Waiting for Superman von fragile ================================================================================ Kapitel 1: Hulk – The misunderstood hero ---------------------------------------- Ich ließ mit einem lauten Ächzen meine Tasche fallen und lehnte mich gegen einen der vier Esszimmerstühle, von denen Naruto mir schon vor Jahren am Telefon vorschwärmte. Immerhin hatte er sie selbstständig auf einem Flohmarkt ersteigert. Sasuke allerdings war überhaupt nicht von diesem Farbchaos begeistert und als Naruto einen Kurztrip nach Europa machte, übermalte sein Mitbewohner die Sitzmöglichkeit mit einem hellen Braunton und als klitzekleines Entgegenkommen, hatte Sasuke eigenhändig bunte Kissen gekauft. Orange, dunkelblau und flieder. Und auf einem Stuhl befand sich tatsächlich ein rosanes. Ich lächelte bei dem Gedanken daran, dass jeder von uns seinen eigenen Stuhl hatte und rätselte, wie oft Sasuke wohl die bunte Farbe übermalen musste, dass nichts mehr davon durchschimmerte. Millisekunden ließ es ihn sogar nett wirken, aber ich verwarf den Gedanken schnell wieder, als er mir einen spöttischen Blick zuwarf. Mistkerl. „Habt ihr nie an Pflanzen gedacht?“, brachte ich über meine Lippen als ich feststellte, dass wirklich nirgends etwas Grünes stand, dass den Raum mehr Leichtigkeit hätte zusprechen können. Sasuke hob eine Augenbraue und lehnte sich lässig gegen den Tresen. „Ich hab sie alle überwässert“, lachte Naruto. „Und jetzt weigert sich Sasuke, nochmal irgendwas Blumiges hier rein zu bringen.“ Auf seinem Gesicht lag ein breites Lächeln, als er sich auf den Stuhl neben mich fallen ließ und Sasuke betrachtete. Ich erwischte mich kurz dabei, wie ich mir vorstellte, wie die beiden abends hier saßen, eventuell ein Bierchen gemeinsam tranken und der Blondschopf überdreht von seinen Erlebnissen des Tages erzählte. Hin und wieder würde der Ansatz eines Lächelns auf den Zügen von Sasuke erscheinen und gegen Ende käme wie früher nach den Erzählungen Narutos ein „Sei endlich still, Dobe.“ Sie hatten beide einen guten Job bei der Renovierung gemacht, was die Küche betraf. Viel mehr hatte ich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht gesehen. Der Flur war ziemlich kahl mit seinen weißen Wänden und dem hellen Laminat. Hier fühlte ich mich schon relativ wohler. Die Backsteinwand hinter dem Herd hatten sie nie geändert, weil es Sasuke so gut gefallen hatte. Naruto erzählte bei einem Telefonat, wie Sasuke schon gleich zu Beginn darauf bestand, dass dieser rustikale Part der Wohnung bestehen blieb und Naruto hatte da nichts dagegen. Gut, zu Beginn wollte er eine orangene Wand hinter dem Herd, aber Sasuke setzte sich durch. In Sachen Sturkopf standen sie sich nichts nach. Und zu viel Bunt war nun auch nicht das Wahre. Klare Linien und Strukturen. Auch wenn man eher daran zweifelte, war Sasuke eher der altmodische Typ. Aus früheren Erzählungen von Naruto mochte Sasuke dunkle Möbel aus Holz, während er selbst weiße bevorzugte. In diesem Raum hatte eindeutig Sasuke seine Finger im Spiel, was wohl daran lag, dass er wirklich gern kochte. Jedenfalls war das früher so, auch wenn keiner ihm die Rolle des Kochs wirklich zugesprochen hätte. Ich lächelte, als mir Narutos Aussage in den Sinn kam, dass sein bester Freund auf Lebzeiten nur jemand sein konnte, der ihm was Leckeres auf den Tisch setzen konnte. Vorzugsweise Ramen in allen Variationen und mindestens einmal pro Woche. Eine seltsame Vorstellung, dass Sasuke zustimmte, ihm einmal pro Monat Nudelsuppe zu machen. Die beiden waren ein merkwürdiges Zweiergespann. Über der kleinen Kücheninsel hatten sie zwei Kupferlampen angebracht, die den Raum in ein warmes Licht tauchten. Die restlichen Wände waren in einem schönen Braun, dass sie wohl mit einem Beerenton gemischt hatten. Die Vorhänge waren cremefarben und ich war wirklich überrascht, wie wohnlich es sich anfühlte, trotz den fehlenden Pflanzen. „Sakura, willst du einen Tee?“, fragte mich Naruto. Seine Augen glitzerten fröhlich und mit schnellen Schritten am Schrank und fischte eine hellgrüne Tasse heraus, um sie mit lautem Summen neben dem Wasserkocher abzustellen. Ich fühlte mich bei Naruto immer wohl und bereute es, dass ich den Kontakt nicht aufrecht erhalten hatte. Und es lag nicht daran, dass er sich nicht mehr meldete. Ich war Schuld und konnte es ihm zu keinem Moment verübeln, dass er sich auch nicht mehr so sehr in Zeug legte. Aber einmal pro Woche erhielt ich immer eine Naruto-Typische SMS. Meistens in Form eines Fotos. Von seinem Essen. Ich grinste und befühlte die glatte Oberfläche des Tisches. Deutlich spürte ich Sasukes Blick auf mir und mein Nacken begann unangenehm zu kribbeln. Es war als suchte er nach Gründen für mein Versagen. Ich japste nach Luft und konzentrierte mich auf Naruto, der sich zum Radio drehte und es anschaltete. „Es ist wirklich schön, dass du wieder hier bist. Dobe und ich hatten es erst vor kurzem von dir“, plapperte er und schnappte sich einen Teebeutel, den er in die Tasse beförderte. „Immer noch am liebsten Schwarztee, oder?“ Ich nickte. „Ihr habt von mir geredet?“ Sasuke bewegte sich zum Radio und drehte es leiser, bevor er sich zum Kühlschrank begab und sich ein Bier herausholte. Ich spürte ein kleines Lächeln auf meinen Zügen. „Vor zwei Wochen war doch Jahrmarkt. Überall Zuckerwatte“, er deutete auf meine Haare, „da ging es gar nicht anders, als an unsere Sakura zu denken.“ Unsere Sakura. Ich errötete und strich meinen schwarzen Rock glatt. „Hm, hattet ihr viel Spaß?“ Er nickte und goss das nun heiß gewordene Wasser in meine Tasse. „Sakura, du weißt, dass ich immer ein offenes Ohr für dich hab, oder? Und Teme, der sowieso.“ Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht und ich bedankte mich leise. Das schlechte Gewissen warf sich von hinten auf mich und schmetterte mich zu Boden. Ich bekam von Sekunde zu Sekunde weniger Luft. In mir köchelten die Gefühle. „Ich, hm, seid mir nicht böse, aber ich würde mich gerne hinlegen.“ Naruto bedachte mich mit einem seltsamen Blick, den ich nicht deuten konnte, während Sasuke einen kräftigen Schluck seines Getränks zu sich nahm. „Ok, ich zeig dir mal das Zimmer.“ Wir standen auf und ich folgte Naruto mit meiner Teetasse in den hinteren Teil der Wohnung. Er deutete auf eine Tür und erklärte, dass sich dort das Badezimmer befand und ich darauf achten sollte, ob das Schild grün oder rot war, da der Schlüssel irgendwann einfach weg war. Lachend kratzte er sich am Kopf und flüsterte mir zu, wie sauer Sasuke gewesen war. Wir blieben an der letzten Tür auf der linken Seite stehen. „Das ist unser Spielzimmer“, erklärte er stolz. „Auch wenn Teme es nicht zugibt, ich mach ihn immer wieder fertig.“ Er öffnete die Tür und hielt sie mir auf. Das Zimmer war weniger schön eingerichtet als die Küche und ließ darauf schließen, dass hier die Renovierung noch nicht so ganz abgeschlossen war. „Tut mir Leid, dass es noch nicht so wohnlich ist, aber wir hatten einfach keine Zeit. Oder keine Lust.“ Als erstes fiel mir der kleine dunkelbraune Teppich auf, der vor der olivgrünen Couch lag. „Kein Bett?“, fragte ich etwas enttäuscht. Das hieß wohl, dass ich auf dem alten Ding schlafen musste. Sicher war es durchgelegen und unbequem. „Ist wohl nichts für die Prinzessin“, bemerkte Sasuke und lehnte sich an den Türrahmen. Ich rollte mit den Augen und winkte ab. Die Tasse stelle ich vorsichtig auf dem Glastisch ab. Wenn ich mich nicht irrte, waren das die alten Möbel aus Narutos Jugendzimmer. Seufzend ließ ich mich auf dem Monstrum nieder und ließ den Blick schweifen. Weiße Wände ohne Fotos oder Farbe, ein heller Boden, an dem ganz deutlich die Dellen zu erkennen waren. Es gab ein einziges Fenster, das am Tag Licht spendete, in der Nacht brauchte man gar nicht die Zimmerlampe anmachen, denn draußen stand direkt die Straßenlaterne. „Sorry, Sakura“, seufzte Naruto. „Wenn es dir gar nicht gefällt, kannst du auch in meinem Zimmer schlafen.“ Ich schüttelte den Kopf und schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Ach, das geht schon. Ich will ja nicht für Ewig bleiben.“ „Hoffentlich“, brummte Sasuke und bevor ich ihm einen mürrischen Blick zuwerfen konnte, hatte Naruto ihm schon gegen das Schienbein getreten. Ein schrilles Telefonklingeln ließ Naruto aufhorchen und mit einem lauten „Ich geh ran!“ verließ er das Zimmer. Sasuke schnaubte und folgte ihm kopfschüttelnd. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und griff nach dem giftgrünen Kissen. Wie gerne hätte ich darauf eingeschlagen. Einfach nur um diese angestaute Wut los zu werden. Das war jetzt also mein Zuhause auf Zeit. Ich hob eine Augenbraue und ließ meinen Blick schweifen. Pokale von den Fußballmatches aus der Schule, Medaillen und Urkunden, die ziemlich verstaubt aussahen. Die meisten gehörten sicher Sasuke, immerhin war er der Oberstreber überhaupt. Klassenbester. Ein typischer Uchiha eben. Alle Uchihas schienen perfekt zu sein. Ziemlicher Leistungsdruck, wenn ich das mal erwähnen durfte. Ich strich über das grüne Wuschelkissen und drückte es gegen mein Gesicht. Es stellte überrascht fest, dass es nach Zitronen duftete und nahm einen kräftigen Atemzug, bevor ich mich aufs Sofa fallen ließ. Das Kissen hob ich dabei über meinen Kopf und musterte die Farbe. Es erinnerte mich an Hulk und ließ mich schmunzeln. Wenn es jetzt einen Superhelden gab, der zu mir passte, war es höchstwahrscheinlich er. Und das, obwohl Hulk eher eine gewisse Sonderform der Superhelden darstelle. Er war der einzige Superheld, der nicht die volle Kontrolle seiner Kräfte hatte. Bruce Banner, genialer Wissenschaftler, verwandelte sich ins grüne Monster durch eine Mutation. Und warum? Weil er bei Versuchen einen anderen Menschen rettete und somit einer kompletten Gammastrahlenladung ausgesetzt war. Und obwohl er hätte sterben müssen, überlebte er. Er verwandelte sich allerdings und direkt nach dieser Verwandlung verfiel er in einen Zerstörungswahn. Das war die eine große Differenz zu den anderen Superhelden: Hulk setzte seine Kraft nicht zielgerecht ein. Er war nicht euphorisch über die neu gewonnen Kräfte, wie es beispielsweise bei Spiderman oder Superman der Fall war. Hulk war die perfekte Mischung aus Frankenstein und Dr. Jekyll & Mr. Hide. Ein großes, unzivilisiertes, Angst einflößendes Monster, dass dennoch… nun, es wurde so präsentiert, dass es wirklich liebenswürdig war. Und während unsere Positivhelden ihre Kostüme irgendwann ausziehen konnten, war es für Hulk nicht einschätzbar, wann die nächste Verwandlung wieder stattfinden würde. Er war von Emotionen geleitet und irgendwie der Zwiespalt zwischen Gut und Böse. Irgendwie tat mir Hulk leid. Und diese ganze Zerstörung, die er immer wieder zurückließ, war keineswegs mit Absicht. Nein. Seine erste Handlung nach der Verwandlung war vielmehr nur einem Gedanken bestimmt: Weg hier, verstecken. Ich setzte mich auf und schnappte mir meinen Hulk-Comic und lächelte das Titelbild an. Der arme Bruce Banner. Wenn er half, wurde er nur auf das Äußere reduziert. Den Menschen war es egal, was tief in ihm schlummerte, dass in ihm tatsächlich ein Mensch steckte. Mit Gefühlen. Man gab ihm ja nicht mal wirklich die Chance… man verurteilte ihn. Weil er eine Sache falsch machte. „Du hängst also wirklich noch an Comics? Bist du nicht zu alt dafür?“ Sasukes Stimme ließ mich aufschrecken. „Kannst du nicht anklopfen?“ Ich grummelte und presste das Heft an meine Brust. Wäre ich Hulk, wäre ich genau jetzt zum Monster geworden, allerdings ganz bestimmt eines in Rosa. „Die Tür stand offen“, erwiderte er monoton und verschränkte abschätzend seine Arme vor der Brust. Ich plusterte meine Wangen auf und wartete auf seine Erklärung, die natürlich nicht kam. „Weil du sie eben nicht zugemacht hast. Also merk dir bitte, dass du das jetzt machst, wenn du gehst.“ In seinen Augen blitzte Amüsement auf. „Spuck es aus, Uchiha“, zischte ich und legte das Heft auf meinen Schoß. Herausforderungsvoll erwiderte ich seinen durchdringenden Blick. „Du hast bis Ende des Monats Zeit, einen Job zu finden. Wir sind kein Hotel“, erklärte er. Meine Stimmung sank weiter gegen den Nullpunkt. Was dachte er sich? Dass ich mich hier zurücklehnte und sie beide arbeiten ließ, während ich es mir in deren Wohnung gemütlich machte? Natürlich. Ich rollte mit den Augen und brachte ein bissiges „Das ist mir durchaus bewusst“ über meine Lippen. „Kannst du jetzt gehen?“ Er schüttelte kaum merklich seinen Kopf. „Es gibt einen Putzplan, an die du dich halten musst. Nach 23:00 Uhr keine laute Musik und Partys sind ein absolutes No-Go.“ „Bist du etwa ein Spießer?“ Ich grunzte und unterdrückte meinen aufkommenden Zorn. Mein innerer, kleiner Rosa-Hulk schien in mir zu toben und gleich auszubrechen. „Berufstätig ist ein besseres Wort.“ Er funkelte mich triumphierend an und ich kam nicht umhin mich zu fragen, was ich diesem Kerl überhaupt getan hatte, das er so zu mir war. „Vielleicht solltest du endlich mal erwachsen werden.“ „Weißt du, Hulk würde wirklich gut zu dir passen“, bemerkte ich trotzig. Fragend hob er eine seiner fein geschwungenen Augenbrauen. „Ein Monster“, fügte ich hinzu. Sein Lachen war viel zu kurz, um überhaupt als Lachen zu gelten, aber es klang erstaunlicherweise angenehm in meinen Ohren. „Dir ist klar, dass Hulk ebenfalls zu der Heldenriege gehört?“ Er musterte mein Gesicht abschätzend. Abwehrend verschränkte ich die Arme vor der Brust. Ein lautes Rumpeln erklang, als Naruto mit lauten Schritten ins Zimmer sprang. Seine blonden Haare wippten dabei auf und ab und sofort füllte sich der Raum mit positiver Energie. „Sasuke, ärgere sie nicht ständig! Echt jetzt, sei netter.“ Sasuke hob mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck die Arme in die Höhe und stopfte sie anschließend in seine Hosentaschen. „Sie hat mich als Monster betitelt.“ Ich stimmte leise in Narutos Lachen mit ein, als er seinem Freund spielerisch gegen den Oberarm boxte. „Stimmt doch. Mal abgesehen von der grünen Farbe.“ Der Blondschopf gluckste amüsiert. „A hero out of a monster“, plapperte er weiter und ein stolzes Gefühl breitete sich in meinem Körper aus. Das war ein Zitat von Stan Lee. Naruto war wirklich ein guter Zuhörer und früher hatte er jedem Schmachten und jedem Fangirl-Gefiepe ohne Meckern zugehört. Vielleicht war das der Grund, warum ich so gut mit Naruto auskam und Sasuke mich bei ihnen duldete. Ich schwärmte nicht für die Fußball-Asse der Schule. Ich schmachtete lieber meine Comics an. Sasuke schob genervt wirkend Naruto beiseite, der es allerdings als kleine Herausforderung für ein freundschaftliches Rangeln ansah. Ich grinste, während ich mit einer schnellen Bewegung mein Handy in die Finger nahm und die einkommende Nachricht betrachtete. Die Stimmung wechselte sich schlagartig und in mir trommelte mein Herz schmerzlich gegen meine Brust. Mir schoss der Gedanke ans Weg hier, verstecken durch den Kopf und ich ließ mich mit einem lauten Seufzen auf das durchgelegene Polster fallen. Hulk ähnelte mir mehr als Sasuke. Oder ich ähnelte Hulk mehr, als Sasuke. Es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Ich habe jemand Neues kennen gelernt und es ist was Ernstes. Sie zieht bei mir ein. Du sollest dein Leben endlich in den Griff kriegen und dich daran gewöhnen, dass ich da nicht mehr dazu gehöre. Alles, was ich jetzt wollte, war abhauen und mich verkriechen. Aber tat ich das nicht schon längst? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)