Eine Hand wäscht die andere... von Gaomee ================================================================================ Kapitel 11: Wie man jemanden vermisst... ---------------------------------------- Das Cafe war in Pastellfarben gehalten, genauso wie Sakura. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt und unter einem Beret verborgen. Dazu trug sie eine stylische Sonnenbrille mit großen Gläsern. Ihr Fuß wippte nervös während sie in ihrem Kaffee rührte. Endlich kam derjenige auf den sie gewartet hatte. Mit großen Schritten trat er auf ihren Tisch zu und setzte sich zu ihr in den Schatten der Mansarde. “Hey”, machte er, sein Ton sanft. Das mochte sie so an ihm. Er war immer feinfühliger als Sasuke. Ihre Finger berührten einander federleicht auf der Tischplatte. Kurz spielte sie mit seiner großen Hand, zog sich dann aber abrupt zurück. Sie wollte nicht, dass er sich Hoffnungen machte. Er lachte jungenhaft, mit nur einer Spur Bitternis. Schließlich fragte er ernsthaft: “Vermisst du unsere Rendezvous manchmal?” Sie nickte. “Natürlich”, kam es ihr über die Lippen. “Ich auch”, gestand er. Er lächelte reumütig, doch es war kein Betteln. Darauf schwiegen sie eine Zeit lang. “Warum hast du mich hergebeten?”, wollte er schließlich wissen. Sakura nahm einmal tief Luft und sah ihm dann direkt in die Augen. Sie fragte sich flüchtig ob es denselben Effekt mit der Sonnenbrille haben würde wie sie es ohne gewohnt war. “Vermisst du es jemals mit mir zu reden?” Die Frage traf ihn unvorbereitet. Wenn man an zwei Liebhaber in einer Affäre dachte, kamen einem verbale Konversationen nicht als allererstes in den Sinn. Doch er musste gestehen, dass er es sehr vermisste mit ihr über seinen Tag, seine Arbeit, sogar über ihren Mann zu reden. Er hörte ihr gern bei ihren Problemen zu. Deshalb waren sie überhaupt in dieses Dilemma geraten. Zögerlich nickte er. “Warum können wir dann nicht einfach Freunde sein?” “Du willst mit deinem Ex-Liebhaber befreundet sein?”, lachte er. Es klang gepresst. “Du weißt, dass du...”, begann sie, ließ es aber bleiben. Wenn er darüber lachen wollte, sollte er es doch tun. Ihr Stuhl scharrte laut über den Stein als sie sich zum Gehen erhob. Da hielt er sie am Arm zurück. Sein Gesichtsausdruck war wieder ernst. “Bitte setz dich. Entschuldige”, begann er. “Ich wollte dich nicht auslachen. Es ist einfach...” Schwer. Er hatte schwer sagen wollen. Immer wenn er sie sah überkam ihn ein fürchterliches Drängen. Er wollte sie in die Arme schließen, über ihren Rücken streicheln, mit ihren wunderschönen, einzigartigen Haaren spielen. Er wollte ihr all die Dinge ins Ohr flüstern, die ihr Gatte ihr nicht mehr sagte. Er konnte sich noch zu gut an die leidenschaftlichen Treffen erinnern. Wenn sie in ein Hotelzimmer kam, konnte er nicht anders als ihr sofort entgegen zu kommen. Noch bevor sie sich ihres Mantels entledigt hatte würde er ihren Mund bereits wund küssen. Sie musste im Nachhinein immer neuen Lippenstift auftragen. Er erinnerte sich auch an lange Nächte zusammen, wenn ihr Mann auf Geschäftsreisen gewesen war. Wie faszinierend ihre Alabasterhaut in der Dunkelheit glühte. Wie weich sie sich anfühlte. Er versank jedes Mal in ihrer Weiblichkeit. Obwohl er immer gewusst hatte, dass was sie taten falsch war, so hatte er es einfach nicht lassen können. Als sie die Affäre beendet hatte, hatte es ihm das Herz gebrochen und war zugleich eine gewaltige Erleichterung gewesen. Er selbst hätte niemals so stark wie sie sein können. Er wusste noch genau wie es vorgefallen war. Sie hatte ihn mittels ihrer geheimen Nummer zu ihr gerufen, doch als er ankam war die Atmosphäre bedrückend gewesen. Er hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte. “Es ist endlich soweit”, sagte sie. Da wusste er was geschehen würde. “Ich will nicht mehr weiter machen”, gestand sie ihm. Obwohl er solche Gefühle auch hegte, bemerkte er wie er auf sie zuhielt, ihre Arme mit beiden Händen ergriff und verzweifelt versuchte sie an sich zu ziehen. Doch sie wollte nicht. “Bitte, Sakura”, hörte er sich murmeln. Gleichzeitig war er froh als sie sich ihm noch immer verweigerte. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und er tat es ihr gepeinigt nach. “Wir haben ein Paar kennen gelernt, dass mich ein wenig an Sasuke und mich erinnert. Du weißt, als wir noch jung waren. Es ist ein Bekannter Sasukes, Neji, und seine neue Braut. Dieser Neji … er ist noch schlimmer als Sasuke je gewesen ist. Und weißt du was?”, fragte sie, doch er konnte darauf nicht reagieren. Sie fuhr unbeirrt fort: “Sie liebt ihn trotzdem. Man kann förmlich sehen wie sie ein Team gegen seine ganze Verwandtschaft bilden. Und irgendwie … seitdem fühle ich mich … Und Sasuke auch. Ich meine, wir saßen letztens auf der Couch und wir haben zusammen ferngesehen.” Sie seufzte und begriff, dass das recht banal klang. “Ich meine, wir waren nicht zwei Menschen, die zufällig auf derselben Couch zur selben Zeit saßen, sondern … mehr.” Sakuras Blick war in einem anderen Moment. Er nickte. Er begriff. “Glaubst du , ihr könnt endlich...” Er brachte es nicht über die Lippen. “...darüber hinweg kommen?”, beendete er die Frage. Sie hob die Schultern. “Ich weiß es nicht, aber ich will es noch mal probieren.” Er bemerkte erst, dass er weinte als sie ihm liebevoll doch bestimmt über die Wange wischte. Sie gab ihm ein Taschentuch und hielt seine Hand. So verbrachten sie den Rest ihres Treffens. Als er ging lächelten sie sich gegenseitig traurig an. Die Geschehnisse waren ihm so klar vor Augen als sei dies gestern erst geschehen. Hier vor dem Cafe lächelte sie ihn wieder genauso traurig an. “Hast du schon mit ihm darüber geredet?”, wollte er schließlich wissen. Sakura schüttelte den Kopf. Sie sah ängstlich drein. Er ergriff ihre Hand. Nicht auf die drängende Art eines Liebhabers, sondern die sanfte Art eines Freundes. “Natürlich möchte ich noch mit dir befreundet sein”, erklärte er inbrünstig. Sie umschloss seine Hand mit ihren beiden und drückte so fest sie konnte. *** Ihr Kopf bebte. Tenten konnte die Freundin am anderen Ende der Leitung kaum verstehen. “Temari, nicht so schnell.” “Ich rede überhaupt nicht schnell”, gab sie zurück. “Geht’s dir gut?” Tenten schüttelte den Kopf, was die Migräne nur noch schlimmer machte. Außerdem fiel ihr zu spät ein, dass ihre beste Freundin das sowieso nicht sehen konnte. “Nein.” ”Was ist los, Süße?” “Ich vermisse...”, begann sie, verschluckte sich, und endete mit “...meine Aspirintabletten.” “VIelleicht solltest du eine Pause vom Arbeiten nehmen”, schlug Temari nicht zum ersten Mal vor. “Geht nicht. Ich stehe kurz davor aus meiner Wohnung herausgeworfen zu werden.” “Schätzchen, wie hast du das denn wieder geschafft?” “Ich hatte ein Missverständnis mit meinem Vermieter.” ”Genau. Wie immer. Ich hatte gehofft, du könntest mir verraten wie es kommt, dass der Rest der Welt es schafft Frieden mit ihren Vermietern zu halten. Nur du fällst mal wieder aus dem Raster.” An ihrem Tonfall konnte Tenten erkennen, dass Temari sich gerade die Zehennägel lackierte. “Ich wollte eine Couch die Treppe herab tragen, doch letzten Endes habe ich sie wohl eher geschmissen.” Tenten seufzte. “Jetzt schulde ich ihm einen Haufen Geld für das Treppenhaus und die Tür.” “Du bist unverbesserlich”, war Temaris einziger Kommentar. Statt weiter auf ihrer Freundin herumzureiten, schlug sie eine praktische Lösung vor. “Warum fragst du deinen Gatten nicht um Hilfe? Du hast schließlich nicht zum Spaß geheiratet.” Temari erahnte Tentens Verneinung bereits bevor sie sie aussprach. “Aber das ist doch wofür er da ist!”, erstickte sie den Protest der anderen im Keim. “Temari...”, versuchte Tenten doch noch ruhig einzuwenden. Doch ihre Freundin war nicht zu halten: “Warum reich heiraten, wenn es einem keine kaputte Tür bezahlt? Oder zumindest die Miete!” Ihr Unterton war leicht sarkastisch, wie immer eigentlich. “Temari...”, begann Tenten wieder. “Was denn?”, fragte sie geistesabwesend. “Ich muss dir etwas erzählen.” Sie konnte förmlich spüren wie sich Temaris Augenbrauen am anderen Ende der Welt zusammenzogen und sie den Nagellack wegstellte. “Ok… Du klingst ernst.” Sofort stellte sie eine ihrer Vermutungen an: “Der will sich aber nicht scheiden lassen, oder?” Tenten wünschte sich die andere könnte ihr einfach mal nur zuhören. “Nein”, antwortete sie genervt. “Das heißt...”, musste sie sich dann doch korrigieren. “Das weiß ich nicht. Aber… das ist schon richtig so.” Tenten sprach mit einer Absolutheit in der Stimme, die Temari beunruhigend fand. Sie ahnte, dass der ganzen Geschichte mehr zugrunde lag als man ihr preisgab. “Wollte er etwa plötzlich doch Sex als Teil der Vereinbarung?” Temari hatte es nur gut gemeint. Sie war fest davon überzeugt, dass er ihrer besten Freundin irgendein Unheil angetan hatte. Doch Tenten war einfach blind wütend. “Nein!”, donnerte sie. “So ist er nicht!” Sie hielt kurz den Atem an, um nicht zu schreien. “Du verstehst das nicht!”, presste sie angestrengt hervor und legte auf. Verblüfft und besorgt blieb Temari am anderen Ende der Leitung zurück. Das war ja noch nie geschehen. *** Sie drückte die Klingel beinah ein, so stark war ihr Fingerdruck. Ein verschlafener Kakashi öffnete und war regelrecht überrumpelt vom Auftauchen seiner ehemaligen Liebhaberin. Sie war ihm in letzter Zeit aus dem Weg gegangen. Schweren Herzens hatte er beschlossen, ihr etwas Zeit zu lassen. Als sie ihn mit ihrem Kuss ins Wohnungsinnere drängte, war er davon überzeugt, dass er richtig gehandelt hatte. Tief im Innern hatte er gewusst, dass sie ihn wollte! Eifrig wollte er sie entkleiden, doch das wollte sie noch immer nicht. “Komm schon, Liebling...!”, bat er atemlos. “Nenn mich nie wieder Liebling”, befahl sie zwischen räuberischen Küssen. Aber Kakashi war im Liebestaumel, sodass er mit flinken erfahrene Händen versuchte ihr Top von den Schultern zu streifen. Da berührte etwas kühles, dünnes seine Haut. Erstaunt wollte er das Kleinod um ihren Hals in Augenschein nehmen, doch Tenten schlug seine Hand weg. “Trägst du diese Kette immer noch?”, fragte er belustigt. Es war eine dämliche Kette mit einem Ring daran. Besonders modisch war Tenten nicht, musste er zugeben. Er fand es eigenartig, dass sie ihm nie hatte erzählen wollen, was das Monstrum von Schmuck ihr eigentlich bedeutete. Sie trug es immerzu. Trotz ihrer Stillosigkeit fand er sie von allen Frauen bei Weitem am attraktivsten, am aufregendsten. “Ja”, machte sie barsch. “Und jetzt halt die Kappe”, informierte sie ihn noch bevor sie sich mit ihm zu Boden fallen ließ. *** Der Professor starrte Temari an - wie alle Männer; da waren die Akademiker keine Ausnahme. Tenten seufzte und schaute sich lieber in der Kantine um. Als sie zurückkam, ging der Professor gerade von Dannen und ihre beste Freundin hielt eine Telefonnummer in Händen. “Bitte schlaf nicht mit meinem Professor”, bat Tenten matt. “Wir wissen doch noch gar nicht, ob er wirklich dein Professor sein wird”, merkte die Wüstenbraut an und besah sich den knackigen Hintern des Gelehrten. “Temari...”, mahnte Tenten. “Schon gut, schon gut!” Sie zerriss den Zettel und sah sie stattdessen fragend an. “Also, wie gefällt dir diese? Ganz ehrlich, mir ist der Sinn von diesen offenen Tagen nicht ganz klar.” Tenten machte sich nicht einmal die Mühe das zu korrigieren. Nur ihre innere Stimme lamentierte ‘Das heißt Tag der offenen Tür’. “Na ja, nicht so sehr wie meine Erstwahl, aber...” Tenten setzte ein breites Lächeln für Temari auf. “...Gefällt mir sehr gut!” “Na, wunderbar! Können wir jetzt gehen?” Temari rieb sich den knurrenden Magen und hielt nach einem Fluchtweg Ausschau. Ihre Freundin nahm es ihr nicht übel. Sie wusste, es war nur ihre Art. Temari musste sich echt um sie gesorgt haben, denn sie war den ganzen Weg hier heruntergeflogen, nur um sich neue Universitäten mit ihr anzuschauen. Und Temari hasste Universitäten. Wenn man es nicht mit learning by doing meistern konnte, dann sah Temari nicht den Zweck. “Was machen denn deine Finanzen?”, fragte sie just in dem Augenblick. Tenten zuckte zweideutig mit der Schulter. “Was soll denn das heißen?” Ihr war schon aufgefallen, dass Tenten Abstand davon genommen hatte sich die teuren Eliteuniversitäten anzuschauen. Hieß das etwa ihr Sugar Daddy bezahlte nichts mehr? “Eigentlich ganz gut...”, antwortete Tenten in einem Tonfall, den man nie mit ‘ganz gut’ assoziiert hätte. “Aha. So klingst du aber nicht… Hast du Sorgen?” Tenten winkte beruhigt ab. “Ach nein, gar nicht. Neji hat wohl noch meine Kontoinformation. Er hat mir letzte Woche einen Haufen Geld überwiesen.” Viel zu viel, um genau zu sein. Und zwar völlig unnötigerweise. Wenn sie sein Geld hätte haben wollen, dann hätte sie einfach seine Kreditkarte benutzen können, die mittlerweile in die Tiefen ihres selten benutzten Schmuckkästchens verbannt worden war. “Das ist doch hervorragend!” Tenten nickte halbherzig. “Ja, jetzt kann ich die Miete zahlen.” Sogar Kakashi hatte ihr Geld aufdrängen wollen, doch der wurde vollkommen ignoriert. Temari betrachtete ihre Freundin besorgt. Der anstrengende Eisblock war aus ihrem Leben, Geld bekam sie trotzdem noch und bald würde sie studieren - Trotzdem klang Tenten als mache sie eine schlimme Zeit durch. Dabei schien es doch gerade bergauf zu gehen. Weil sie am Ende ihres Lateins war, tat Temari etwas ganz untypisches, lehnte sich zu Tenten hinüber und gab ihr einen Kuss auf die Wange. “Du wirst schon sehen. Wenn deine Bewerbung erstmal angenommen wurde, sieht die ganze Welt gleich schon viel besser aus!” Ob der warmherzigen Geste huschte Tenten zum ersten Mal ein zierliches doch ehrliches Lächeln über die Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)