dem Weg zu Haylee. Heute Morgen hatte ich mir eine kleine Tasche gepackt in dem die Klamotten für heute Abend und ein paar Schminkutensilien waren, diese lag nun auf meinem Schoß während wir zu dritt in der Bahn saßen und auf Haylees Haltestelle warteten. "Ich freu mich ja schon so sehr auf heute Abend." sagte Haylee und sah uns breit grinsend an. "Ich auch." erwiderte Lara und ich nickte nur stumm, da stieß sie mich in die Seite. "Hey, komm schon! Etwas mehr Partystimmung." witzelte sie. "Die heb ich mir für heute Abend auf." scherzte ich. "Ich hab uns eine Bowle zum Vorglühen vorbereitet." erzählte Haylee sichtlich stolz. "Wuhuuu!" lachten wir drei gleichzeitig. Die nächste Haltestelle war unsere und wie stiegen aus, zu Haylee war es nicht mehr weit und wir holten uns unterwegs noch jeder einen Döner. Etwas im Magen kann für heute Abend nicht schaden, immerhin fing es ja direkt schon an mit Bowle. Haylee schloss die Tür auf und wir gingen hinein, nach einem kurzen Flur standen wir in einem hellen Wohnzimmer das an die die Küche schloss. Ihr Schlafzimmer lag direkt rechts des Flures und links davon das Badezimmer. Lara und ich machten es uns auf ihrer Couch gemütlich und aßen unseren Döner, während Haylee all ihren Schminkkram zusammen suchte und auf dem großen Wohnzimmertisch verteilte. "Ich bin gespannt was ihr anzieht." sagte ich mit halb vollem Mund um ein Gespräch zu beginnen. Nun setzte sich auch Haylee zu uns auf die Couch. "Ach nichts außergewöhnliches." sagte Lara und kaute. "Einen kurzen schwarzen Rock im Schulmädchen Style und eine weiße Spitzenbluse." ich funkelte sie finster an. Wieso hatte sie mir dann so etwas Aufreizendes heraus gesucht. Sie bemerkte meinen Blick und zwinkerte mir zu. "Ich kann mich noch nicht entscheiden." seufzte Haylee. "Was hast du denn zur Auswahl?" fragte ich nach. "Also entweder..." begann sie stark Gestikulierend zu erklären. „eine schwarze Hose in Lackoptik oder meinen langen, transparenten Rock. Ihr wisst schon, denn mit dem Schlitz an der Seite unter dem man nur den kurzen schwarzen engen Rock erkennt." wir nickten wissend. "Und was willst du dazu anziehen?" sie biss in ihren Döner und schluckte fest. "Ich dachte an mein gehäkeltes Oberteil das über meine Schulter fällt aber ich bin mir noch nicht sicher." ich überlegte was man noch dazu anziehen könnte. "Ich denke mit deinem gehäkelten Shirt wird es etwas schwer zu tanzen, du hast doch dieses leichte weiße Top, das etwas weiter ist. Kannst du das nicht dazu anziehen?" Ich wusste das es wahrscheinlich etwas zu langweilig für Haylees Geschmack sein könnte aber sie überlegte. "Hmm, mit ein paar Ketten könnte das gehen. Keine so schlechte Idee Amy." ich lächelte zuversichtlich und wurde etwas rot um die Wangen. Wie aßen zu Ende und Haylee holte 3 Gläser voller Bowle für uns, wie stießen auf den kommenden Abend an und ich begutachtete Haylees Auswahl an Schminkprodukten. Meine Auswahl zuhause bestand nicht mal aus einem Viertel davon. Die beiden anderen Mädels unterhielten sich gerade über ihre Schuhe für den Abend. Warte, Schuhe?! "Amy, bitte sag mir jetzt nicht das du nur deine Vans dabei hast." murmelte Lara, ich duckte mich vor ihrem finsterem Blick. "Das macht doch nichts. Amy hat die gleiche Schuhgröße wie ich." grinste Haylee. Oh nein. "Ach wisst ihr, ich bin eigentlich ganz Glücklich mit meinen Vans." versuchte ich einzubringen doch sie hörten mir erst gar nicht zu und unterhielten sich über mein Outfit und welche Schuhe dazu passen würden. Ich wusste dass ich nicht mit flachen Schuhen davon kam. "Amy, wann bist du das letzte Mal in hohen Schuhen gelaufen?" fragte mich Lara, ich überlegte. "Ich glaube zu der Hochzeit meiner Cousine." antwortete ich ehrlich und duckte mich direkt für den nächsten Ausraster und Diskussionsschwung der beiden. "Das war vor 1 1/2 Jahren!" ich leerte meine Bowle mit einem Zug und sah die beiden entschuldigend an. Hohe Schuhe und ich war ungefähr so wie mein können im Stehen zu pinkeln, nicht vorhanden. Das hieß wahrscheinlich das ich vorher noch einen Crash-Kurs in 'Wie laufe ich elegant ohne hinzufallen.' bekommen würde. Ich hoffte dass ihre Schuhauswahl nicht zu hoch ausfallen würde und ergab mich meinem Schicksal. "Ich weiß, tut mir leid." sie lächelten mich an. "Wir kriegen das schon hin." tätschelte mich Haylee. "Und jetzt geh dich schon mal umziehen." Ich stand auf und machte mich auf den Weg in ihr Badezimmer um dort meine Zähne zu putzen und mein Outfit aus der Tasche zu kramen bis Lara in der Tür stand. "Hier ist das Oberteil von dem ich dir gestern erzählt hatte." sie grinste frech und hielt einen kleinen Stofffetzen nach oben. "Fehlt da nicht irgendwas an dem Oberteil?" fragte ich und beäugte das seltsam lange Ding. "Da ist ein Reisverschluss dran, siehst du?" und sie zog den Reisverschluss hoch und drehte es richtig herum um. Es war ein Bandeau Top aus einem Stoff der eine Art Lederoptik hatte und sehr künstlich aussah, in der Mitte lag der Reisverschluss. Wieso hatte ich nur mein tolles Standard Top zuhause gelassen und gesagt das ich alles anziehen werde was sie mitbringt? "Danke." sagte ich sehr zaghaft und legte es bei Seite. Sie verließ das Bad wieder und ich hörte die beiden Mädels im Wohnzimmer zu irgendeiner Musik mitsingen. Zuerst zog ich mir sehr vorsichtig um nicht jetzt schon eine Laufmasche zu verursachen meine Nylonstrumpfhose an. Das war aber auch immer eine Arbeit und ich hatte nur diese eine Mitgenommen. Danach folgte die schwarze, fransige Highwaist Hose. Ich zog mein Oberteil aus und beäugte erneut den kleinen fetzten Stoff, ob er auch wirklich alles bedeckte? Ich zog den Reisverschluss auf, legte es um mich und zog ihn wieder zu. Mit etwas herumzubbeln saß auch alles, der Stoff war Dehnbar und ließ meine Brüste noch etwas größer erscheinen. Schnell zog ich auch das Graukarierte Hemd über und knöpfte es bis auf 3 Knöpfe zu. Ich schüttelte meine Haare durch und war bereit für Haylees Umstyling. Wieder im Wohnzimmer angekommen sahen mich die beiden Mädels nicht mit dem Blick an den ich erwartet hatte. "Wir gehen auf eine Party und nicht zu einer Beerdigung das ist dir klar oder?" fragte Lara scherzhaft und stand auf, gemeinsam mit Haylee trat sie auf mich zu. "Zuerst einmal das Hemd aus der Hose." rasch zogen sie mir das Hemd heraus und knöpften es fast komplett wieder auf, dann knotete es mir Haylee über halb der Hose fest zusammen und öffnete oben einen weiteren Knopf. Ich sah mich in dem großen Spiegel an der Wand an. "Wollt ihr dass ich nackt gehe?" das war dann doch etwas zu viel Haut für meinen Geschmack. Das etwas Bauchfreie ging ja noch, aber das meine Brüste so gut wie nicht von dem Hemd bedeckt waren, war mir sehr unangenehm. Schnell knöpfte ich einen Knopf wieder zu und sah die beiden mit einem leidenden Blick an. "Deal?" ich zeigte an mir herab. Sie seufzten gleichzeitig, nickten aber und ich lächelte sie an. Während ich mir ein weiteres Glas Bowle einschenkte sagte ich zu den beiden. "So jetzt seid ihr dran." sie salutierten und machten sich auf den Weg. Haylee in ihr Zimmer und Lara ins Bad, ich saß also alleine im Wohnzimmer und schrieb Liam eine Nachricht. "Hey, wann und wo treffen wir uns?" Fast schon sofort bekam ich eine Antwort. "Um 22Uhr vor der Rockbar." Ich antwortete mit einem kurzen "okay" und sah auf die Uhr, es war noch nicht mal 18Uhr. Was sollten wir noch die ganze Zeit machen? Noch mehr Bowle und wir brauchten gar nicht mehr los und ich bezweifele das wir 4 Stunden brauchen würden um uns fertig zu machen. Die Mädels waren fertig und kamen wieder zu mir zurück. Haylee sah aus wie ein Vamp aus einer Modezeitschrift und Lara hatte etwas wildes aber auch Unschuldiges mit ihren Overknees. "Na, wie sehen wir aus?" fragten sie und drehten sich Kunstvoll. Ich applaudierte und wir lachten alle lauthals los. "Hier probiere die mal an." Haylee legte mir ein Paar schwarze Stiefel vor mich. Sie waren nicht sonderlich hoch vielleicht 7 - 10 cm doch dies machte das leichte Plateau wieder weg. "Die sind richtig Schön, Haylee. Danke." ich probierte sie an und sie passten Perfekt und auch zu dem Outfit sahen sie sehr schön aus. Schnell zog ich sie wieder aus und stellte sie neben die Couch. Ich wollte sie nicht die ganze Zeit tragen und den Lauf-Test hatte ich bestanden. "Dann mal ab mit dir auf den Stuhl." sie stellte einen Stuhl direkt neben den Schminktisch und steckte ihren Lockenstab in eine Steckdose daneben. Zögernd setzte ich mich auf den angewiesenen Stuhl und starrte Haylee in ihre viel zu glitzernden Augen, das hatte nichts Gutes zu bedeuten. "Übertreib es aber bitte nicht, ja?" etwas verletzt sah sie mich an. "Ich kenne dich jetzt schon lange genug um zu wissen was dir steht und was du magst." sagte sie, Lara die in meiner Tasche wühlte holte meinen Lippenstift heraus und reichte ihn Haylee. "Schöne Farbe, mal schauen ob wir sie benutzen eigentlich wollte ich deine Augen betonen." Fast schon flehend sah ich Haylee an, die mit der Hand abwinkte. "Mach dir mal nicht so viele Sorgen und lass mich meine Arbeit verrichten." ich seufzte und spürte wie sie Anfing mir den Concealer unter meine Augen zu streichen. Ich schloss die Augen und versuchte nicht darüber nachzudenken welche Farben sie benutzte bzw., was sie mir da alles aufs Gesicht schmierte. "Jetzt mach deine Augen bitte auf, Mascara geht so viel besser." ich tat wie sie befohlen hatte und musste meine Augen vor dem Tränen zurück halten, es war ein komisches Gefühl wenn das jemand anderes tat. Ich sah wie sie meinen Lippenstift nahm und ihn mir auf meine Lippen auftrug und war froh dass sie ihn benutzt hatte. "So Make up fertig." sie lächelte zufrieden und auch Lara lächelte mich freudig an. So schlimm kann es also nicht sein. Gerade als ich aufstehen wollte hielt sie mich an der Schulter zurück. "Nein, noch nicht. Erst mach ich dir die Haare." sagte sie mit einem tadelnden Unterton. Sie steckte meine langen Haare ab und drehte sie auf den Lockenstab auf, es dauerte fast eine Ewigkeit. Als sie auch damit fertig war, schüttelte sie mir die Haare auf und befestigte alles mit einer Tonne an Haarspray. Ein paar einzelne Locken legte sie noch zurecht und beende ihr Werk mit den Worten. "Et Voila!" ich stand auf und trat vor dem Spiegel. "Wow." ich erkannte mich selbst darin aber ich sah so anders aus. Es war nicht zu viel, meine Augen hatte sie leicht mit dunklem Grau geschminkt aber nicht zu sehr das es mit den dunkel roten Lippen zu viel wurde. Meine Wimpern sahen unendlich lang aus und ließen meine Augen strahlen. Meine Wangen glitzerten etwas doch nicht so dass es aussähe als wäre meine Haut fettig. Meine Haare waren vorher noch nie so schön gelockt gewesen, sie waren immer noch lang und gingen mir fast bis zur Brust und doch rahmten sie mein Gesicht ein. Ich sah gut aus! "Wie findest du es?" fragte Haylee zuversichtlich als würde sie die Antwort nicht eh schon kennen. Sie trat neben mich und reichte mir meinen Lippenstift. "Steck ihn dir direkt in die Tasche, ich hab zwar einen extra Haltbarkeitsschutz darunter gelegt man weiß aber nie." ich umarmte sie fest und betrachtete mich dann weiter im Spiegel. "Damn, jetzt bist du noch heißer." lachte Lara und nahm auf dem Stuhl Platz. Jetzt war sie an der Reihe und Haylee machte sich ein weiteres Mal ans Werk. Sie schminkte Laras Augen sehr präsent und betonte damit das Grün ihrer Iris, ihre Lippen hielt sie in einem eher Hautfarbenem Ton um auch jede Aufmerksamkeit auf die Augen zu lenken. Ihre Haare frisierte sie ihr Fransig und Wild und befestigte auch diese mit Tonnen an Haarspray. "Wenn heute irgendjemand eine Zigarette neben uns anmacht, gehen wir in Flammen auf." scherzte ich und sah Lara zu, wie sie sich im Spiegel betrachtete. Sie gab Haylee ein High Five und setzte sich zu mir. Es waren jetzt schon fast 2 Stunden vergangen und wir halfen Haylee beim Aufräumen ihrer Sachen nachdem sie sich selbst hergerichtet hatte. Sie hatte sich einen strengen, glatten Zopf gemacht und trug lange, hängende Ohrringe passend zu ihrer Halskette. Nachdem wir auch fertig mit den Aufräumarbeiten waren, beschlossen wir, ganz Girly-haft ein Bild zu machen. Lara unsere Fotoauskennerin, platzierte uns und das Licht und drückte den Selbstauslöser. Wir warfen uns in Pose und Lächelten alle überglücklich, es war ein tolles Bild geworden. Man erkannte darauf wie stark unsere Freundschaft uns Verbund. "Davon will ich einen Abzug!" rief Haylee. "Das hänge ich mir dann an meine tolle Fotowand." wir lachten und nahmen uns ein letztes Glas Bowle bis es in einer halben Stunde losging Richtung Treffpunkt Rockbar. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Lachend liefen wir auf die drei Jungs zu die uns noch nicht bemerkt hatten. Es waren Liam und seine zwei Freunde, die beiden sahen nicht schlecht aus aber hatten etwas zu viel von dem Surfer Boy Image. Der kleinere von beiden hatte blondes längeres Haar und der andere braunes, etwas dunkler als das von Liam. Dieser drehte sich gerade zu uns um und ihm fiel im wahrsten Sinne des Wortes die Kinnlade nach unten. "Gut seht ihr aus." stotterte er etwas. Lara, Haylee und Ich lachten und posierten. "Gut ist ja wohl untertrieben." sagte einer der beiden Jungs und stellte sich uns vor. "Liam scheint wohl gerade einen Systemabsturz zu haben, dann stelle ich uns mal vor." er deutete eine Bewegung auf die beiden Jungs an. "Das ist Michael und ich bin Ben. Freut mich euch kennen zu lernen. Liam hat nie erzählt was für hübsche Frauen mit ihm zusammen arbeiten." er grinste ein verschmitztes Lächeln. "Vielleicht sollten wir uns doch einen anderen Beruf suchen." zwinkerte uns der Michael zu. "Als was arbeitet ihr denn?" versuchte ich das Thema zu wechseln um von den Anmachen weg zu kommen, die mir persönlich ziemlich unangenehm waren. "Wir studieren an Sporthochschule hier in Köln." Haylee grinste den beiden zu, und hackte sich bei mir im Arm unter. Liam schien auch wieder in dieser Welt angekommen zu sein und führte uns zu den Kassen. Wir bezahlten unseren Eintritt und jeder bekam ein Armband das zeigte dass wir über 18 Jahre alt waren. Es waren noch nicht sehr viele da, also ergatterten wir eine Couch auf der wir uns gemütlich nieder ließen. Die Jungs besorgten uns Getränke und die Musik war hier hinten nicht zu laut so dass wir uns gut unterhalten konnten. "Stoßen wir an auf einen tollen Abend!" rief Haylee und unsere Gläser trafen sich in der Mitte. "Bist du jetzt endlich überzeugt das es heute Abend doch kein Reinfall wird?" flüsterte Lara mir in mein Ohr. Ich lächelte und nickte, versuchen wir einfach das Beste daraus zu machen. "Woher kennt ihr Liam eigentlich?" fragte ich und die 3 Jungs sahen sich grinsend an. "Wir drei kennen uns noch aus Schulzeiten und waren da schon die besten Kumpels." sie boxten sich gegenseitig in die Schultern und ich musste daran denken das Männer wohl niemals erwachsen werden würden. Haylee Beobachtete Ben und warf ihm eindeutig flirtende Blicke zu. Ben und Haylee passten Optisch sehr gut zueinander, seine dunklen Haare und ihre schneeweißen gaben einen guten Kontrast. Auch er schien nicht abgeneigt von ihr zu sein und setzte sich neben sie, sie schienen sich sehr gut zu verstehen und unterhielten sich die meiste Zeit Privat. Ich trank einen Schluck aus meinem Getränk das mir Liam mitgebracht hatte, es schmeckte süß und doch war der Alkohol Wert darin sehr hoch, die Gefrorenen Himbeeren passten Traumhaft dazu was dem ganzen noch eine fruchtige Note gab. "Was hast du mir denn da mitgebracht?" fragte ich während ich mir über meine Lippen leckte. "Schmeckt es dir? Das ist ein Himbeer Mojito." ich nickte und trank noch einen Schluck. Ich betrachtete den Strohhalm und war verblüfft das kein Lippenstift Abdruck darauf zu sehen war, Haylees Fixierung schien wirklich gut zu halten und ihren Zweck zu erfüllen. Lara beugte sich erneut zu mir rüber und flüsterte in mein Ohr. "Ich muss aufs Klo, kommst du mit?" ich stellte meinen Drink ab und nickte. Zu zweit machten wir uns auf den Weg durch die große Tanzhalle, es gab auch noch eine im zweiten Stock die man über eine breitere Wendeltreppe erreichen konnte. Toiletten gab es auf jeder Ebene und auch im Außenbereich gab es ein kleines Toilettenhäuschen, diese war unser Ziel. Wir hofften, dass dort noch nicht so viel los war und hatten Recht behalten, diese hier war fast komplett leer. Ich wusch meine Hände da sie durch den Mojito etwas klebten und betrachtete mein noch immer Perfekt Sitzendendes Make up im Spiegel, Haylee hatte ganze Arbeit geleistet. Lara war fertig und auch sie betrachtete sich im Spiegel, wir lachten über unsere Oberflächlichkeit und gingen wieder zurück zu den anderen. Der Außenbereich war ungefähr so groß wie die untere Tanzhalle und es waren einige Bierbänke aufgestellt, sowie 10 Stehtische. Einige standen unter einem Pavillon andere unter freiem Himmel. Die große Tanzhalle hatte an fast jeder Seite eine Bar die von jeweils 3 Leuten bedient wurde, ich würde nicht mit ihnen tauschen wollen wenn es später noch voller werden würde. An der Konstellation am Tisch hatte sich nicht viel verändert. Haylee saß noch immer tief im Gespräch versunken neben Ben und Michael und Liam beobachteten die immer voller werdende Tanzfläche. "Komm!" Lara schnappte erneut meine Hand bevor ich mich wieder hinsetzten konnte und zog mich auf die Tanzfläche auf der gerade Dubstep aus den Lautsprechern dröhnte. Ich sah Liam hilfesuchend an und griff noch schnell nach seiner Hand. Er und Michael folgten uns und wir fingen an zu tanzen. Lara ließ meine Hand nicht los und wir tanzten eng zusammen, Michael und Liam beobachteten das ganze aus wilden Augen und grinsten sich frech zu. Der Saal füllte sich immer mehr und bald war die Tanzfläche voll von jungen tanzenden Menschen. Ich blickte kurz nach oben um zu sehen wie es Haylee ging, doch die streifte sich gerade ihren Zopf nach vorne und berührte dabei ihren Hals, ein klares Zeichen das Ben ihr immer mehr und mehr gefiel. Das Lied war vorbei und Michael zog mich in seine Arme und schrie in mein Ohr. Schrie deshalb da es schrecklich laut war und man sein eigenes Wort kaum verstand. "Der nächste Tanz gehört mir, Schönheit." ich schluckte und nickte. Lara zwinkerte mir zu und ich erwiderte es schüchtern. Es war mir nicht wirklich unangenehm so eng mit Michael zu tanzen, nur ungewohnt. Die letzten engen Berührungen die ich mit einem Mann hatte waren fast 3 Jahre her und mit meinem damaligem Freund mit dem ich auch mein erstes Mal erlebt hatte. Doch Michael war etwas anderes, ich kannte ihn kaum und seine Hände lagen fast wie selbstverständlich auf meinem Hintern. Ein paar Mal hatte ich sie nach oben geschoben doch er ließ nicht locker bis ich mich schließlich komplett aus seiner seltsamen Umarmung drehte und eilig zurück zu unserer Sitzgruppe ging. Es machte mich einerseits so wütend das es immer wieder versucht hatte und es war mir andererseits so unangenehm von ihm auf diese weiße berührt zu werden. Ich trank einen großen Schluck um meine Wut zu betäuben und spürte eine Hand auf meinem Schoß die mich zurück schrecken ließ, ich blickte in Laras tröstendes Gesicht. "War wohl etwas viel auf einmal." ich nickte und leerte meinen Mojito mit einem großem Zug. "Vielleicht muss ich nur noch etwas mehr trinken." Lara sah mich Sorgenvoll an. "Übertreib es aber nicht." ich nickte und machte mich auf den Weg zur Bar, Liam folgte mir. "Alles okay? Wenn er es zu sehr übertreibt rede ich mit ihm." ich schüttelte den Kopf. "Nein, alles in Ordnung. Ich war nur so lange schon nicht mehr feiern das es etwas ungewohnt war so eng mit jemand mir Fremden zu tanzen." er nickte. "Michael ist ein wirklich guter Kerl und ich lasse nicht zu das dir jemand was antut." er lächelte und in diesem flackerndem Licht schien es fast so als wäre er rot geworden. Ich versuchte nicht weiter über seine Worte nachzudenken. Er bestellte uns neue Drinks und ich half ihm beim Tragen, es war etwas schwierig die vielen Gläser heil durch die Menge zu bekommen doch dicht hinter Liam zu laufen vereinfachte das ganze etwas. Ich stellte alle Gläser in die Mitte des Tisches und jeder Griff zu, auch ich trank einen weiteren Schluck aus meinem neuem Himbeer Mojitos. Das Zeug war gefährlich aber super lecker und nach ein paar Schlucken schmeckte man den Alkohol gar nicht mehr. Michael näherte sich mir wieder vorsichtig und entschuldigte sich für seine 'Grabscherei'. Ich versuchte ihm zu versichern dass alles in Ordnung sei und wir stießen an. Sein lächeln war weich und ganz zaghaft nahm er meine Hand und streichelte mir mit seinem Daumen über meine Hand. Ich zog sie diesmal nicht weg, doch sah ich Liams Blick der auf unsere Händen lag. Er stand auf. "Ich gehe aufs Klo." wir nickten und ich sah ihm hinterher. Diesmal war es Haylee die sich zu mir über beugte und in mein Ohr flüstert. "Das sieht er wohl nicht gerne." ich hatte ein schlechtes Gewissen und entzog Michael dann doch meine Hand, für ihn ließ ich es so aussehen als würde ich mir meinen Trink nehmen. Liam war für mich nur ein Freund und trotzdem wollte ich nicht dass er sich wegen irgendetwas ärgerte. Haylee hatte schon öfters erwähnt das er wohl mehr in mir sähe als bloß eine Freundin oder Arbeitskollegin, doch tat ich das immer mit einem Kopf schütteln ab. Das hier jetzt war merkwürdig und ich erinnerte mich an das was Liam eben noch gesagt hatte er würde nicht zulassen das mir jemand etwas antut. Manchmal beobachtete er mich und sah mir bei Gesprächen immer besonders tief in die Augen. Ich schüttelte mich kurz, ich wollte jetzt nicht weiter darüber nachdenken sondern den Abend genießen. In meiner Tasche suchte ich nach meinem Handy und sah auf die Uhr, es war schon nach Mitternacht die Zeit ist schnell vergangen. Ich steckte es wieder zurück und Haylee streckte mir ihre Hand entgegen. "Lasst uns wieder tanzen gehen." ich nickte und folgte ihr an ihrer Hand. Es lief gerade ein eher Souliger Song und wir Mädels ließen unsere Hüften kreisen, langsam und sexy und uns wohl bewusst was das in den Jungs auslösen würde. Sie starrten uns an und schluckten während sie unsere Hüften verfolgten. Ich bekam das Gefühl nicht los das mich jemand die ganze Zeit ansah, abgesehen von unseren Jungs, was völlig verrückt war, hier waren so viele Menschen. Ich drehte mich um und sah durch den Raum doch er war so voll das es schwer fiel überhaupt etwas zu erkennen, niemand in unserer unmittelbaren Nähe sah mich an. Sie waren alle auf ihre eigenen kleinen Grüppchen fixiert. Ich versuchte das Gefühl zu ignorieren und tanzte weiter mit meinen zwei Freundinnen. Liam stieß wieder zu uns und gesellte sich zu seinen Kumpels, die etwas steif versuchten zu tanzen. Ein Lied nach dem anderem Spielte durch die großen Lautsprecher und wir hörten gar nicht mehr auf zu tanzen. Ben & Haylee tanzten eng beieinander und auch Lara wurde von einem süßen Typen angesprochen, blieb aber an meiner Seite. Ich nahm Liams Hand und tanzte mit ihm eine Art Disco Fox, wir lachten viel und plötzlich war es wieder da, dieses Gefühl beobachtet zu werden. Es war so durchdringend und brannte auf meiner Haut, so etwas hatte ich noch nie erlebt. "Ist alles in Ordnung?" fragte Liam sehr dicht an meinem Ohr, das ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Ich nickte suchte aber weiter den Raum ab, bis ich an einem Augenpaar hängen blieb die mir direkt in die Augen sahen und meinen Blick nicht losließen. Plötzlich schien es als würde die Welt still stehen und nur noch wir beide existieren. All die Menschen um mich herum verschwanden und auch die Musik verstummte. Alles was ich sah war dieser Typ, der am anderem Ende des Raumes stand und mich ansah, nur mich. Diese Augen die mich fixierten und dessen Blick fragend aber voller Begierde auf mir lagen. Ich bewegte mich nicht und doch wirkte es als stünde ich direkt vor ihm und wäre nur ein paar Zentimeter von seinen grünen Augen entfernt. Mehr konnte ich nicht erkennen, er ließ es nicht zu das ich den Blick abwandte. Als würde er direkt in mich hinein sehen und nach Antworten suchen. Liam rüttelte an meinem Arm und ich schaffte es wegzusehen, die Realität traf mich wie ein Schlag und ich taumelte etwas zurück. Die Musik und Menschenmassen schienen mich fast zu erdrücken und hätte Liam mich nicht festgehalten wäre ich bestimmt nach hinten umgefallen. Panisch sah ich mich um, auf der Suche nach den Augenpaaren die mir so eben fast meinen Verstand geraubt hatten. Liam, Haylee und Lara redeten auf mich ein, doch ich Verstand nichts von dem was sie sagten, ich suchte noch immer nach diesen tiefen, wunderschönen und gleichzeitig erschreckenden Augen. Sie führten mich zu der Sitzgruppe und hielten mir eine Flasche Wasser entgegen, ich trank schnell und verschluckte mich fast. "Amy!" ich schreckte auf. Haylee sah mich ängstlich an. "Geht es dir gut? Was ist denn passiert? Ist dir irgendwie Schlecht? Schwindelig?" ich lächelte sie an und nahm ihre Hand. "Mir geht es gut, ich weiß auch nicht was eben mit mir los war. „Jedes Wort davon war wahr, ich war wieder zurück in dieser Welt und mein Körper fühlte sich an wie vorher, nur meine Gedanken ließen nicht los und das Bild hatte sich in meinen Hinterkopf gebrannt. Die ganze Situation war so unnatürlich und unerklärbar, ich hätte schwören können das keiner meiner Freunde oder auch nur irgendein anderer Mensch in diesem Raum war, da waren nur er und ich. Es schien fast so als hätte ich nur meine Hand ausstrecken brauchen und schon hätte ich ihn berühren können. Immer noch voller Sorge sah sie mich weiter an und drückte meine Hand. "Sicher?" ich nickte. "Mach dir keine Sorgen, mir geht es wirklich gut." abgesehen von dem Herzrasen. "Vielleicht solltest du erstmal eine kleine Pause machen." sagte Lara und setzte sich an meine andere Seite, ihr Blick war genauso Sorgenvoll wie der von Haylee. Auch Liam stand mit verschränkten Armen vor mir und sah mich fest an. "Nein, nein. Es ist wirklich alles in Ordnung." ich lächelte und ihre Blicke wurden etwas weicher. "Trink das Wasser aus." sagte Liam streng. Wie er mir befohlen hatte trank ich die Flasche aus und reichte sie ihm. Ben und Michael gesellten sich wieder zu uns. "Boah Amy, du sahst aus als wärst du in irgendeiner Trance gewesen." ich zwinkerte und sah Ben an der lachte und sich böse Blicke von Haylee und Lara einfing. "Wirklich? Also eigentlich war ich plötzlich nur etwas überfordert mit der Musik und der Menschenmasse." er tätschelte meine Schulter und ließ sich neben Haylee fallen, legte einen Arm um sie und streichelte ihren Oberarm. Ich hielt es für besser ihnen nichts von meiner Begegnung und außerkörperlichen Erfahrung zu erzählen. "Gut das es dir jetzt wieder besser geht." ergänzte er und Haylee lehnte sich seinem Arm entgegen. Neben Lara saß der Typ mit dem sie auf der Tanzfläche schon die ganze Zeit geflirtet hatte und Michael hatte sich zu Liam gestellt. Beide sahen mich noch nicht überzeugt an. "Jetzt hört doch bitte mal auf mich so anzusehen. Ich lebe noch und es ist doch nichts Schlimmes passiert. Ihr übertreibt total." so langsam war ich wirklich genervt. Schnell ergänzte ich noch um auch den Rest Ungewissheit auszulöschen. "Können wir jetzt wieder tanzen gehen? Dafür sind wir doch auch hier." Ich stand auf und ging wieder zurück zur Tanzfläche. Haylee, Lara und ihre Anhängsel folgten mir und langsam fingen wir wieder an zu tanzen. Ich legte meine Arme um Liam und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Hör jetzt auf dir Sorgen zu machen und Tanz mit mir." er lächelte und nahm mich in Tanzposition auf. Ich grinste ihn breit an und er führte mich zu einem ruhigeren Song. Während des ganzen Tanzes lagen seine Augen auf mir doch das Gefühl war nicht mal Ansatzweiße so wie bei dem Unbekannten. Die ganze Zeit dachte ich an ihn, versuchte mich daran zu erinnern was ich abgesehen von seinen Augen gesehen hatte, doch je mehr ich mich anstrengte nicht an seine Augen zu denken, desto mehr zogen sie mich wieder ein. Es war ein wahnsinnig strahlendes Grün, als hätte man ihm zwei Smaragde anstatt Augen geschenkt, die mit dem dicken schwarzen Rand noch surrealer wirkten. Noch nie hatte ich so ein Gefühl erlebt. Liam drehte mich in seine Arme und ich wachte wieder aus meinen Gedanken auf, er lächelte freudig und ich erwiderte es. Die nächsten Tänze vergingen und erneut hatte ich einen Himbeer Mojito in meiner Hand. Lara hatte sich etwas von unserer Gruppe getrennt und flirtete nun Wild mit ihrer Eroberung herum, sie würde wahrscheinlich nicht alleine nach Hause gehen. Haylee tanzte eng mit Ben ein paar Schritte neben uns. Ich erklärte, das ich mal auf Toilette musste und ließ die anderen beiden Jungs alleine, auf der Toilette angekommen hatte sich eine kleine Schlange gebildet und ich hörte bei den Gesprächen der anderen ungewollt mit. "Hast du diesen heißen Typen gesehen." schwärmte eine ihrer Freundin vor. "Du meinst den mit den Hammer grünen Augen?" fügte besagte Freundin hinzu und ich Spitze die Ohren, redeten sie etwa über meinen Unbekannten? Ich erschrak über meinen eigenen Gedanken, hatte ich ihn gerade 'meinen' Unbekannten genannt? Er gehörte nicht mir, er war einfach irgendein Typ mit unfassbar grünen Augen der mich angestarrt hatte...und mir dann all meine Sinne geraubt hatte. Ich seufzte und hörte dann doch wieder den beiden Mädchen zu. "Er hat noch nicht einmal getanzt, bzw. irgendeine angesprochen und das obwohl ich direkt vor ihm meinen heißesten Hüftschwung hingelegt hatte." ich grinste in mich hinein. "Er hat einfach gerade aus gestarrt und mich keines Blickes gewürdigt." ergänzte sie und ich dachte wieder an die Situation von vorhin als sich unsere Blicke getroffen hatten. "Ach vielleicht will er einfach angesprochen werden, vielleicht ist er ja schüchtern." ich bezweifelte das es das sein würde, hielt aber meinen Mund. "Meinst du ich soll ihn einfach mal ansprechen?" in mir drang ein Gefühl der Panik hoch und ich musste schlucken um mich zu beruhigen, er würde sie sowieso nicht beachten. Wieder erschraken mich meine Gedanken. Was zur Hölle denke ich überhaupt darüber nach? Es sollte mir egal sein mit wem er spricht oder flirtet. Da antwortete auch schon ihre Freundin. "Natürlich, du bist doch mega hübsch. Er kann einfach nicht nein sagen." Und sie fingen laut und kindisch an zu kichern. Zum Glück öffnete sich in dem Moment eine Kabine und ich sprang hinein, warf die Tür zu und atmete tief durch. Nachdem ich fertig war wusch ich meine Hände und rieb mir etwas kaltes Wasser in den Nacken, zog meinen Lippenstift nach und sah in meine ziemlich unspektakulären Grün-Braunen Augen. Was hatte er nur darin gesehen? Ich seufzte und versuchte mich nicht mehr ständig davon ablenken zu lassen...Wirklich. Kopfüber schüttelte ich meine Haare auf und strich sie mir auf eine Seite meiner Schulter. "Bist du dann mal fertig? Andere Mädels wollen sich auch mal etwas frisch machen und bei dir ist doch eh schon alles vergebens." Mir blieb der Mund offen stehen als ich in das Gesichts des Mädchens sah das gleich Jagt auf meinen, ich meine nicht-meinen, Unbekannten machen wollte. Ihr viel zu übertrieben geschminktes Gesicht wurde von schlecht gefärbten Wasserstoffblonden Haaren eingerahmt das fransig und ungepflegt aussah. Ihre merkwürdige kleine Freundin stand daneben und kicherte dumm. "Hallo? Bist du vielleicht schwerhörig? Aus dem Weg hab ich gesagt!" und damit schubste sie mich zur Seite, ich schüttelte nur den Kopf und verließ das Bad. Ich brauchte etwas frische Luft. Alle tanzten noch an unserem alten Platz und ging direkt auf Haylee zu. Sie drehte sich direkt zu mir um und grinste. "Er hat mich geküsst." flüsterte sie mir in mein Ohr, es war laut doch ich verstand es. "Das freut mich für dich, wirklich aber können wir mal ein bisschen an die frische Luft?" sie sah mich fragend an, drehte sich aber zu Ben um und schrie ihm etwas ins Ohr. "Wir können." sagte sie kurz und nahm meine Hand. Liam hielt mich an der Schulter fest und deutete eine 'Was macht ihr?'- Geste an, ich zeigte mit dem Finger auf die Tür und er nickte. Haylee führte mich nach draußen und die drei Jungs waren uns gefolgt. Ben stürmte auf einen Stehtisch zu und winkte uns. Tat das gut, die frische Brise wehte durch mein Gesicht und ich atmete tief ein. Michael zündete sich eine Zigarette an und wollte mir auch eine anbieten doch ich lehnte ab. Ich war froh genug mal aus dem stickigem Raum heraus zu kommen. Haylee kuschelte sich wieder an Ben der ihr den Rücken rieb und Liam stand etwas abseits neben Michael. Da hörte ich sie wieder, dieses lachen. Ich rollte mit den Augen und sah zur Seite. Da standen sie wieder Humpdy und Dumpdy direkt neben…mir blieb der Atem im Hals stecken. Sie standen neben IHM, er sagte kein Wort und beachtete sie auch nicht. Froh darüber das Ben und Haylee mich etwas verdeckten sah ich ihn mir genauer an. Von unten nach oben, darauf bedacht seinen Augen auszuweichen. Er trug schwarze Vans - wie sehr ich ihn gerade darum beneidete -, eine schwarze enge Hose in der er aber nicht, wie die meisten Männer, Streichholzähnliche Beine hatte sondern muskulöse. Sein schwarzes Shirt unterstrich seine Muskeln, die nicht zu präsent waren wie bei diesen Fitness-Junkies sondern gesund und natürlich aussahen. Seine Arme waren voller Tattoos, auch an seinem Hals konnte man erkennen das sich Tattoos über seine Brust oder Rücken zogen. Wie gern hätte ich seinen Körper näher betrachtet um mir seine Tattoos genau ansehen zu können. Ich wurde Rot bei dem Gedanken wie ich ihn mir ohne Shirt vorstellte. Ich blickte weiter, seine Haare waren dunkel fast schwarz und ziemlich wild. Sie standen in alle Richtungen und sahen aus als hätte sie jemand länger nicht mehr geschnitten. Sein Bart war etwas länger als ein Drei-Tage-Bart aber nicht zu lang das es ungepflegt aussah. Er strich sich eine Strähne aus seinem Gesicht und da geschah es wieder, unsere Blicke trafen sich. Die Überraschung war ihm genauso anzusehen, ich wollte wegsehen konnte es aber nicht. Und plötzlich geschah es wieder, alles um uns herum schien erneut in einer Rauchwolke zu verschwinden. Meine Freunde verschwanden nicht nur aus meinem Sichtfeld die mich so eben noch versteckt hatten, die Musik wurde leiser und es gab wieder nur noch ihn und mich. Er fixierte mich mit seinem Blick und wanderte über meinen Körper, die Begierde darin wurde größer und auch mein Atem ging schneller. Allein sein Blick reichte aus um mein Herz auf wundersame weiße zum rasen zu bringen. Ich wollte zu ihm, meine Hände auf seinen Körper legen und seine Tattoos mit meinen Fingern nachfahren. Wollte das er mich Berührte und mich fest an sich drückte. Seine Lippen überall auf meiner Haut fühlen und seinen nackten Körper auf meinem Spüren. Dieser Gedanke riss mich los und ich drehte mich von ihm weg. Haylee sah mich an, meine Wangen glühten und mein Atem war noch immer schnell und erregt. Mein Herz raste so sehr das es schien es könnte mir jeden Moment aus meiner Brust springen. Ich versuchte mich zu beruhigen. Wieso habe ich bitte an so etwas gedacht? Er ist mir völlig fremd, ich kenne ja noch nicht einmal seinen Namen und doch habe Ich habe mir vorgestellt wie er meinen nackten Körper unter sich berührt, habe mir Dinge vorgestellt und gespürt von denen ich dachte das ich sie eine lange Zeit nicht mehr spüren würde. Es war jedoch nicht nur die sexuelle Anziehung die mich aus dem Konzept brachte sondern das was er in meinem Herzen veranstaltete, mein Herz schmerzte sobald ich aufgehört hatte ihn anzusehen, was zur Hölle war hier nur los?! Der Gedanke bereitete mir Gänsehaut und ich zitterte am ganzen Körper, wer weiß ob es noch immer die Erregung war oder Zeichen eines Schocks das ich soeben fast meinen Verstand verloren hatte. "Ist dir kalt?" fragte mich Liam und riss mich aus meinen Gedanken. Ich zitterte immer noch. Schnell schüttelte ich meinen Kopf um ihm ein Nein zu signalisieren, ging jedoch wieder auf die große Tür des Clubs zu. Ich spürte seinen Blick auf mir und wusste, dass wenn ich mich jetzt umdrehen würde, mich seine Augen wieder gefangen nehmen würden. Bei unserer Sitzgruppe angekommen - und weit genug weg von diesem merkwürdig heißen Typen - setzte ich mich zu Lara die ihr geknutsche unterbrach. "Alles okay? Du siehst etwas durch den Wind aus." ich konzentrierte mich auf sie und war mir sehr bewusst das ich seither keinen Ton mehr gesagt hatte, wie auch ich war mir ja selbst nicht mal sicher ob ich noch in der Lage dazu war zu sprechen. Mein Mund öffnete sich schneller als das mein Hirn denken konnte und ohne es aufhalten zu können sagte ich. "Das bin ich auch." fragend und neugierig sah sie mich an. "Ahaa?" ich versuchte zu lächeln und trank meinen Rest Himbeer Mojito aus. "Möchtest du noch einen?" unterbrach Michael unser Gespräch. Ich nickte mit einem Gesichtsausdruck der unendlichen Dankbarkeit, reichte ihm mein altes Glas auf das es Pfand gab und machte mich auf das jetzt – leider – entstandene Gespräch zwischen mir und Lara gefasst. Ich brauchte eine gute Ausrede, denn über das Geschehene wollte ich noch immer niemanden in Kenntnis setzen auch wenn es jetzt das zweite Mal war, das es passiert ist. "Also?" griff Lara das Thema wieder auf. Was sollte ich nur sagen? Eine fast schon Verzweiflung ließ mich das erst Beste Argument sagen das mir eingefallen war und das wohl auch Glaubwürdigste, wenn man bedenkt das meine Freunde mich kennen. Und das tun sie. "Naja, ich war so lange einfach nicht mehr feiern und wir sind jetzt ja auch schon ziemlich lange hier." sie lachte und strich mir über den Kopf. Sie glaubte mir. Zum Glück. Nach ein paar Minuten war Michael mit einem neuem Himbeer Mojito wieder bei mir – das ist genau das was ich jetzt brauche. Er reichte ihn mir und legte eine Hand über meine Schulter, ich beachtete die Geste gar nicht und war nur auf meinen Drink in meiner Hand fixiert. Schnell trank ich einen großen Schluck und spürte das all der Alkohol nun seine Wirkung zeigte. Liam, Ben und Haylee waren nun auch wieder da und setzten sich zu uns. Mein Blick wurde etwas trüber doch ich wusste nicht genau ob es an dem Alkohol oder dem dicken Rauch auf der Tanzfläche lag, der langsam wie eine Mauer auf uns zu gekrochen kam. Etwas lallend sagte ich Haylee das ich tanzen wollte und griff nach ihrer Hand, lachend folgte sie mir. Ich ließ mich von der Partymeute anstecken und tanzte wild mit. Je nach Lied mal etwas langsamer und sexyier - gab es dieses Wort überhaupt? Selbst wenn es das nicht gab, so hatte ich es eben jetzt erfunden. Bei einem ziemlich erotischem Song, tanzte ich eng und heiß mit Haylee. Unsere Beine Berührten sich durch den dünnen Stoff ihren Rockes und unsere Hände lagen auf der Hüfte der jeweils anderen. Plötzlich spürte ich seinen Blick wieder auf mir, doch diesmal sah ich mich bewusst nicht nach ihm um sondern tanzte weiter. Mit voller Hingabe räkelte ich mich noch ein wenig mehr und griff mit beiden Händen in meine Haare, ließ sie langsam fallen und schwang sie zur Seite. Das Gefühl seine Blickes wurde immer stärker und ich konnte es fast auf meiner Haut spüren, es kribbelte in meinem ganzen Körper und auch wenn ich meine Augen geschlossen hatte, kam es mir so vor als würde ich nur für ihn in diesem Raum tanzen. Das Gefühl auf war nicht ganz das gleiche wie bei den letzten Malen, es wirkte bedrohlicher und fast…stickig, als könnte ich es greifen. Ein lautes "Was?!" ließ mich hochschrecken und mein Blick flog auf Liam der wütend und bedrohlich Michael am Kragen packte. Er grinste jedoch nur frech und zuckte mit seinen Schultern, er schien etwas zu sagen, was ich aber durch den ganzen Lärm nicht verstand. Liams Brustkorb hob und senkte sich schwer. Ich konnte in seiner Körperhaltung sehen, wie sehr es ihn anstrengte nicht völlig auszuflippen. Irgendetwas war passiert von dem nur die beiden zu Wissen schienen. "Das ist nicht dein beschissener ernst?!" ich strengte mich an zu verstehen was Michael erklärte doch ohne Erfolg es war einfach viel zu laut. Nur Liams Stimme war klar und deutlich zu verstehen. "Das hast du nicht wirklich getan?!" er hob drohend die Faust doch Ben ging bereits dazwischen. "Das kann nicht dein verfickter Ernst sein!" er drehte sich jetzt genauso wütend zu Ben um „Und du beschützt ihn auch noch? Nach diesem riesen Bockmist den er gerade gebaut hat?" Ich war mir nicht sicher wie viel Aufmerksamkeit man unserer Gruppe und diesem Streit schenkte doch wollte ich mich nicht auch nicht herum drehen um es heraus zu finden. Ich wollte zu Liam gehen um ihn zu beruhigen. doch durch den Alkohol war mir ziemlich schummrig. Mein Geist war völlig klar, doch mein Körper gehorchte mir nicht. Also konnte ich nur beobachten wie Liam sich meine Tasche schnappte und auf mich zu stürmte. Er zog mich, noch immer unter voller Wut, nach draußen. Sein Griff an meinem Handgelenk war ziemlich fest und tat ein bisschen weh doch ich war nicht im Stande irgendetwas zu sagen. Die Situation verwirrte mich und mir vielen keine Beschwichtigenden Worte ein, außerdem wusste ich ja nicht einmal warum sie sich gestritten hatten. "Du gehst jetzt sofort nach Hause." zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. "Was?" fragte ich noch immer vollkommen verwirrt nach, da ich geglaubt hatte mich zu verhören. "Ich sagte. DU Gehst jetzt sofort nach Hause. Hast du mich verstanden?!" in mir stieg eine mir unbekannte Wut auf die ich schwer Kontrollieren konnte. Hatte er mich gerade wirklich angeschrien und befohlen nach Hause zu gehen? Die Wut wurde stärker und platze aus mir heraus. "Wann ich nach Hause gehe hast du nicht zu entscheiden!" schrie ich schon fast, zwar etwas lallend aber dennoch fest und entschlossen hier zu bleiben. "Das war keine Frage oder Bitte. Du gehst jetzt nach Hause. Entweder alleine oder ich trag dich bis vor deine Haustür." sein Blick war Böse und voller Zorn ich wusste nicht ob dieser Blick mir galt oder Michael. Er reichte mir meine Tasche und ich riss sie ihm aus der Hand. Mein Blick wurde wieder trüber und musste ein paar Mal kurz blinzeln, war aber immer noch voll und ganz in der Momentanen Situation. Mein Wut verebbte kein Stück, sie wurde von Minute zu Minute immer größer. "Sag mal spinnst du jetzt völlig? Was habe ich mit deinem dummen Streit mit Michael zu tun?" sein Blick wurde weicher, voller Sorge und doch besänftigte er mich nicht. Ich funkelte ihn noch immer aus zusammengekniffenen Augen an. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und sein nächster Satz verstärkte das Ganze auch nur noch. "Geh bitte einfach nach Hause." sagte er in einem ruhigen und sachlichen Ton. "Ich denk gar nicht dran." bockig wie ein kleines Kind verschränkte ich meine Arme und hielt seinem Blick stand. "Amy…" drückte er meinen Namen zwischen seinen vor Wut geschlossenen Zähnen. "So heiße ich." er zitterte vor Wut. Ich sah wie er versuchte tief durch zu atmen und seinen nächsten Schritt genau überdachte. "Du kannst mich nicht zwingen zu gehen." sagte ich in einem ziemlich zickigen Ton, er sah auf und grinste Finster als hätte er einen bösen Plan. Oh oh – ich ahnte schlimmes. "Achja?" und nach diesem Spruch warf er mich mit einem Ruck über seine Schulter. Einen kurzen Moment war ich über seine Stärke überrascht, aber auch wirklich nur einen kleinen Moment. Ich protestierte warf mit Schimpfwörtern um mich und Schlug ihn auf seinen Rücken und Po. Das konnte doch nicht sein ernst sein. Ich hatte keine Kraft mehr übrig und doch machte ich weiter. "Lass mich sofort runter! Du spinnst ja wohl!" Alle Leute starrten uns an und trotz allem war es mir extrem Peinlich. Er regte sich nicht und ihm schien unsere Zuschauerzahl völlig egal zu sein, er ließ keine Anstalten zeigen mich herunter zu lassen nicht bevor wir vor dem Eingang des Nachtclubs standen. Er beachtete mich gar nicht sondern wandte sich direkt nachdem er mich abgesetzt hatte zu den Securitys um. Diese Standen an den jeweils eine der Seiten des Haupteingangs. Ziemlich steif und ohne Gesichtsausdruck hatten sie unser Spektakel beobachtet, wohl froh mich nicht selbst heraus tragen zu müssen. Jetzt galt ihre Aufmerksamkeit Liam, obwohl sie mich nicht aus den Augen ließen. Doch für einen Gegenangriff in dem ich wieder hineinrenne war ich jetzt wirklich zu schwach, mir war immer noch Schwindelig und die Welt um mich herum hörte nicht auf sich zu drehen. "Lasst sie hier nicht wieder rein." Liams ton war bestimmt und ließ keine Option für ein aber. Sie nickten ohne zu Fragen Warum. Jetzt drehte er sich auch wieder mir zu und sah mich entschuldigend an, er wollte gerade anfangen etwas zu sagen da unterbrach ich ihn. "Erspar es dir einfach.“ lallte ich. "Glaubst du ich hab heute nicht gemerkt wie eifersüchtig du auf Michael warst? Jedes Mal wenn er mir nah kam warst du auf 180." er starrte mich mit offenem Mund an und sein Blick wurde plötzlich sehr wütend. Ich hatte ins Schwarze getroffen. "Geh verdammt nochmal einfach nach Hause! Du hast ja gar keine Ahnung!" er schrie mich an, Liam schrie mich an. Er konnte mir noch nicht einmal sagen wenn mein Mascara verschmiert war und jetzt schrie er mir mit voller Wut ins Gesicht. Was zur Hölle hatte ich schlimmes getan? Hatte Haylee wirklich recht und er mochte mich? Aber wieso dann so ein benehmen? Das konnte und wollte ich nicht einfach so hinnehmen. Meine Ahnungslosigkeit wisch meiner Wut und so schrie ich ihm lauthals hinterher. "Schön! Ich gehe aber glaub ja nicht das ich jemals wieder mit dir irgendwohin gehe!" doch er war schon wieder auf dem Weg Richtung Clubeingang. "AAARGH! So ein Arsch!" schrie ich noch immer und kickte eine Bierflasche gegen die nächstgelegene Wand. Die Flasche zersprang sofort in 1000 Scherben. Mir gingen mindestens genauso viele Fragen durch den Kopf und jetzt nachdem das Adrenalin etwas aus meinem Körper verschwunden war, bemerkte ich wieder die Schwummrigkeit, die immer wieder aufblitzenden Lichtpunkte vor meinen Augen und den etwas sehr schwankenden Gang. Ich beschloss eine Seitenstraße entlang zu gehen, da ich keine Lust darauf hatte in meinem Zustand auf andere Betrunkene Kerle zu stoßen. Mein Gang war wirklich sehr unsicher und allgemein wurde es mir immer unbehaglicher. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, das trübe Milchige Gefühl das zuvor nur vor meinen Augen umher schwirrte, schien sich jetzt in meinem Kopf festgesetzt zu haben. Ich hatte schon öfter Alkohol getrunken und war vielleicht auch ein paar Mal betrunken gewesen aber sowas hatte ich noch nie erlebt. In der nächsten Seitenstraße beschloss ich mich auf eine kleine Treppe vor einem Wohnhaus zu setzen und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab. Was war das bitte für ein Abend? Wie konnte es sich Liam einfach so erlauben mich so bloß zu stellen? Trotz all dem Ärger den ich für ihn empfand machte ich mir auch Sorgen um den Streit zwischen Michael um ihm. Worüber hatten sie wohl gestritten? Was hatte Liam so wütend gemacht das er seinen Freund aus Kindergarten schlagen wollte und ich angeschrien hatte? Ging es um mich? Hatte ich mit Michael geflirtet? In meinen Gedanken versunken hörte ich nicht das jemand auf mich zu kam, ich war diese Strecke doch extra gelaufen um niemanden zu begegnen. "Alles in Ordnung?" Oh wie oft ich diesen Spruch heute Abend schon zu hören bekommen hatte – sie nervte. Ich kannte die Stimme nicht und bevor ich hochsehen und nachdenken konnte lallte ich sehr laut. "Was geht dich das an?" Ich sah jetzt hoch und erschrak mich als ich genau in das Gesicht des Typens sah. das mich heute so oft in seinen Bann gezogen hatte. Doch jetzt geschah nichts. Alles um mich herum drehte sich und ich sah doppelt, wenn nicht sogar dreifach. Ich versuchte es wegzublinzeln wie die letzten male doch es geschah nichts, mit halbwegs klarem Gedanke begriff ich das er jetzt vor mir stand und niemand sonst hier war. Mit etwas Angst und Neugier fragte ich. "Sag mal verfolgst du mich?" meine Stimme war schwach und viel zu lallend, mir explodierte gleich der Kopf. Es hämmerte in meinem Schädel und ich musste an mich halten mich vor Schmerz nicht zu übergeben. Der ganze Abend machte mich so unglaublich fertig, auch wenn ich anfangs gegen Liam protestiert hatte wollte ich jetzt nur noch eins. Nach Hause. Ich versuchte also aufzustehen, was schon schwer genug war, ich wusste nicht ob ich oder die Welt sich so stark bewegte. Mein Kopf war jetzt nur noch von dem Schmerz erfüllt, der mir mit einem Presslufthammer gegen die Schläfe schlug. Alles um mich herum verblasste und ich wusste ich musste jetzt gehen, das letzte was ich sah bevor ich meinen Schritt tun wollte war sein Gesicht. Und dann fiel ich hinab in eine tiefe Dunkelheit. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Das erste was ich wieder spüren konnte, war mein dröhnender Kopf. Ich hatte den Kater des Jahrtausends. Es pochte unaufhörlich und noch wollte ich meine Augen nicht öffnen, ich wollte einfach weiter schlafen. Doch die Sonne schien damit nicht einverstanden und schien mir durch das Fenster genau in mein Gesicht. Was war gestern noch passiert? Ich erinnerte mich dass ich mich mit Haylee und Lara fertig gemacht hatte um mit Liam und seinen Freunden feiern zu gehen. Liam! Liam hatte mich gestern Grundlos angeschrien und nach Hause geschickt, was war bloß los mit ihm gewesen… Und da war noch etwas, nein, nicht etwas, jemand. Dieser Typ mit seinen atemberaubenden Augen, und sie waren wirklich atemberaubend. Sie hatten mir nicht nur meinen Atem geraubt, sondern auch meinen Verstand völlig durcheinander gebracht. Ich erinnerte mich zurück an die Situation als sich unsere Blicke das erste Mal trafen. Alles um mich herum schien zu verschwinden und da waren nur noch wir, als hörte die Welt auf zu existieren und es gab nur noch uns, nur noch unsere Blicke aufeinander, die so viele Fragen hatte und keine Antwort. Ich seufzte schwer und versuchte nicht mehr an diesen Mann zu denken, schwer drehte ich mich auf dem Bett herum und spürte dass es nicht so breit war wie sonst. Schnell riss ich meine Augen auf und richtete meinen Oberkörper hoch. Wo zur Hölle war ich?! Ich versuchte mich daran zu erinnern wie ich nach Hause gekommen war, doch da war keine Erinnerung… Mir wurde schlecht, schwer zu sagen ob es die Überreste des Alkohols in meinem Blut waren oder die Ungewissheit wo ich war. Mein Körper war noch immer etwas lahm, doch ich versuchte mich in der fremden Umgebung etwas umzusehen. Es war ein Schlafzimmer, ganz klar. Fast alles hier bestand aus Holz, der Boden schien schon etwas älter zu sein und auch sonst wirkte alles ziemlich Rustikal. Das Bett stand an einer Wand, vor einem Fenster dessen Gläser durch einen hellen Vorhang verdeckt waren. Neben der großen Holztür stand ein massiver Schrank, natürlich auch aus Holz, hier hatte jemand einen schweren Holz-Fetisch. Ansonsten stand hier nicht viel, ein kleiner Schreibtisch mit einem Stuhl, ich muss wohl nicht betonen aus welchem Material diese waren, und ein großer Spiegel direkt an der Wand neben dem Monströsem, uraltem Schrank. Daneben schien es noch eine weitere Tür zu geben, die leicht geöffnet war. Ich versuchte aufzustehen und sofort machte sich mein Kopf wieder bemerkbar, er wollte sichtlich nicht, dass ich mich noch weiter bewegte. Verdammt, soviel hatte ich nun wirklich nicht getrunken. Schwerlich und langsam machte ich mich auf den Weg den kleinen Nebenraum zu erkunden. Mein Blick blieb jedoch im Spiegel hängen und der Anblick war nun wirklich keine Freude. Faszinierender Weise hatte der größte Teil meines Make ups tatsächlich überlebt, nur meine Haare standen in einem riesen Wirr Warr in alle Richtungen. Aber ein Problem nach dem anderem. Der kleine Nebenraum stellte sich als ein Bad heraus, sogar mit einer Dusche. Und wieder stellte sich die Frage wo zur Hölle ich war, wie lange hatte ich geschlafen? Mein Kopf hatte sich nun daran gewöhnt dass ich mich bewegte und hörte auf so unendlich schmerzhaft zu pochen. Er verlangte nach Sauerstoff. Ich ging zurück und riss die Vorhänge bei Seite. Verdammt… Vor mir lag nicht Köln, vor mir lag nicht mal eine Stadt… Meine Augen starrten hinaus in die Natur, weite Felder taten sich vor mir auf und ich konnte im Hintergrund einen tiefen Wald erkennen. Im Normalfall wäre diese Landschaft Wunderschön gewesen. Wirklich. Der Farn wiegte sich im Wind und ich konnte den Lavendel schon fast riechen. Mein Herz hämmerte jetzt gegen meine Brust und voller Panik flog mein Blick nun durch das Zimmer auf der Suche nach meiner Tasche. Da! Gott sei Dank sie war hier. Ich verlor keine Zeit und riss alles was nicht wichtig war heraus, das was ich gehofft hatte zu finden, war natürlich nicht vorhanden. Mein Handy. Mir schnürte es die Brust zusammen und ich bekam keine Luft mehr, die Panik in mir wuchs und wuchs. Was sollte ich jetzt tun? Wurde ich hier gefangen gehalten? Wer hatte das getan und vor allem warum? Ich brauchte jetzt wirklich den Sauerstoff und ich versuchte das Fenster zu öffnen. Natürlich. Ich rollte schon fast mit den Augen. Es ließ sich nicht komplett öffnen. Was das nicht ein weiteres Indiz dafür das ich hier festgehalten wurde? Plötzlich schoss mir eine Erinnerung zurück in meine Gedanken: „Alles in Ordnung?“ Die Situation nach dem Streit mit Liam. Ich saß auf dieser Treppe und mir war es Kotzübel gewesen. Er war es, er war der letzte an den ich mich erinnern konnte. Ich versuchte mich genauer daran zu erinnern was geschehen war, doch da war nichts. Eine riesengroße leere aus schwarzem Nebel. Ich wusste noch, dass ich nach Hause gehen wollte und dann wurde alles um mich herum dunkel. Und jetzt war ich hier. Wo auch immer das hier sein sollte. Mir stiegen Tränen in die Augen, ich hatte Angst. Jetzt erst wirkte das Schlamassel in dem ich Steckte wirklich auf mich. Mein Herz und mein Atem ließen sich nicht beruhigen. Ich war gefangen. Ich wollte doch einfach einen schönen Abend mit meinen Freunden verbringen, wie konnte das alles so aus dem Ruder laufen und ein so verdrehtes Ende nehmen? Ich dachte an Haylee, an ihr Lächeln, sie war meine beste Freundin geworden und jetzt saß ich hier fest, machte sie sich Sorgen? Hatten sie alle schon bemerkt dass ich weg war? Ich dachte an alle anderen Lara, Liam, Benji, an alle meine Freunde von der Arbeit und selbst der Streit mit Liam war vergessen. Die Tränen rannen über meine Wangen und in meinem Kopf stellten sich Bilder der schlimmsten Horrorszenarien zusammen. Ich hatte genügend Horror-Filme gesehen um zu wissen wie das hier Enden würde. Ich sah mich schon in Ketten in einem Keller sitzen darauf wartend von meinem Entführer gehäutet zu werden. Ich verlor mich immer mehr in diesen grausamen Gedanken und hörte fast gar nicht dass draußen eine Tür zu schlug. „Was in Gottesnamen hast du dir dabei bloß gedacht?!“ schrie eine laute, wütende Männerstimme. Das Grollen in seiner Stimme war kaum zu überhören, er stampfte auf dem Boden und er war wahrscheinlich auch der, der die Tür so unsanft geschlossen hatte. „Versuch dich zu beruhigen, Liebster.“ Eine sanfte, weibliche Stimme versuchte ihn zur Ruhe zu bringen. „Beruhigen? Beruhigen sagst du? Wie zur Hölle soll ich mich beruhigen, wenn dieser Idiot eine bewusstlose Frau hier her bringt?“ Es war wieder dieses grollen das jetzt noch bedrohlicher wirkte. Höchst wahrscheinlich war Ich damit gemeint. Ich wurde wohl wirklich entführt aber es schien ihm nicht zu gefallen. Ich sammelte all meinen Mut zusammen und schritt leise über den Boden, in der Angst er könnte jeden Moment unter meinen Füßen anfangen zu knarzen und sie darauf hinweisen das ich nun nicht mehr ganz so bewusstlos war. Vorsichtig öffnete ich die Tür und blickte auf einen kleinen Flur vor mir, gegenüber befanden sich noch zwei weitere Türen, denen ich jetzt keine weitere Beachtung schenkte. Genauso leise schlich ich den Flur entlang und mein Herz hämmerte noch immer gegen meine Brust. Der Flur endete und eine große Holztreppe breitete sich nun vor mir aus, so gut es ging versteckte ich mich hinter der Wand des Flures und versuchte einen Blick auf die Situation zu erhaschen die sich dort unten abspielte. Die schweren Schritte kamen näher und blieben vor der Treppe stehen – genau wie mein Atem. Seine Hand verkrampfte sich in das Geländer, doch er schien keine Anstalten zu machen, nach oben zu kommen – weiter Atmen Amy, befahl ich mir selbst. Ich spähte nun etwas weiter nach vorne und erhaschte einen Blick auf einen riesigen Mann, der mehr Bär als Mann zu sein schien. Seine langen lockigen Haare hatte er zu einem Zopf im Nacken gebunden und sein Bart bedeckte fast die Hälfte seines Gesichts, die Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Ich kann einfach nicht fassen, dass du wirklich so dumm warst! Ich habe dir vertraut als du gegangen bist. Wer hätte denken können das du so einen Unsinn fabrizierst.“ Eine kleine Frau mit Orangenem Haar legte beschwichtigend eine Hand auf seine Brust. Sie wirkte so unglaublich zierlich neben ihm, fasst wie eine Elfe. „Deegan, bitte. Lass es ihn doch wenigstens versuchen zu erklären. Sieh ihn dir doch an, er ist doch genauso überrascht.“ Der große Bärenartige Mann, schenkte ihr einen Mitfühlenden Blick. Ich sah wie seinen Brustkorb sich hob und senkte, er atmete schwer um sich selbst zu beruhigen. „Na gut, du hast vielleicht recht.“ Er legte eine Hand auf die der kleinen Frau und drückte sie. „Danke.“ Lächelte sie ihm zu und sah zu der Ecke aus der sie beide gerade gekommen waren. „Leg los.“ Noch immer gereizt aber nicht mehr so wild, sah nun auch er dorthin. „Ich weiß es nicht.“ Bei der Stimme, blieb mir fast die Luft im Halse stecken und ich musste mir selbst kurz den Mund zuhalten um nicht laut einzuatmen. Ich hatte diese Stimme bisher nur einmal kurz gehört und wusste doch genau wer er war, bevor er aus seinem Versteck heraus treten konnte. Sofort fing mein gerade wieder beruhigtes Herz an wie wild zu schlagen. Da stand er nun, mit einem ratlosen Gesichtsausdruck. Seine Hände, die gerade noch in den Taschen seiner schwarzen Jeans gesteckt hatten, fuhren sich nun sichtlich frustriert durch sein dunkles Haar. Mein Mund stand noch immer offen und ich konnte nichts anderes tun als ihn anzustarren. Er sah sogar noch besser aus als in diesem dämmrigen Licht des Nachtclubs. Seine smaragdgrünen Augen zeigten den Kampf den er in sich führte. Er suchte nach einer Antwort. Ich hatte noch immer Angst, doch jetzt empfand ich Mitleid für ihn, auch wenn es so dumm erschien. In dieser so unwirklichen Situation empfand ich Mitleid. Obwohl er es war, der mich eiskalt entführt hatte. Warum hatte er mich bloß hier her verschleppt? „Ich weiß es nicht, ist keine Antwort die ich zählen lasse.“ Mr. Bär sprach ruhig doch ich konnte den Sarkasmus in seiner Stimme hören. Mein Blick heftete noch immer an meinem Unbekanntem Entführer der meine Welt jetzt nicht nur in einer Weise auf den Kopf gestellt hatte. Hatte es nicht gereicht, dass er mich mit seinem Bann völlig aus dieser Welt geworfen hatte? Sein Blick verfinsterte sich und ohne es wirklich zu merken, schrak ich etwas zurück. „Das ist die einzige Antwort die ich habe! Ich hab aus einem Impuls gehandelt, es war alles so surreal. Ich weiß, dass du es nicht verstehen kannst, das konntest du noch nie. Wenn etwas für dich nicht erklärbar war, war es nicht existent!“ Er trat einen Schritt auf diesen großen Mann zu und wenn ich schon gedacht hatte das mein – der Unbekannte groß gewesen wäre, wirkte er jetzt fast schon normal. Er schien etwas zu wanken und schaute irritiert nach oben, ich konnte mich noch schnell genug zurück hinter der Wand verstecken und hielt mir den Mund zu. „Es war nicht so, wie du es mir immer beschrieben hattest und doch war es so. Ich weiß es doch auch nicht! Es war einfach eine verdammt komplizierte Situation. Hätte ich sie einfach dort liegen lassen sollen? Was ist, wenn sie es doch ist?“ Keiner Sprach ein Wort und ich hielt mich weiterhin bedeckt hinter der Sicherheit dieser Mauer. Ich hörte erneut Schritte aber sie entfernten sich von mir. „Wo willst du jetzt hin?“ fragte die tiefe Stimme, etwas Sorge schwang darin mit. „Raus. Ich muss nachdenken.“ Und damit knallte die Tür erneut in seine Schlösser. Hier war es wohl nicht üblich, die Türen leise zu schließen. „Was denkt er sich eigentlich dabei? Weiß er überhaupt was er da tut?“ Die Sorge stieg und obwohl es schien dass er sauer war, überwog die Sorge darin. Erneut hörte ich die beruhigende, sanfte Frauenstimme. „Lass ihn jetzt gehen. Er wird zurückkommen, da bin ich mir ziemlich sicher.“ Was war hier gerade passiert? Das ganze warf nur noch mehr Fragen auf aber aus irgendeinem Grund legte sich meine Angst. Ich wusste nun das mir hier niemand etwas tun würde. Trotzdem fühlte ich mich extrem unbehaglich, ich hatte ein privates Gespräch belauscht und obwohl ich noch immer eine Gefangene war, machte mir das mehr Sorgen als die Horrorszenarien die ich mir ausgedacht hatte. Ich bezweifelte zwar das sie mich in Ketten in ihren Keller sperren würden aber sie waren trotz allem nicht erfreut das ich hier war und wer weiß, vielleicht würden sie mich einfach aussetzen. Ich hatte noch nie in der Natur gezeltet, wie sollte ich dann alleine wieder zurück nach Hause finden? Ich wusste doch nicht einmal wo ich mich überhaupt befand. Die ganze Situation brachte meine Kopfschmerzen zurück. Ich beugte mich noch einmal vor um zu sehen was sie jetzt taten und starrte dabei direkt in das Gesicht der jungen Frau. Sie lächelte mich liebevoll an und ich erkannte, dass es ein echtes Lächeln war. Ihre Augen leuchteten dabei und ich konnte die Grübchen in ihren Wangen erkennen. Sie sah so freundlich und liebenswürdig aus, doch die Überraschung stand noch immer auf meinem Gesicht geschrieben. "Oh, du bist endlich wach. Wie schön.“ Sofort schnellte auch der Kopf des großen Mannes zu mir herum und er sah mich mit dunklen Augen an, die eine Mischung aus Überraschung und Wut zeigten. Eine Wut die nicht auf mich gerichtet war. Sein Blick besänftigte sich sofort als die kleine Frau seine Hand nahm und er sie mit einem Blick voller Liebe ansah. Auch sieh sah zu ihm auf und lächelte voller Zuneigung. Mir war es ein wenig peinlich die beiden in diesem Moment zu beobachten und drehte mich von ihnen weg. Was war das nur für eine Merkwürdige Situation in die ich da geraten war? „Komm ruhig herunter.“ Sprach die freundliche Stimme und ich konnte mich noch immer nicht bewegen. Nicht nur das meine Beine mittlerweile etwas eingeschlafen waren, ich wusste noch immer nicht was sie mit mir anstellen würden. „Hab keine Angst, wir werden dir nichts tun.“ Dieser Satz kam diesmal von dem Riesen. „Wir und niemand sonst. Du bist sicher bei uns.“ Sie hatte meine Frage beantwortet, bevor ich sie in meinem Kopf überhaupt stellen konnte. Ich rappelte mich auf und sofort wurde mir wieder schwindelig, der Kopfschmerz war noch immer nicht verschwunden. Er beruhigte sich lediglich wenn ich mich nicht bewegte, doch sobald ich aufgestanden war kam er zurück geschossen. Ich hielt meinen Kopf fest um nicht die Treppe herunter zu stürzen. Sie wirkten nun wirklich beide ziemlich freundlich und ich schaffte es sogar etwas meiner Sorge abzustellen, zwar noch immer in Hab-Acht-Stellung um jeden Moment abhauen zu können. Was wie ich ja schon überlegt hatte, genauso meinen Tod bedeuten könnte. „Komm ich mach dir einen Kaffee.“ Ich nickte dankbar und ging ihr hinterher. „Eine Aspirin wäre vielleicht auch keine schlechte Idee.“ Jetzt lachte der große Mann sogar und sein lachen klang sehr warm und tief. Es steckte an und jetzt konnte ich mir ein kleines Grinsen auch nicht verkneifen. Die kleine Frau stellte eine große Tasse warmen Kaffees vor mich und reichte mir noch Milch und Zucker. Zuerst trank ich jedoch das Glas Wasser, in das sich die Aspirin bereits aufgelöst hatte, in einem Zug leer. Sie sahen mich mit großen Augen an, als könnten sie von mir irgendwelche Antworten bekommen auf die Fragen die noch ungeklärt waren. „D…Danke.“ sagte ich leise. Nun sprang das alte Lächeln zurück in das Gesicht der jungen Frau. „Kein Problem, wirklich.“ Ich nickte und nahm nun auch einen großen Schluck des Kaffees. Ich traute mich nicht wirklich hoch zu sehen, so blieb mein Blick auf den Kaffee gerichtet. Meine Hände zitterten noch immer und die angespannte Stimmung machte das Ganze nicht besser. „Du musst doch bestimmt Hunger haben. Ich mach dir schnell ein Sandwich.“ Sie eilte zu dem Kühlschrank bevor ich auch nur wiedersprechen konnte. Ich war mir nicht sicher ob mein Magen schon wieder etwas Festes aufnehmen würde, beschloss es dann aber doch zu versuchen. Ich hob meinen Blick um in das forschende Gesicht des Mannes zu sehen, der neben mir Platz genommen hatte. Er war wirklich groß. Ich mit meinem einem Meter siebzig, reichte ihm gerade so bis zur Mitte seines Oberarms. Sein Gesicht sah jünger aus als erwartet, er wirkte jedoch sehr reif und erwachsen. „Hier, bitte sehr.“ Sie reichte mir das Sandwich und ich biss hinein, ich hatte nicht gemerkt wie ausgehungert ich war bis etwas in meinem Magen landete. Ich verschlang das mit Putenbrust belegte Toastbrot innerhalb weniger Sekunden. Es war köstlich – also für ein Sandwich. Ich hörte ein weiches lachen und lief Blitzschnell rot an. „Du hattest ja wirklich Hunger.“ Ich lächelte entschuldigend und spülte alles mit einem großem Schluck Kaffee herunter. Die Aspirin schien auch schon zu wirken und das pochen wurde Schwächer und Gott sei Dank verspürte ich keine Übelkeit. Ich dankte meinem Körper dafür. „Wie heißt du denn?“ fragte die liebenswürdige Stimme. Ich beschloss nun gänzlich die Angst aus meinem Kopf zu vertreiben und ließ mich auf diese merkwürdige Situation ein. Es würde sich bestimmt bald alles klären und sie würden mich wieder zurück nach Hause bringen. „Amy.“ Sagte ich kurz und nicht mehr ganz so leise. Was würde denn schon schlimmes passieren können wenn sie meinen Vornamen kannten. „Freut mich dich kennenzulernen Amy. Ich bin Alienor aber du kannst mich ruhig Ali nennen und das ist mein Mann Deegan.“ Sie zeigte auf den hochgewachsenen Mann und lächelte ihn verträumt an. Er nickte mir zu und widmete sich dann wieder seiner Frau, die er mindestens genauso verträumt ansah. Wieder fühlte ich mich fehl am Platz und versuchte die beiden nicht anzusehen. Sie waren ein wirklich ungewöhnliches Pärchen. So komplett unterschiedlich, sie war so klein und zierlich und ihre langen orangenen Haare hingen ihr in ihr blasses Gesicht, das voll von Sommersprossen war die ihre Grünen Augen umrahmten. Er hingegen war, wie schon gesagt, ein Riese und sein Teint war eher dunkler, so als hätte er viel Zeit in der Sonne verbracht. Sein Gesicht wirkte jetzt nicht mehr ganz so bedrohlich und doch hatten seine dunklen Augen etwas Düsteres. Seine Züge, auch wenn es schwer war sie unter dem dichten Bart zu erkennen, ähnelten etwas denen von meinem „Entführers“. Beide lösten sich wieder voneinander und Deegan verabschiedete sich von uns. Wir saßen nun alleine in der großen Küche, die wie erwartet, auch vollkommen aus Holz bestand. An sich hatte das alles etwas von einer großen Holzhütte, die man sich für Urlaube mieten konnte. Doch alles hier wirkte so warm und herzlich, es fühlte sich an wie ein richtiges Zuhause. Es wurde sehr viel Liebe hinein gesteckt, das konnte man an den ganzen kleinen Details erkennen. Die Notizen die am Kühlschrank hangen und auch die kleinen Deckchen die auf dem großem Esstisch lagen. Wir saßen an einer Art Bar die auch als Kücheninsel genutzt werden konnte. Wahrscheinlich würde es sogar richtig Spaß machen hier zu kochen. Auch wenn ich es mir schwer eingestehen konnte, fühlte ich mich hier wohl. Eine leichte Unbehaglichkeit war noch vorhanden aber eher durch die vielen offenen Fragen die mir durch meinen Kopf schwirrten. Alienor riss mich aus meinen Gedanken. „Dann erzähl doch mal. Wie hast du Lysander kennengelernt?“ Ich sah sie verblüfft an. Wie hatte ich wen kennengelernt? Ich hatte niemanden kennengelernt. Ich wurde hierher gebracht als ich bewusstlos wurde, das wusste sie doch aber auch. Ich überlegte wen sie meinen könnte und fragte dann doch sicherheitshalber noch einmal nach. „Lysander?“ sie lächelte noch immer, wahrscheinlich tat sie das immer und man würde sie nie ohne ein Lächeln auf ihren Lippen sehen. Doch in ihrem Blick schwang auch Mitleid mit ein. „Ja, Lysander. Er hat dich hier her gebracht.“ Sie hatte auch Probleme damit die Situation zu beschreiben und ich schätze sie wollte Worte wie: Entführt, Verschleppt und Gegen deinen Willen vermeiden. Auch ihr schien es schwer zu fallen und auch sie hatte genauso viele Fragen wie ich. „Oh.“ Sagte ich kurz. „Ich wusste seinen Namen nicht.“ Etwas schüchtern sah ich wieder auf meine Tasse, die sich nun schon gut geleert hatte. Ich spielte mit meinen Fingern an dem Henkel der Tasse herum um irgendetwas zu tun zu haben. Ich konnte nicht einfach so Still in diesem Unbehaglichem Moment sitzen bleiben. „Dann schien es ja wirklich keine normale Situation bei euch gewesen zu sein.“ Nein, als normal konnte man das ganz und gar nicht beschreiben. Was war es denn gewesen? Ein magischer Moment? Ein atemberaubender Blickkontakt? Vielleicht hatte ich auch wirklich nur zu viel getrunken und mir das Ganze nur eingebildet, aber wenn ich daran zurück denke als sich unsere Blicke trafen, prickelt meine Haut noch immer. Es war zu intensiv als das ich es mir hätte einbilden können. Aber was war es dann? Was war es, das er sogar so weit gegangen war mich hier her zu bringen? Diese Augen… Dieses Verlangen was in mir aufgestiegen war, es ist einfach so unbegreiflich. In diesem Moment zählten nur wir, nur unser Blick. Keine Worte oder Berührungen – auch wenn ich sie mir sehnlichst gewünscht hatte. Ich starrte immer tiefer in meinen Kaffee, als könnte ich in ihm die Antworten auf die Fragen finden, die mich quälen seit dem ich hier aufgewacht war. „Ich… es war etwas was ich noch nie erlebt hatte…“ Ich fand meine Stimme wieder doch sprach mehr zu mir selbst als zu Alienor, die mir jedoch gewissenhaft zuhörte. „Ich weiß es nicht.“ Ich musste schmunzeln, weil es auch seine Antwort gewesen war, die er Deegan gegeben hatte. Er hatte gesagt es sei ein Impuls gewesen und das er mich doch nicht hätte liegen lassen können. Im Nachhinein war ich ihm dankbar dafür aber warum hatte er mich nicht einfach in ein Krankenhaus gebracht? Da war jedoch eine neue Frage in mir, die Ali mir bestimmt genauso gut beantworten konnte. „Wo sind wir hier?“ platze es aus mir heraus. Ali sah etwas überrascht aus, sie hatte wohl nicht damit gerechnet dass ich das Thema so schnell wechseln würde, aber ich wollte nicht über etwas reden für das wir beide keine Antwort hatten. Alienor zögerte etwas und ich konnte in ihrem Blick eine leichte Angst erkennen, eine Angst die sie nicht für sich empfand, sondern für mich und meine Reaktion. „Nun ja…“ begann sie und war kurz davor meine Hand zu nehmen, zog sie jedoch wieder zurück. „Wir sind in Norwegen.“ Mein Mund blieb offen stehen und mein Kopf setzte einen Moment aus. „N…Norwegen?“ fragte ich nach und hoffte mich verhört zu haben. „Das Land Norwegen? Neben Schweden?“ Vielleicht gab es ja auch eine Stadt in Deutschland die so hieß, ich meine hier haben viele Städte merkwürdige Namen. Doch an ihrer Reaktion hätte ich schon ahnen können, dass wir nicht über eine Stadt mit diesem Namen sprachen. Sie nickte zur Bestätigung und alles was mir einfiel war hysterisch zu lachen. Ich befand mich in diesem Moment in Norwegen. Ich wurde nach Norwegen verschleppt. Ich hatte ja schon geahnt das an dieser Landschaft da draußen irgendetwas seltsam war aber dass es Norwegen war, kam mir nicht in den Sinn. Alienors Blick versuchte mich zu besänftigen doch ich… Ich war in Norwegen. Nach ein paar Minuten hysterischen Lachens erregte jedoch etwas anderes meine volle Aufmerksamkeit, so dass ich abrupt damit aufhörte. Hinter der Tür zur Küche versteckte sich ein kleines Mädchen und sah mich mit ihren Großen Kullerunden Augen an, die mich so sehr an Lysanders erinnerten. Es fiel mir immer noch schwer einen Namen für die Person zu haben die mich so um den Verstand gebracht hatte. Sie sah mich ungläubig an und versteckte sich noch immer hinter dem Türrahmen. Sie konnte nicht älter als drei oder vier Jahre alt sein, ihre langen dunklen Locken fielen in ihr rundes Gesicht und sie hielt meinem Blick, mit den gleichen grünen Augen stand. Keiner von uns wollte wegsehen. Als wäre es eine Art Wettbewerb. Da unterbrach und Alienor. „Zoey, was machst du denn hier?“ Ali schritt auf sie zu und nun bekam sie die ganze Aufmerksamkeit. „Du solltest doch in deinem Zimmer bleiben. Deegan wird böse werden wenn er dich hier sieht.“ Doch der kleinen schien das ziemlich egal zu sein, sie fixierte mich jetzt wieder und nahm Alienors Hand. Wie aus Reflex sprang ich von meinem Stuhl und ging auf die kleine zu, ich streckte ihr ebenfalls eine Hand entgegen und stellte mich ihr vor: „Hallo junge Frau, ich bin Amy und…“ doch weiter ließ mich die Kleine nicht sprechen. „Rettest du meinen Bruder?“ Ihre Stimme klang wie die eines kleinen Kindes, nur wirkte sie so intelligent und erwachsen, als wüsste sie genau was sie sagte. „Zoey!“ ermahnte sie Ali, doch wieder wurde sie ignoriert. „Versprech mir, dass du Lysch rettest.“ Trotz ihrer Intelligenten Worte schien es ihr wohl schwer, den Namen ihres Bruders auszusprechen. Ich erschrak über ihre Worte und war nun wieder vollkommen verwirrt. Ihn retten? Wovor? Und vor allem Wie? „Wovor soll ich ihn denn retten?“ meine Frage richtete sich an Ali. Alienor versuchte meinem Blick jedoch wieder auszuweichen und sah betrübt zu Zoey hinab. „Geh bitte wieder in dein Zimmer, ja Liebes?“ Die kleine Nickte und machte sich wieder davon, zum Abschied wunk sie mir noch. Mit jeder Minute in diesem Haus tauchten neue Fragen auf. „Das ist eine sehr lange Geschichte…“ Ich war nun doch etwas wütend und versuchte sie auch nicht herunter zu spielen, ich brauchte antworten und das jetzt. „Oh, die Kurzfassung wird es bestimmt auch tun.“ Ich sah Alienor durchdringend an. „Okay.“ Nickte sie und führte uns zurück zu unseren Plätzen an der kleinen Bar in der Küche. Ein Blick aus dem großem Fenster in der Küche verriet mir das draußen bereits die Sonne unterging. Der Himmel strahlte in hellen Rottönen zu denen sich ein paar Pinke streifen gesellten. Doch ich versuchte meine Aufmerksamkeit jetzt auf Alienor zu richten und auf das Gespräch was uns jetzt bevor stand. Ein Gespräch das mir vielleicht endlich ein paar Antworten auf meine Fragen geben könnte. Ich konnte sehen wie Alienor unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her rutschte und überlegte wie sie das Thema am besten beginnen könnte. „Was hat es damit auf sich das ich Lysander retten soll?“ begann ich das Gespräch um sie endlich zum Reden zu bringen. Meine Frage schien ihr Unbehagen jedoch nur noch zu verstärken. „Das ist nicht ganz so einfach zu beantworten…“ begann sie. „Versuch es.“ Hackte ich nach. Meine Stimme klang härter als beabsichtigt und ich zuckte vor meiner eigenen schärfe zusammen. Ich wollte mich bereits dafür entschuldigen doch Alienor sprach bereits weiter, auch sie hatte sich jetzt eine Tasse Tee gemacht und blickte tief in sie hinein als würde es ihr dadurch leichter fallen mit mir zu reden. Auch ich hatte das am Anfang unseres Kennenlernens getan. „Ich muss wohl erstmal am Anfang beginnen…“ wieder machte sie eine kurze Pause, sah mir jedoch danach fest in die Augen und begann ihre Geschichte zu erzählen. „Lysander glaubt – oder ich schätze das er es glaubt – das du seine Seelenverwandte bist. Ich weiß, ich weiß das mag jetzt etwas merkwürdig klingen.“ Und ob das Merkwürdig klang, wie konnte er glauben dass ich seine Seelenverwandte war, wenn er kaum ein Wort mit mir gesprochen hatte. Ich beschloss jedoch Alienor nicht zu unterbrechen und ließ sie weiter reden. „Aber er und Deegan, genau wie seine zwei anderen Geschwister Zoey und Sero stammen aus einem altem Volk die daran glauben das es nur einen Menschen auf dieser Welt für sie gibt. Dieser Mensch ist nicht einfach irgendjemand, sie erkennen diese Person mit ihrem Herzen und die jeweilige Person erkennt es auch sofort. Dafür reicht ein einfacher Blick.“ Bei den Worten ´ein einfacher Blick´ musste ich schwer schlucken, ich dachte an die Momente in denen sich unsere Blicke getroffen hatten und wie alles um uns herum einfach verschwand, nur noch wir existierten. Ich konnte meinen Gedanken nicht weiter verfolgen da Alienor bereits weiter sprach. „Lysander denkt, dass du diese Person bist Amy. Doch irgendetwas ist anders bei euch. Irgendetwas was wir alle nicht kennen. Normalerweise müsste die Welt für euch beide nur noch aus Liebe bestehen aber so ist es nicht, nicht wahr?“ Ich überlegte, ja der Moment hatte etwas Besonderes aber liebte ich Lysander? Nein. Da war ich mir ganz sicher, das war keine Liebe. Das erste was ich für ihn empfunden hatte als ich aus meiner Bewusstlosigkeit aufgewacht war, war Angst und Panik aber keine bedingungslose Liebe. Alienor lächelte mich an als würde sie mir sagen dass es okay wäre wenn ich Nein sagte. Das ganze klang so merkwürdig und verrückt. „Nein, ich liebe ihn nicht.“ Gab ich jetzt auch laut zu, Alienor lächelte immer noch. „Und genau das ist das Problem, Lysander schwört darauf dass du die richtige bist auch wenn du ihn nicht liebst.“ Mein Herz bekam einen Stich und ich… Ich fühlte mich schuldig. Doch tat sich in mir bereits jetzt eine größere Frage auf, eine Frage von vielen natürlich. „Woher weiß er dass ich ihn nicht liebe? Ich meine ich war seither nur bewusstlos.“ Sie lächelte noch immer und gab mir dadurch ein sicheres Gefühl. Ich hatte das Gefühl als schien es ihr zu gefallen das ich Gegenfrage stellte. Wahrscheinlich hatte sie Angst dass ich das alles von Anfang an als Schwachsinn abtun würde, aber ich konnte es nicht leugnen. Wir hatten einen magischen Moment. „Nun ja nachdem er dich hier her gebracht hatte, hast du dich an mich geklammert…“ sie machte eine kurze Pause und lächelte mir beschwichtigend zu, sie sah wohl meine Überraschung. „Und… Du hast geschrien wenn er dir näher kam.“ Mein eh schon Überraschtes Gesicht verlor jetzt alles an Haltung und mir blieb der Mund offenen stehen. „Ich habe was gemacht?“ Ich hatte geschrien? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Aber wie sie schon sagte, ich war auch bewusstlos. „Du hast dich an mich geklammert und geschrien, er solle weggehen.“ Oh. Ich hatte sogar gesprochen. Das Schuldgefühl in mir stieg und verengte meine Brust. Wieso hatte ich denn geschrien? Wie sehr ich ihn damit verletzt haben muss. Mein Blick schien wohl von Überrascht zu traurig übergegangen zu sein, denn Alienor legte mir eine Hand auf meinen Arm und drückte ihn leicht. Irgendwie war ich froh dass sie hier war, sie hatte eine beruhigende Art und auch wenn sie erst Ende zwanzig war, strahlte sie etwas Mütterliches aus. „Ich… Es tut mir leid.“ Ihre Hand strich noch weiter über meinen Arm. „Du musst dich doch nicht für deine Gefühle entschuldigen, Liebes. Wirklich. Keiner ist dir Böse. Wir wünschten uns nur, das Lysander mehr Zeit hätte.“ Und damit verschwand das Lächeln nun völlig aus ihrem Gesicht und war erfüllt von Trauer und Schmerz. Mehr Zeit? Fragte eine innere Stimme in mir, doch ich konnte jetzt nicht einfach Nachfragen. Es schien mir nicht richtig in ihrer Wunde herum zu bohren. War es das wovon die kleine gesprochen hatte? Wovor ich ihn retten sollte? Ich war zwar Krankenschwester, war mir aber ziemlich sicher dass ich ihn nicht hätte heilen können. Alienor schien krampfhaft ein paar Tränen zurück zu halten und nun lag es an mir, sie zu trösten. Ich legte meine Hand auf die ihre und hielt sie fest. Wir saßen noch ein paar weitere Minuten so da, in der ich Alienor beobachtete. Die Trauer war noch nicht ganz aus ihrem Gesicht verschwunden doch sie rappelte sich gerade wieder auf. Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen eines das nicht bis zu ihren Augen reichte. „Warum hat Lysander denn keine Zeit mehr?“ fragte ich so vorsichtig wie es mir möglich war und erschrak völlig als eine laute Stimme hinter mir erklang. „Weil er dann Stirbt.“ Es war Deegan, der nun auf uns zu kam und seine Alienor in den Arm nahm. „Wir leben nur bis zu unserem 25zigsten Lebensjahr und wenn wir bis dahin nicht unsere Seelenverwandte gefunden haben, verlässt unsere Seele unseren Körper und wir sterben.“ Sagte er mit solch harten Worten, die zwar so unwirklich schienen, jedoch aus seinem Mund wie die Wahrheit klangen. Wie konnte das möglich sein? Kein Mensch hat ein genaues Datum an dem er einfach aufhört zu Leben. Mein Kopf drehte sich und ich wusste nicht wohin mit diesen Informationen. Alienor lehnte sich an Deegan, der ihr beruhigend über den Kopf strich. Ihrer Reaktion war anzusehen, das Deegan die Wahrheit sprach. Ich wollte lieber nicht wissen woher sie das wusste. Ich wollte nicht noch mehr Salz in eine Wunde streuen die eh schon ziemlich schmerzend schien. Mein Mund stand noch immer offen und ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich schloss meine Augen und holte tief Luft, was ich als nächstes Fragen musste schien mir keine einfache Frage zu sein, doch sie musste gestellt werden. „Und wie kann ich ihm dabei helfen?“ Beide sahen nun überrascht zu mir auf. Ich musste wohl auch ein paar Dinge erklären. „Ich liebe ihn zwar nicht aber da gab es diesen Moment… diesen Moment als sich unsere Blicke quer durch einen überfüllten Raum trafen.“ Ihre Augen hellten sich auf und ich erkannte Hoffnung darin. „Was geschah in diesem Moment?“ Dieser Moment schien mir so Privat dass ich bei dem bloßen Gedanken daran errötete und mein Herz zu rasen begann. „Alles um mich herum verschwand einfach und ich konnte nur noch ihn sehen. Ich mein ich hatte einiges an Alkohol intus, doch Menschenmassen verschwinden nicht einfach so. Ich sah nur noch ihn, naja viel mehr, nur noch seine Augen. Als gäbe es nichts anderes mehr das wichtig wäre. Nichts hatte mehr einen Sinn außer seinem Blick.“ Jetzt war es Alienor die meine Hand fast zerquetschte. Sie sah Deegan freudestrahlend an, doch er war noch immer etwas skeptisch. „Deegan! Hörst du das?“ Alienor umarmte mich und ich wusste gar nicht wie mir geschieht. „Ja, aber sie liebt ihn nicht. Ich weiß nicht…“ Oh wir alle wussten so wenig. Es machte die ganze Sache gleichzeitig einfacher und schwerer wenn keiner von uns etwas wusste. „Wie kann ich ihm denn helfen?“ Nun war ich es wieder die das Wort ergriff und sah diesmal bewusst Deegan an. Er inspizierte meine Miene und seufzte dann hörbar. „Es gibt ein Ritual, ich weiß jedoch nicht ob es klappen würde wenn du ihn nicht liebst. Und es ist ein Ritual das die Liebe besiegeln soll.“ Das würde sich wirklich etwas schwierig gestalten. Draußen war es inzwischen dunkel geworden und mein Körper fühlte sich noch immer Schlapp an. Alienor ging freudestrahlend durch die Küche und räumte unser Geschirr in die Spülmaschine. Es waren erst einige Minuten vergangen seit dem wir das Thema beendet hatten und doch hatte sich die Stimmung stärker verändert als ich es geglaubt hatte. Deegan war in sein Arbeitszimmer verschwunden, wie mir Alienor erklärt hatte und recherchierte jetzt über diese Situation, ich bezweifelte zwar das er viel darüber herausfinden würde aber ließ ihn machen. Und ich, ich sah Alienor zu wie sie alles aufräumte und war froh darüber das sie jetzt nicht mehr ganz so traurig war. Es war so viel in so kurzer Zeit geschehen, so vieles von dem ich nie geglaubt hätte das es mir passieren könnte oder das es so etwas überhaupt gäbe. In diesem Moment bemerkte ich, das ich noch immer die Sachen von der Party trug und seither keine Zeit hatte mich zu duschen oder nur meine Zähne zu putzen. Ich fühlte mich so unfassbar dreckig und hätte alles für eine warme Dusche und eine Zahnbürste gegeben. Das ganze Drama hatte mich das wohl vergessen lassen aber jetzt fühlte ich mich einfach nur noch Unwohl in meiner Haut. Ich zupfte an meinen Sachen und fuhr mir durch mein Wiederspänztiges Haar, Alienor musste es wohl gesehen haben, denn sie sah mich mit einem wissenden Blick an und nahm mich bei der Hand. „Komm mit, ich weiß genau was du jetzt brauchst.“ Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln und folgte ihr aus der Küche hinaus, jetzt konnte ich das erste Mal einen richtigen Blick in das große Wohnzimmer werfen, das genügend Platz für eine riesige Familie bot. Es war – natürlich – ebenfalls komplett aus Holz, in der Mitte der längsten Wand stand ein großer steinerner Kamin, der wohl das Haus erwärmte und alles noch gemütlicher machte. Die große Couch Gruppe war aus dunkelbraunem Leder und ein riesiges Fenster gab freien Blick auf die schöne Natur Norwegens… ich schluckte. Norwegen, der Gedanke bereitete mir noch immer etwas Kopfschmerzen. Auch das Wohnzimmer war voller Liebe gestaltet mit Bildern der Familie und einigen Pflanzen, auch ein großer Fernseher hang an der Wand zwischen großen Bücherregalen. Das seichte Licht des Kamins ließ es noch kuscheliger wirken und ich konnte mir Deegan und Alienor schon fast vorstellen wie sie eng aneinander gekuschelt auf dieser riesigen Couch lagen. Ich grinste und wurde schon weiter gezogen, die große Treppe hinauf in eine Tür die auf der anderen Seite des Flures lag. Quer gegenüber von der Tür die zu meinem, beziehungsweiße sollte das wohl mein Zimmer sein, führte. In dem Raum in dem Alienor und ich jetzt standen, erhob sich vor mir ein großes Ehebett, er war wohl das Zimmer von ihr und Deegan. Hier befand sich ebenfalls ein mächtiger Schrank in dem Alienor jetzt stöberte. Ich sah mich um und erkannte auch hier liebevolle Einzelheiten. Kleine Kissen auf dem Bett, ein paar Bilder an den Wänden und Kerzen die auf einer Kommode standen. Ich errötete Leicht bei dem Gedanken wann sie diese wohl benutzten und richtete meinen Blick lieber wieder auf Alienor. Sie reichte mir ein großes Handtuch und zwei Kleinere auf der eine Zahnbürste samt Zahnpasta lag. Es fühlte sich an wie ein Himmelsgeschenk und ich konnte es kaum erwarten, all das zu benutzen. „Warte, ich bringe dir noch schnell mein Shampoo und Duschgel. Du wirst begeistert sein, das Wasser wird deine Haare traumhaft weich machen. Es ist nicht so Kalkhaltig wie in den meisten Großstädten.“ Ich nickte ihr dankbar zu und lief ihr wieder hinterher. Jetzt kam mir die nächste Erkenntnis. Ich hatte nur das zum Anziehen, was ich jetzt gerade trug. „Ali, ich weiß das unsere Figur ziemlich unterschiedlich ist aber hättest du vielleicht doch etwas für mich zum Anziehen? Ich möchte das hier nicht mehr tragen.“ Sie trug das lächeln das ich bis jetzt die meiste Zeit gesehen hatte und sagte mir ich solle mir keinen Sorgen machen, sie würde schon etwas finden. Ich solle einfach schon mal Duschen gehen. Und das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Mit dem zusätzlichen Gepäck von Alienors Duschzeug machte ich mich jetzt auf den Weg in mein eigenes Zimmer. Es war merkwürdig es als mein Zimmer zu bezeichnen, da das letzte Mal als ich darin war – was erst heute Mittag war – versucht hatte, daraus auszubrechen. Ich wusste jetzt endgültig dass ich mir keine Sorgen mehr um meine Sicherheit machen musste, ich war hier in guten Händen. Sie sind doch genauso verwirrt wie ich und wissen auch noch nicht wie sie mit dieser ganzen merkwürdigen Situation umgehen sollen. Klar gab es für sie zwar andere Faktoren als bei mir aber das Endresultat ist doch das gleiche. Ich hatte beschlossen morgen mit Deegan zu sprechen, da ich übermorgen eigentlich schon wieder zur Arbeit müsste, ich wusste nicht ob sie mich gehen lassen würden aber so verrückt der Gedanke auch war, ich wollte hier nicht Unbedingt weg. Alienor hatte so viel Hoffnung in mich und scheint es sichtlich zu genießen mal eine andere Frau hier zu haben, vielleicht könnte ich mir ja ein paar Urlaubstage eintragen lassen. Alienor hatte mir ebenfalls ein paar Abschminktücher gegeben und damit entfernte ich jetzt die restlichen Überbleibsel von Haylees Make up. Bei ihrem Namen durchzuckte mich ein erneuter Schmerz und ich wünschte dass ich mit ihr reden könnte. Doch würde sie mir überhaupt glauben wenn ich ihr all das erzählen würde was ich heute erfahren hatte? Ich war mir einfach nicht sicher, so sehr ich Haylee auch vertraute – und das tat ich – hatte ich doch angst sie würde mich für vollkommen verrückt halten. Ich hatte Haylee an unserem Vorstellungsgespräch kennengelernt und wir hatten uns sofort gut verstanden. Schon damals war ich hin und weg von ihrer Schönheit, sie war eines der Mädchen an denen Man(n) nicht vorbei gehen konnte ohne sie anzusehen. Ihre Art ließ einen immer fröhlich werden und auch damals hatte sie mir die Nervosität genommen, einfach dadurch dass sie da war. Wir hatten uns geschworen, sollten wir beide genommen werden, wir immer für einander da sein werden. Und das war sie seither auch, die vielen Male an denen ich nicht an mich geglaubt hatte, war sie da und hat mich wieder aufgebaut, hat mir gezeigt was für ein toller Mensch ich bin und das ich nicht an mir zweifeln solle. Sie hat mich dabei unterstützt als ich so viel abgenommen hatte und ging auch jetzt regelmäßig mit mir zum Sport. Ich vermisste sie, schrecklich sogar, selbst wenn es erst ein paar Stunden her war, es war einfach die Tatsache dass sie so weit war. Ich seufzte und stieg unter die Dusche, das Wasser fühlte sich wunderbar auf meiner Haut an und ich blieb ein paar Minuten länger als nötig unter dem warmen Wasser stehen. Als ich mich endlich dazu entschloss doch aus der Dusche zu steigen, fühlte ich mich direkt viel freier und auch mein Kopf hatte endlich komplett aufgehört zu schmerzen. So schnell würde ich nicht mehr zu Alkohol greifen, das war sicher. Ich hatte gar nicht bemerkt dass Ali mir Sachen hingelegt hatte und zog die Jogginghose mit Freuden an, sie hing etwas locker, was aber nicht weiter schlimm war. Als Oberteil hatte sie mit wohl eines ihrer Tops gegeben was etwas eng war im Gegensatz zu der Hose aber auch kein großes Drama darstellte. Ich putze mir seit gefühlten Jahren wieder meine Zähne und beschloss mich direkt bei ihr zu bedanken. Auf leisen Sohlen, schlich ich die Treppe herunter konnte sie jedoch weder in der Küche noch im Wohnzimmer finden. Unter der Tür in der Deegan verschwunden war, brannte noch Licht und sollte sie sich dort drin befinden, wollte ich die beiden nicht stören. Sie hatten eine wahnsinnige Verbindung, die ich bisher erst einmal gesehen hatte. Es war die Beziehung meiner Großeltern, sie liebten sich genauso abgöttisch wie Deegan und Alienor es taten, das konnte ich an ihren Blicken sehen. Sie war wohl Deegans Seelenverwandte. Ich machte mich auf den Rückweg zurück zu meinem Zimmer und legte mich dort in mein Bett. Ich war noch nicht müde und der Kamin hatte so schön geheizt das ich nicht mal meine Decke brauchte. Ich ließ den Tag noch einmal Revue passieren bis ein Klicken an der Haustür meine Aufmerksamkeit erweckte. Es war kaum zu hören, aber da es so still im Haus war und meine Ohren durch den Nachtdienst geschult sind kleine, auffällige Geräusche zu hören, nahm ich es sofort war. Die Schritte kamen die Treppe hoch und blieben vor meiner Tür stehen. Ich spürte wer es war und tat etwas was ich schon sehr lange nicht mehr getan hatte. Ich tat so als würde ich schlafen. Früher hatte das wohl jedes Kind schon einmal getan, wenn man noch wach war und die Eltern glauben sollten man wäre schon eingeschlafen. Ich drehte mich also zur Seite und schloss meine Augen, versuchte meine Atmung zu beruhigen und atmete so wie ich es beim Schlafen getan hätte. Die Tür öffnete sich und mein Herz begann in meiner Brust unaufhörlich zu pochen. Er kam herein, ich brauchte nicht hinzusehen um zu wissen dass es Lysander war, auch wenn ich ihn nicht liebte wie es die Regeln der Seelenverwandtschaft vorgesehen hatten, hatten wir doch eine Art Band das uns zu verbinden schien. Ich hoffte, dass er nicht spürte dass ich noch wach war und nur so tat als würde ich schlafen. Er blieb vor meinem Bett stehen und seufzte schwer, ich konnte mir nur allzu leicht vorstellen was er jetzt wohl empfand. Er sah mich daliegen, noch immer schlafend aber umgezogen. Er musste also wissen dass ich wach gewesen war während er nicht hier war. Mir wurde das Herz schwer bei dem Gedanken dass ich ihn retten könnte wenn ich ihn doch nur lieben würde, ich wusste nicht wie lange ihm noch blieb bis zu seinem 25zigsten Geburtstag. Er sah mich an und ging dann ein paar Schritte weg. Ich hoffte, dass er das Zimmer jetzt verlassen würde. Ich traute mich noch nicht meine Augen wieder zu öffnen und konzentrierte mich weiter auf meine Atmung. Mein Herz schien mir aus meiner Brust springen zu wollen und ich wusste selbst nicht wieso mein Herz so schnell schlug. War es vielleicht einfach das schlechte Gewissen das ich empfand seit dem ich wusste warum ich hier war? Auch wenn ich es jetzt wusste, hieß das noch nicht dass ich es auch verstand. Es war einfach alles so viel und so unwirklich in so kurzer Zeit. Ich hatte so etwas noch nie in meinem Leben erlebt und doch hatte ich das Gefühl das es richtig war. Mein Amulett lag schwer auf meiner Brust und ich wünschte mir dass mein Opa jetzt bei mir wäre, er wäre der einzige gewesen der mich nicht für verrückt gehalten hätte und mir zuhören würde. Er hätte einen guten Rat auf Lager gehabt und würde sich mit mir zusammensetzen um eine Lösung zu finden. Wahrscheinlich würde er sich genauso wie Deegan in seine Bücher werfen und solange suchen bis er etwas gefunden hätte. Jetzt wurde mein Herz noch schwerer und sein Verlust lag schwer auf mir, ich vermisste ihn so schrecklich. Besonders in solchen Situationen, in denen ich nicht mehr weiter wusste, hatte er mir stundenlang zugehört und wir saßen zusammen im Mondlicht auf seiner Veranda das mir jedes Mal so viel Kraft zu geben schien. Ich spürte wie Lysander wieder näher kam und eine Decke über mich legte, fast so wie es meine Mutter immer getan hatte. Ich musste mir ein Lächeln verkneifen, da es doch eine wirklich süße Geste von ihm war. Seine Hand streifte meine Wange und strich mir eine noch nasse Strähne aus meinem Gesicht. Diese kleine Berührung, löste eine Explosion in mir aus. Ich erschrak mich so dass ich meine Augen weit aufriss. Er sah mich überrascht an und in seinem Blick lag etwas das ich als Verlegenheit einschätzen würde. Ich weiß nicht ob er diese kleine Berührung als genauso intensiv erlebt hatte und wollte wegsehen, doch konnte es nicht. Sein Blick hielt mich wieder gefangen diesmal nicht so Welt verändernd als bei den letzten Malen. Naja, wir waren alleine, es konnten schon mal keine Menschen um mich herum verschwinden. Auch sein Blick lag auf meinen Augen. „Entschuldige bitte.“ Seine Stimme klang fester, als das es meine in diesem Moment gewesen wäre. Ich war noch immer außer Stande irgendetwas zu sagen, viel zu sehr überrascht von diesem eklektischen Gefühl das er in mir ausgelöst hatte. Er wand sich zum Gehen und stand schon in der Tür, eine Hand fest in den Türrahmen verkrampft. Ich fand meine Stimme endlich wieder. „W-Warte…bitte.“ Es war fast ein flüstern und ich war mir auch nicht sicher warum ich es gesagt hatte. Doch ich wusste dass er es gehört hatte. Ich konnte beobachten wie sich seine Rückenmuskulatur verkrampfte. Er trug ein weißes Shirt, durch das seine Tattoos leicht durchschimmerten und sich seine Muskeln widerspiegelten. Er sah so verdammt gut aus, das es mir noch schwerer viel zu sprechen. Die Wahrheit war, ich wollte wirklich nicht dass er geht. Zuerst, als er vor der Tür stand kam es mir noch zu früh vor mit ihm zu sprechen, aber nach seiner süßen Geste in der er mir eine Decke übergelegt hatte, war ich mir nun nicht mehr so sicher ob es noch zu früh sei. Er sagte kein Wort und blieb weiterhin dort stehen, immer noch verkrampft und ich hatte fast Angst um meinen Türrahmen, den er so fest umklammert hielt, das es fast schien er würde ihn zerbrechen. Ich richtete mich auf und sah ihn an. Auch wenn er mit dem Rücken zu mir stand, konnte ich sehen wie verstrubbelt und wirr sein Haar aussah, ich wusste dass es an mir lag etwas zu sagen. „G-Geh bitte nicht.“ Die Verspannung löste sich etwas, doch er drehte sich noch nicht wieder um. Was erwartete er denn? Er machte es mir wirklich nicht einfach und mir was das doch genauso unangenehm wie ihm. Ich seufzte. „Könntest du dich vielleicht rumdrehen?“ Das tat er auch und mir stockte der Atem. Sein Gesicht sah so gequält aus, so voller Sorge und Selbstvorwürfen. Er sah mich nicht an, sondern blickte steif auf den Boden, er rechnete wohl damit das ich ihn anschreien würde, warum er mich hier her verschleppt hatte und was ihm einfallen konnte über meinen Kopf hinweg zu entscheiden. Und wenn ich ehrlich war, genau das hatte ich auch vorgehabt als ich aufgewacht war. Ich wollte ihn anschreien, ihn zur Rede stellen und ihm ein schlechtes Gewissen machen, doch jetzt… Jetzt nachdem ich so viel erfahren hatte, konnte ich es ein wenig verstehen. Ich wollte es jedoch von ihm hören, seine Version der Dinge hören die hier vorgingen. „Ist schon okay…“ sagte ich stattdessen um ihn irgendwie dazu zu bewegen mit mir zu sprechen, sein Blick erhob sich blitzschnell und er sah mich ungläubig an. Nicht so wie seine kleine Schwester eher verwirrt und verständnislos. Als könnte er nicht verstehen wie ich das sagen könnte. „W-Was?“ Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher ob er überhaupt wusste was ich gemeint hatte. „Naja, es ist okay das ich hier bin.“ Ich war es jetzt die, die festere Stimme hatte, was mich selbst ziemlich irritierte. Da ich mich überhaupt nicht so fühlte. Nicht dass es nicht okay war, es war okay das ich hier war, aber sein Ausdruck auf seinem hübschem Gesicht ließ mir das Herz schwer werden. „Wirklich?“ fragte er nun doch genauso ungläubig wie seine Schwester. Ich nickte und er entspannte sich jetzt sichtlich. Wir schwiegen ein paar Minuten, da keiner wusste was er sagen sollte und ich wollte nicht schon wieder diejenige sein die das Gespräch beginnt. „D-Darf ich vielleicht noch etwas bei dir bleiben?“ Es war mehr eine bitte als eine Frage. Ich lächelte etwas, vor allem darüber das die unbehagliche Stille verschwunden war und er sah mich mit offenem Mund an. Ich versuchte mich durch seinen Blick nicht verunsichern zu lassen und rutschte etwas auf meinem Bett zur Seite so dass er Platz hatte sich zu setzen. Ich klopfte auf den Platz neben mir, zuerst stockte er etwas unsicher ob es okay war sich zu mir aufs Bett zu setzen, entschloss sich aber dann doch dazu, immerhin hatte ich es ihm ja auch angeboten. Es lagen vielleicht 50cm zwischen uns, und seine Nähe löste in mir erneut ein Herzrasen aus. Mein Mondstein der direkt über meinem Herzen lag, bändigte dieses Gefühl ein wenig – so schien es mir zumindest. Und wieder vergingen die Minuten ohne dass einer von uns beiden ein Wort herausbrachte, wir sahen uns nicht einmal an. Jeder war in seinen Gedanken gefangen. Grübelte er gerade genauso über die Fragen die ihm auf der Seele brannten, so wie ich es gerade tat? Es war merkwürdig so nah beieinander zu sein, unsere Blicke hatten doch immer ein ganzes Stück Entfernung gehabt. Sofort wurde ich wieder zurück in diese Situation geschleudert. Meine Freunde dachten ich hätte einen Geist gesehen, zum Glück konnte ich sie davon überzeugen das mir die Musik und Menschenmasse zu viel geworden waren, bevor sie mir fragen stellen konnten zu denen ich keine Antwort hatte – naja zu der ich bis dato noch keine Antwort hatte. Ich hatte ja nicht einmal gelogen, mir wurden die Musik und Menschenmasse auf einmal zu viel, aber nur weil sie Ruckartig zu mir zurück geflogen kamen, wo vorher nur er war. Die Welt hatte sich verlangsamt, wenn sie nicht sogar stehen geblieben war. Ich fühlte zwei Herzen in meiner Brust synchron schlagen und alles was ich sah waren seine Augen, alles was ich fühlte war sein Blick auf mir. Es war so intim und überwältigend, das ich fast meinen Verstand verloren hätte. In diesem Moment wollte ich das er niemals endete. Es wäre völlig okay gewesen mein Leben lang nur noch ihn anzusehen und jetzt saß er so nah bei mir und obwohl wir einen so intimen Moment zusammen gehabt hatten, sprach nun keiner ein Wort. Fast so wie ein ungewollter One Night Stand nach einem exzessiven, zu Alkoholreichen Abend, Vielleicht fühlte er ja genau das. Er meinte er hatte aus einem Impuls heraus gehandelt, vielleicht bereute er es gerade mich mit hier her gebracht zu haben und wünschte er könnte es Rückgängig machen. Dieser Gedanke erfüllte mein Herz mit einem unfassbar Schmerzhaften Gefühl. Automatisch griff ich mir an meine Brust als könnte ich den Schmerz dadurch auf meine Hand lenken oder komplett ungeschehen machen. Zu dem Schmerz gesellte sich eine Wut, die wie aus dem Nichts erschien und mich nun komplett einnahm. Wenn es so war, wieso hat er es seinem Bruder dann nicht gleich gesagt? Dann müsste ich nicht mehr hier sein und hätte nicht so ein schlechtes Gewissen. „Alles in Ordnung?“ rissen mich seine Worte aus meinen Gedanken. Die gleichen Worte hatte er auch zu mir gesagt kurz bevor ich Ohnmächtig geworden war. „Was glaubst du?“ blaffte ich ihn an. Der Schmerz und die Wut stritten in mir, wer die Überhand bekommen durfte und genauso fühlte sich mein Kopf jetzt auch an. „Ich bin nur froh dass es dir gut geht, wie du für mich empfindest interessiert mich gerade nicht.“ Er nahm meine Hand und der Streit in meinem Kopf war wie vergessen. Jetzt fühlte sich alles warm an und seine Worte bereiteten in mir den Wunsch, ihm zu sagen wie Leid es mir täte das ich ihn nicht liebte. „Ich hasse dich nicht, falls du das denkst.“ Mein Blick lag auf seiner Hand die meine einschloss. Er lächelte und ich fand nun endlich meinen Mut ihn das zu fragen, was ich wollte seit dem er in mein Zimmer getreten war. „Ich möchte deine Version hören, wieso du mich hier her gebracht hast.“ Er stockte und ich fügte hinzu. „Deine Familie hat mir schon einiges erzählt aber ich würde gerne alles von dir Wissen, alles über dein Volk, die Seelenverwandtschaft und natürlich…“ ich machte eine Pause da mir die nächsten Worte nur schwer übe die Lippen kamen. „… Was du in mir siehst.“ Sein Gesicht zeigte das er einen inneren Kampf mit sich führte, genau wie Alienor zuvor. Er ließ meine Hand los und griff sich in sein Haar, so wie ich es heute schon einmal gesehen hatte. Sein Oberarm spannte sich dabei an und ich versuchte jetzt erstmal nicht auf seine Tattoos zu achten. „Bitte…“ fügte ich noch hinzu und jetzt lag sein Blick auf mir, als würde er sagen Bitte zwing mich nicht dazu. Doch ich hielt seinem Blick stand. Er zog an seinem Haar und legte seine Stirn in Falten. „ Na schön.“ Sagte er jetzt „Lass mich nur kurz überlegen wo ich anfangen soll.“ Ich nickte und ließ ihm die Bedenkzeit, während er angestrengt nachdachte ließ ich mich doch dazu hinreißen ihn genauer zu betrachten – zumindest was seine Tattoos anging. Um seine Arme schlängelte sich ein Muster aus einer Art ranken, die vereinzelt Symbole bildeten, die mich an die Keltischen Symbole erinnerten. In Ihnen waren Rosen oder sogar Sterne versteckt, aber keine Sterne wie man es vielleicht denken mag, sondern sie sahen aus wie richtige Sterne von einem Nachthimmel. An seiner Schulter konnte ich leise einen Wolf erahnen, dieser wurde jedoch von seinem T-Shirt verdeckt. Genau wie seine Brust, ich erahnte etwas Dunkles konnte aber nicht genau sagen was es wohl sein mag. Es sah aus wie ein Vogel. Am liebsten hätte ich ihm sein Oberteil ausgezogen um es genauer betrachten zu können. Ich tadelte mich selbst. Das war nun aber wirklich der schlechteste Moment um an sowas zu denken. „Also...“ begann er und ich musste an mich halten, nicht allzu erwischt auszusehen. „Ich schätze meine Familie hat dir schon einiges über die Seelenverwandtschaft erzählt.“ Ich nickte allerdings nicht so viel das ich es Verstand. Er fuhr fort. „Unser Volk – also das meiner Familie – ist schon sehr alt und es liegt eine lange Geschichte dahinter mit einer Theorie, fast wie die der Weltentstehung in der Bibel, aber dazu später. Was haben sie dir denn erzählt? Damit ich weiß was ich weglassen kann.“ Mein ganzer Mut war verflogen und sein Sicheres Auftreten, verunsicherte mich jetzt, was vollkommen Dumm war. „Naja, das ein einziger Blick reicht um zu erkennen wer sein Seelenverwandter ist und die dann nur noch Liebe existiert.“ Ich sah beschämt auf meine Hände, weil der letzte Teil eben bei uns fehlte. „Okay… ja.“ Auch ihm viel es schwer über diese Situation zu sprechen. „Das stimmt, aber es gibt noch etwas anderes. Diese eine Person strahlt für uns. Sie ist umrahmt von Licht und wir können nicht mehr aufhören sie anzusehen. Als Gäbe es für uns nur noch eine Sache die wirklich zählen würde. Und du…“ er hörte auf uns sah mich mit einem so liebevollem Blick an, das er dem von Deegan für Alienor gleich kommen konnte. Mein Herz raste und doch war es keine Liebe die ich empfand, es ärgerte mich und ich musste die wiederaufkeimende Wut herunter schlucken. „Du hast mehr als nur geleuchtet, du hast gestrahlt. Und Du warst nicht nur eingerahmt von diesem Licht, du warst das Licht.“ Mir blieb der Mund offen stehen. Ich hatte kaum Zeit darüber nachzudenken, da Lysander schon weiter sprach. „Ich war vollkommen verwirrt, Deegan hat mir mehrfach davon erzählt wie es bei ihm und Alienor war, das sie ihm wie ein Engel erschien, eingerahmt von einem warmen Licht. Aber du… Du hattest ein gleisend helles Licht um dich herum, es war kein warmes Licht wie das der Sonne, eher weiß wie das der Sterne, nein, wie das des Mondes.“ Er erzählte so beeindruckt davon dass ich mir unwillkürlich bei dem Wort Mond, an mein Mondsteinamulett griff. Es lag versteckt unter meinem Top und meistens trug ich es so, dass es für keinen Sichtbar war. „Deswegen war ich mir auch so sicher dass du es sein musstest. Es gab für mich keinen Zweifel.“ Sein warmer Blick wurde ganz plötzlich zu einer traurigen Miene und ich wusste sofort woran er dachte. „Bis ich angefangen habe zu schreien, als du mir näher kommen wolltest…“ Ich sprach den Gedanken aus der uns beiden im Hals zu stecken schien. Ich wollte ihn weiter reden hören und wollte dass er nicht mehr so traurig drein schaute, die Leidenschaft mit der er erzählt hatte, steckte mich an und ich konnte nicht genug davon bekommen. Ich wollte seine Lippen weiter beobachten wie sie sich bewegten während er sprach, sie sahen so weich aus. „Erzähl mir mehr von deinem Volk.“ Sein Blick war zwar nicht mehr traurig, doch er versteifte sich jetzt wieder und ich konnte den inneren Kampf in ihm beobachten. „Wir sind ein sehr altes Volk und wir…“ er rang mit seinen Worten. „… Wir sind anders.“ Anders? Meine Neugier war geweckt und ich griff nach seiner Hand, erneut durchfuhr uns ein elektrischer Schlag und diesmal war ich mir sicher dass er ihn auch gespürt hatte, denn er sah mir direkt in meine Augen. „Hab keine Angst, ich hab heute schon so viel gehört was anders war als alles was ich bisher kannte.“ Ich lächelte und er entspannte sich, doch fuhren diesmal beide seiner Hände in seine Haare und ich hatte Angst er könne sie sich jeden Moment heraus reißen. Seine Stirn lag wieder in Falten und ich fragte mich wirklich was das für ein schweres Thema sein konnte, das er sich so sehr den Kopf darüber zerbrach. Und trotz dass seine Stirn in Falten lag, sah sein Gesicht einfach atemberaubend schön aus, so liebevoll und sanft. Auch er hatte diesen Teint als wäre er oft in der Sonne gewesen, es hatte etwas Südländisches und er strahlte so viel Vertrauen aus. Seine Augen öffneten sich wieder und er starrte auf meinen Holzfußböden als könnte er darin irgendetwas erkennen. „Wir sind ein sehr altes Volk, und mit sehr alt meine ich sehr Alt. Laut Erzählungen schon viele Jahrtausende, wir sind so alt wie die Geschichte selbst. Die Geschichte wie unser Volk entstand ist etwas kitschig, willst du sie wirklich hören?“ Ich hörte gespannt zu und nickte schnell. Ich setzte mich in einen Schneidersitz, direkt neben ihn um ihm besser beobachten zu können, während er erzählte. „Na gut, aber ich habe dich gewarnt.“ Scherzte er und lächelte. Mein Angestrengter Blick ließ ihn wohl direkt weiter erzählen. „Damals als es weder Tier noch Mensch gab, verliebte sich der Mond in die Schatten. Sie faszinierten ihn, wie sie vor ihm tanzten, während er sich bewegte. Er wollte sie verzweifelt berühren, doch je näher er ihnen kam desto weiter entfernten sie sich von ihm. Und wenn er kaum zu sehen war, versteckten sie sich vor ihm – so glaubte er. Er beobachtete das ganze viele Jahre und seine Sehnsucht wuchs immer weiter…“ Lysander machte eine Pause und sah mich sanft an, seine Hand strich über mein Gesicht und wischte mir eine Träne von meiner Wange. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich angefangen hatte zu weinen, doch mein Herz fühlte das Leid des Mondes so unendlich tief mit. „Bitte erzähl weiter.“ Bat ich ihn und er erfüllte mir meinen Wunsch. „… Wie bereits gesagt, seine Sehnsucht wuchs und wuchs, und war für ihn kaum mehr auszuhalten. Doch er konnte nicht weg, denn er hatte verstanden dass die Schatten ohne ihn nicht existieren konnten. Sie hatten sich nicht vor ihm versteckt, sie konnten ohne Licht nicht Leben. Also beschloss er eines Tages, einen Teil seiner Macht zu nutzen um die Schatten zu manifestieren. Es hatte viele Versuche gebraucht – durch diese Versuche, hatte er die Tierwelt erschaffen. Die Wölfe kamen an seine Vorstellung schon nah genug heran, sie liebten den Mond und heulten ihn jede Nacht an, doch sobald er näher kam, hatten sie Angst. Er schwor sich noch einen letzten Versuch zu starten und erschuf die Schattenwanderer. Die Schattenwanderer waren Menschen, genau genommen Männer, die all seine Vorherigen Versuche in sich trugen, um alles zu sein was sie sein wollten. Es war das Geschenk des Mondes. Sie trugen die liebe der Wölfe in sich, genau wie die Flügel der Vögel um näher an ihn heran zu kommen und der Mut all der Lebewesen zusammen reichte aus damit sich der Schattenwanderer auf den Weg machen konnte den Mond zu berühren. Doch egal wie hoch er flog, er konnte ihn nicht erreichen. Der Mond musste feststellen, dass es noch immer an ihm lag nicht berührt werden zu können. Und so erschuf er ein weiteres Lebewesen, eine Frau. Doch dieser gab er ein anderes Geschenk. Er gab ihr einen Teil von sich selbst. Sie leuchtete wie der Mond selbst und war wunderschön. Der Schattenwanderer, verliebte sich sofort in das Mondlicht der Frau und beide konnten sich nun endlich berühren. Der Mond hatte es nun endlich geschafft seinen geliebten Schatten zu berühren. Doch durch den großen Teil an Kraft und Licht den er ihr Geschenkt hatte, war es ihm nun nicht mehr möglich jede Nacht in voller Größe zu erstrahlen…“ ich unterbrach ihn, noch immer unter Tränen und mit einem Schmerz als wäre ich selbst der Mond gewesen. „Die Mondphasen…“ hauchte ich heraus. Er lächelte mich tröstend an. „Ganz genau, doch dieses Opfer war er bereit zu geben, dafür dass er seine Liebe nun endlich berühren konnte. Die Schatten können ohne ihr Licht nicht existieren, deswegen verschwinden sie irgendwann. Und das irgendwann begrenzt sich auf 25 Jahre.“ Er strich mir erneut über meine Wangen und ich versuchte das aufgenommene zu sammeln und zu ordnen. Doch sein Tod stach einfach aus dem ganzen heraus… „Wie lange ist es noch bis zu deinem 25zigsten Geburtstag?“ Ich wollte es endlich wissen, wie viel Zeit hatte ich um ihm zu helfen? Mein Magen zog sich zusammen und mir fiel es schwer zu atmen. „Sechs Tage, naja genau genommen jetzt noch fünf.“ Ich unterdrückte einen kleinen Schrei indem ich mir die Hand vor den Mund presste, wie ich es heute schon ein paar Mal getan hatte. Fünf Tage… das war nicht gerade viel um ein Leben zu retten. Mein Kopf rotierte und rotierte. Wie sollte ich das in der kurzen Zeit nur schaffen und vor allem wie konnte ich sein Leben überhaupt retten? Mir stiegen erneut Tränen in die Augen, Alienors trauriges Gesicht vor meinen Augen und der starke Deegan der versuchte sie zu stützen obwohl es hier um den Tod seines Bruders ging. „Ich möchte nicht dass du dir wegen mir Sorgen machst. Hörst du?“ Ich hörte was er sagte, doch begriff ich es nicht, es lag an mir ob er leben oder sterben würde. Sein Leben lag in meinen Händen, nur in meinen Händen. „Hey, sieh mich an.“ Er hob mein Kinn an, so dass ich ihm in die Augen sehen musste, auch wenn ich ihn nicht liebte, konnte ich darin erkennen dass er es bereits tat. Meine Tränen liefen mir heiß über meine Wangen und er wischte jede von ihnen Weg. Mein Herz schien sich zu verkrampfen und ich wollte es zwingen ihn zu lieben. Das würde so viel einfacher machen. Und da kam mir die Idee. „Das Ritual!“ rief ich laut, er starrte mich überrascht an. Verwirrt darüber, dass ich davon wusste. „Was gehört zu diesem Ritual…“ Ich musste eine schwere Pause machen um den riesen Klos in meinem Hals herunter zu schlucken. Flüsternd fügte ich hinzu. „…außer der Liebe.“ Er lächelte mich in einer Weise an in der man kleine Kinder anlächelte, wenn sie eine völlig irrationale Idee haben. „Bitte… Wie läuft dieses Ritual ab?“ Ich wollte es wirklich wissen und legte mein ganzes Selbstbewusstsein in diesen Blick. Er seufzte und ich wusste dass ich gewonnen hatte, er würde es mir erzählen. Ich konnte mir ein kleines Siegeslächeln nicht verkneifen. „Ich muss von dir trinken.“ Mein Lächeln verschwand genauso schnell wie es gekommen war und alles was blieb, war ein großes Fragezeichen. Von mir trinken, was sollte das denn bedeuten? „…Dein Blut.“ Mein Mund klappte unweigerlich herunter und ich war außerstande irgendetwas zu sagen, naja irgendetwas Sinnvolles. Schattenwächter, okay. Vampir?! Völlig ausgeschlossen. Und doch handelte mein Mund vor meinem Hirn. „Du bist ein Vampir?“ fragte ich entsetzt. Ich sah wie er sich das Lachen verkniff – zumindest das er es versuchte. Ihm standen Tränen in den Augen und lachte aus voller Seele. Auf der einen Seite kam ich mir ziemlich dumm vor und fühlte mich von ihm ausgelacht, doch auf der anderen Seite genoss ich es sein sorgenloses Lachen zu hören. Es klang so ernsthaft, so wirklich echt. „Nein, kein Vampir. Sind dir Schattenwanderer nicht schon mystisch genug? Immerhin kann ich mich in andere Tiere verwan…“ Er brach mitten im Satz ab und auch mir wurde bewusst was er gerade sagen wollte. Verwandeln. Er konnte sich in andere Tiere verwandeln. Ich mein ich weiß nicht ob er es kann, aber er hatte es gerade gesagt. Interessanterweise war ich nicht mal wirklich überrascht, dieser Tag hatte schon zu viele Neuigkeiten für mich bereitgehalten. Ich… Ich war neugierig. Das würde mein Gefühl am ehesten beschreiben. Ich wollte es sehen. Seine Stimmung schwang um, auch ihm war bewusst dass es jetzt kein Zurück mehr gab. „I- Ich kann es dir zeigen, wenn du möchtest.“ Ich nickte, er war bereits daran aufzustehen, als mein Hirn schon wieder vor meinem Mund handelte. Alles schien auf einmal so klar, eine einfache Lösung um sein Leben zu retten. „Du musst einfach nur von meinem Blut trinken.“ Sagte ich fest und strahlte ihm entgegen. Stolz über meine eigene Erkenntnis . Seine Nervosität, wisch einer Wut, die für mich nicht zu verstehen war. Es geht hier nicht um Liebe, sondern um das Blut, Blut bedeutet leben, oder etwa nicht? „NEIN!“ schrie er mir entgegen. „Wie kommst du auf so eine Blödsinnige Idee?“ jetzt klang er genau wie Deegan, als dieser mit ihm geschimpft hatte. Aber wieso verstand er denn nicht das die Lösung so einfach war, so zum Greifen nah. Er packte mich an meinen Schultern und warf mich zurück auf mein Bett, das unter seinem starken Druck ganz schön knarzte. Ich dachte schon fast dass es jeden Moment unter uns zusammenbrechen könnte. Sein Blick lag hart und weich zugleich auf mir, mein Herz schlug durch die plötzliche Nähe heftig in meiner Brust, ich spürte wie seine Arme vor Wut zitterten. Einen Moment dachte ich, dass seine Augen etwas Animalisches bekamen, doch das war genauso schnell verschwunden wie es gekommen war. „Ich werde dein Blut nicht einfach so trinken! Es ist ein Ritual um die Liebe zweier Menschen zu besiegeln und kein Sinnloser Blutrausch.“ Ich wollte gerade protestieren, dass es nicht einen Blutrausch ging oder um etwas anderes „Sinnloses“ sondern darum sein Leben zu retten. Da brachte er mich erneut zum Schweigen indem er weiter sprach und seine Worte so voller Überzeugung waren. Voller Überzeugung, Wille und…Liebe. „Du willst mich wirklich Retten? Dann werde Ich dafür sorgen, dass du dich in mich verliebst! Ehrlich und wahrhaftig in mich verliebst. Nicht in die Vorstellung mich zu Retten oder noch schlimmer mich Retten zu müssen, sondern in mich, in mein Herz und mein Sein. Erst dann und NUR dann werde ich von dir trinken. Nicht vorher!“ Er sprach die Worte so hart aus als hätte er damit einen Vertrag besiegelt. Mir blieb die Luft weg und wieder einmal war ich Sprachlos – das wurde wohl zur Normalität bei ihm. Er atmete schwer und drückte mich noch immer in meine Matratze. Seine wirren Haare standen in alle Richtungen und seine Ansprache, so wie sein Aussehen gerade, ließen mein Herz höher schlagen und diesmal auf eine Weise wie es es vorher noch nicht getan hatte. Ich musste unwillkürlich lächeln und strich ihm eine Haarsträhne die sich verirrt hatte zurück. „Okay. Einverstanden.“ Er war wohl noch immer etwas außer Atem von seiner Ansprache und sah mich mit einem fragenden Blick an und ich bestätigte es mit einem Lächeln, das auch nun ihn endlich lächeln ließ. Und so lagen wir da, sahen uns in die Augen und lächelten uns an. Der Start seines Plans, dass ich mich in ihn verlieben sollte. Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Wir saßen nun wieder nebeneinander und eine Frage brannte mir noch immer auf der Zunge. „Wie hast du mich eigentlich gefunden?“ Ich hatte ihn, nach der Sache mit Liam nicht noch einmal gesehen und hatte mir schon die ganze Zeit überlegt wo er wohl gewesen war. Auch wenn ich froh war das er nicht mitbekommen hatte, wie albern ich mich aufgeführt hatte. Es war peinlich darüber nachzudenken wie sehr ich ausgeflippt war. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Sein Blick ruhte nun ruhig auf mir und doch konnte ich ein gewisses Mitgefühl darin erkennen. „Weißt du eigentlich was wirklich passiert ist?“ Was wirklich passiert ist? Meint er etwas den Streit zwischen Liam und Michael? Michael der Typ der sich den ganzen Abend schon an mich heran gemacht hatte. Es war mir unangenehm in seiner Nähe, er war so aufdringlich und konnte ein Nein einfach nicht akzeptieren. Ein Unbehagen stieg in mir auf, ich wusste dass die Wahrheit wohl ziemlich unschön werden würde. „Weißt du es denn?“ neckte ich ihn und konnte ein kleines Lächeln erkennen bevor er sich wieder einmal verkrampfte. „Ich habe…etwas gelauscht. Muss ich wohl zugeben.“ Er sah mich durchdringend an und nahm meine Hand. Diesmal fühlte ich kein Unangenehmes Gefühl wie bei Michael. „Und was hast du gehört?“ Sein Daumen fuhr kleine Kreise über meine Hand. „Dieser Kumpel von deinem Freund, er hat etwas sehr unschönes getan.“ Es schien ihm wohl nicht sehr einfach dieses Unschöne auszusprechen. Ich drückte seine Hand als Zeichen das es okay war es mir zu erzählen, außerdem genoss ich die Wärme die seine Hand ausstrahlte. „Er hat dir Drogen in deinen Drink gemixt, keine KO-Tropfen aber eine Droge die dich wohl etwas Lockerer machen sollte.“ Lysander betonte das Wort voller Abscheu. Ich hingegen versuchte meinen Schock darüber herunter zu schlucken, es war jetzt nicht an der Zeit um in Panik auszubrechen. Außerdem wollte ich wissen wie die Geschichte weiter ging. „Deswegen war Liam also so sauer…“ Aber wieso hatte er mich dann alleine gelassen? Wieso hat er mich nicht selbst nach Hause gebracht? Ich fühlte mich von ihm im Stich gelassen. „Ja, das war der Moment in dem er es erfahren hatte. Ich hätte diesem Typen am liebsten sofort eine verpasst, dein Freund wohl auch. Aber er wusste das es jetzt oberste Priorität hatte das du nach Hause kommst. Er hat sich deine Tasche geschnappt und wollte dich schon nach Hause bringen, doch dann bist du etwas…“ er suchte nach einem netten Wort zu meinem nicht netten Verhalten. „Ausgeflippt.“ Beendete ich den Satz für ihn. Oh Mann, jetzt fühlte ich mich noch dümmer. „Ja, das kann man so sagen. Wobei ich glaube, dass da eher schon die Droge aus dir gesprochen hatte. Er hat eingesehen dass du dich wahrscheinlich nicht von ihm nach Hause bringen lassen würdest. Also ist er wieder rein und wollte deinen zwei Freundinnen Bescheid geben, doch du bist schon wütend abgedampft und das in eine Richtung die sie nicht bedacht hatten. Ich wusste, dass es nicht richtig war das Ich dich Suchen würde, ich war ja noch ein völlig Fremder für dich, doch ich wusste auch das ich dich finden kann und um deine Freundinnen einzuweihen, dafür war es schon zu spät. Ich hatte Angst um dich und wollte nicht dass dir etwas passiert. Also bin ich aus diesem Club raus und es war mir als hätten meine Füße mich gelenkt und mir den Weg gezeigt.“ Ich beobachtete ihn und die Situation jetzt aus einer anderen und vor allem nüchternen Perspektive. Das zu sehen machte meine ganze Aktion nur noch erbärmlicher. Ich könnte mich in Grund und Boden schämen, aber er hatte Recht, ich war nicht ich selbst. Ich stand unter Drogen. Ich wusste ja dass Michael ein Arschloch war aber dass er sogar so weit gehen würde mir Drogen in mein Drink zu mischen, hätte ich wirklich nicht gedacht. Ich hatte Liam ganz umsonst angeschrien, und oh was ich ihm alles an den Kopf geworfen habe. Wie könnte ich ihm je wieder unter die Augen treten. „Und als du dann da so vor mir saßt, mein Herz ist mir fast in meine Hose gerutscht. Ich hatte es gerade noch so geschafft dich zu finden. Naja und dann bist du einfach in meinen Armen zusammen gebrochen. Ich habe wirklich versucht dich aufzuwecken aber du hast nicht nur geschlafen, du warst bewusstlos. Meine Angst vergrößerte sich und ich wusste nicht was ich tun sollte und dann hab ich aus einem Impuls gehandelt und dich hier her mitgenommen.“ Er wurde verlegen und ich konnte eine leichte Rötung in seinem sonst so makellosen Gesicht erkennen. Er schämte sich. Dieser Verlegene Gesichtsausdruck ließ mich das grausige Ereignis fast vergessen. Es ließ mein Herz höher schlagen. Die meiste Zeit in der ich hier war, habe ich ihn als Bösewichten eingestuft, als völlig Irren der mich nur zu seinem besten hier her verschleppt hatte aber er hatte sich wirklich Sorgen um mich gemacht. Für ihn war es wohl auch nicht einfach, er hatte mir erzählt das ich für ihn geleuchtet habe, was ein klares Zeichen dafür war das ich seine Seelenverwandte war und dann brach ich einfach in seinen Armen zusammen. Ich musste schmunzeln. „Will ich wissen wie du es geschafft hast eine bewusstlose Frau nach Norwegen zu bringen?“ Jetzt lachte auch er und mein Herz füllte sich wieder mit einer Form von Glück, die etwas völlig neues für mich war, es war noch keine Liebe – ja ich sage extra noch – aber ich fühlte mich so unendlich Glücklich wenn er es war. Es schien fast so als würden wir die Gefühle des anderen spüren und in uns aufnehmen vielleicht übernahmen wir sie sogar. Das alles war noch so neu für mich und fühlte sich so richtig und falsch zugleich an. Wie konnte ich so etwas verspüren wenn ich ihn kaum kannte und doch fühlte es sich so unfassbar korrekt an das seine Hand auf meiner lag, wie er immer wieder darüber strich und unsere Finger perfekt ineinander passten. Er schenkte mir ein verschmitztes Lächeln und legte sich einen seiner langen, grazilen Finger auf seine vollen Lippen ohne meine Hand dabei loszulassen. Diese kleine Berührung seiner Hand ließ mich wissen dass es die richtige Entscheidung gewesen war, es zu versuchen. Ich würde versuchen mich in ihn zu verlieben und er wollte alles daran setzen dass ich es auch tat. „Nein, das willst du wirklich nicht wissen und es bleibt auch mein kleines Geheimnis.“ Ich kann nicht mehr genau sagen wie lange wir so dasaßen, mein Kopf ruhte auf seiner Schulter und es war schon sehr spät geworden. Ich hatte zwar keine Uhr aber mein Körper war kraftlos. Ich hatte das Gefühl als könnte ich jeden Moment einschlafen. Ich wollte jedoch nicht dass er ging, seine Nähe strahlte etwas aus was ich noch nicht Verstand etwas das wohl mit dieser Seelenverwandtschaft Sache zu tun hatte. „Würdest du heute hierschlafen?“ fragte ich also schließlich. Mein Blick ruhte auf unseren ineinander verschränkten Fingern. „Sehr gerne.“ Und ganz Gentleman löste er sich von mir und machte es sich auf dem harten Fußboden gemütlich. Ich lächelte und war froh darüber dass er nicht direkt neben mir schlafen wollte. Was bestimmt auch nicht schlimm gewesen wäre aber mein Kopf musste über vieles Nachdenken, was kaum möglich war, wenn er so nah bei mir lag. Ich reichte ihm eines der vielen Kissen und er nahm sich eine der dünneren Decken auf meinem Bett. Ich weiß nicht wer gedacht hatte dass ich hier frieren würde aber ich hatte drei Decken in meinem Bett, eine dünne die er sich bereits genommen hatte um sich damit zu zudecken und zwei dickere, von denen ich ihm jetzt auch noch eine reichte. „Leg diese wenigstens noch unter dich, der Boden ist doch viel zu kalt.“ Er bereitete jetzt erneut sein Nachtlager vor, diesmal auf der Decke und nahm dann erneut meine Hand um mir einen sanften Kuss darauf zu geben. Mein Körper kribbelte und ich vernahm es als ein gutes Zeichen das ich kein Unbehagen dabei spürte. Es war eine kleine Geste und doch sagte sie so viel aus. „Gute Nacht, Prinzessin.“ Sein Kosename ließ erneut einen warmen Schauer über meinen Körper gleiten und nun kuschelte auch ich mich in mein warmes Bett. „Gute Nacht, Schattenwanderer.“ Er lächelte und löschte die kleine Lampe an meinem Bett die uns noch als Lichtquelle gedient hatte. Mein Körper verspürte eine Müdigkeit die ich schon lange nicht mehr verspürt hatte und schlief zu Lysanders ruhigen Atemzügen ein. Ich befand mich auf der Veranda meiner Großeltern, ich erkannte sie sofort und vor mir lag ihr großer, prächtiger Garten. Ich hatte diesen Garten schon immer geliebt, als kleines Kind habe ich hier sehr viel Zeit verbracht und so einige Abenteuer erlebt. Fast konnte ich sehen wie ich als kleines Mädchen mit meiner jüngeren Schwester Lucy hindurchrannte. Oma hatte uns als Elfen und Feen verkleidet und wir waren ihre Naturgeister, die ihren Garten am Leben erhielten. Unsere Großeltern schworen darauf das nur durch und wegen uns alles so erstrahlte wie er es eben tat, das ihr Obst und Gemüse nur so gut schmeckte dank unserer positiven Energie. Doch jetzt saß ich in dem Schaukelstuhl in dem meine Oma jedes Mal gesessen hatte, wenn sie uns Beobachtet hatte. Es war Nacht und der hell am Himmel strahlende Mond spiegelte sich zusammen mit der alten Trauerweide in ihrem großen Teich. Dieser Teil des Grundstückes hatte schon immer etwas Magisches gehabt und als ich dann noch Pocahontas gesehen hatte, konnte ich diesen Teil nie wieder wie vorher sehen. Meine Großeltern wohnten sehr weit außerhalb, so das kein Stadtlicht den Blick auf den wunderschönen Nachthimmel trübte, ich war immer sehr traurig wenn ich zurück nach Hause zu meinen Eltern kam und dann nicht mehr alle Sterne am Himmel sah. Meine Schwester und ich haben wirklich eine tiefe Verbindung, sie ist gerade 19 Jahre alt geworden und ich war nur knapp 2 Jahre vor ihr geboren, so waren wir immer mehr als nur Schwestern. Wir waren Freundinnen, doch sie war immer eher das Stadtkind und ihr wurde es schnell bei Oma und Opa langweilig. Ich hingegen hätte immer hier leben können, hätte immer den vielen Geschichten meines Großvaters zuhören und mich darin verlieren können. Sie waren die Eltern meiner Mutter von der ich auch das meiste meines Aussehens geerbt hatte, die langen Rotbraunen Haare, meine vollen Lippen und die Haselnussfarbenen Augen in denen sich Grüne Sprenkel verirrt hatten. Mein Großvater besaß die gleichen Augen, nur lagen um seine Augen immer ein paar kleine Falten die sein weiches Wesen nur noch mehr unterstrichen. Sein langes Haar, das mit der Zeit ergraut und fast schneeweiß geworden war, hatte er immer zu einem Zopf gebunden der ihm bis zur Mitte seines Rückens reichte. Doch Bilder von früher zeigten, dass er mal tief schwarzes Haar gehabt haben muss. Meine Oma hingegen, war eine typische Omi. Klein mit kurzem Lockigem Haar und immer einem Lächeln auf ihrem Gesicht - genau wie Alienor. Der Tod meines Großvaters hatte uns alle schwer getroffen, besonders uns beide, es kam so plötzlich und unerwartet das es uns den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Meine Mutter war für uns beide dagewesen und hatte viel Zeit schweigend mit uns verbracht in Gedenken an den tollsten Mann der jemals auf dieser Erde gelebt hatte. Und mein Dad, naja, für ihn war es auch nicht einfach, er und meine Schwester hatten sich um alles gekümmert. Mein großer, mutiger und immer witziger Vater hatte mir erzählt das er, als er meine Mam kennengelernt hatte, ziemlich große Angst vor meinem Opa hatte. Meine Mutter war sein einziges Kind und das konnte er doch nicht einem X-beliebigem Typen mitgeben, er hatte ihn ziemlich getriezt und ihn hart schuften lassen. Doch letzten Endes hatte sich mein Vater als würdig erwiesen und durfte meine Mutter heiraten. Für andere Leute schienen meine Großeltern immer etwas merkwürdig, unsere ganze Familie war ein ziemlich Chaotischer Haufen und es gab nicht nur einmal Streit. So viele polarisierende Charaktere zusammen ergibt schon mal Zündstoff, Gesellschaftsspiele brachten das Ganze dann auf ihren Höhepunkt. Meine Gedanken an die alte Zeit, bildeten kleine Tränen in meinen Augenwinkeln und doch musste ich dabei lächeln. Der Garten meiner Großeltern schien so ruhig, so friedvoll und doch so voller Magie. Alles hier strahlte eine Gewisse Kraft auf, die ich als Kind schon gespürt hatte. Hinter mir erklang das Glockenspiel in hellen Tönen, jemand hatte die Tür geöffnet, doch mein Blick hang weiter auf der alten Trauerweide die sich sanft im Wind wog. „Hallo mein Kind.“ Erklang eine vertraute, weiche Stimme neben mir, noch immer betäubt von der ruhe des Ortes drehte ich mich zur Seite und sah jemanden in einem Schaukelstuhl sitzen. „Großvater…“ meine Augen füllten sich mit Tränen, die mir schnell und heiß über meine Wangen rannen, ich hatte ihn so lange nicht mehr gesehen. Der Mondstein auf meiner Brust erleuchtete als Zeichen das auch er ihn erkannte, es war kein Trugbild. Er wirkte so wirklich, so echt. So als wäre er nie weggewesen. „Ja, ich bin es.“ Er lehnte seinen Kopf zu mir herüber und schenkte mir sein warmes, herzliches Lächeln das meine Kindheit begleitet hatte. Es sagte: Alles wird gut. „Aber wie kann das sein?“ Seine Hand streckte sich mir entgegen und blieb an meiner Wange liegen, ich legte mein Gesicht in seine warme Hand. Es fühlte sich so real an. „Das hier ist dein Traum, mein liebstes Kind.“ Da begriff ich, er hatte Recht. Gerade jetzt lag ich schlafend in dem Bett in Lysanders Haus. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Ich besinn mich und hörte auf zu weinen, ich hatte viele Nächte für ihn weinend verbracht. „Ich muss mit dir reden, deswegen bin ich hier Amy.“ Seine ernsten Worte rissen mich aus meinem Selbstmitleid. Wie konnte das sein? Bildete ich ihn mir ein, weil ich in einer Situation war in der nur er mir hätte helfen können? Aber er hatte gesagt er müsse mit mir reden. Gefangen in meinen Gedanken nickte ich ihm zu. Wir hatten nie viele Worte gebraucht um uns zu verstehen. „Weißt du wer du bist?“ perplex sah ich meinem Großvater in die alten Augen, als hätte er völlig den Verstand verloren. Es war schon immer ein Gefühl gewesen als würde ich mir selbst in die Augen sehen. Gaelei sagte nie etwas ohne einen weiteren Sinn dahinter, doch diese Frage war Absurd. „Natürlich weiß ich das. Ich bin Amy deine Enkelin.“ Er lachte und sein lachen riss eine riesige Wunde voller alter Erinnerungen auf, sein Lachen war laut und tief. Er konnte damit einen ganzen Saal füllen. „Nein mein Kind so meine ich das nicht.“ Er sah mir tief und ernst in die Augen. „Erinnerst du dich an die Geschichten die ich dir als Kind erzählt habe?“ Natürlich erinnerte ich mich an sie, an jede einzelne. Ich habe sie als Kind geliebt und geliebt wie er davon gesprochen hatte. „Meinst du die über dein Volk?“ Er nickte zustimmend und seine Miene wurde wieder weicher. „Die Lunae, das Volk des Mondes.“ Seine Hand strich mir liebevoll über mein Haar. „Du bist eine von ihnen, du bist ein Kind des Lichts.“ War ich nicht automatisch eine von ihnen? Immerhin war ich seine Enkelin. Ich kannte meinen Großvater zu gut, da steckte noch mehr dahinter. „Was bedeutet das?“ Unser Gespräch schien so normal, so als wäre er noch immer hier und als wäre es kein Traum. Das ganze konnte doch nicht einfach aus meiner Fantasie springen. Gaeleis Blick ruhte auf mir und ich fühlte mich wieder wie das kleine Mädchen das spannend seinen Geschichten lauschte. Das junge Mädchen das an all das glaubte, sah ihren Großvater mit leuchtenden Augen an und hoffte das er endlich weiter sprechen würde. „Du bist einem Schattenwanderer begegnet, das war dein Schicksal mein Kind.“ Der Schock stand mir ins Gesicht geschrieben, mein Herz raste und ich wurde nervös. „Woher weißt du das?“ Meine Stimme zitterte und brach fast. Mein Großvater lächelte mich besänftigend an und strich erneut über meinen Kopf, seine Hand ruhte auf meiner Wange und mir wurde das Herz schwer. Es schien so lange her, seit dem wir das letzte Mal so ein Gespräch geführt hatten, so lange Zeit ohne ihn. Ich hielt meine Tränen zurück, da ich spürte was er als nächstes sagen würde. „Weil ich immer bei dir war, ich war niemals wirklich weg.“ Ich schluckte schwer und spürte erneut wie mich die Trauer übermannen wollte. Ich kämpfte dagegen an. Ich wollte stark sein. Stark für ihn. „Opa…“ meine Stimme brach und ich nahm seine Hand, hielt sie so fest das es schmerzte. „Du musst mir jetzt zuhören, ich habe nicht mehr viel Zeit um in deinem Traum zu bleiben. Meine Kraft wird schwächer.“ Ich nickte und machte mich gefasst auf das was jetzt folgen würde. „Die Kinder des Lichts, sind Menschen die, die Kraft des Mondes geschenkt bekommen haben. Es ist ihr Schicksal eines Tages auf einen Schattenwanderer zu treffen. Sie verbindet ein Band, eine Jahrtausend alte Geschichte. Dir steht ein schwerer Kampf bevor, doch sei dir Gewiss auch wenn dir deine Ahnen diese Bürde volle Aufgabe gegeben haben, stehen wir alle hinter dir.“ Ich versuchte jedes seiner Worte in mich aufzunehmen und dachte an die Geschichte die mir Lysander erzählt hatte, die Liebe des Mondes. Der unerreichbare Wunsch die Schatten zu berühren. Die Schattenwanderer und ich. Ich war ein Kind des Lichts, ein Kind des Mondes. Ich trage das große Geschenk des Mondes in mir, einen Teil von ihm, genau wie mein Großvater vor mir. „Hör zu mein Kind.“ Mein Großvater riss mich aus meinem Gedankenfluss und ich sah ihn unweigerlich mit offenem Mund an. „Ich darf dir nichts über deine genaue Zukunft verraten aber sie wird schwer und lang. Du wirst viel Kraft benötigen.“ Ich nickte. Gaelei lächelte zufrieden und strich mir noch ein letztes Mal über meinen Kopf. Um uns herum begann alles zu verschwinden, es war wie ein Nebel der sich aufzulösen schien. Mein Herz raste, ich hatte doch noch so viele Fragen. „Was ist mit Lysander?“ Ich rief es meinem Großvater zu, doch er war schon verschwunden, wie alles andere um mich herum. Mein Traum war vorbei und ich schreckte hoch als wäre ich aus einem Alptraum erwacht. Die Luft in meiner Lunge brannte und mein Blut kochte in meinen Adern. Lysander, er schlief immer noch völlig ruhig und sein Haar fiel ihm in sein so friedliches Gesicht. Ich wollte ihn nicht wecken. War das alles gerade wirklich passiert? Hatte mich mein Großvater in meinem Traum wirklich besucht? Wohl eher gesucht. Wie zur Bestätigung machte sich mein Amulett bemerkbar, ich griff in mein Shirt und holte er heraus. Es lag nun in meinen Händen und das Licht pulsierte. Ein langer, steinerner Weg war doch genau das was ich jetzt brauchte. Mein Blick fiel wieder auf Lysander. Schicksal hatte mein Großvater gesagt, wieso lief dann nicht alles nach Plan? Ich seufzte wahrscheinlich weil es nie nach Plan läuft. Gaelei hatte einen Auftrag für mich und diesen würde ich versuchen zu erfüllen. Doch jetzt war es erstmal an der Zeit mich noch etwas auszuruhen. Ich betete meinen Kopf auf das weiche Kissen und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Der Geruch von frischem Kaffee erfüllte meine Nase und sofort wurde ich hellwach. Das war eine wirklich Interessante Nacht, das Gespräch mit meinem Opa schwang noch immer in meinem Hinterkopf doch was für mich jetzt zählte war ganz einfach nur der Kaffee. Lysander hatte mein Zimmer wohl verlassen als ich noch geschlafen hatte, sein Nachtlager lag fein säuberlich zusammengelegt auf dem kleinen Holztisch. Ich ärgerte mich etwas darüber dass er einfach so gegangen war, doch hätte ich an seiner Stelle wohl das gleiche getan. Ich schälte mich aus meinem Bett und direkt runter in die Küche, der Kaffee würde mir bestimmt neue Kraft verleihen um all das erlebte zu verdauen. Alienor hantierte schon wild in der Küche und bereitete wohl das Frühstück vor. „Guten Morgen, Ali.“ Ich lächelte ihr zu und Alienor fuhr erschrocken zu mir herum. „Oh, Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“ Hmpf. Doofe Frage, ich hatte gut geschlafen ja aber doch war alles sehr verstörend. Das musste Ali jedoch nicht unbedingt wissen, ich möchte sie nicht noch mit mehr belasten. „Ach… ja, trotzdem wäre ein Kaffee jetzt nicht schlecht.“ Sofort griff Ali nach einer Tasse und füllte sie mir mit schwarzen, heißen Gold. Erst jetzt viel mir auf, das es extrem ruhig war. Es war kaum etwas zu hören außer Alienor die mit dem Geschirr klapperte. „Ali, wo sind denn alle?“ Ihr übliches Lächeln prägte ihr Gesicht und sie reichte mir vier Teller die ich auf den großen Tisch verteilen sollte. Ich stand also auf und ließ meine Tasse alleine zurück. Auf dem Tisch lagen schon kleine gehäkelte Deckchen, die sie wohl liebevoll selbst gemacht hatte. „Deegan steckt noch immer in seinen Büchern und Lysander meinte er müsste etwas erledigen, er ist schon wirklich früh aufgebrochen.“ Ein breites Grinsen breitete sich auf ihrem zarten Gesicht aus. „Er sah sehr glücklich aus und ich weiß dass er gestern Abend noch in deinem Zimmer war.“ Automatisch errötete ich, was dachte sie wohl was wir getan hatten? Sie denkt doch nicht etwa dass wir miteinander geschlafen hätten. Ich drehte mich schnell von ihr weg und widmete mich dem Tisch auf dem ich jetzt auch das Besteck verteilte. Ich brauchte eine Ablenkung, ich wollte jetzt nicht über letzte Nacht reden. „Und wo ist Zoey?“ fragte ich schnell um Alis Gedanken auf andere Wege zu führe. Zoey, war Lysanders kleine Schwester und das sah man ihr auch wirklich an. Sie hatte genauso schöne strahlende Augen wie er und das dunkle Haar das in ihrer Familie lag lockte sich um ihren Kopf. Die kleine war wirklich süß aber sehr gerissen und trotz ihrer sehr jungen Jahren wusste sie schon genau was vor sich ging. Sie war der Anlass gewesen das Alienor das heikle Thema über die Seelenverwandten überhaupt begonnen hatte. Ihre ernste Frage ob ich ihren Bruder retten könnte, weckte in mir den Wunsch ihn wirklich retten zu wollen. „Sie schläft noch, werde sie aber gleich wecken gehen.“ Alienor wirkte noch sehr gehetzt und schien noch einiges zu tun zu haben, ich wollte sie etwas entlasten. Einfach nur so dazustehen schien mir einfach nicht richtig. Gestern fühlte ich mich noch so fremd hier und wollte nur weg aber jetzt fühlte ich mich hier zuhause. Meine Aufgabe war hier noch nicht zu Ende. Es war mein Schicksal und ich glaubte meinem Großvater, ich vertraute ihm abgöttisch. Wenn er wollte dass ich blieb, dann blieb ich auch wenn es mir schwer fallen würde so weit von meinen Freunden entfernt zu sein. Ich musste heute wirklich mit Deegan sprechen, helfen ist eine Sache, seinen Job verlieren eine andere. „Wenn du möchtest kann ich sie wecken gehen.“ Alienor lächelte mir dankbar zu und erklärte mir welche Tür zu Zoeys Zimmer führte. Ihr Zimmer befand sich genau neben Deegans und Alienors. Zoey lag noch tief schlafend auf ihrem Bett, in ihrer Hand ein kleiner Plüschbär. Ihr kleiner Brustkorb hob und senkte sich in ruhigen Zügen. Das Kleine Bett war selbst gebaut und hatte etwas von einem Prinzessinnen Schloss, an ihre Wand wurden liebevoll kleine Feen gemalt die um sie herum tanzten. So friedlich wie sie da lag wollte ich sie gar nicht aufwecken. Ich erinnerte mich daran wie ich früher meine kleine Schwester beim Schlafen beobachtet hatte, ich war so stolz eine große Schwester zu sein. Im Kindergarten und in der Schule hatte ich immer auf sie Acht gegeben, doch je älter sie wurde desto peinlicher war es ihr von ihrer großen Schwester beschützt zu werden. Unsere Eltern hatten es in unserer Pubertät nicht sehr einfach gehabt, entweder Zickten wir uns unentwegt an oder wir verschworen uns zusammen gegen unsere Eltern. Ich kann mich noch daran erinnern wie wir mit 16/17 oft von zuhause abgehauen waren um mit unseren Freunden auf Partys zu gehen, meistens wollte ich gar nicht mit, doch tat es meiner Schwester zu liebe. Auf einer dieser Partys hatte sich ein Typ an sie heran gemacht und bedrängt, so sehr das meine kleine Schwester Angst vor ihm bekam, er hat sie immer wieder verfolgt und in stille Ecken gedrängt. Ich hatte sie währenddessen überall gesucht und als ich sie fand, gewann mein Beschützerinstinkt in mir. Ich zog den Typen, der sogar älter war als ich, von ihr weg und versetzte ihm einen so heftigen Schlag mit meiner Faust das ich seine Nase brechen hören konnte. Er hatte jämmerlich angefangen zu weinen. Nach dieser Aktion hatte meine Schwester es erstmal ziemlich schwer ein Date mit einem Jungen zu bekommen, da alle panische Angst vor mir hatten. Ich musste schmunzeln und stellte mir Deegan und Lysander vor, wie sie den ersten Jungen der Zoey ausführen möchte mit bösen Blicken musterten. Sie war jetzt noch so klein und musste sich noch nicht um den ganzen Jungs Kram kümmern, für sie gab es ihre Spielzeuge und ihre Familie. Ihre kleinen Augen öffneten sich verschlafen und sahen mich müde an, sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und setzte sich auf. Etwas ertappt ging ich auf sie zu und sie strahlte mich durch ihre leuchtenden Augen an. Sie würde mal eine wahre Schönheit werden. „Möchtest du Frühstücken?“ sie nickte mir zu und griff nach meiner Hand. Sie waren so winzig und weich, ihre großen Augen lagen auf mir und während sie mich an einer Hand hielt, schleppte sie ihren Teddy hinter sich her. Zusammen gingen wir zurück in die Küche in der Alienor mittlerweile fertig war und Deegan vor einer riesigen Tasse Kaffee saß. Unter seinen Augen hatten sich tiefe, dunkle Ringe gebildet, er war wohl wirklich die ganze Nacht auf gewesen. Ali schenkte mir meinen leicht abgekühlten Kaffee mit neuem auf und setzte sich neben Deegan. Zoey saß neben mir und machte sich über ihre Cornflakes her. Es wirkte wie eine ganz normale Familie. „Sero kommt bald wieder nach Hause.“ Informierte Deegan seine Familie. Zoeys Augen verengten sich als würde sie das gar nicht gut finden, Alienor hingegen lächelte – was sie aber eh immer tat. „Wer ist Sero?“ fragte ich zwischen zwei Bissen in mein Brötchen, das noch schön warm war. Ich hatte den Namen einmal kurz mitbekommen, wusste aber nicht mehr genau in welchem zusammen hang. Ich schätze mal es wird ein weiteres Familienmitglied sein. „Unser Bruder, er geht auf ein Internat in der Stadt.“ Hatte ich also Recht behalten. Ich fragte mich wie er wohl sein würde und ob ich noch hier sein würde wenn er ankommt. Würde Lysander auch noch hier sein? Ein Stich durchfuhr mich und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das Frühstück. Es verlief Still da jeder – außer Alienor – noch ziemlich müde war oder in seine eigenen Gedanken versunken. Jetzt war noch nicht die richtige Zeit um mit Deegan über mein Arbeitsproblem zu sprechen, er war die ganze Nacht wach gewesen um zu recherchieren wie ich seinem Bruder am besten helfen könnte. Es war wirklich eine verflixt komplizierte Situation in der wir da steckten, Deegan hegte bestimmt die gleichen Beschützerinstinkte für seine Geschwister wie ich für meine Schwester. Sie – also Lucy lebt noch bei meinen Eltern in unserer alten Heimat und steckte mitten in ihren Arbeiten für ihr Abitur, sie wollte irgendetwas mit Eventmanagement studieren. Das lag ihr wirklich gut, sie hatte schon so einige feiern für uns organisiert und auch unsere Geburtstage waren immer etwas Besonderes. Sie war im Gegensatz zu mir immer eher der Mensch der gerne im Mittelpunkts stand und das auch genoss. Die Tür fiel laut ins Schloss und ich ärgerte mich das derjenige sie nicht leise geschlossen hatte, bis ich einen mit Tüten vollgepackten Lysander im Türrahmen sah, naja ich konnte ihn nur an seinen Tattoos erkennen, denn ansonsten umgaben ihn nur unzählige Tüten. Ich erkannte darauf bekannte Marken wie H&M, Zara, Urban Outfitters und Oh mein Gott Vans! Er hatte also eine kleine Shoppingtour hinter sich. Mit einem kleinen Knall lagen sie alle vor ihm und sein Lächeln strahlte quer über sein ganzes Gesicht, ich sah ihn erstaunt an und mein Blick flankierte zwischen den Tüten und seinem Lächeln hin und her. Zoey war völlig unbeeindruckt und beschäftigte sich lieber damit die Milch aus der Schüssel zu trinken, für das Alienor sie tadelte. Auch sonst schien keiner wirklich überrascht von der Tatsache das Lysander dort zwischen mindestens zehn Tüten stand. Er erschien mir jetzt nicht gerade wie der ultimative Shopaholic sondern eher der Typ Mann der 15 gleiche Shirts und 8 gleiche paar Hosen besaß. Man kann sich wohl immer irren auch wenn er jetzt wieder eine der schwarzen Jeans zu einem schwarzem Shirt trug, darauf eine Lederjacke die wirklich scharf an ihm aussah. Er warf Deegan die Schlüssel zu der sie ohne hinzusehen auffing. Dann landete sein erwartungsvoller Blick auf mir. Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl. „Bist du fertig mit deinem Frühstück?“ Ich konnte bloß kurz nicken, da die Tütensituation mich immer noch etwas irritierte. Er war gerade dabei die Tüten wieder aufzusammeln und sah zu mir hoch. „Gut.“ War die einzige Antwort die ich bekam, bevor er mich an meiner Hand nach oben in mein Zimmer zerrte. Zerrte war wirklich kaum übertrieben, ich stolperte hinter ihm her und hätte er mich nicht festgehalten wäre ich sicher über eine der Stufen gefallen. In meinem Zimmer warf er die Tüten auf mein Bett und hielt meine Hand noch immer fest in der seinen. Ich ahnte schlimmes… Die Einkäufe waren nicht für ihn, sie waren für mich. Er hatte mir einen Haufen Klamotten gekauft. Nun ließ er meine Hand los aber nur um mir durch meine verstrubelten Haare zu wuscheln. „Du kannst doch nicht ewig in meiner Jogginghose rumlaufen.“ Grinste er mich neckend an. Es war also seine Hose die ich da trag. Ich hätte auch länger damit herumlaufen können, Jogginghosen waren das bequemste Kleidungsstück das jemals erfunden wurde und ich schätze ihren Namen haben sie ganz Umsonst. Wer hatte denn schon vor zu Joggen, wenn er sich eine Jogginghose kaufte? Niemand. Sie war einfach dazu da, sich gemütlich irgendwo hinzuwerfen und den lieben langen Tag nichts zu tun. Lysander war gerade dabei die einzelnen Tüten auszupacken und ich geriet etwas in Panik was er mir wohl für Kleidung gekauft hatte. Er hatte mich bisher ja nur in dem Party Outfit gesehen das Lara für mich ausgesucht hatte. Doch das erste was ich sah und er aus einer der Tüten zog ließ mich hoch rot anlaufen. „Du hast mir Unterwäsche gekauft?“ Natürlich hatte er das. Unterwäsche war etwas ganz natürliches, aber er war ein Mann. Ein Mann der mir Unterwäsche gekauft hatte! Er würde jetzt also immer wissen was ich unter meiner Kleidung trug. Hatte er sich mich darin vorgestellt? Sein schelmischer Blick verriet ihn und er hob ein dreier Pack Spitzenhöschen nach oben. „Meinst du die hier?“ Ich riss sie ihm aus der Hand und funkelte ihn böse an. „Lass mich die Sachen lieber alleine durchsehen.“ Etwas verwundert blickte er auf mich herab und zuckte dann mit den Schultern. Er verließ das Zimmer und ließ mich alleine mit seiner Ausbeute. Ich hatte mich noch gar nicht bei ihm bedankt, auch wenn es eine unangenehme Sache war, wenn ein fremder Junge einem Kleidung und vor allem Unterwäsche kauft, war es doch eine nette Geste. Er hätte das nicht tun müssen, er hat es von sich aus getan. Aber dann gleich so viel? Natürlich hatte er bereits alle Preisschilder entfernt, damit ich nicht sehen konnte wie viel Geld er für ausgegeben hatte. Ich beäugte die vollen Tüten und entschied mich dann doch nachzusehen was er so gekauft hatte. Die Neugierde siegt eben immer. Ich leerte alle Tüten auf meinem Bett aus und auf dem ersten Blick sah es wirklich nicht schlecht aus. Keine Schrill bunten Farben das war schon mal ein gutes Zeichen. Ich erkannte zwei paar schwarze Jeanshosen, wovon eine diesen angesagten Used-Look hatte, sie hatte einige Querrisse in ihren Beinen. Ein Paar schwarze Leggins und noch eine normale Jeans. An Oberteilen hatte er mir eine ganze Palette mitgebracht für alles was dabei, wobei die Farben sich auch eher auf dunklere Töne beschränkten. Mein Blick viel auf ein paar Karierte Hemden, die genau meinen Geschmack trafen. Er hatte wirklich gute Arbeit geleistet das musste man ihm lassen. Meinen Stil hatte er voll und ganz getroffen. Sogar eine Lederjacke hatte er für mich gekauft, natürlich kein Echt Leder, das wäre ganz und gar abartig. Das nächste Teil das meine Aufmerksamkeit erhaschte war ein Kleid… ein Kleid. Es hatte ein Muster aus kleinen schwarzen Rosen auf einem Weinrotem Stoff der sich ziemlich leicht anfühlte, es hatte Ärmel jedoch lagen die Schultern frei. Auch wenn es ein Kleid war, es war wirklich süß. Nun wanderte mein Blick auf die Tüte die ich mir bis zum Schluss aufgehoben hatte. Die Tüte in der ein Schuhkarton lag. Ein Schuhkarton von Vans. Ein paar Ballerinas – wahrscheinlich für das Kleid – hatte ich schon entdeckt aber dieser Schuhkarton enthielt Liebe, meine Liebe. Es waren einfache schlichte schwarze Vans, aber es waren Vans. Endlich bequeme Schuhe, es fühlte sich wie eine Ewigkeit an seitdem ich das letzte Mal Vans getragen hatte. Ich beschloss mich schnell umzuziehen um mich dann bei ihm zu bedanken. Bei der Unterwäsche zögerte ich immer noch ein wenig, konnte ja aber nicht die ganze Zeit meine jetzige tragen. Ich schlüpfte in die schwarze Jeans ohne Löcher und zog mir ein Tank-Top heraus auf dem ein Wolf mit einem Totenkopf zu sehen war. Mit den Vans in der Hand wollte ich mich gerade auf den Weg nach unten machen und zog meine Tür auf, Lysander stand unmittelbar vor mir und hielt eine weitere Tüte nach oben. Die kleine Tüte baumelte direkt vor meinem Gesicht und ich erkannte das Zeichen einer Drogeriekette darauf. Wir waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Schnell schlang ich meine Arme um seinen Bauch und drückte meinen Kopf auf seine Brust. Sichtlich überrascht von meiner Tat ließ er die Tüte fallen bevor er seine Arme um mich legte und mich fest an sich zog. Es sollte nur eine Dankes Umarmung werden, doch er hielt mich weiterhin fest. Ich gestattete es ihm und ärgerte mich darüber dass ich nichts weiter als das bekannte Kribbeln unseres Bandes der Seelenverwandten spürte. Nach ein paar weiteren Sekunden ließ er mich wieder los und hob die kleine Tüte auf, reichte sie mir und ich breitete sie auf dem kleinen Tisch aus. Abrupt drehte ich mich zu ihm um. „Danke übrigens für die ganzen Klamotten.“ Er lächelte und griff sich nervös in sein Haar, dann schaltete er wieder auf Spitzbübischer Held zurück. „Ich dachte dafür wäre die Umarmung gewesen.“ Ich lachte und stieß ihn leicht mit meinem Ellenbogen in seine Rippen. Während ich die Haarbürste und kleinen Schminkutensilien begutachtete zu den er mir versicherte, dass ich sie gar nicht brauchen würde spürte ich plötzlich seine Finger die mir leicht über meine Schulter strichen. Er fuhr mein Tattoo nach, das dank meiner mega Wundheilung, schon fast komplett verheilt war. Seine Finger berührten meine Haut kaum und ließen mich doch eine Gänsehaut bekommen. Ich genoss die Berührungen, sie fühlte sich schön auf meiner Haut an. „Gaelei Black.“ Diese Worte lösten einen so heftigen Schmerz in mir aus, das ich meinen Rücken schnellstmöglich von ihm abwand und ihm fest ins Gesicht sah. Mein Großvater Gaelei Black, der Nachfahre eines Uralten Volkes das dem Mond diente und er selbst ein Kind des Mondes gewesen war. Lag verewigt mit einem Tattoo auf meiner Haut. Sein Name und der Mond Selbst zierten die Mitte meines oberen Schulterblattes. Gaelei Black der mir gestern Nacht in einem Traum erschienen war und sagte das mir ein schwerer Kampf bevor stand. Das es mein Schicksal war eines Tages auf einen Schattenwanderer, wie Lysander es war, zu treffen. Seinen Namen aus dem Mund eines anderen zu hören, löste diesen entsetzlichen Schmerz in mir aus, den sein Verlust in mir erzeugt hatte. Ich versuchte die Trauer und den Schmerz herunter zu schlucken das sie mich nicht wieder völlig einnahmen und ich wieder darin versank, wie schon so oft zuvor. Die ersten Monate nach dem Tod meines geliebten Großvaters hatte ich schweigend verbracht, ich hatte nur gesprochen wenn man mich dazu gezwungen hatte. Über ihn zu reden schien mir unmöglich. Dieses riesige Loch klaffte in mir, ich konnte nicht verstehen wie sich diese Welt weiterdrehen konnte wenn doch so ein wichtiger Mensch auf ihr fehlte. Nichts ergab mehr einen Sinn für mich. Mein Leben war nicht mehr wie vorher und ich war geprägt von einem Wunsch, dem Wunsch ihn wieder bei mir zu haben. Lysanders nächste Worte ließen mich zusammen fahren als hätte mir jemand in die Brust geschossen. „Ich kenne diesen Namen.“ Er kannte meinen Großvater? Das ist unmöglich. Er konnte ihn nicht kennen, er sollte ihn nicht kennen. Ich wollte weiterhin dass mein Großvater nur mir gehörte. Seine Worte klangen in meinen Ohren wie eine Lüge. Doch wie er sie ausgesprochen hatte, es schwang so viel darin mit. Als könnte er es selbst nicht glauben dass ich ihn kannte. Sein Blick ruhte auf mir beruhigend und doch sah ich ihm an, dass er am liebsten mit mir darüber gesprochen hätte. Ich entgegnete ihm mit einem wütenden, bedrohlichem Blick, wenn er es auch nur wagen würde über meinen Großvater zu sprechen würde ich ihm hier und jetzt an die Kehle springen. Er ließ seine Hand fallen, die er gerade nach mir ausgestreckt hatte und fuhr sich nervös durch sein eigenes Haar. Er war sichtlich angespannt und wusste nicht was er tun sollte. Ich versuchte mich selbst zu beruhigen und redete mir ein dass das alles wohl bloß ein Missverständnis sein müsse. Wir hatten zu wenig Zeit uns kennenzulernen und ein Streit würde dabei nicht weiter helfen. Ich griff nach der kleinen Tüte in die ich alles wieder hineinstopfte und verschwand im Bad. Das kalte Wasser was ich mir ins Gesicht spritzte, ließ meine Wut etwas versiegen. Ich wusste nicht wieso ich auf einmal so unerklärlich wütend geworden war. Das Erlebnis letzte Nacht mit meinem Großvater wühlte noch immer in mir und ließ mir keine Ruhe aber das ich deswegen so durchgedreht war ging doch etwas weit. Ich bürstete mein Haar und band mir meine Haare zu einem lässigen Zopf zusammen. Jetzt war ich sogar froh über das bisschen Make up was ich hatte, ich sah ziemlich fertig aus. Schnell machte ich mich etwas zurecht und war glücklich darüber dass sich meine Wut nun ganz von mir verabschiedet hatte. So schnell sie gekommen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Ich durfte Lysander nicht für etwas bestrafen worauf er keinen Einfluss hatte. Mein Spiegelbild gefiel mir wieder etwas besser. Ich beschloss mich bei Lysander zu entschuldigen. Er saß betrübt auf meinem Bett und starrte auf seine Füße. „Es tut mir Leid.“ Gab ich etwas kleinlaut zu. Sein Blick erhob sich und fixierte mich. „Du hast doch gar nichts getan. Ich hab dich wütend gemacht.“ Ich kam mir – wieder einmal – so unfassbar dumm vor, er machte sich wirklich Gedanken darüber und ich verhielt mich wie eine Zicke. Momentan waren meine Stimmungsschwankungen wirklich nicht mehr feierlich. Ich setzte mich neben ihn und legte ihm eine Hand auf seinen Oberschenkel, er fühlte sich fest und muskulös an. „Du hast nichts Falsches getan, wirklich. Mein Großvater ist nur ein heikles Thema über das ich nicht unbedingt sprechen möchte – zumindest jetzt noch nicht.“ In meinem Blick lag eine bitte und Lysander entspannte sich wieder. Ohne das Thema weiter zu vertiefen, nahm er meine Hand und zog mich von meinem Bett hoch. Sein lächeln war zurückgekehrt und er enthüllte mir nun seinen Plan was er heute mit mir vorhatte. Ich war gespannt und er hatte noch nicht viel dazu gesagt außer das er es mir zeigen würde. Ich vertraute ihm und ließ mich von ihm durch das Haus führen, vor der großen Haustür blieben wir stehen. Es würde das erste Mal sein, das ich das Haus verlassen würde. Der Gedanke in Norwegen zu sein, bereitete mir noch immer etwas Bauchschmerzen. Es war einfach so weit weg von Köln. So weit weg von zuhause. Die große Haustür schwang auf und auch hier breitete sich fast nur Natur vor mir aus. Weite Felder und viel Grün, unfassbar viel Grün. Ich trat ein paar Schritte heraus und mich erfasste ein angenehmer Luftzug. Es war warm und auch hier hatte der Frühling schon längst Einzug genommen. Alles um mich herum blühte und uns umgab eine friedvolle Ruhe. Vor mir stand Lysander an einem Motorrad gelehnt und lächelte mir in mein verblüfftes Gesicht. Ich schritt auf ihn zu und kreuzte meine Arme vor meiner Brust. „Was hast du mit mir vor, Schattenwanderer?“ Er lachte und streckte mir einen Helm entgegen. „Ich zeige dir die wenigen Vorzüge des tiefsten Norwegens.“ Es war schon immer einmal ein Wunsch von mir gewesen auf einem Motorrad mitzufahren, ich verspürte also eine gewisse Vorfreude. Der Helm war gar nicht so leicht aufzusetzen und Lysander half mir mit dem kleinen Verschluss am Kinn. Elegant setzte er sich auf seine schwarze Maschine und hob mich auf den Platz hinter sich. Ich legte meine Arme um seinen Bauch und schmiegte mich an ihn, natürlich nur um mich gut festzuhalten. Ein letztes Mal beugte er sich zu mir nach hinten. „Gut festhalten, Kleines.“ Und mit diesen Worten, fing der Motor an zu schnurren. Ich konnte ihn unter mir vibrieren spüren und war nun doch etwas nervös. Mein ganzes Vertrauen lag nun auf Lysander und seinen Fahrkünsten. Ein lautes Motorengeräusch ertönte und wir fuhren los, noch nicht mit voller Geschwindigkeit aber ich spürte schon jetzt ein flattern in meiner Brust. Es war ein unfassbar tolles Gefühl so durch die Natur zu fahren, weit und breit war nichts zu sehen. Die Sträucher und Bäume huschten nur so an uns vorbei. Hier und dort standen ein paar Rehe die jedoch schnell wegsprangen sobald sie uns kommen hörten, leise war dieses Ding nun wirklich nicht. Ein Schwarm Vögel flog über unseren Köpfen hinweg und ich wusste schon gar nicht mehr wohin ich meinen Blick zuerst richten sollte. Der Himmel war strahlend blau und kein Wölkchen tat sich am Himmel auf, unendliches blau, zu unendlichen Grün. Wir führen direkt auf den Wald zu den ich von meinem Fenster aus erkennen konnte und es schien als wäre hier schon öfter mal jemand entlang gefahren, ein kleiner Pfad erleichterte es Lysander seinen Weg durch den Wald zu finden. Ich war umgeben von Nadelbäumen und Moosbedeckten Böden. Es war etwas dunkler und kälter hier aber wunderbar angenehm. Alles wirkte wie aus einer Märchenwelt entsprungen. Vor uns tat sich eine große Lichtung auf, die Berge die ich von weitem nur erahnen konnte prangen jetzt hoch vor uns auf. Wir fuhren noch ein Stück weiter auf sie zu und ich erkannte hinter Lysanders Rücken nur schwer die kleinen Gletscher die sich ihren Weg durch die Felsenwand bahnten. Selbst die riesigen Berge waren teilweiße von grünen Teppichen bedeckt, so etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen. Das Motorrad verlangsamte seine Fahrt und wir kamen zum Stehen. Irgendwie hatte ich es dann doch geschafft abzusteigen und sah nun wirklich wo Lysander uns hingefahren hatte. Mein Mund blieb vor Staunen offen stehen. Wir befanden uns an einem riesigen See, der zwischen den hohen Bergen lag. Sie Sonne stand hoch am Himmel und ließ die Oberfläche des Sees auf magische Weise glitzern. Jetzt nachdem auch die Motoren Stil waren konnte ich die Natur hören. Ich konnte hören wie die Gletscher in kleinen Wasserfällen auf das Wasser des Sees trafen und ich hörte sogar das rascheln der Bäume die sich im Wind wogen. Um uns herum blühte der Lavendel in seiner prächtigen Violetten Farbe und machte das ganze Schauspiel noch bunter. Lysander breitete eine Decke auf dem Boden aus und setzte sich darauf, den Kopf in den Nacken gelegt genoss er die Wärme der Sonne. Ich wollte mich noch nicht setzen und ließ meine Finger durch die Hohen Farne gleiten, der Geruch des Lavendels durchströmte die Luft und vereinzelt blühten ein paar Weise Blumen von denen ich nicht wusste wie sie hießen. Schon lange hatte ich nicht mehr so viel Natur um mich herum. Mein nächster Weg führte mich zu dem kristallklaren Wasser des Sees. Jemand hatte einen kleinen Steg gebaut an dem ein – noch taugliches – Ruderboot festgebunden war. Mein Blick glitt über das Wasser und ich konnte den Kies auf dem Boden erkennen. Ein kleiner Stein erregte meine Aufmerksamkeit. Vorsichtig, um nicht hinein zu fallen, hüpfte ich über ein paar große Steine und griff nach dem kleinen Stein. Das Wasser war noch kalt aber der Frühling hatte ja auch erst vor kurzem Einzug genommen. Ich erreichte den Stein gerade so und zog ihn aus dem Wasser, seine Oberfläche war glatt und er schimmerte im Licht der Sonne. Lysander hatte mich während meiner ganzen Aktion aus interessierten, listigen Augen beobachtet. „Na was Schönes gefunden?“ Er schien sichtlich amüsiert über mich. „Vielleicht.“ Antwortete ich ihm kurz und ließ mich neben ihm auf die Decke fallen, das Gras lag weich unter uns und wirkte fast wie ein kleines Bett. „Fängst du jetzt auch an Ketten aus Gänseblümchen zu basteln?“ Ich streckte ihm meine Zunge entgegen und betrachtete mein gerade gefundenes Objekt. „Hier.“ Ich hielt ihm den kleinen pechschwarzen Stein entgegen, er griff nach ihm und fing meinen Blick auf. Er bewegte sein Geschenk zwischen seinen Fingern und fuhr über seine Oberfläche. Sein lächeln war sichtlich erfreut und das war mir dank genug. Er verstaute ihn in seiner Tasche der Lederjacke. „Woher hast du eigentlich dieses Teil?“ Mein Finger deutete auf die Schwarze Maschine hinter uns. „Das ist kein Teil.“ Er rollte mit den Augen. „Das meine Gute ist eine Yamaha R6.“ Ich wusste nicht viel über Motorräder aber dieses „Teil“ war echt scharf. Es war Mattschwarz und sah modern aus, ich denke auf einer normalen, asphaltierten Straße könnte sie gewiss Gas geben. Wie er es geschafft hatte über diesen Boden zu fahren ohne das seine Maschine einen Kratzer abbekam schien mir ein unmögliches Rätsel, doch da stand sie heil und unversehrt. Lysander stand auf und reichte mir seine Hand, ohne groß nachzudenken, legte ich meine darin und ließ mich auf meine Beine ziehen. Hand in Hand gingen wir auf den Steg zu. Ich konnte das warme, kribbelnde Gefühl das seine Haut auf meiner Auslöste nicht ignorieren und fragte mich wieder einmal wie so etwas möglich sein konnte. Wie konnte eine so große Reaktion ausgelöst werden nur durch seine kleine Berührung. Noch nie zuvor hatte ich so etwas mit einem anderen Mann erlebt, es fühlte sich wie kleine lokale Stromschläge an, die aber keinesfalls unangenehm waren. Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie es sich damals bei meinem ersten Freund angefühlt hatte, es lag zwar schon einige Jahre zurück aber dennoch, an solch ein Gefühl hätte ich mich sicher erinnert. Seine Hand löste sich von der meinen und dieses schelmische lächeln trat zurück in sein Gesicht, seine Augen strahlten in der Sonne und es war schwierig sich nicht darin zu verlieren. „Bereit für eine kleine Bootsfahrt?“ So langsam fragte ich mich ob er das Boot extra hier her gebracht hatte. Ich konnte einfach nicht Nein sagen, dafür liebte ich es zu sehr auf dem Wasser zu sein. Etwas unbeholfen ließ ich mir von ihm in das wackelige Boot helfen und setzte mich auf einer der hölzernen Querbalken ganz vorne. Lysander hatte keine Mühe den Knoten am Steg zu lösen und gab uns einen Stoß weg von dem grünen Ufer. Er schnappte sich links und rechts ein Paddel und mit langsamen, gleichmäßigen Bewegungen begannen wir unsere Fahrt. Ich konnte mich nicht entscheiden wohin ich zuerst sehen sollte, alles sah so wunderschön aus. Einige Stellen der Klippen, die sich komplett um uns herum auftaten, waren mit Moos und anderen Wildpflanzen bedeckt, sie wirkten so unberührt. Das Wasser unter uns war so klar dass ich erkennen konnte wie Fische unter unserem Boot hindurch schwommen, ich rechnete schon damit jeden Moment eine Meerjungfrau zu sehen. Lysander steuerte auf einen der Wasserfälle zu, er beobachtete mich und das kleine Lächeln auf seinem Gesicht ließ mich erröten. Mir meiner Tollpatschigkeit vollkommen bewusst, drehte ich mich um und lehnte mich – soweit es mir gestattete– aus dem Boot hinaus. Meinen Arm ausgestreckt und schon fast auf Zehenspitzen schaffte ich es sogar meine Finger unter das eiskalte Wasser zu halten. Es rann durch meine Finger und spritze in mein Gesicht, die Sonne strahlte darauf und es sah aus als würden kleine Diamanten durch die Luft fliegen. „Sei Vorsichtig.“ Lysanders Stimme erklang besorgt in meinem Kopf. Ich drehte mich zu ihm um und im nächsten Moment wurden seine Augen groß. „Danke, es ist wirklich atemberaubend schön hier.“ Ich strahlte über das ganze Gesicht bis ich seinen erstaunten Blick entgegen sah und erkannte dass seine Wangen leicht gerötet waren. Genauso plötzlich stießen sich seine nächsten Worte in mein Herz. „Du bist atemberaubend schön.“ Ich wusste nicht was ich sagen sollte, seine Worte hallten immer wieder in meinem Kopf auf. Es war nicht nur dieser Satz der mich erschaudern ließ, sondern die Art wie er sie ausgesprochen hatte, es war kaum mehr als ein Flüstern, doch darin lag so viel Gefühl und Ehrlichkeit. Er sagte sie nicht einfach nur so, er meinte sie wirklich ernst. Eine Stille lag zwischen uns, die wahrscheinlich nicht einmal unangenehm gewesen wäre, wenn mein Kopf und meine Gedanken nicht so rasen würden. Das Wasser plätscherte unaufhörlich neben uns und er hielt meinem Blick noch immer stand. Die Minuten in denen wir uns einfach nur ansahen, vergingen und noch immer raste mein Herz. Fand er mich wirklich schön? Ich war irgendwie süß aber schön? So schön dass es ihm den Atem stockte.. Das krähen eines Rabens riss mich aus meinen Gedanken und ich starrte in den Himmel, über uns flog ein großer, schwarzer Rabe der sich gar nicht bewusst war in was für eine Situation er hier gerade hinein geplatzt war. Lysander lachte. Er lachte. Überrascht starrte ich ihn an. Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und sein Blick wurde weicher als er auf meinen verärgerten traf. „Also war das gerade ein Scherz von dir?“ In meiner Stimme lag etwas verletztes, ich hatte nicht bemerkt wie sehr es mich wirklich verletzt hatte das es ein Witz für ihn war. Lysander legte sich auf den Boden des Bootes und sah in die Luft, jede Belustigung war aus seinem Gesicht gewichen. Seine Hände lagen gefaltet auf seinem Bauch und erst nach einem lauten Seufzten antwortete er mir. „Nein, ganz und gar nicht. Du bist das schönste Wesen was ich jemals auf dieser Welt gesehen habe.“ Diese Worte hatten ungefähr die gleiche Reaktion wie seine vorherigen auf mich. Mir wurde heiß und kalt und ich musste meine Gedanken beruhigen. Mein Herz raste noch immer unsicher was es empfinden sollte. Ich wollte wissen wieso er gelacht hatte, da es mich wirklich verletzt hatte und ich wütend geworden war und doch hatten diese Gefühle so viel Glückseligkeit in mir ausgelöst. „Ich musste nur lachen, da der vernichtende Blick den du dem armen Vogel zugeworfen hattest, wirklich witzig ausgesehen hatte. Als hätte er dich bei etwas wirklich wichtigem gestört.“ Prompt lief ich knallrot an. Dieser Rabe hatte mich bei etwas wirklich wichtigem gestört, nämlich was ich als nächstes sagen könnte und doch hatte er auch genau dieses Problem behoben. Manchmal machte ich mir einfach zu viele Gedanken. Lysander schien immer so Sorgenlos und das obwohl er es doch war dessen Zeit ablief. Es waren noch vier ein halb Tage bis zu seinem 25. Geburtstag an dem er einfach aufhören würde zu existieren. Diese letzte Verbleibende Zeit verbrachte er mit mir und seinem Versprechen das ich mich wahrhaftig in ihn verlieben würde. Ich war diejenige die ihn retten konnte und doch war ich auch diejenige die es ihm so schwer machte. Wie soll ich es bloß schaffen meine Gedanken auszuschalten? Mein ganzes Leben hatte ich damit verbracht über alles unzählige Male nachzudenken und jetzt müsste ich nur auf mein Herz hören, aber wieso fiel es mir so verdammt schwer… Ich sah ihn an und auch wenn seine Augen geschlossen waren, konnte ich mir seine strahlenden grünen Augen vorstellen, wie kleine Smaragde die darin schimmerten, er sah gut aus – wenn nicht sogar ultimativ heiß. Sein Oberteil lieferte wieder nur einen begrenzten Blick auf seine Tattoos und doch konnte man darunter seine Muskeln erkennen. Er sah nicht aus wie einer dieser Typen die alle 2 Tage in ein Fitnessstudio rannten, sondern gesund und sportlich, nicht zu übertrieben. Sein Gesicht hatte markante Züge und doch wirkte es so freundlich und liebenswert, seinen Bart hatte er sich etwas gestutzt und wirkte sehr gepflegt und passend zu seinem wieder in Form geschnittenen Haaren. Rundum hatte er ein nahezu perfektes Aussehen. Schon an dem Abend als wir uns „kennenlernten“ hatte er viele Blicke auf sich gezogen und doch wollte er mich. Ich war seine Seelenverwandte. Lysander blinzelte und erwischte mich dabei wie ich seinen Körper mit meinen Augen erkundete. „Bist du mir böse?“ Er klang wie ein kleiner Junge der etwas Böses getan hatte und es zutiefst bereute. Es ließ mein Herz weich werden und ich schüttelte den Kopf. Sofort zeigte sich ein Lächeln in seinen Gesichtszügen. Ich legte mich neben ihn und ließ zu das er einen Arm unter mich schob. Seine eleganten Finger streichelten meinen Arm und ich genoss seine Liebkosung. Auch wenn wir uns noch nicht lange kannten fühlte es sich einfach so an, als hätte es schon immer so sein sollen. Ich wusste mittlerweile dass es an der Seelenverwandten-Geschichte lag und trotzdem verursachte es immer wieder einen Schauer auf meiner Haut. Es war nichts Selbstverständliches auch wenn es sich genau so anfühlte. Die Geschichten die er und mein Großvater mir erzählt hatten kehrten in meinen Kopf zurück. Der Mond der die Schatten so sehr liebte dass er einen Teil von sich gab um bei ihnen zu sein. Der Teil der jetzt in mir lebte und mich zu einer Lunae machte, eine Nachfahrin des Volkes zu dem schon mein Großvater Gaelei gehört hatte, ein Volk mit dem ich unbewusst aufgewachsen war. All die Märchen die mir mein Großvater erzählt hatte, waren in Wirklichkeit Lektionen über mein Volk, mein Blut, meine Herkunft. Er hatte mir mein Schicksal offenbart, das Schicksal eines Tages auf einen Schattenwanderer zu treffen. Die Schattenwanderer die die magische Fähigkeit hatten sich in Tiere zu verwandeln, ein Überbleibsel der Versuche des Mondes etwas zu kreieren das ihn berühren konnte. Ich hatte noch nicht gesehen wie es passierte aber Lysander wollte es mir zeigen. Angst war es nicht was ich davor empfand eher eine Nervosität vor dem was mich erwartete. Wie es aussehen würde und ob es Special Effekts gäbe wie rauch oder ein leuchten. Ich schüttelte meinen Kopf um diese Merkwürdig bizarren Gedanken zu vertreiben. Besagter Schattenwanderer Lysander lag noch immer mit geschlossenen Augen neben mir, sein Atem ging langsam und er war wohl gerade erst eingeschlafen. Ich drehte mich auf die Seite um ihn besser betrachten zu können. Für diesen Mann wurde ich erschaffen, für ihn sollte ich existieren. Schatten können ohne Licht nicht existieren, ich war sein Licht. Lysander hatte mir erzählt das ich für ihn, bei unserer ersten Begegnung, heller als das Licht selbst geleuchtet hätte. Ich war sein Mond und ich wollte für ihn leuchten, die Macht des Mondes, die er uns geschenkt hatte um auf dieser Welt zu wandeln, floss durch meine Adern. Genau wie die Liebe für die Schattenwesen, es war ein unsichtbares Band was uns miteinander verband. Ein Band das aus purer Liebe bestand. Nur war irgendetwas bei mir schief gelaufen. Ohne jeden Zweifel fühlte ich mich zu Lysander hingezogen, seine Nähe fühlte sich richtig an und ich vertraute ihm bedingungslos, doch ein kleines Fünkchen fehlte. Der letzte Funken das es Liebe war. Mein Herz raste in seiner Gegenwart und mein Körper begehrte ihn aber die Sehnsucht fehlte. Wenn er nicht da war, war ich einfach wieder Amy. Amy die nichts von all dem hier wirklich begreifen konnte und Lysander helfen wollte aber genauso sehr auch wieder zurück nach Köln wollte. Zurück in ihr altes Leben. Es lagen erst zwei Tage zwischen heute und dem Abend an dem ich mich mit meinen Freundinnen für eine Party fertig gemacht hatte und doch hatte sich so unglaublich viel verändert. Es fühlte sich an wie ein ganzes Leben das nun dazwischen lag. Ich fühlte mich schrecklich über so etwas nachzudenken, während ich in seinen Armen lag und er Seelenruhig neben mir schlief. Ich beschloss die bösen Gedanken zu verdrängen und konzentrierte mich auf Lysanders Atmung. Sein ruhiges Gesicht zauberte mir ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Es war so einfach sich in seiner Gegenwart wohl zu fühlen. Lysander drehte sich herum und schloss mich nun komplett in seine Arme, er schlief noch immer und mein Herz begann von neuem wild in meiner Brust zu hämmern. Er hielt mich fest in seiner Umarmung und ich konnte meinen Kopf ganz einfach an ihn schmiegen. Unser kleines Boot trieb auf der Mitte des Sees umher und in diesem Moment fehlte mir jeder Erinnerung an meinem Wunsch wieder in Köln zu sein. Wir waren allein inmitten einer wunderschönen Natur die so unberührt erschien als wäre hier noch nie jemand vor uns gewesen. Als würde niemand sonst auf dieser Welt existieren. Ich musste auch eingenickt sein, denn als ich meine Augen wieder öffnete war die Sonne schon weit am Himmel gewandert. Ich brauchte einen Moment um mich daran zu erinnern wo ich war und schreckte nach oben. Unser Boot hatte sich nicht viel bewegt, wir waren bloß etwas näher zum Steg getrieben worden und meine plötzliche Bewegung hatte Lysander wohl aufgeweckt. Er rieb sich verschlafen die Augen und gähnte, doch als er meinen Blick fand zwinkerte er mir verwegen zu. Ich musste an mich halten nicht wieder sofort rot anzulaufen. Diesen Ich-verdrehe-Mädels-den-Kopf-Blick hatte er ziemlich gut drauf. Lysander rappelte sich auf und war nun nur ein paar Zentimeter von mir entfernt. Sein Gesicht kam noch näher so dass seine Lippen nur wenige Millimeter von meinem Ohr entfernt waren. „Guten Morgen, Sonnenschein.“ Ich grinste und war mir seiner Nähe noch immer bewusst. Sanft drückte ich ihn etwas von mir weg. „Ich denke eher, dass wir bereits Nachmittag haben.“ Lysander lachte und schnappte sich die Ruder. „Dann bringe ich Sie wohl wieder zurück, eure Hoheit.“ Er verbeugte sich leicht vor mir und ruderte zurück zum Ufer. Nachdem er das Boot wieder festgebunden hatte, half er mir heraus. Auch wenn wir die ganze Zeit nebeneinander gelegen hatten, löste seine Hand das bekannte Kribbeln auf meiner Haut aus. Sobald ich auf dem Steg stand, zitterten meine Beine. So lange auf dem Wasser war es nun wieder ungewohnt festen Boden unter den Füßen zu haben. Bevor ich jedoch in mich zusammen sacken konnte, hielt mich Lysander im Arm und stützte mich. Wir waren uns nun wieder so nah. Eine elektrisierende Stimmung lag zwischen uns und wieder waren da nur er und ich und dieser Blick der uns beide gefangen hielt. Dieser Blick der uns schon bei unserer ersten Begegnung festgehalten hatte und der dafür gesorgt hatte das er mich hier her gebracht hatte, nachdem ich nach einem ungewolltem Drogencocktail Ohnmächtig geworden war. Es fühlte sich wieder genauso an, meine Welt lag in seinen Smaragdgrünen Augen. Ich wollte nur noch seine Hänge auf meinem Körper spüren und fragte mich die ganze Zeit wie sich wohl seine Lippen auf meinen anfühlten. Ein erneutes krähen des Rabens riss uns aus unserem Bann und diesmal war es Lysander der dem Raben einen todbringenden Blick zuwarf. Ich taumelte ein paar Schritte zurück und hatte nun doch festen Stand gefunden. Das Lachen brach aus mir heraus. Die Ganze Situation die nun Umgekehrt stattfand brachte auch Lysander zum Lachen. Nach dem wir uns wieder beruhigt hatten, packten wir die Decke zusammen und verstauten sie in dem kleinen Fach des Motorrades mit dem wir hier her gekommen waren. Lysander half mir wieder diesen doofen Helm zu schließen und zog mich auf den Platz hinter sich. Die Maschine schnurrte nachdem Lysander den kleinen Schlüssel im Zündschluss gedreht hatte und wir fuhren auf gleichem Wege wieder zurück zu der großen Holzhütte die zu dem Heim von Lysander und seiner Familie geworden war. Zurück durch den kleinen Wald der nun beträchtlich dunkler geworden war und über die riesigen Felder die aus purem Grün bestanden. Alienor schloss mich in eine Umarmung nachdem wir die Küche betreten hatten in der sie wieder – oder immer noch – beschäftigt war. Eigentlich traf ich sie die meiste Zeit in der Küche an. Sie war so etwas wie eine Mutter für alle geworden und genau das strahlte sie auch aus, eine mütterliche wärme die mich meine eigene Mutter vermissen ließ. „Wie war euer Tag?“ fragte sie nachdem sie mir eine Tasse Kaffee auf den Tresen gestellt hatte. Lysander der sich zu seiner kleinen Schwester Zoey herunter gebeugt hatte, die dort spielend mit ihrem Teddybär saß, grinste mich breit an. „Interessant.“ Antwortete er ihr kurz und knapp und ich erkannte an Alis Blick das sie an das falsche dachte. Lysander zwinkerte mir zu und war sich bei seiner Antwort bewusst gewesen das er genau diese Gedanken in ihr ausgelöst hatte. Ich lief – unpassender weiße – wieder rot an und stotterte vor mich her. „Ich ähm ich müsste mal mit Deegan reden.“ Wie mir in diesem Moment einfallen konnte das ich noch bei meiner Arbeit anrufen musste, war mir völlig fraglich, aber ich war sehr froh darüber. Ich wollte raus aus dieser peinlichen Situation, die Lysander absichtlich erschaffen hatte. „Natürlich, Liebes. Er ist in seinem Arbeitszimmer.“ Ich nickte Alienor dankbar zu und warf Lysander noch einen drohenden Blick zu. Sein Lachen hallte hinter mir durch die Räume. Etwas zögerlich klopfte ich an Deegans Tür. Ein lautes „Herein.“ Ertönte und ich drückte die Türklinke nach unten. Deegans Arbeitszimmer war wie das ganze Haus mit Holzwänden verkleidet und es standen viele Bücherregale darin. In der Mitte des Raumes saß er an einem großen Schreibtisch vor einem ziemlich hochwertigen Computer. Ich trat hinein und stellte mich vor besagten riesigen Schreibtisch. Ein wenig fühlte ich mich so als würde ich vor meinem Chef stehen, darauf wartend das er das Gespräch begann. Deegan drehte sich auf seinem Ledersessel um und war fast erstaunt darüber mich in seinem Arbeitszimmer zu sehen. „Amy.“ Er musterte mich. „Wie kann ich dir helfen?“ Etwas Besorgtes lag in seinem Blick, wahrscheinlich rechnete er damit dass ich einen Aufstand proben würde und er mich sofort nach Hause bringen sollte. Vergelten konnte ich es ihm nicht, immerhin war genau das mein Plan gewesen als ich hier aufgewacht war und gemerkt hatte das er auch nicht glücklich darüber war das mich Lysander einfach so hier her gebracht hatte. Sein Blick versuchte noch immer zu erraten wieso ich hier bei ihm war. „Ich müsste mal mit meiner Arbeit telefonieren.“ Erstaunt sah mich dieser viel zu große Mann an. Deegan war definitiv zu groß für diesen Sessel und er wirkte etwas deplatziert in diesem Raum auch wenn er eine gewisse Macht ausstrahlte. Er war einer der Personen vor denen man einfach Respekt hatte. Sein hartes Gesicht zierte eine Narbe die durch seine Augenbraue verlief und mir vorher noch nicht aufgefallen war, auch seine Augen waren anders als die von Lysander und Zoey, kein kräftiges Grün sondern ein sehr dunkles, fast schwarzes Braun. Diese dunklen Augen lagen nun auf mir und verlangten nach mehr Information. „Theoretisch müsste ich ab morgen wieder in meiner Arbeit im Krankenhaus erscheinen. Ich wollte dort anrufen und fragen ob sie mir vielleicht Urlaub geben könnten…“ Ich machte eine kleine Pause um Deegans Reaktion abzuwarten doch seine Überraschung vergrößerte sich nur noch mehr. „…Wenn ich überzeugend genug bin, das es sich um einen Notfall handelt…“ Noch immer regte er sich nicht, was für einen Mann wie ihn fast unmöglich schien. „…Könnte es klappen.“ Ich hielt seinem Blick stand und wartete nun bis er wieder etwas sagen würde. Die Überraschung wich und ich sah das er Nachdachte, nach einer Minute nickte er und reichte mir das Telefon. „Ich weiß was du auf dich nimmst Amy und ich danke dir wirklich sehr dafür.“ Seine Worte waren leise aber ich erkannte eine Ehrlichkeit darin die ich schon bei Lysander gespürt hatte. „Wirklich, gar kein Problem.“ Ich wusste nicht was ich sonst darauf Antworten sollten, da mich sein Dank wirklich verlegen machte. Ich griff nach dem Telefon und Deegan ließ mich alleine. Mit zitternden Händen wählte ich die Nummer unserer Station, die sich als unendlich lang erwies da ich ja noch die Vorwahl für Deutschland + die Kölner Vorwahl wählen musste. Meine Hände schwitzten und mein Herz raste vor Nervosität. Ich hatte mir noch keine genaueren Gedanken gemacht was ich sagen wollte doch mir blieb nicht viel Zeit zum Überlegen. Eine mir bekannte Stimme erklang am Telefon. Es war Benji. „Hi, Benji. Ich bin‘s Amy.“ Er zog die Luft scharf ein und rief meinen Namen, ich konnte im Hintergrund hören wie Haylee angestürmt kam und kurz davor war ihm das Telefon aus der Hand zu reißen. Haylee. Mir wurde das Herz schwer, besonders da ich hören konnte wie wütend sie war. „Benji…“ begann ich meine Riesen Lüge. „Ich habe hier einen Familiären Notfall und auch nicht sehr viel Zeit dir und euch das alles zu erklären aber ihr müsst mir mindestens eine Woche wenn nicht sogar zwei Urlaub eintragen. Ich weiß das es schwierig für euch sein wird und es tut mir unendlich leid aber ich muss hier bleiben.“ Ich hatte so schnell gesprochen dass ich selbst erst einmal Luft holen musste. Benji schwieg und Haylee riss ihm den Hörer aus der Hand, sie hatten mich wohl auf Lautsprecher gestellt. Haylees Stimme zitterte vor Wut und Sorge – schätzte ich. „Wo zur Hölle bist du? Das ist keine deutsche Nummer.“ Fuck. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. „Ich – Ich…“ Was würde es schon ausmachen wenn sie wüssten in welchem Land ich war. „ Ich bin in Norwegen.“ Wieder schweigen auf der anderen Seite der Leitung. „Ich weiß das klingt alles ziemlich merkwürdig aber ihr müsst mir vertrauen, hier wird meine Hilfe benötigt und ich mache es ganz sicher wieder gut. Ich verspreche es euch. Nur bitte, Haylee sorg dafür das ich diesen Urlaub bekomme. Ich werde es ohnehin nicht mehr bis morgen zu euch schaffen.“ Haylee seufzte und ich wusste ich hatte meine beste Freundin auf meiner Seite. „Ist es so schlimm?“ Die Sorge in ihrer Stimme überwog und in mir verkrampfte sich alles bei dem Gedanken dass ich meine beste Freundin anlog. Wobei es keine richtige Lüge war. Es war ein Notfall und es war schlimm. „Ja, du kennst mich, ich würde es nicht tun wenn es nicht so dramatisch wäre.“ Ich konnte sie fast durch das Telefon nicken sehen. Jetzt war es wieder Benji der sprach. „Wir geben unser Bestes, Prinzessin Amidala.“ Diesen Namen zu hören ließ mir Tränen in die Augen steigen und ich spürte wieder wie sehr ich sie schon nach dieser kurzen Zeit vermisste. Ich war überglücklich das sie alle hinter mir standen und mir vertrauten ohne groß Fragen zu stellen. „Danke, schreibt mir dann gerade einfach eine Nachricht auf mein Handy. Ich muss jetzt leider schon wieder Schluss machen. Ich hab euch Lieb und denk an euch.“ Ich legte schnell auf um nicht schon am Telefon ins Schluchzten zu verfallen. Ich weinte und das bitterlich. Ich hatte meine Freunde angelogen und ihnen zusätzliche Arbeit aufgehalst außerdem konnte ich spüren wie groß ihre Sorge um mich war. Lysander war es Wert gerettet zu werden aber was tat ich dabei meinen Jahrelangen Freunden an? Gab es denn nur entweder oder? Aber wem machte ich etwas vor, meine Freunde hätten mir niemals geglaubt wenn ich ihnen die Wahrheit gesagt hätte, vor allem nicht am Telefon. Sie hätten es für einen schlechten Scherz gehalten und es damit abgetan. Ich musste das hier alleine durchstehen, ohne sie. Als hätte Lysander es geahnt das es mir nicht gut ging, kam er in das Zimmer herein gestürmt und zog mich an seine Brust. Er sagte nichts, hielt mich nur fest und streichelte mir über mein zerzaustes Haar. Ich war so dankbar für seine Nähe, für den Halt den er jetzt gerade gab und ließ mich wimmernd in seine Arme fallen. Wir sanken gemeinsam auf den Boden und sofort zog mich Lysander auf seinen Schoß. Er hielt mich fest und wiegte mich wie ein Kleinkind in seinen Armen. All der angestaute Stress der letzten Tage löste sich nun von mir und brach über mich hinein. Beginnend damit das ich unter Drogen gesetzt wurde, mich mit Liam gestritten hatte, gedacht hatte entführt worden zu sein, jemandes Leben retten sollte, übernatürliches erfahren hatte, das mich mein verstorbener Opa im Traum besucht hatte und natürlich weinte ich auch darüber das ich mich nicht einfach in Lysander verlieben konnte. Immer wieder flüsterte mir dieser wundervolle Mann zu das alles gut werden würde und bei dem Klang seiner Stimme wurde mir immer schwerer zumute. Dieser atemberaubend, tolle Mensch würde einfach verschwinden wenn ich mich nicht in ihn verlieben würde. Die Minuten vergingen in denen ich mich selbst bemitleidete und weinte weil ich dachte dass ich vollkommen alleine war mit dieser ganzen Situation. Doch dann sagte Lysander etwas was mich aus meiner Depression heraus riss wie ein Bungee Seil an einer hohen Brücke. „Ich bin hier, ich bin für dich da. Ich werde immer für dich da sein.“ Er hatte Recht. Ich war nicht allein. Ich hatte Ihn. Ich hatte Lysander an meiner Seite. Lysander der mich in seinen Armen hielt und verzweifelt versuchte mich zu trösten, dessen Augen voller Sorge und Angst um mich auf mir lagen. Ich hörte auf zu weinen und schlang meine Arme um seinen Hals. Damit hatte ich ihn nun vollkommen durcheinander gebracht. Reglos saß er da, außerstande sich zu bewegen. „Jetzt ist der Moment indem du deine Arme um mich legen musst.“ Flüsterte ich ihm zu. Noch immer verdutzt von meiner Reaktion legte er seine kräftigen Arme um mich und presste mich fest an sich. Ich hatte nicht nur meinen Freunden zuhause Sorgen bereitet, sondern auch ihm. Besonders ihm. Er wollte mich gar nicht mehr loslassen und so saßen wir weitere Minuten da. Ich saß noch immer auf ihm und die einzigen Millimeter die uns davon abhielten zu verschmelzen waren unsere Kleidung. Lysander war nun wieder etwas gefasster und löste sich aus unserer innigen Umarmung nur um mein Gesicht in seine Hände zu nehmen. Sein Blick zeigte noch immer wie Beunruhigt er war. „Ich will dich nie wieder weinen sehen und ich werde alles daran setzen das du nie wieder weinen wirst.“ Und wieder baute sich dieser Moment zwischen uns auf, die Luft uns herum schwirrte und diesmal gab es keinen Raben der die diesen Augenblick zerstören könnte. Unsere Lippen näherten sich langsam und mein Herz raste in voller Erwartung. Ich schloss meine Augen und wusste dass es jetzt soweit war. In der letzten Sekunde sprang die Tür auf. Erschrocken wichen wir beide voneinander ab und starrten auf den Türrahmen. Mein Herz schlug immer noch wie wild in meinem Brustkorb und ich wusste wie Rot meine Wangen aussehen müssten. Eine vollkommen aufgelöste Alienor sah uns verlegen an, hinter ihr stand Deegan der die ganze Sache sehr gefasst aufnahm. Wieder einmal wirkte Alienor so zerbrechlich neben ihrem Mann, vor allem jetzt da ihr Gesicht überströmt von Tränen war. Ihr hatte ich wohl auch Sorgen bereitet und man sah ihr an das sie zu mir wollte um mich in ihre kleinen, zierlichen Arme zu ziehen. Eine kleine Tatsache hinderte sie wohl noch daran. Die Tatsache dass ich noch immer auf Lysanders Schoß saß. Deegan fand als erstes seine Sprache wieder, während wir anderen peinlich berührt auf den Boden starrten. „Gott sei Dank geht es euch gut.“ Ich glaubte ein unterdrücktes Grinsen zu erkennen wollte aber nicht weiter darauf eingehen da die ganze Situation eh schon verstörend genug war. Ich wollte vor Scham im Boden versinken und betete wirklich dass sich unter Lysander und mir ein riesiges Loch auftun würde. Was natürlich nicht geschah. Benommen rappelte ich mich auf und das war der Moment für Alienor sich in meine Arme zu stürzen. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht als ich dich weinen gehört habe.“ Ich drückte sie und wusste das auch sie für mich da sein Würde. Ich hatte zwar nicht meine Freunde von zuhause aber ich hatte hier ganz sicher neue gefunden. Freunde die ich nicht enttäuschen wollte. „Es tut mir Leid.“ Ali wischte sich ihre Tränen weg. Ich wollte diese traurige Stimmung verfliegen lassen und wusste dass nur ich das auch konnte, da ja nur wegen mir alle überhaupt erst betrübt waren. Selbst Deegan wirkte nun wieder wesentlich entspannter und half seinem Bruder auf. „Übrigens, ich konnte es klären. Meine Freunde werden dafür sorgen das ich noch länger hierbleiben kann.“ Die Mienen aller hellten sich auf und auch ich konnte spüren dass nun die erste Angst komplett überwunden war. Es würde ganz und gar nicht einfach werden aber ich durfte nicht ständig an all das negative denken. Ich war nun hier und meine Aufgabe stand mir noch bevor. Es ist mein Schicksal. Lysanders Smaragdgrüne Augen bedachten mich mit einem liebevollen Lächeln. Er war mein Schicksal. Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Es war bereits Abend geworden und ich hatte mich direkt nach dem Essen auf mein Zimmer zurückgezogen. Das Telefonat mit meinen Freunden machte mir noch schwer zu schaffen und es schien mir fast unmöglich einen klaren Kopf zu bewahren. Ich war unglaublich froh das sie alle hinter mir standen und mir helfen würden auch wenn sie nicht wussten worum es ging. Mein Leben in Köln war noch nicht einmal eine Woche her doch es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, das ich das letzte Mal auf Station war und ganz normal gearbeitet hatte. In dieser kurzen Zeit ist so unglaublich viel passiert. Ich war kein normaler Mensch mehr, ich war etwas Magisches auch wenn ich mich ganz und gar nicht danach fühlte. Deegan hatte mir mein Handy zurückgegeben und dazu das Passwort des W-Lans das sie hier einbauen haben lassen. Wie sie das geschafft hatten, schien mir unmöglich. Ich hatte Lysander versprochen später noch bei ihm vorbei zu schauen, doch jetzt musste ich erstmal ein paar meiner Rätsel lösen. Irgendwie hoffte ich dass ich im Netz etwas über die Lunae heraus finden konnte, bisher hatte ich alle meine Informationen von den Geschichten meines verstorbenen Großvaters. Er hatte mich letzte Nacht im Traum besucht um mir zu sagen das mir ein großer Kampf bevor stand, das ich ein Kind des Mondes wäre und in mir große Kraft ruhte. Voller Hoffnung gab ich also in die Suchleiste von Google „Lunae“ ein, doch alles was ich fand waren Informationen über eine frühere Musikgruppe und ein Weingut. Alles nicht sehr Hilfreich. Ich versuchte es weiter mit „Legenden der Lunae“ aber auch hier bekam ich nur Infos aus einer sehr suspekten Homepage in denen die Geschichte erzählt wurde die ich schon kannte. Die Liebe des Mondes zu den Schatten und seine Opfer. Frustriert warf ich mein Handy aufs Bett, vielleicht schaffte ich es ja mich noch etwas genauer an die alten Geschichten meines Opas zu erinnern. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich mit all meiner Kraft auf meinen Großvater. Der Mondstein, den er mir damals Geschenkt hatte und nun als Kette an meinem Hals hang, glühte und erleuchtete den Raum in einem gleisend hellem Licht. So stark hatte er noch nie zuvor geleuchtet. Ich musste meine Augen zusammen kneifen damit mich das Licht nicht allzu sehr blendete und selbst so erkannte ich nicht einmal mehr die Umrisse der Möbel in meinem Raum. Langsam ließ das grelle Licht etwas nach und ich konnte eine Silhouette in meinem Zimmer erkennen. „Du hast mich gerufen mein Kind?“ Die Silhouette sprach und nun nachdem das Licht vollkommen verebbt war konnte ich erkennen, wer die geheimnisvolle Person war. „Großvater?“ Ich war mir eigentlich ziemlich sicher dass ich nicht Träumte oder war ich vielleicht doch eingeschlafen? Vielleicht spielten mir meine Augen auch einen Streich. „Wieso bist du denn so überrascht? Du hast mich selbst hergerufen.“ Ich habe Was getan? „Aber wie?“ Mein Großvater lachte und ließ sich neben mir auf das Bett fallen. Vorsichtig berührte ich seinen Arm um mir sicher zu sein das er kein Trugbild war. Sanft strich er mir über meine Hand. Die Berührung fühlte sich echt und bekannt an, er war also tatsächlich hier. „Durch die Kraft die in dir wohnt.“ Er legte eine dramatische Pause ein und sah mich eindringlich an. „Du bist etwas Besonderes. Du bist ein Kind des Mondes und trägst seine Kraft in dir und es verlangt eine Menge Kraft um jemanden aus dem Reich der Toten zu beschwören.“ Mein Kinn klappte herunter. Ich schätze ich muss sehr verstört ausgesehen haben, denn sofort bekam mein liebster Opa einen Sorgenvollen Blick der so viel bedeutete wie „Raste bitte nicht aus“ denn genau das wollte ich tun. Ich hatte meinen eigenen Großvater aus dem Reich der Toten heraufbeschworen ohne überhaupt zu wissen wie ich es getan hatte. Ich die Krankenschwester aus Köln hatte meinen toten Großvater Gaelei Black mit der Kraft des Mondes heraufbeschworen… Ich wollte hysterisch anfangen zu lachen doch konnte es nicht. Mein Körper war wie erstarrt und das einzige Zeichen das ich noch lebte war meine Atmung und mein Herzschlag. Noch immer sah mein Großvater mich aus großen Augen an. Er war hier. In meinem Zimmer. Und er war echt. Zumindest fühlte er sich echt an. Mit größter Mühe brachte ich ein schwaches „Wie?“ heraus. Gaelei zog mich in seine Arme und strich mir über mein wirres Haar. „Meine kleine Amy, du bist mächtiger als du vielleicht denken magst. In dir ruht eine wahnsinnig große Kraft, größer als wir es jemals bei irgendjemanden gesehen haben. Es ist einfach, eine Person in einen Traum zu ziehen die noch lebt. Alleine einen verstorbenen in seinen Traum zu ziehen ist schon ein wahres Wunder und du mein Kind hast es sogar geschafft mich in die Realität zu rufen. Ich wünschte ich könnte dir erklären wie du es geschafft hast aber das kann ich nicht. Du bist stark, viel zu stark als das ich es mir für dich Wünschen würde. Ich kann sehen wie die Macht in dir brodelt und versucht zu entweichen. Besonders jetzt da du auf Lysander getroffen bist. Deine Macht scheint erwacht zu sein als ihr beiden euch das erste Mal begegnet seid.“ Die Umarmung meines Opas gab so viel Geborgenheit und nur ihm konnte ich all dies glauben, hätte es mir irgendein anderer Mensch erzählt hätte ich ihn für vollkommen verrückt erklärt, aber nicht meinen Großvater. Auch wenn er ein Geist war und ich vielleicht meinen Verstand verlieren würde, war er immer noch der Mensch dem ich am meisten Vertraute. Er wusste wovon er sprach und das gab mir eine Überzeugung an seine Worte zu glauben. Ich brauchte kein Google oder irgendwelche alten Bücher, die Antworten saßen direkt neben mir. „Wieso reagiere ich dann nicht wie es üblich ist auf ihn?“ Erneut strich seine Hand über mein Haar. „Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen aber ich glaube das dein Geist dich versucht zu beschützen und diese Macht zurück drängt. Sie ist Segen und Fluch zugleich. Sie ist da und das weißt du, du spürst es. Genauso wie du spürst das Lysander richtig für dich ist. Doch deine Menge an Macht ist gefährlich für jemanden der nicht weiß wie man damit umzugehen hat. Dein Geist und Macht bilden eine Barriere, doch ich bin mir sicher dass du diese überwinden kannst. Ich glaube an dich mein Kind.“ In meinen Ohren klang es noch ganz und gar nicht Logisch aber wieder war dieses Gefühl da, das es stimmte. Vorher hatte ich nie über das übernatürliche Nachgedacht aber seit ich auf Lysander getroffen war schien das alles normal zu sein. Seit jener Nacht schien auch mein Mondstein außer Kontrolle zu spielen und tat Dinge die er zuvor noch nie getan hatte. Er vibrierte, glühte und lag Teils schwer auf meiner Brust. Auch dieses Gefühl in mir das mir ständig sagte dass es richtig war hier zu sein. Es stimmte alles. „Was ist das für eine Macht, Opi?“ Bei dem Namen, den ich als kleines Mädchen für ihn benutzt hatte lächelte er und zog mich noch fester an sich. „Sie ist schwer zu erklären aber sie ist mächtig und jeder Lunae trägt ein Teil dieser Macht in sich. Doch keiner Besitzt so viel davon wie du. Der erste Schritt um sie zu erlernen ist sie zu akzeptieren. Dein Geist verschließt dich vor ihr.“ Sie akzeptieren. Das klang einfacher als es wirklich war. Wie konnte ich etwas akzeptieren das ich nicht einmal verstand? Etwas das vollkommen neu und irgendwie doch befremdlich war. Ich schien nicht nur unter den Menschen etwas Besonderes zu sein, nein auch unter den Lunae. Ich hatte also eine gefährliche Macht in mir die ich zu Kontrollieren erlenen müsse und nebenbei auch noch Lysander retten sollte. Bravo Amy, du hast dein Leben voll im Griff. Mein geliebter Großvater schien den Zwist in mir zu erkennen und versuchte mich zu beruhigen. „Ich weiß das Lysander im Moment bei dir an erster Stelle steht aber ich bin mir sicher dass du beides hervorragend meistern wirst. Du bist so ein großartiges Mädchen.“ Großartig waren nicht die ersten Worte die mir zu mir einfielen aber es tat verdammt gut sie von ihm zu hören. Leise rollten mir ein paar kleine Tränen über meine Wange und der Schmerz des Vermissens pochte in meiner Brust. Er war jetzt hier doch ich wusste dass er es nicht wirklich war, ich war bei seiner Beerdigung gewesen, hatte ihn in diesem Sarg liegen sehen und hatte den Schmerz meiner Großmutter gefühlt. „Großmutter…“ huschte es mir als ein Flüstern über die Lippen. Die Augen meines Großvaters richteten sich Sehnsüchtig in die Ferne und auch ein blinder hätte erkennen können das der Schmerz auch ihn auffraß. Jahrelang waren sie ein Herz und eine Seele gewesen und wurden dann wie aus dem Nichts auseinander gerissen. Die Liebe dieser beiden Personen war die Liebe die ich erleben wollte. „Du solltest sie bald besuchen gehen, sie vermisst dich schrecklich Amy.“ Schuldgefühle kamen in mir hoch, ich hatte sie viel zu lange nicht mehr besucht. Die Angst vor dem Schmerz saß viel zu tief in mir und ich konnte mich einfach nicht davon losreißen. „Ich weiß. Es tut mir Leid.“ Mein Großvater nickte mir zu und löste sich nach ein paar Minuten von mir. „Ich sollte jetzt wieder gehen. Du kannst mich immer wieder rufen, wenn du meine Hilfe benötigst, doch ich weiß das du es auch ohne mich schaffen wirst.“ Ein seufzten brach seine Stimme. „Und richte meiner Liebsten Lesley aus das ich sie Liebe und immer bewache bis wir eines Tages wieder vereint sind.“ Nach diesen Worten löste sich mein Großvater in einem hellen Nebel auf und war verschwunden. Ich saß nun wieder alleine in meinem Zimmer und trocknete meine feuchten Wangen. Nun hatte ich die Antworten die ich brauchte auch wenn sie mir in meiner momentanen Situation nicht viel helfen konnten. Ich versuchte mich noch etwas zu beruhigen in dem ich eine heiße Dusche nahm. Das warme Wasser löste die Verspannungen in meinem Körper die sich durch die neu erlangten Informationen aufgebaut hatten. Mit nassen Haaren und nur in ein Handtuch gewickelt stand ich vor dem großen Spiegel im Bad, der durch die hohe Luftfeuchtigkeit beschlagen war. Meine Hand strich schnell über die feuchte Oberfläche und ermöglichte mir ein schleierhaftes Bild von mir selbst. Ein paar meiner Haarsträhnen hafteten an meinem Gesicht und an meinem Hals. Über meiner Brust hang mein Amulett in dem sich der Mondstein befand, den mir mein Großvater kurz vor seinem Tod geschenkt hatte. Ich streifte ihn mir über meinen Kopf und nahm ihn ab. Er pendelte in meiner Hand. „Und was hast du für eine Bedeutung mein kleiner Freund?“ Ich fixierte den Stein und versuchte aus ihm Schlau zu werden. War er einfach ein Glücksbringer oder vielleicht eine Art Frühwarnsystem? Früher hatte er leicht im Mondlicht angefangen zu schimmern aber heute Nacht hatte er den ganzen Raum erstrahlen lassen. Lag in ihm meine Macht versteckt? „Wieso hast du geleuchtet?“ brüllte ich dem Stein entgegen. Als Antwort fing er erneut an hell zu erstrahlen. Ein weißes, grelles Licht umgab mich so dass ich meine Augen erneut schließen musste. Es war viel zu hell und unnatürlich, es machte mir Angst und eine Panik stieg in mir auf die ich nicht erklären konnte. Es war ein Stein! Ein gottverdammter Stein! „Hör auf!“ schrie ich nun noch lauter und ließ den Mondstein damit abrupt verblassen. Er schwang noch immer als Pendel in meiner Hand doch sah nun wieder aus wie immer. Kein Licht ging mehr von ihm aus und er war einfach wieder zu dem Amulett geworden das ich täglich an meinem Hals trug. Der Spiegel war bereits wieder beschlagen. Ich ließ kaltes Wasser aus dem Hahn laufen um einerseits dafür zu sorgen das der Spiegel nicht mehr beschlägt und um mir mein Gesicht zu waschen damit ich wieder etwas zur Ruhe kam. Doch bei meinem nächsten Blick in den Spiegel war all die wiedergewonnene Ruhe dahin. Das Spiegelbild was mir nun entgegen sah, war nicht ich. Sie hatte den gleichen erschrockenen Gesichtsausdruck und bewegte sich wie ich aber ihr Gesicht war ein komplett anderes. Ihre Haut war blass, so blass das sie fast weiß erschien und ihre weichen Gesichtszüge mit den hohen Wangenknochen wurden von langem, glattem schwarzem Haar eingerahmt. Sie war wunderschön und könnte in meinem Alter gewesen sein. Zudem hatte sie eine Reinheit ausgestrahlt, die sie fast wie ein Engel wirken ließ. Ihre Augen hatten die Farbe des Nachthimmels, ein sehr dunkles Blau mit kleinen weißen Punkten darin. Zuerst hatte ich gedacht das sie auch nur ein Handtuch tragen würde aber nachdem ich genauer hingesehen hatte erkannte ich das es ein weißes Kleid war. Schulterfrei und ziemlich alt. Als käme sie aus einer anderen Zeit. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihr aus und berührte das Glas des Spiegels, sie tat mir gleich und unsere Bewegungen verliefen synchron. Unsere Fingerspitzen berührten sich und doch spürte ich nur das kalte Glas. Ihre Finger lösten sich von mir und zeigten auf mich und mit langsamen Bewegungen deutete sie auf sich selbst. Ich bewegte mich nicht und sah ihr zu, ich verspürte keine Angst oder Panik obwohl sich eine fremde Frau in einem Spiegel vor mir materialisiert hatte und nun versuchte mir etwas mitzuteilen. Ihre andere Hand hob sich, darin erkannte ich erschreckender weiße meine Halskette, die Halskette die vor wenigen Minuten noch grell geleuchtet hatte. Sie streifte ihre oder meine oder unsere Kette über ihren Kopf und genau wie bei mir, lag sie direkt auf ihrer Brust über ihrem Herzen. Sie lächelte mir zu und war verschwunden. Jetzt sah mir nur noch mein völlig perplexes Ich entgegen. Konnte dieser Abend noch verrückter werden? Ich hatte meinen Großvater von den toten heraufbeschworen und mir hatte eine völlig fremde Frau in einem Spiegel entgegen gelächelt. Ein lauter Seufzer entfuhr mir. Unter all diesen merkwürdigen Erscheinungen hatte ich fast vergessen das ich Lysander noch in seinem Zimmer besuchen wollte. Schnell griff ich nach einer Leggins und einem weiterem Oberteil und streifte es mir über. Mein Haar war noch immer feucht aber das sollte mich jetzt nicht weiter stören. Ich legte mir meine Kette wieder um meinen Hals und verließ das Zimmer. Damit ließ ich meine paranormalen Erlebnisse von gerade eben hinter mir. Lysanders Zimmer war nicht weit entfernt und ich wusste dass er der einzige war, der einen Balkon hatte. Vielleicht saß er gerade darauf und genoss die Sternklare Nacht. Ich klopfte an seine Tür und trat ein, er lag mit einem Buch auf seinem Bett das er sofort beiseitelegte als er mich herein kommen sah. Sein Gesicht wurde erfüllt von einem warmen, herzlichen Lächeln. Er stand von seinem Bett auf und trat schnellen Schrittes auf mich zu. „Du bist gekommen.“ Seine warme Hand strich mir eine feuchte Strähne meines wirren Haares hinters Ohr. Diese kleine Berührung reichte aus um meinen Körper mit einem angenehmen kribbeln zu erfüllen. All die Erlebnisse von gerade eben waren vergessen wenn ich nur in seinen wunderschönen grünen Augen sah. Jetzt gab es wieder nur uns beide, nur wir beide zählten. Nur er zählte. Er sah wieder einmal atemberaubend aus, diese leicht verstrubbelten Haare passten perfekt zu ihm und das schwarze Shirt umspielte seine Muskeln wie ich es jetzt schon öfter gesehen hatte. Er sah verdammt sexy aus. Ich kam mir so klein neben ihm vor, ich reichte ihm gerade einmal bis zu seiner Schulter und er war einen ganzen Kopf größer als ich. Um ihm direkt ansehen zu können musste ich meinen Kopf in den Nacken legen. Wir standen so nahe beieinander dass es einfach gewesen wäre mich an ihn zu schmiegen und mich in seinen Armen zu verlieren, doch er hatte mich herbestellt weil er mir etwas zeigen wollte. Ich schätze es ging um diese Verwandlungssache die die Schattenwanderer von den Versuchen des Mondes die Schatten zu berühren geschenkt bekommen hatten. „Natürlich bin ich gekommen, hast du etwas anderes erwartet?“ neckte ich ihn und konnte sehen wie dieses schelmische Grinsen auf seine Lippen trat. Dieses Lächeln löste immer wieder ein Gefühl in meinem Bauch aus das so schwer zu beschreiben war. Es war ein typisches „Ich-bring-dich-um-den-Verstand“-Lächeln, das er perfektioniert hatte. „Bei dir kann man nie wissen, immerhin bist du eine Lunae.“ Ich wollte schon protestieren doch wurde von seiner warmen Hand auf den Balkon gezogen. Die Luft hier draußen war angenehm kühl und die Sterne standen hoch am Himmel, es war schon ziemlich spät geworden und der größte Teil dieses Haushaltes schlief bestimmt bereits. Lysander hatte auf mich gewartet und hätte wahrscheinlich auch die ganze Nacht darauf gewartet das ich zu ihm kommen würde. Wir standen also nun auf diesem doch sehr großem Balkon, auf dem eine Art Hollywood Schaukel stand oder mehr hing, denn sie war an den oberen Balken des Daches befestigt worden. Ich wollte mich gerade darauf setzen als Lysander mich festhielt. „Warte, bleib einfach hier stehen.“ Er schien sehr nervös zu sein, denn er hielt meine Hand so fest dass es fast wehtat. Ich nickte ihm zur Bestätigung zu und erst jetzt löste er sich langsam von unserem Griff. Ein paar Schritte von mir entfernt blieb er stehen und atmete tief durch. Ich wollte irgendetwas Beruhigendes sagen aber wusste nicht was. Er wirkte so ängstlich und am liebsten hätte ich ihm gesagt das mich jetzt nichts mehr überraschen könnte doch dann tat er etwas was mich sehr wohl überraschte aber nicht auf eine unheimliche Weiße. Lysander hatte sein Oberteil ausgezogen und erlaubte mir nun einen freien Blick auf seinen nackten Oberkörper. Das sanfte Licht des zunehmenden Mondes strahlte auf seine Haut und gab mir genug Sicht auf seine anderen Tattoos die ich vorher noch nicht zu sehen bekommen hatte. Ich hatte Recht behalten. Auf seiner Brust war ein großer Rabe zu sehen der sich quer darüber zog. Darüber lagen waagerechte Pfeile. Sein Bauch war nicht tätowiert und zeigte seine extrem scharfen Muskeln, die definiert aber nicht zu prägnant waren. Ich spürte wie mir das Blut in mein Gesicht schoss und war froh etwas in der Geborgenheit des Schattens zu stehen, so dass er es überhaupt erst gar nicht sehen konnte. „Bist du bereit?“ Oh ich war sowas von bereit auf das was er mit diesem Körper mit mir anstellen würde. Klar zu denken war sehr schwierig wenn ein absolut heißer, halbnackter Typ vor einem stand. Ich räusperte mich und nickte. Wir waren nicht hier damit ich seinen absolut perfekten Körper betrachten konnte, sondern weil er mir gleich zeigen wollte wie er sich in ein Tier verwandelt. Mit aller Macht versuchte ich mich darauf zu konzentrieren und nicht auf diese starken Oberarme und diese mega sexy Bauchmuskeln. Amy! Das hier war nicht als vergnügen gedacht, du hast eine Aufgabe. Ich konzentrierte mich jetzt also wirklich lieber auf seine Augen und versuchte ihm durch meinen Blick etwas Mut zu schenken. Es schien zu wirken, denn er lockerte sich etwas und schenkte mir ein zauberhaftes Lächeln bevor er seine Augen schloss und sich konzentrierte. Ich weiß nicht genau was ich erwartet hatte was passieren würde aber das überraschte mich dann doch. Um Lysander herum bildete sich eine Art dunkler Nebel die einen sehr an einen Schatten erinnern konnten und hüllten ihn komplett darin ein, alles ging unfassbar schnell und genauso schnell wie der Nebel gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Auf den ersten Blick sah es so aus als hätte sich nicht viel verändert, vor mir stand immer noch Lysander in seiner Menschlichen Form. Ich stand kurz davor zu fragen ob es denn nicht funktioniert hätte bis ich ganz schwach auf seiner Haut silberne Federn erkannte. Es waren keine echten Federn, sie schimmerten nur so und waren kaum zu erkennen. Sie waren nicht überall zu sehen, nur vereinzelt auf seinem Oberkörper. Irgendwie hatte ich etwas anderes erwartet, etwas Animalischeres. Etwas das wirklich nach einem Tier aussah, aber das hier hatte rein gar nichts davon. Ich war sogar fast etwas enttäuscht darüber. Doch irgendetwas stimmte hier nicht. Lysanders schelmisches Grinsen verriet mir das es noch nicht alles war. In einen Moment zwinkerte er mir und im anderen spannte er seinen Rücken an und zum Vorschein kamen ein riesiges Paar Flügel! Er raubte mir den Atem und jeglichen Verstand den ich noch besessen hatte. Mein Mund klappte unkontrolliert nach unten. Er sah aus wie ein wunderschöner Racheengel. Die dunklen, fast schwarzen Flügel hatte er nicht komplett ausgestreckt sondern sie hangen angewinkelt an seinem Rücken. Jede einzelne Feder schimmerte in einer Mischung aus Blau und Silber und ließ ihn mehr wie ein Engel als wie ein Mystisches Wesen aussehen. Lysander reichte mir eine Hand entgegen und nach ein paar wackligen Schritten hatte ich sie erreicht und griff nach ihr. Außer den dunklen Flügeln und seiner Haut hatte sich nichts an ihm verändert. Keine Krähenfüße oder Klauen. Er zog mich zu sich in seine Arme und schloss seine Flügel um uns herum, so dass wir beide darin gefangen waren. Alles was ich spüren konnte war Lysander. Seine Wärme, die Geborgenheit und das magische das von ihm ausging. Meine Hände lagen auf seiner Brust und meine Finger konnten nun seine nackte Haut berühren. Ich strich über den Raben und die Silbernen Federn, zeichnete jeden Umriss nach und nahm kaum war das sich auf seinem Körper eine kleine Gänsehaut gebildet hatte. Alles in mir wollte noch mehr von ihm spüren, wollte ihn noch weiter Berühren und noch näher bei ihm sein. Er fühlte sich so warm und weich und gleichzeitig so kräftig und muskulös an. Er verdrehte mir alle meine Sinne und ich war fasziniert von ihm. Ich berührte die dunklen Federn seiner prächtigen Flügel ganz zaghaft, aus Angst ihn irgendwie zu verletzen oder die Federn zu beschädigen. „Wie findest du es?“ Es war nur ein flüstern an meinem Ohr aber sein Atem auf meiner Haut ließ mein Herz und meinen Magen verrücktspielen. Er roch so unfassbar gut. Ich versuchte meine Gedanken zu sortieren um ihm wenigstens irgendeine Antwort geben zu können, die nicht ganz danach klang das ich mein Hirn verloren hatte als er sich in dieses gottgleiche Geschöpf verwandelt hatte. „Wunderschön.“ Der Blick in seine Augen ließ mich sehen dass nun all seine Nervosität verflogen war und der alte Neckische Lysander wieder an der Tagesordnung stand. „Ich dachte ich zeige dir erst einmal etwas harmloseres, bevor ich mich vor deinen Augen in ein wildes Tier verwandele.“ Er legte eine Pause ein, während er mein Kinn anhob. „Wobei, wenn du mich weiter so ansiehst, kann ich nicht versprechen nicht doch etwas wilder zu werden.“ Mein Herz raste und meine Atmung beschleunigte sich, ich versuchte meinen Kopf von ihm wegzudrehen doch er hielt mich fest. Meine Wangen glühten und ich wollte wenigstens meinen Blick von ihm abwenden aber überall wo ich hin sah war Lysander. Er grinste gewinnend und ließ mich wieder los. Atme, Amy. „Was heißt harmloser? Du hast Flügel auf deinem Rücken falls es dir noch nicht aufgefallen ist.“ Ich wollte ihm nicht zeigen, wie einfach es für ihn war mich aus dem Konzept zu bringen und schaltete meine Triebe etwas zurück. Immerhin wollte ich ja auch etwas hieraus lernen. Lysander hatte mich zwar noch nicht ganz wieder freigegeben aber immerhin konnte ich wenigstens ein paar Zentimeter zwischen uns schaffen. „Naja… Es ist so, wir können uns einerseits komplett in Tiere verwandeln oder aber auch nur bestimmte Eigenschaften zunutze machen. Zum Beispiel: Die Augen einer Katze, Die Flügel eines Vogels, den Geruchssinn eines Hundes und so weiter. Natürlich kann ich mich auch komplett in diese Tiere verwandeln aber was ist atemberaubender? Ein einfacher Rabe oder aber diese fantastischen Flügel?“ Wieder einmal schenkte er mir eines seiner sympathischen Lächeln. Unvermeidlich musste ich grinsen und er hatte Recht. Um ein Mädchen zu beeindrucken waren diese Flügel schon besser als ein kleiner Krähender Rabe. Zudem fand ich es ziemlich cool dass er sich nicht nur in Tiere verwandeln konnte sondern auch einfach ihre besten Eigenschaften annehmen konnte. Lysander hatte seine Magie schon voll raus und wusste damit umzugehen und ich? Ich tue Dinge habe aber keine Ahnung wie. Das ist ziemlich frustrierend. Meine Aufgabe bestand jetzt erst einmal darin meine Kraft zu akzeptieren bevor ich irgendetwas damit anstellen konnte und wer weiß überhaupt was das war. Ich konnte Licht erzeugen. Wahnsinn. Thomas Eddison wäre stolz auf mich gewesen. Ich bin eine lebende Lampe. „Was siehst du mich denn so grimmig an?“ Mir war gar nicht bewusst gewesen das ich nicht geantwortet hatte sondern mehr mit mir selbst gesprochen hatte, was wohl ein klares Zeichen dafür war das ich meinen Verstand verlor. „Entschuldige, ich habe nur über etwas Nachgedacht.“ Ich strich mir durch mein Haar das noch immer etwas feucht von der Dusche war. Lysander löste seine Flügel von mir und hob mich auf seine Arme. Erschrocken klammerte ich mich um seinen Hals. Was hatte dieser verrückte Kerl nun wieder vor. „Lust auf einen kleinen Rundflug?“ Oh nein. Er wollte doch nicht wirklich… Ich hatte weder Zeit zu antworten noch meinen Gedanken überhaupt zu beenden. Mit einem kräftigen Satz sprang er von seinem Balkon und erhob sich in die Lüfte. Zu allem was ich fähig war, war ein schriller, mädchenhafter Schrei. Lysander flog immer höher und höher und ich traute mich gar nicht nach unten zu sehen. Ich klammerte mich Hilflos an ihs und vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Höhe war vollkommen in Ordnung für mich solange ich gesichert war und nicht nur in den Händen eines Typens lag der riesige Flügel auf seinem Rücken trug! „Bist du verrückt?!“ fauchte ich ihm entgegen. „Wovor hast du Angst? Glaubst du wirklich ich würde dich fallen lassen?“ Nein, da hatte er Recht. Er würde mich nicht fallen lassen, ich war quasi seine Lebensversicherung. Wenn er mich jetzt fallen ließ hätte er gar keine Möglichkeit mehr zu überleben. Und vielleicht würde er mich auch nicht fallen lassen weil ich ihm mehr bedeutete als bloß dieses blöde Band. Mein Griff lockerte sich trotzdem nicht. „Sieh es dir an Amy!“ Er klang so erfreut dass ich einfach hinsehen musste. Noch immer an ihm festgeklammert lehnte ich mich etwas nach vorne um zu sehen was er mir zeigen wollte. Es war zwar Nacht aber trotzdem schien der Mond so hell dass er alles erstrahlen ließ. Wir flogen nun genau über die Berge und den See auf dem wir heute Morgen noch zusammen in einem kleinen Boot gesessen hatten. Der große See spiegelte den Mond in sich und sah selbst jetzt so friedlich und klar aus. Lysander flog über die großen Berge und die riesigen Flächen aus dunklem Grün, ganz weit in der Ferne konnte ich ein paar Lichter einer Stadt erkennen. „Das ist der Wahnsinn!“ Ich taute auf und wurde mutiger, lehnte mich weiter nach vorne und spürte wie sehr Lysander auf mich Acht gab, sein Griff lockerte oder stärkte sich je nachdem was ich tat. Seine Flügel waren riesig und er brauchte kaum damit zu schlagen, die meiste Zeit segelten wir über den großen Sternenhimmel. Auf einem der hohen Berge machten wir halt und Lysander landete sehr sanft auf einer der großen Grünflächen auf den Gipfeln der Berge. Sie wirkten immer noch so als hätte sie noch nie jemand zuvor berührt. Die Hohen Grashalme wogen sich im Wind und die Knospen der Blumen waren verschlossen, fast so als würden sie Schlafen oder als wären sie das Zuhause von ein paar Elfen und Feen. Nach den letzten Tagen schien es mir nicht allzu unmöglich hier welche zu sehen. An den Rändern der Klippe ging es steil bergab und darunter lag unser See. Ich konnte unser Boot erkennen das ruhig am Steg ankerte. Noch vor ein Paar stunden lagen wir darin eng beieinander. Lysander hatte seine Flügel wieder eingefahren und stand nun dicht neben mir, eine Hand auf meine Hüfte gelegt. All seine kleinen Berührungen entfachten ein Feuer in mir an das ich mich erst gewöhnen musste. Dieser Moment so abseits von allem fühlte sich so Logisch und korrekt an als wäre es die einzige sinnvolle Situation in der ich jetzt sein sollte. Da war sie wieder diese Stimme in mir die mir sagte dass es mein Schicksal war hier zu sein. Ich drehte mich zu Lysander, um ihn noch besser ansehen zu können. Auch sein Blick lag auf mir und wieder einmal waren wir von den Augen des anderen gefangen. In diesen Augenblicken existierten nur wir beide. „Ich hoffe ich habe dir nicht allzu große Angst bereitet.“ Lysander war der erste von uns beiden der seine Stimme wieder gefunden hatte. „Nein, ganz und gar nicht. Es war toll.“ Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, das mein Herz höher schlagen ließ. „Das freut mich wirklich sehr zu hören. Ich hatte fast angst dass du gar nicht kommen würdest. Nach dem Essen warst du so schnell verschwunden und sahst noch immer so traurig aus.“ Seine Hand legte sich um meine Wange und ich schmiegte mich dagegen. „Ich würde mit überall mit dir hinkommen.“ Und das war die Wahrheit. In Augenblicken wie diesen gab es nur uns zwei und ein vollendetes Vertrauen. Zaghaft trat Lysander näher an mich heran und der Abstand zwischen uns verringerte sich immer weiter. „Niemals hatte ich daran geglaubt jemanden wie dir zu begegnen. Du bist so atemberaubend schön und wild und ich weiß nie woran du gerade denkst. Es muss schwer für dich sein hier zu bleiben und doch hast du es getan. Und das alles nur für mich.“ In seinen smaragdgrünen Augen lag so viel Liebe und Begehren. Ich glaubte jedes seiner Worte, denn sie waren mit Wahrheit gedrängt. Mit einem leichten zögern lehnte sich Lysander noch weiter zu mir vor, bis unsere Lippen nur noch wenige Millimeter voneinander trennten. Es brauchte keine Erlaubnis. Ich schloss meine Augen und er überwand die wenige Distanz die noch zwischen uns lag. Dieser Kuss löste eine wahre Explosion in mir aus und ich spürte wie etwas in mir versuchte heraus zu brechen. Mein Herz überschlug sich und mein Körper verlangte nach mehr, als hätte ich Wochenlang keinen Schluck Wasser mehr getrunken. Seine Lippen schmeckten so süß und hatten etwas Betäubendes wie Minze. Auch Lysander hungerte nach mehr und zog mich noch enger zu sich heran. Seine Hand in mein Haar gekrallt presste er mich fester gegen seine Lippen. Dieser Kuss war von einem zärtlich, vorsichtigen in einen wilden, sehnsüchtigen übergegangen. Das einzige was uns jetzt noch voneinander trennte waren unsere Kleider. Alles was passiert war, war vergessen. Da waren nur noch seine weichen Lippen auf meinen, meine Hände auf seiner Haut. Ich konnte sein Herzschlag unter meinen Fingern spüren und es raste mindestens genau so sehr wie meines. Die leichte Brise der Nachtluft wehte um uns, schien die Hitze zwischen uns aber nicht abkühlen zu können. Lysander. Lysander. Lysander. Er war alles woran ich denken konnte. Alles was ich wollte. Dieser Moment gehörte nur uns. Schweren Herzens lösten wir uns wieder voneinander. Ich war komplett außer Atem und auch Lysander war es anzusehen das er darum Kämpfte seine Beherrschung wieder zu erlangen. Er griff sich in sein Haar, was ihn nur noch liebenswürdiger aussehen ließ und schluckte schwer. „Verdammt. Was war das gerade?“ Ich hatte ihn bisher noch nie so zerstreut erlebt. „Ein Kuss… schätze ich mal.“ Und da war es wieder dieses Kopfverdrehende Grinsen. Er trat auf mich zu und hob mein Kinn an, so dass ich ihn ansehen musste. „Du kleines Biest lässt mich noch völlig meinen Verstand verlieren.“ Das musste Er gerade sagen. Doch bevor ich wieder einmal protestieren konnte lagen seine Lippen erneut auf meinen. Es fühlte sich nicht weniger explosiv an als bei unserem ersten Kuss nur schafften wir es diesmal uns schneller voneinander zu lösen. Einen Moment lang standen wir noch eng umschlungen in diesem wunderschönen Umfeld da. Meine Gedanken kreisten um diesen Kuss und dieses Wahnsinns Gefühl das er in mir ausgelöst hatte. So ein Kuss konnte nicht von dieser Welt gewesen sein. Darin lag so viel mehr das ich noch nicht ganz begreifen konnte. Eine Sage die sich lange vor unserer Zeit abgespielt haben soll. Eine Geschichte in die Lysander und Ich seit unserer Geburt verwickelt waren. Es war einfach viel zu unglaublich und schürte immer noch eine gewisse Angst in mir. Mein Leben lang war ich ein gewöhnlicher Mensch und hatte niemals an Menschen mit Gaben geglaubt, schon gar nicht an Gaben wie die sich in Tiere zu verwandeln. Dies war Stoff für Halloween Geschichten und Horrorfilme. Werwölfe, Vampire, Geister all das war nicht echt. Und mit was war ich am besten zu vergleichen? Einer Hexe? Lysander strich mir liebevoll über mein Haar und hielt mich weiterhin in einer engen Umarmung. „Es ist spät, wir sollten wieder zurück nach Hause.“ Seine Flügel – die ich fast schon vergessen hatte – präsentierten sich nun wieder in voller Größe und ließen ihn wie einen dunklen Engel erscheinen der über mich wacht. Ich reagierte wie es für mich in Nervösen Zuständen Üblich war - mit einem Witz. „Dann flieg los, Superman.“ Er schenkte mir eines dieser verschmitzten Lächeln die ich schon so sehr in mein Herz geschlossen hatte und ließ mich diesmal auf seinen Rücken aufsteigen. Mit einem Sprung erhob er sich in die Lüfte. Ich empfand die Höhe immer noch als beängstigend doch war ich mir diesmal sicher das Lysander mich nicht fallen lassen würde. Außerdem klammerte ich mich so sehr um seinen Hals das ich mich wunderte wie er überhaupt noch Luft bekam, er beschwerte sich natürlich nicht. Es war nun eine komplett neue Sichtweiße. Ich kam mir vor als würde ich selbst fliegen. Der See lag erneut Still unter uns und spiegelte uns darin, was alles nur noch suspekter wirken ließ. Es sah aus wie aus einem Fantasy-Film. Ich auf dem Rücken eines Engels der durch die Nacht flog. Schnell hatten wir auch den restlichen Weg überwunden und Lysander landete sehr sanft auf dem Balkon seines Zimmers auf dem unser kleines Abenteuer heute Nacht begonnen hatte. Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- „Danke für den wirklich schönen Abend.“ Wir standen uns vor der Tür zu meinem Übergangszimmer gegenüber, unsere Finger ineinander verschränkt. Seine andere Hand strich mir sanft über meine Wange. Kleine Berührungen die sich warm und wohltuend auf meiner Haut anfühlten. „Immer wieder gerne kleine Lunae.“ Lysander beugte sich zu mir vor und mein Herz fing in hoher Erwartung auf einen weiteren explosiven Kuss an wild zu schlagen. Ich schloss meine Augen um die Intensität noch tiefer aufnehmen zu können. Seine Lippen trafen auf meine Stirn und lösten kein wildes, begieriges Gefühl in mir aus, sondern etwas viel kostbareres. Meine Großmutter hatte mir einmal gesagt, dass ein Kuss auf die Stirn viel mehr bedeutet als ein Kuss auf die Lippen. Ein Kuss auf die Lippen bedeutet: Du bist mein. Doch ein Kuss auf die Stirn hieß so viel wie: Ich gehöre dir. „Schlaf gut.“ Noch immer benommen sah ich zu wie er in sein eigenes Zimmer verschwand. Da war er wieder ganz Gentleman. Er überschritt keine Grenze und auch wenn uns so wenig Zeit verblieb, hetzte er mich nicht. Ich sollte mich in ihn verlieben und das wäre ich bestimmt schon längst, wenn nicht diese doofe Prophezeiung meines Großvaters gewesen wäre. Ein großer Kampf für den ich meine Macht erlernen sollte. Alles worauf ich mich gerade konzentrieren wollte war Lysander und das was sich zwischen uns entwickelte. Meine Kraft zu akzeptieren schien mir so sinnlos, wenn es hier doch um Lysanders Leben ging. Das Leben, das ein Innerer Selbstverständlicher Teil in mir, mit ihm verbringen wollte. Und dann war da noch mein altes Leben, das so endlos weit weg erschien. Meine Freunde und meine Familie, was würde aus ihnen werden wenn ich hierbleiben würde. Würde ich hier festsitzen und für immer bleiben müssen? Würde ich sie niemals wieder sehen können? Ich warf mich direkt auf mein Bett und ließ das Mondlicht auf mein Gesicht scheinen. Mein Mondstein reagierte sofort auf die Berührung des Lichts und flackerte im Takt meines Herzschlages. Ich brauchte noch mehr Informationen zu dem was ich war und was ich werden sollte. Alles was ich wusste war das ich eine Lunae war, ein Mitglied eines Volkes das seinen Ursprung vor langer Zeit hatte. Dass ich eine große Macht in mir trug, die mein Geist kontrollierte. Ich reagierte auf den Mond, jede meiner Fasern zog seine Kraft in mich auf. Am liebsten hätte ich meinen Großvater erneut herauf beschworen, was eine meiner neuen Kräfte war, doch glaubte er an mich und das ich es ohne ihn schaffen könnte. Ich weiß nicht welche Aufgaben er im Reich der Toten hatte und wollte ihn nicht noch mehr stören. Mein Leben fand keine ruhige Minute mehr, entweder gab es dort Lysander oder mein merkwürdiges neues Ich, das ich herauszufinden hatte. Früher einmal bestanden meine größten Sorgen darin ob ich nach dem Frühdienst einen Mittagsschlaf machen sollte oder eben nicht. Was ich anziehen oder wie ich meine Haare frisieren sollte. An so etwas wie Macht erlernen und kontrollieren war gar nicht zu denken. Ich arbeite in einem Beruf in dem es normal ist Menschenleben zu retten aber so? Mich in sie zu verlieben und ihnen mein Blut zu geben, war nie eine Option in meinem Leben gewesen. Was zur Hölle war ich? Und wer würde mir helfen es herauszufinden? Mein Amulett pulsierte noch immer, der stetige Lichtwechsel erwärmte den Raum und beruhigte mich. Mein Körper spürte die Erschöpfung dieses ereignisreichen Tages. Meine Augen fielen mir immer wieder zu, bis ich komplett eingeschlummert war. Das erste was ich sehen konnte nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte war ein sagenhafter Nachthimmel. Abertausende Sterne erstrahlten den Himmel über mir und mitten darin ein riesiger Vollmond. Ich hatte den Mond noch nie so groß gesehen, er schien seine doppelte Größe zu haben und hang direkt über mir. Der Boden auf dem ich lag war warm und weich, ich konnte das Gras an meinen Fingern spüren. Ich wagte es nicht meinen Blick von diesem wunderschönen Schauspiel zu wenden und genoss das Gefühl welches der Mond in mir auslöste. Meine Haut kribbelte und wurde von einem weißen Licht umhüllt. Ich leuchtete genau wie einer der vielen Sterne dieser Nacht. In mir breitete sich eine angenehme Wärme aus und ich spürte wie die Kraft dieses Wahnsinns Planeten in mich floss. Er schien so greifbar nah, dass ich meine Hand nach ihm ausstreckte um ihn zu berühren. „Wunderschön, nicht wahr?“ Ich fuhr herum. Ich war nicht alleine hier. Mir ist es gar nicht aufgefallen da ich so dermaßen von diesem riesigen Mond gefangen war. Neben mir lag das Mädchen aus dem Spiegel, sie trug noch immer das weiße Kleid und ich schwarzes Haar lag verteilt auf dem Boden um sie herum. Sie lächelte und sah genauso fasziniert wie ich gerade in den Himmel. Ihr Körper war umgeben von einem Licht das auch meinen umgab und auf ihrer Brust lag das Mondsteinamulett das mir mein Großvater vor seinem Tod vererbt hatte. Sie drehte sich nun zu mir herum und lächelte mich freundlich an. Jetzt begriff ich. Ich war wieder in einem Traum. Die Frage war nur, hatte sie mich oder ich sie beschworen… Ganz egal, etwas an ihr sagte mir, dass sie mir weiterhelfen konnte. Vielleicht war es die Tatsache dass wir das gleiche Amulett teilten oder das sie mir in einem Spiegel gegenüber getreten war. Sie musste wie ich eine Lunae sein. Dieser Blick, sie sah den Mond nicht nur als einen Planeten wie jeden anderen und war nicht nur fasziniert von ihm weil er so hoch am Himmel stand. Da war mehr. Eine Verbundenheit die tief in der Zeit zurückging. „Du bist Amy, Gaelei’s Enkelin.“ Es war keine Frage die sie mir stellte. Sie wusste ganz genau wer ich war. Vielleicht wusste sie auch mehr darüber was ich war. Sie kannte also meinen Großvater, hatte er sie zu mir geschickt? War sie ebenfalls ein Geist? Ich nickte obwohl keine Bestätigung nötig gewesen wäre. „Entschuldige dass ich deine Nachtruhe störe. Ich musste dich sehen, jetzt nachdem deine Kräfte in dir erwacht sind. Du bist etwas so besonderes.“ Damit waren meine ersten zwei Fragen beantwortet. Sie hatte mich hier her beschworen und sie wusste mehr darüber was ich war. Ihr lächeln ruhte weiterhin auf mir und ich fand keine Worte um meine Fragen zu formulieren. Es nervte mich immer zu hören dass ich etwas Besonderes war, wenn keiner mit der Sprache heraus rückte um was genau es dabei überhaupt ging. Wer weiß ob sie mir Rede und Antwort stehen würde. Ein Versuch war es aufjedenfall Wert. „Zuerst einmal. Wer bist du überhaupt?“ Ich seufzte. „Du scheinst mich zu kennen aber ich habe keinen Schimmer wer du bist.“ Sie lachte und setzte sich auf um mich besser ansehen zu können, vermutete ich zumindest. Sie sah wirklich nicht sehr viel älter aus als ich und trotzdem umgab sie etwas sehr altes und weißes. „Mein Name ist Amaris und ich bin, wie mein Name vielleicht schon verrät, das Kind des Mondes.“ Sie legte so viel Nachdruck in dieses Wort das es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Sie war DAS Kind des Mondes! Sie war diejenige die Erschaffen wurde um die Schatten zu berühren. Sie war die erste Lunae überhaupt und wahrscheinlich so etwas wie meine Großmutter! Ihr Blick erheiterte und sie schmunzelte. „Nicht ganz deine Großmutter, ich würde es eher Schwester nennen.“ Ihre Schwes– Warte. Sie hatte meine Gedanken gelesen! Wie hat sie das gemacht? Tut sie es gerade? Lag es an dem Traum in den sie mich beschworen hatte? Mein Herz raste und ich fühlte mich extrem unangenehm. Ich wollte mich zwingen aufzuwachen, doch konnte es nicht. Ich kniff immer wieder in meinen Arm. Sie legte beschwichtigend eine Hand auf meinen Arm und ich sah sie erschrocken an. „Ich muss mich erneut bei dir Entschuldigen. Ich werde mich aus deinem Kopf heraus halten.“ „Wie…Wie hast du das gemacht?“ Sie zog ihre Hand zurück und blickte hinauf in den Nachthimmel. „Wir beide sind uns sehr ähnlich. Es stimmt schon das du eine meiner Nachfahren bist aber uns verbindet noch etwas.“ Sie legte eine kleine Pause ein uns sah mir sanft in die Augen. „Du und Ich haben eine besondere Gabe, es ist ein großes Geschenk. Wir wurden mit der Macht des Mondes versehen. Wir sind Töchter des Mondes.“ Ich kannte ihre Geschichte aber was hatte ich damit zu tun? Ich war unbestreitbar die Tochter von Lea und Christian Black dafür brauchte man keinen DNA-Test man sah uns die Ähnlichkeit an. Wie konnte ich also wie sie sein? „Aber wie?“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch die Nacht war so ruhig da sie mich Verstanden haben musste. Außerdem konnte sie ja noch immer in meinen Gedanken lesen. „Du wurdest in einer Nacht geboren, in dem der Mond am präsentesten und größten am Himmel steht. Die Menschen nennen es Supermond.“ Ich hatte viel darüber gelesen als ich Anfing mich mehr und mehr zum Mond hingezogen zu fühlen. Ich hatte viel recherchiert und konnte einen wichtigen Punkt einbringen. „Daran ist nichts Besonderes, ein Supermond findet jedes Jahr statt. Außerdem bin ich bestimmt nicht die einzige die am 8. März 1993 geboren wurde.“ Sie schmunzelte erneut. „Nein, ganz sicher nicht aber keine von ihnen war eine Lunae und keine von ihnen wurde genau um die Uhrzeit geboren als der Supermond der Erde am nächsten stand.“ Ich öffnete meinen Mund um weitere Zweifel an dieser Logik kund zu geben, doch sie Unterbrach mich indem sie weiter sprach. „Er hat dich auserwählt und dir seine Kraft geschenkt. Du wurdest nicht wie ich von ihm erschaffen aber du bist jemand den er nicht ignorieren konnte. Du warst zu präsent. Er liebt dich.“ Sie schockierte mich damit das sie von diesem weit Entfernten Planten wie von einem Menschen sprach. Als würde er tatsächlich fühlen und denken. Aus den Geschichten meines Großvaters wusste ich dass die Lunae den Mond wie einen Gott anbeteten aber ihn wie eine reale Person zu behandeln schien mir dann doch etwas zu viel des guten. „Das ist doch Schwachsinn…“ Sie unterbrach mich erneut. „Dein Amulett.“ Mehr brauchte sie nicht zu sagen um mich zum Schweigen zu bringen. Ich sah an mir herab und dort hang es wie immer, seit dem ich es von meinem Großvater bekommen hatte. Es war also wie ich bereits vermutete hatte. Sie sahen nicht gleich aus, es war ein und dasselbe. Ich seufzte. So schwer es mir auch viel ihr zu glauben, meine innere Stimme sagte mir bereits das sie recht hatte und alles stimmte von dem sie mir erzählt hatte. Das war also das Besondere an mir. Das machte mich zu einer besonderen Lunae. Ich war nicht nur ein Kind des Mondes, wie mein Großvater die Lunae auch nannte. Ich war eine Tochter des Mondes. Ich verfügte über seine Kraft, was auch immer das heißen sollte. Ich wusste jetzt zwar Was ich war aber hatte noch keine Ahnung damit umzugehen. Ich musste meine Chance nutzen mehr darüber zu erfahren. „Na gut, okay. Ich bin also wie du. Dann erzähl mir mehr darüber. Was ist das für eine Kraft und wie lerne ich sie zu benutzen? Was hat es mit diesem Amulett auf sich und vor allem was für ein Kampf wartet auf mich?“ Sie umfasste meine Hände und lächelte mich wieder sehr sanft an, was sie älter und reifer wirken ließ. Was sie ja auch war, sie hatte vor wer weiß wie vielen Jahren gelebt. „Zuerst musst du lernen deine Macht zu akzeptieren.“ Ich rollte mit den Augen. Es war so einfach für sie es zu sagen, doch so schwer für mich es umzusetzen. „Schon klar, ich arbeite daran aber ich muss mehr Wissen.“ Ich war nervös. Würde ich jetzt mehr erfahren? Würde ich ein paar Tipps bekommen wie das akzeptieren von statten ging? „Du musst deinen Weg finden es zu akzeptieren, dein Geist beschützt dich vor dieser großen Menge an Kraft.“ Das hatte ich alles schon von meinem Großvater gehört. Es half mir nur nicht. „Das Mondsteinamulett um deinen Hals beschützt dich zusätzlich und kontrolliert deine Kraft. Es leitet dich und ist mit deinem Herzen verbunden. Es ist nicht einfach nur ein Anhänger, es wirkt nicht bei jedem. Du und Ich, wir sind etwas Besonderes und es wurde für Lunae wie uns erschaffen.“ „Wer hat es erschaffen?“ Ihr Blick richtete sich traurig dem Himmel entgegen. „Jemand dem einmal mein Herz gehört hat. Es ist schon sehr lange her seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Er hat es für mich angefertigt um mich zu schützen und…“ Sie brach ab und bedachte nun wieder mich, ihr Blick war ernst geworden. „Er wollte mich damit dämpfen und hat versucht mich dadurch zu bändigen und zu kontrollieren. Es hätte fast funktioniert. Doch er hatte vergessen das unsere Herzen damit verbunden waren und so sehr mein Herz für ihn schlug, schlug seines für mich.“ „Er wollte deine Macht…“ Amaris strich über mein Haar. In ihren Augen lag ein Schmerz den ich schwer begreifen konnte. Kein Zorn oder Hass nur ein Schmerz des Verlustes. „Ja, aber noch mehr als diese Macht liebte er mich.“ Sie seufzte. „Unsere Wege haben sich danach für immer getrennt.“ Ich empfand Mitgefühl für sie. Sie hatte ihn wirklich und wahrhaftig aus vollem Herzen geliebt und er hatte versucht sie zu betrügen. Er wollte sie hintergehen doch das Amulett das er selbst dafür erschaffen hatte, beschützte sie. Und ich dachte Lysander’s und meine Liebesgeschichte wäre kompliziert. Sie war ein Witz gegen das hier. Ich war neugierig geworden und wollte mehr über sie und diesen Mann erfahren. „War er ein Schattenwanderer?“ Sie nickte. „Natürlich, dafür wurde ich…wurden wir erschaffen. Er war der erste Schattenwanderer der die Erde berührt hatte und er war ein Bild von einem Mann.“ Sie lächelte schief und jetzt schien es mir als wären wir zwei alte Freundinnen die über heiße Kerle redeten. Verträumt seufzte sie und fuhr fort. „Er hatte sich einen Bart stehen lassen und sah dadurch noch Verführerischer aus. Es passte perfekt zu seinem Markanten Gesichtszügen. Oh Amy, ich sage dir in seinen Augen konnte man sich verlieren. Dieses warme Braun das mich immer an die eines Reh’s erinnerten. Ich konnte nie aufhören ihn anzusehen. Wir wurden füreinander geschaffen. Ich liebe ihn noch immer bedingungslos.“ So viel von dem sie sprach erinnerte mich an Lysander. Dieses in den Augen des anderen verlieren war wohl eine spezielle Lunae – Schattenwanderer Sache. Ich musste bei den Gedanken an unsere erste Begegnung schmunzeln und jetzt schien alles was er tat mein Herz höher schlagen zu lassen. Es durchfuhr mich wie ein Blitz. „Wusstest du von Anfang an dass ihr füreinander bestimmt seid?“ Verwirrt sah sie mich an. „Um ehrlich zu sein… Nein. Ich weiß nicht genau wie ich es beschreiben soll aber ich fühlte mich ohne jeden Zweifel zu ihm hingezogen doch hatte ich das Gefühl das es ein Muss wäre, das ich keine andere Wahl hätte und ich wollte eine eigene Wahl haben. Ich wollte nicht nur existieren weil ich ihn lieben sollte, auch wenn es genau das war. Dafür wurde ich erschaffen. Um die Unerfüllte Liebe des Mondes zu erleben.“ Sie sprach genau das aus was in mir vorging. Wahrscheinlich lag es an der zu großen Macht die in uns lebte. Wir wehrten uns unbewusst gegen unser Schicksal. Dennoch gab es einen großen Unterschied zwischen uns beiden. Amaris hatte vor ihrem Seelenverwandten Schattenwanderer kein anderes Leben, ich hingegen schon. Sie wurde alleine für ihn erschaffen, ihn zu lieben war ihre Aufgabe. Ich wurde auch für Lysander geschaffen, wir beide füreinander aber es gab noch immer mein Leben vor unserer Begegnung in der Diskothek. Das Leben das ich hatte bevor er mich in einer Nacht und Nebel Aktion nach Norwegen verschleppt hatte. Genau das war es was mich daran hinderte mich voll und ganz auf ihn einzulassen. Die Angst dieses Leben nie wieder Leben zu können. Meine Freunde und Familie nie wieder sehen zu können. Der Magische Teil in mir war Lysander schon komplett verfallen, doch der logische, menschliche Teil in mir hatte furchtbare Angst vor dem was auf mich zukommen würde. Ich versuchte all diese Gedanken abzuschütteln und konzentrierte mich wieder auf Amaris. „Du hast mir noch gar nicht verraten wie er hieß.“ Sie lächelte verliebt. „Zelophed.“ Sie hauchte seinen Namen, einen Namen den ich zuvor noch nie gehört hatte. Er klang genauso geheimnisvoll und magisch wie er wohl selbst gewesen war. Keinem von uns war es wohl vergönnt mit einem normalen Namen in diese Welt zu starten. „Wann ist dir klar geworden das du dein Leben mit ihm verbringen willst?“ Amaris lachte. „Wann? Ich kann dir keine genaue Zeit nennen aber irgendwann habe ich mich einfach auf ihn eingelassen, ich konnte ihm einfach nicht länger wiederstehen.“ Man konnte ihr Ansehen in welche Zeit ihre Gedanken gerade schweiften. Auch wenn er sie versucht hatte zu hintergehen, glaubte sie selbst jetzt noch an seine Liebe zu ihr. Sie zweifelte keinen Moment daran. Ich wusste nicht ob ich es bewundern oder verachten sollte. Als würde unsere eigene Logik verschwinden sobald es um einen Schattenwanderer ging. Als würde unser Leben weniger zählen als ihres. War es das? Nein, entschied ich. Sie brauchten uns genauso sehr zum Leben. Ohne uns würden sie nicht einmal existieren können. Ohne Lunae würden sie aussterben und ohne sie würden auch wir sterben. Wie eine Symbiose waren wir von dem jeweils anderen abhängig. Die Vorstellung dass es für jeden Menschen beziehungsweise Lunae nur einen Partner gab war einerseits beängstigend und andererseits wunderschön. Zu wissen das es für jeden von uns jemanden gab der nur für einen selbst erschaffen wurde hatte etwas wunderbares. Aber was würde passieren, wenn wir diesen Jemand niemals treffen würden? Wären wir dann für immer alleine auf dieser Welt? Wie viele hätten dann Glück auf ihren Seelenverwandten zu treffen und wie viele würden ein einsames Leben tristen? Zelophed war Amaris Seelenverwandter, sie waren die ersten unserer Völker und doch waren sie nicht für immer zusammen gewesen. Für sie gab es kein „Glücklich bis an ihr Lebensende“. So sehr er sie auch geliebt hat, er war bereit dazu ihr etwas Schreckliches anzutun nur um an ihre Macht zu kommen. Er hatte es letztendlich nicht geschafft und doch war es ein Versuch und dieser Versuch hang jetzt um meinen Hals und beschützte mich vor der zu großen Kraft des Mondes. Ich hatte ganz vergessen dass ich noch immer träumte und fragte mich so langsam wie spät es wohl in der realen Welt sein würde. Amaris lag nun wieder neben mir und starrte noch immer in der Erinnerung an Zelophed in den Sternenübersehten Nachthimmel. Ich hatte noch nicht herausgefunden ob ich wirklich schlief und mich erholte oder ob ich aufwachen und völlig erschöpft sein würde. Ich wollte es nicht unbedingt herausfinden und konnte es mir nicht leisten einen ganzen Tag zu verschlafen. Die Zeit die Lysander und ich noch übrig hatten war viel zu kurz und jede uns verbleibende Stunde war kostbar. Ich musste jede Möglichkeit nutzen ihn näher kennenzulernen um sein Leben zu retten. Es gab diese Momente in denen ich es ohne zu zögern tun würde, mein Leben aufgeben nur um ihn zu retten, um ihn am Leben zu erhalten. Momente in denen ich daran dachte mich ihm hinzugeben und ihn mein Blut trinken zu lassen. Diese Momente in denen es nur uns beide gab, als wären wir die einzigen Lebewesen auf dieser Welt. Wenn ich bei ihm war, war es einfach alles andere um uns herum zu vergessen. Es schien möglich alles hinter mir zu lassen um mit ihm neu anzufangen. Ich sah mich neben Alienor in der Küche stehen, wie wir das Frühstück für unsere große Familie vorbereiteten. Ich sah mich Arm in Arm mit Lysander in seinem Bett liegen, sorgenfrei und unbekümmert. Mein früheres Leben hinter mir gelassen. Aber genau dieser Gedanke war es auch der mich wieder zurück in die Realität zog. Haylee, Benji, Liam und alle anderen die nun ohne mich lachten, meine Familie an Weihnachten ohne mich an einem großen Tisch sitzend. Diese Gedanken zerrissen mir mein Herz und hielten mich davon ab mich komplett auf Lysander und sein Leben einzulassen. Ich wollte weiterhin Teil der Leben meiner Freunde und Familie sein. Ich wollte weiterhin im Krankenhaus arbeiten und Zeit mit ihnen allen verbringen. Ich konnte mein früheres Leben nicht einfach zurück lassen. Mir brummte der Schädel von all diesen Gedanken und Szenarien. „Amaris?“ Ich berührte sie sanft an ihrer Schulter. Sie drehte sich zu mir um und lächelte immer noch genauso wie sie es die meiste Zeit über getan hatte. „Oh, ich hatte mich schon so daran gewöhnt mit dir hier zu sein das ich komplett vergessen habe das du ja eigentlich gerade schläfst.“ Sie verstand meinen kleinen Wink also sofort. Es hatte wohl auch Vorteile sie in meine Gedanken zu haben. Sie umarmte mich und entließ mich aus ihrem Traum. Es würde wohl nicht das letzte Mal sein das wir uns in einem Traum trafen. Ich war mir unsicher ob ich Lysander oder irgendjemanden davon erzählen sollte. Für mich war es ja selbst noch neu und auch wenn ich jetzt viel mehr wusste, hieß es noch nicht dass ich es umsetzen konnte. Ich wachte nun vollständig auf und war selbst überrascht von der Tatsache wie ausgeschlafen ich war. Ich fühlte mich immer noch etwas k.o. aber das lag wohl eher an diesem Riesen Gefühlschaos in mir. Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens fielen in mein Zimmer und erfüllten ihn mit einem warmen, orange-rotem Licht. Ich schwang meine Bettdecke bei Seite und stand auf, mein Mund fühlte sich extrem trocken an und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern wann ich das letzte Mal etwas getrunken hatte. Mein Weg führte mich in die Küche im Erdgeschoss, Alienor und der Rest des Hauses schienen noch zu schlafen. Ich nahm mir eine der großen Wasserflaschen und ging wieder nach oben. Mein Blick fiel auf die offene Tür zu Lysanders Zimmer. Ich war zu neugierig um einfach in mein eigenes Zimmer zurück zu kehren. Vorsichtig spähte ich in den Raum und sah dass er leer war. Lysander war also bereits wach und wieder unterwegs. Er würde wohl nichts dagegen haben, wenn ich es mir auf seinem Balkon bequem machen würde. Diese hängende Hollywood-Schaukel hatte meine Aufmerksamkeit gestern schon gewonnen. Ich trat hinaus in die kühle Morgenluft. Die frische Brise linderte meine vom vielen Nachdenken gewonnen Kopfschmerzen etwas. Ich beugte mich über das Geländer des Balkons und verschluckte mich fast an meinem kalten Wasser. Dort unten joggte Lysander. Er hatte mich noch nicht gesehen, ich schätzte mal dass es an den Kopfhörern in seinen Ohren lag und dass er nicht damit gerechnet hätte mich auf seinem Balkon zu entdecken. Ich konnte ihn also unbeobachtet betrachten. Er lief – natürlich Oberkörperfrei – große Runden auf dem Feld vor dem Haus. Seine Muskeln waren angespannt und ich konnte ein paar Schweißtropfen auf seinem Körper erkennen. Sie liefen sein wunderschönes Gesicht entlang und ließen den Rest seiner Haut glänzen. Einzelne Strähnen seines Haares klebten an seiner Stirn während der Rest im Takt seines schnellen Schrittes mitwippte. Er sah zum Anbeißen Scharf aus und das nicht nur weil seine Jogginghose verboten tief hing. Erneut fiel mir auf wie sehr seine dunklen Tattoos zu seinem perfekten Körper passten und ihm die richtige Note Bad Boy verliehen. Ich konnte nicht aufhören ihn anzusehen und musste an die Worte von Amaris denken, die sie für Zelophed benutzt hatte. Lysander war mein Seelenverwandter. Er wollte mich. Er brauchte mich. Er liebte mich. So viele Frauen hätten alles dafür getan um einen Mann wie ihm auch nur zu begegnen. Ich erinnerte mich an diese beiden, extrem merkwürdigen Mädchen aus der Damentoilette in der Diskothek in der ich Lysander kennengelernt hatte. Sie waren sofort vernarrt in ihn und hätten alles für seine Aufmerksamkeit getan. Sie hätten höchstwahrscheinlich kein Problem damit gehabt sich ihm hinzugeben. Sie wären sofort bereit dazu gewesen ihr Leben mit ihm zu verbringen. Und sie hatten noch nicht einmal seine Charakter kennengelernt der noch liebenswürdiger war als sein atemberaubendes Aussehen. Lysander wurde langsamer und sah nun doch hoch zu mir. Mein Atem stockte und ich fühlte mich ertappt, was ich ja auch war. Ich stand hier auf seinem Balkon und starrte ihn an. Ich war eine Stalkerin. Sein Überraschter Blick verwandelte sich sehr schnell in dieses schiefe Lächeln das einem das Herz höher schlagen ließ. Das mein Herz höher schlagen ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)