No Separate Ways von Votani (Aomine x Momoi x Kise) ================================================================================ Kapitel 1: the call. -------------------- 1 Ächzend sackt Aomine nach hinten und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. Selbst durch sein Hemd und das dunkle Sakko, welches zu Touous Schuluniform gehört, kann er das aufgeheizte Gestein spüren. Die Wärme kriecht durch seine Kleidung, während die Sonne unablässig auf ihn herunterbrennt. Allerdings bedarf es einiges mehr, um Aomine zum Schwitzen zu bringen. Hitze macht ihm grundsätzlich wenig aus, denn am meisten schwitzt er immer noch auf dem Basketballplatz, auf dem er sich selbst an seine Grenzen treiben kann. Zumindest kann er das nun, da er tatsächlich eine ernstzunehmende Konkurrenz in der Form von Kagami, Tetsu und seinem Team hat. Bis zur Interhigh dauert es jedoch noch einige Wochen und bis dahin darf er seine Zeit in der Schule absitzen. Ein Seufzen dringt bei diesem Gedanken aus Aomines Kehle und er schließt die Augen, um die Helligkeit und das vertraute Schuldach auszublenden. Manche Dinge ändern sich eben nie und selbst ohne Imayoshi gilt es immer noch einen gewissen Notendurchschnitt zu halten, um Basketball spielen zu dürfen. Wer auch immer sich diese Regel ausgedacht hat, kann Basketball nicht sehr gemocht haben. Sein Mobiltelefon vibriert in seiner Jackentasche und kitzelt seine Seite. Aomines Augenbrauen ziehen sich zusammen und er zögert. Wichtig kann es nicht sein. Es ruft ihn so gut wie nie jemand an, denn es gibt nicht viele Leute, die mit ihm reden möchten und noch weniger Leute, mit denen er reden möchte. Nur Satsuki, denn Satsuki ist ausharrend und so furchtbar nervtötend, so dass Aomine sie noch nie länger als vierundzwanzig Stunden hat vergraulen können. Aber Satsuki ruft ihn nicht an, denn sie weiß immer ganz genau, wo er sich befindet. Der Anrufer gibt nicht auf und das Vibrieren scheint kein Ende zu nehmen. Vielleicht kommt es Aomine auch nur so vor, weil er darauf wartet. Ein Brummen schafft es über seine Lippen und er angelt mit geschlossenen Augen nach dem Handy. Blind drückt er den grünen Hörer und hält es sich an das Ohr. „Ja?“, blafft er absichtlich unfreundlich, um das Gespräch sogleich so kurz wie möglich zu halten. Die meisten halten seiner barschen Art nicht stand, das ist kein Geheimnis und das weiß Aomine auch nicht erst seit gestern. „Aominecchi, du bist rangegangen!“, flötet es sofort seinem Ohrkanal hinauf und Aomine verzieht das Gesicht. Wieso ist er überhaupt überrascht? Er hätte wissen sollen, dass es sich bei dem Anrufer um Kise handelt. Er ist fast so schlimm wie Satsuki, da auch er keine Ablehnung versteht. Nein, korrigiert sich Aomine gedanklich, Kise ist schlimmer. Kise und seine übertriebene gute Laune und sein strahlendes Lächeln und sein hauchzartes Nervenkostüm. Selbst seine Stimme bereitet Aomine bereits nach einem Wort Kopfschmerzen. „Was willst du, Kise?“ „Was ich möchte?“, wiederholt Kaijous Ass, als wüsste Aomine nicht, was er ihn gerade gefragt hat. „Mit dir reden natürlich.“ Es ist ihm ein Rätsel, weshalb man ausgerechnet mit ihm reden möchte. Er hat immerhin nichts zu sagen, noch weniger etwas, was an Kise gerichtet sein könnte. Allerdings begeht Aomine nicht den Fehler nachzufragen, denn Kise wird sich daran festklammern und eine unendlich lange Unterhaltung mit ihm beginnen. Sobald man ihm den kleinen Finger reicht, nimmt er nicht nur einen Arm, sondern gleich beide Arme und mehr. „Ich komme gerade von einem neuen Fotoshooting und draußen haben mal wieder eine Menge Fans auf mich gewartet und—“ „Komm zur Sache, Kise“, unterbricht Aomine. „Sonst leg ich gleich auf.“ „Jedenfalls musste ich an Basketball denken und daran, dass wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben“, plaudert Kise weiter, während Aomine sich fragt, weshalb er nicht einfach seine Drohung in die Tat umsetzt und auflegt. Er hat es schon oft getan, auch wenn Kise stets erneut angerufen hat, bis Aomine sein Handy einfach ausgeschaltet hat. Das ist allerdings nur eine kurzzeitige Lösung, denn für gewöhnlich lauert Kise ihm dann irgendwo auf. Diese Angewohnheit hat er sich zumindest seit dem Winter Cup angenommen, als ob Touous Niederlage sie plötzlich zu besten Freunden gemacht hat. Oder hat Kise herausbekommen, dass er sich Haizaki vorgeknüpft hat? Nein, das weiß niemand außer Haizaki und er. Außerdem hat das rein gar nichts mit irgendwelchen freundschaftlichen Gefühlen für Kise zu tun. Kise redet und redet, doch Aomine hört nur halbherzig zu und hängt seinen Gedanken nach. Für einen Augenblick kann er Kises Stimme sogar ausblenden, bis er die Worte „Eine neue Eisdiele hat aufgemacht. Die sollten wir auf jeden Fall ausprobieren“ aufschnappt. In Aomines Kopf schlagen die Alarmglocken, doch bevor er Kise Einhalt gebieten kann, fährt dieser bereits fort. „Ich kann unser Treffen am Samstag in meinen Terminkalender quetschen, Aominecchi. Keine Sorge, das ist überhaupt kein Problem“, erklärt ihm Kise. „Wenn du pünktlich bist, lade ich dich vielleicht sogar ein. Wir können ja nicht alle einen gutbezahlten Nebenjob haben.“ Sein helles Lachen erklingt und Aomine runzelt die Stirn. Was denkt dieser Typ sich eigentlich? Ihm liegen bereits zig Vergleiche für Kise zu äußerst unschönen Dingen auf der Zunge, als dieser ein letztes „Bis Samstag, Aominecchi. Ich schreib dir noch eine Textnachricht mit der Uhrzeit“ verlauten lässt und auflegt. Kise würgt ihn in seiner Eifer ab. Er, Aomine, wird von diesem arroganten Supermodel mit seiner versteckt manipulierenden Art abgewürgt. Er! 2 Summend stößt Momoi die Tür zum Dach auf. Durch den Schwung kracht sie gegen die Wand dahinter und lässt Aomine zusammenzucken. Er schläft also nicht, gut. Sie trägt ihr Geschichtsbuch und ihre Lunchbox in den Armen, als sie zu ihm hinüberspaziert. Ihr Schatten krabbelt über den Boden auf Aomine zu, bis sein Gesicht nicht mehr von der Sonne erhellt ist. „Dai-chan, du hast schon wieder Geschichte geschwänzt. Yomoto-san hat nach dir gefragt“, informiert sie ihn, als sie vor ihm zum Stehen kommt. Doch Aomines Miene bleibt regungslos, während er die Augen geschlossen hält, die Arme locker hinter dem Kopf verschränkt. „Ich weiß, dass du nicht schläfst“, fügt sie hinzu und zieht eine Schnute. Im selben Moment lässt sie das Geschichtsbuch aus ihrer Hand rutschen und Aomine entweicht ein erstricktes Keuchen, als das schwere Buch ihm direkt im Magen trifft. „Spinnst du, Satsuki?“, zischt er und schiebt das Buch beiseite, um sich stattdessen auf die Seite von ihr weg zu drehen. „Was soll der Scheiß?“ Momoi setzt sich neben ihn auf den Boden und bettet summend die Box mit ihrem Mittagessen auf ihrem Schoß. „Ich habe Yomoto-san versichert, dass ich mit dir Weltgeschichte üben werde. Er ist ein großer Fan unserer Basketballmannschaft, weißt du? Und er hat sein Bedauern ausgedrückt, wenn du nicht die Mindestpunktzahl im nächsten Test erreichen solltest, um weiterspielen zu dürfen.“ „Ist mir doch egal“, mault Aomine. „Ich spiele auf jeden Fall. Er kann ruhig versuchen, mich davon abzuhalten.“ „Rede keinen Unsinn, Dai-chan“, antwortet Momoi. „Ich hab auch extra Mittagessen für dich mitgebracht. Hier.“ Sie öffnet die Büchse und streckt sie in Aomines Richtung, der einen genervten Blick über seine Schulter wirft und das Essen begutachtet. „Und was soll das bitte sein?“ Er dreht sich erneut von ihr weg, abweisend und so unfreundlich, wie er schon seit ein paar Wochen nicht mehr gewesen ist. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du einfach nicht kochen kannst, Satsuki. Überlass das jemand, der Ahnung von solchen Dingen hat.“ Momois Mund klappt auf, doch anstatt etwas zu sagen, richtet sie den Blick auf den Inhalt der Büchse. Zugegeben, der Obstsalat sieht nicht ganz so aus, wie sie sich ihn vorgestellt hat, aber das bedeutet noch lange nicht, dass man so undankbar sein muss. Ganz besonders, da Aomines Laune stetig gestiegen ist, seit seiner Niederlage und der Aussicht endlich einen starken Gegner gefunden zu haben. Zwar bezweifelt Momoi, dass er je wieder so ausgelassen werden wird, wie er während ihrer gemeinsamen Zeit in Teiko gewesen ist, aber er ist eindeutig wieder mehr er selbst. Umso mehr fällt seine nun wieder ablehnende Art auf, deren Ursprung Momoi nicht kennt. Ist etwas passiert? „War jemand gemein zu dir, Dai-chan?“, fragt sie, als sie das Mittagessen vorerst beiseite packt und ihr Geschichtsbuch aufhebt. Ihr Plan, Aomine über den verpassten Unterricht zu erzählen, legt sie gedanklich jedoch auf Eis, denn das hätte nun keinen Sinn. Sie kennt Aomine lange genug, um zu wissen, dass er sich mit dieser Laune ganz besonders stur stellt und selbst ihre eigene Hartnäckigkeit da nichts bringt. „Wenn du willst, rede ich mit dem Direktor. Auch er ist ein großer Fan unserer Mannschaft und wird jeden ordentlich bestrafen, der—“ „Niemand war gemein zu mir“, bringt Aomine mit vor Wut zitternder Stimme hervor und setzt sich auf, um ihr einen finsteren Blick zu schenken. „Außerdem ist es mir völlig egal, wer ein Fan von wem ist. Und ich will auch nicht über irgendwelche Fans reden, verstanden!?“ Momoi blinzelt einige Male. Diese Geste bringt wiederum Aomine zum Blinzeln, als erkennt auch er, dass dieser Gefühlsausbruch überraschend und untypisch ist. Die Lippen zu einer schmalen Linie pressend und die Augenbrauen zusammenziehend sackt er wieder nach hinten auf den Rücken und starrt zum wolkenlosen Himmel hinauf. „Hast du mit Ki-chan gesprochen?“, spricht Momoi ihre Vermutung laut aus. Das ist jedenfalls spontan die einzige Erklärung, die sie finden kann, die Aomines plötzliche Abneigung gegen den Begriff von einem Fan hat. Generell gibt es nur wenige Menschen, die ihn so schnell zur Weisglut treiben können. Aomine antwortet nicht sofort, aber der dunkle Schatten, der über sein Gesicht huscht, ist eigentlich schon Antwort genug. „Er hat mich zum Eisessen eingeladen“, brummt er letztendlich. „Oh“, entfährt es Momoi, nicht ganz sicher, warum das etwas Negatives ist. „Dieser Mistkerl hat nicht mal gewartet, bis ich abgelehnt habe, sondern hat einfach aufgelegt“, fährt Aomine fort. „Er hat aufgelegt, bevor ich auflegen konnte.“ Bei diesen Worten verirrt sich ein Lächeln auf Momois Lippen und sie presst eine Hand gegen ihren Mund, um es zu verstecken. „Was ist daran so lustig?“, erkundigt sich Aomine jedoch vorwurfsvoll, als er sie aus den Augenwinkeln studiert. „Seh ich etwa so aus, als würde ich mich ausgerechnet mit Kise treffen wollen?“ „Aber du weißt wie Ki-chan ist“, räumt Momoi ein. „Wenn du nicht erscheinst, wird er sich Sorgen machen und dich suchen.“ Noch bevor sie ausgesprochen hat, kann sie sehen, dass diese Worte die erwünschte Wirkung haben, denn Aomine stößt ein Seufzen aus. Manchmal ist Aomine wie ein kleines Kind, welches man zu seinem Glück zwingen muss. Schließlich tut er so, als sei es pure Folter, einen Nachmittag mit Kise zu verbringen, obwohl Kises Gesellschaft wirklich sehr nett sein kann. Zeit mit ihren alten Teamkameraden zu verbringen versetzt Momoi grundsätzlich in die Vergangenheit und erinnert sie an die damaligen Hoffnungen, dass sie für immer Freunde bleiben können. Bevor Seirin auf der Bildfläche aufgetaucht ist, schien das nicht möglich zu sein, aber inzwischen weiß es Momoi besser. Es gibt immer Hoffnung. „Wenn du möchtest, kann ich dich begleiten, Dai-chan“, schlägt Momoi vor. Aomine dreht den Kopf in ihre Richtung und sieht sie an, als vermutet er irgendwelche Hintergedanken, ehe er ein Zucken der Schultern andeutet. „Mach doch, was du willst.“ Ein Lächeln breitet sich bei der Zustimmung auf Momois Gesicht aus, obwohl sie ahnt, dass Aomine alles sagen würde, nur um endlich seine Ruhe zu haben. 3 Kise schirmt das Handydisplay mit der Handfläche ab, um die Schrift trotz der Sonne erkennen zu können. Selbst mit dem bunten Sonnenschirm ist es noch immer furchtbar hell. Woher haben die ganzen Mädchen eigentlich seine Nummer? Vielleicht muss er doch etwas sparsamer im Herausgeben eben jener Nummer werden. Allerdings ist dieser Gedanke nur ein flüchtiger, als er die Textnachricht überfliegt, in der seine Modelkünste gelobt werden und man ihn um ein Date bittet. Sein Finger wandert zum Löschknopf hinüber, den er mit einem Lächeln betätigt, bevor er auch die anderen Nachrichten löscht. Als Model und Basketballspieler hat man eben kein leichtes Leben. „Was grinst du so blöd dein Handy an, Kise?“, zieht jemand seine Aufmerksamkeit auf sich und Kise hebt den Blick. „Aominecchi“, begrüßt er Touous Ass, bevor seine Augen zu seiner Begleitung hinüberwandern. „Und du hast Momoicchi mitgebracht.“ „Es ist sehr nett von dir uns einzuladen, Ki-chan“, sagt Momoi und setzt sich zu ihm, während Aomine widerwillig den Stuhl von einem benachbarten Tisch heranzieht. „Kise hat dich nicht eingeladen, Satsuki. Du bist nur mitgekommen“, stellt er schnaubend klar, doch Kise schüttelt den Kopf. „Natürlich bist du auch eingeladen, Momoicchi. Dann können wir ja bestellen. Ich habe extra auf euch gewartet“, sagt Kise grinsend und winkt die Kellnerin heran, die zwischen den Tischen hin- und hertänzelt. Sie trägt einen Notizblock und einen Stift bei sich. „Was darf es sein?“ „Ich hätte gern einen Pfirsicheisbecher“, plappert Kise los und deutet anschließend auf Momoi und Aomine. „Für Momoicchi einen mit Kirsche und für Aominecchi... hm... machen Sie eine Mischung aus mehreren Sorten daraus.“ Mit einem strahlenden Lächeln reicht er der Kellnerin einige Geldscheine, bevor diese in die Eisstile zurückkehrt, um ihre Eisbecher zu holen. „Hey, wer hat dir erlaubt, für uns mitzubestellen?“, blafft Aomine ihn ab und packt ihn am Kragen seines Hemdes, als er ihn halb über den Tisch zieht. Es ist für Kise völlig unverständlich, wie man an einem so schönen Tag solch ein Gesicht ziehen kann. Andererseits ist Aomine nun mal eine Gewitterwolke gegen die auch er nichts unternehmen kann. Stattdessen sieht er ihn verdutzt an. „Wieso sollte ich nicht bestellen, wenn ich bereits weiß, was ihr bestellen werdet?“ Aomines Wut verpufft, als er Kise mit derselben Verwirrung ansieht. „Was?“ „Ki-chan hat recht“, gibt Momoi zu bedenken und nickt eifrig. „Ich hätte Kirsche bestellt.“ Kise befreit sich aus Aomines Griff, der sich ein wenig gelockert hat und lehnt sich nach hinten. „Momoicchi liebt Kirsche. Und außerdem ist sie die einzige Person, die ich kenne, die mit ihrer Zunge einen Knoten in den Stängel machen kann.“ Ein Lachen entrinnt ihm, doch Aomine ist alles andere als begeistert. Seine Miene wird erneut finster, als er von Kise zu Momoi schaut. „Was zum Teufel, Satsuki?“, presst er hervor. „Zeigst du diesen Trick jedem Idioten?“ „Nur meinen Freunden, Dai-chan“, erwidert Momoi und tippt sich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn. „Es ist mein Talent. Neben der Informationsbeschaffung, meine ich.“ „Und du hast keine wirkliche Lieblingssorte, Aominecchi“, redet Kise weiter. „Früher während unserer Teiko-Zeit hast du nie dieselbe Sorte bestellt und hast auch nie den Eindruck erweckt, als würdest du eine Sorte der anderen bevorzugen. Oder irre ich mich da?“ Aomine weicht Kises aufmerksamen Blick aus und verdreht stattdessen die Augen. „Du erinnerst dich an diesen Unsinn?“ „Ich erinnere mich an alles, was dich betrifft, Aominecchi!“, beharrt Kise, als die Kellnerin ihren Tisch ein weiteres Mal ansteuert. Dieses Mal trägt sie ein Tablett bei sich und sie transferiert die Schalen von diesem auf den Tisch, bevor die junge Frau sie wieder allein lässt. Aomine greift schweigend nach seiner Schale und beginnt mit dem Löffel in dem Eis zu stochern. Seine gebräunte Haut wirkt einen Deut dunkler und Kise tauscht ein Schmunzeln mit Momoi aus. „Wenn Dai-chan den nächsten Geschichtstest nicht besteht, darf er nicht mehr am Training oder an den Turnieren teilnehmen“, erzählt Momoi, als sie alle drei ihr Eis essen. „Also habe ich ihm angeboten mit ihm zu lernen, aber er hat keine Lust dazu.“ „Aber Aominecchi...!“, entweicht es Kise. Allein bei dem Gedanken daran, dass er seine Revanche gegen Aomine während der Interhigh vergessen kann, läuft ihm ein eisiger Schauer den Rücken hinunter. Nein, das darf keinen Fall passieren! „Du musst dir unbedingt von Momoi helfen lassen.“ „Warum erzählst du ihm das, Satsuki? Das geht Kise rein gar nichts an.“ Momoi stößt Aomine den Ellenbogen in die Seite. „Weil du einfach verantwortungslos mit deiner Zukunft umgehst, Dai-chan.“ „Kasamatsu-senpai zwingt mich auch immer dazu, mich mit ihm zum Nachhilfeunterricht zu treffen“, gibt Kise zu und löffelt sich Eis in den Mund. „Ganz egal, wie oft ihm erkläre, dass ich meine Fotoshootings nicht ewig aufschieben kann, lässt er ihn nicht einmal ausfallen. Er ist ein richtiger Sklaventreiber...“ Aomine sieht auf und verengt die Augen. „Ist dein komischer Senpai nicht auf einer anderen Schule und somit in einem anderen Basteckballteam? Warum gibt er dir immer noch Befehle, huh?“ Kise seufzt. Für einen Moment mag er nichts lieber tun, als mit dem Kopf auf die Tischplatte zu sinken, denn jegliche gute Laune verpufft in Angesicht der Nachhilfestunden. Es ist das Langweiligste, was Kise jemals hat durchleben müssen. „Kasamatsu-senpai sagt, dass er nicht zulassen wird, dass ich Kaijou ins Verderben treibe.“ Eventuell sind auch ein paar andere unschöne Worte gefallen, an die Kise sich jedoch nicht erinnern möchte. „Er schaut immer noch regelmäßig beim Training vorbei. Oder bei mir zu Hause mit einem Stapel Bücher. Als ob das nicht schlimm genug wäre, finden meine Schwestern seinen Ehrgeiz scheinbar ganz niedlich.“ Bei dem Wort schüttelt er sich, denn obwohl er großen Respekt vor seinem Senpai hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er Kasamatsu darum beneidet oder ihm nacheifern mag. Aomine schnaubt belustigt. „Geschieht dir recht.“ „Wie bitte!?“, fragt Kise empört und lehnt sich nach vorn. Ihre Blicke treffen sich, provozierend und wütend zugleich, doch Momoi klatscht die Hände zusammen. „Ich habe eine Idee!“, verkündet sie. „Wir werden alle zusammen lernen und dafür sorgen, dass niemand vom Training ausgeschlossen wird.“ „Satsuki...“, beginnt Aomine und auch Kise legt die Stirn in Falten. „Keine Widerrede, Dai-chan!“, sagt Momoi und holt ihr Handy aus ihrer Tasche. „Ich werde gleich Kasamatsu-senpai anrufen und die Nachhilfestunden arrangieren.“ Lächelnd tippt sie auf ihrem Handy herum und sucht nach der Nummer seines Senpais. Woher sie die wieder hat, fragt sich Kise gar nicht erst, denn Momoi bekommt alle Informationen, die sie haben möchte. Sein Blick wandert zurück zu Aomine. „Ich bin sicher, dass ich besser als du in Geschichte bin, Aominecchi.“ „Rede dir das ruhig ein, Kise...“, erwidert er, doch Kise kann die unausgesprochene Herausforderung deutlich heraushören. Kapitel 2: the date. -------------------- 4 Kasamatsu massiert sich mit zwei Fingern den Nasenrücken. Was hat er sich hier nur eingebrockt? Ein Seufzen entweicht seinen Lippen, als er die Hand zu seiner Krawatte hinunterwandern lässt, um diese ein wenig zu lockern. Die Sonne brennt auf ihn nieder, doch das ist im Sommer abzuwarten. Das dazugehörige Jackett hat er längst abgelegt, zusammen mit seiner Schultasche. „Du bist ganz schön früh, Kise“, richtet er nüchtern das Wort an seinen ehemaligen Schulkamerad. „Früher, als du es bisher je zur Nachhilfe oder sogar zum Basketballtraining gewesen bist.“ Kise sitzt in einem sportlichen Outfit vor ihm auf der Bank des Picknicktischs und trägt ein vorfreudiges Grinsen auf den Lippen. Seine Augen gehen jedoch direkt an Kasamatsus Gesicht vorbei und sind auf den Basketballplatz gerichtet, der sich hinter ihnen befindet. Der von Kasamatsu ausgesuchte Picknicktisch steht auf einem mit Gras bewachsenen Hügel, der auf die Sportanlagen des Parks hinunterschaut. „Das Fotoshooting war schon eher zu Ende. Danach bin ich gleich hierher geeilt“, erwidert Kise mit einem angedeuteten Zucken der Schultern. Er hat einen Arm lässig auf dem Tisch abgelegt und seine Hand baumelt hinunter. Die Sonne bricht sich auf den blonden Haaren und blendet Kasamatsu, was aber genauso gut seine strahlende und ziemlich nervtötende Persönlichkeit sein kann. Kasamatsu schnaubt. „Du kannst mir nichts vormachen. Jeder andere, aber an dir ist wirklich kein Schauspieler verloren gegangen, Kise.“ Dieser schenkt ihm ein halb verwirrtes und halb ertapptes Lächeln, welches Kasamatsus Ahnung bestätigt. Kise erhofft sich ein kleines One-on-one mit seinem ehemaligen Teiko-Teamkameraden und Rivalen. Sein Blick spricht Bände, genauso wie die lockere Kleidung und der vollgestopfte Rucksack, welcher Basketballform angenommen hat und sicher kein einziges seiner Schulbücher enthält. Kise muss ihn wirklich für einen Idioten halten, dass er ernsthaft annimmt, Kasamatsu bemerkt es nicht, wenn er kaum auffälliger sein kann. „Wir sind zum Lernen hier, Kise. Damit du dem Team keinen Ärger machst, wenn deine Noten noch weiter sinken. Wie oft soll ich das noch sagen, bis du das in dein Hirn kriegst?“, tadelt Kasamatsu, als er einen Schritt in die Richtung des Basketballgenies macht und ihm einen Schlag gegen die Seite des Kopfs gibt. Kises wehleidiges Klagen geht in einem belustigten Schnaufen unter und Kasamatsu dreht sich um. Aomine schlendert hinter Momoi den Hügel hinauf, ebenfalls bequeme Basketballkleidung tragend und die Hände zudem locker in den Taschen seiner dunklen Shorts vergraben. Während Aomine überhaupt nichts bei sich hat, trägt Momoi ein paar schwere Bücher auf dem Arm, hat aber genug Kraft, um sie kurzzeitig auf einem Arm zu balancieren und ihnen mit dem anderen zuzuwinken. „Ki-chan, Kasamatsu-senpai, hallo!“ Kise, der sich eben noch den Kopf gehalten hat, lässt die Hand sinken und springt auf. „Momoicchi, Aominecchi, da seid ihr ja endlich!“ „Dai-chan hat seine Basketballschuhe nicht gefunden“, informiert Momoi sie und Aomine schnappt empört nach Luft. Die vorige Belustigung ist verblasst und er sackt genervt auf die Picknickbank, auf der zuvor Kise noch gesessen hat. „Falls es euch allen nicht klar ist, wir sind zum Lernen hier und nicht zum Basketballspielen“, wiederholt Kasamatsu seine vorigen Worte, als sich Kise neben Aomine auf die Bank quetscht und dessen Gezeter gekonnt überhört. Momoi kommt neben Kasamatsu zum Stehen und nickt eifrig. „Kasamatsu-senpai hat recht.“ Ihr Gesicht ist ernst, obwohl ihre Augen noch immer vor Begeisterung funkeln. Viel weiß er nicht über Momoi, nur dass ihre alte Mannschaft ihr wichtig ist und die Freundschaft zwischen Kise und Aomine dazugehört, von ihren Talenten zur Informationsbeschaffung ganz zu schweigen. Ein Seufzen will sich abermals den Weg aus seiner Kehle bahnen, doch Kasamatsu hält es zurück und fächelt sich stattdessen mit der flachen Hand ein wenig trockene Luft zu. „Als eurer Senpai und Nachhilfelehrer werde ich entscheiden, ob ihr euch am Ende des Lernens ein One-on-one verdient habt oder nicht“, entscheidet er und hebt bei den Reaktionen von Kise und Aomine freudlos die Mundwinkel. Kises Mund steht offen und Aomine hebt grimmig eine Augenbraue. Er kann die Proteste, die nur von Momois Anwesenheit und ihr kontinuierliches Nicken in Schach gehalten werden, deutlich von ihren Gesichtern ablesen. So ungehobelt wie diese beiden Klötze sein können, haben sie dennoch genug Respekt, um sich einem Senpai nicht zu widersetzen – und Kasamatsu hat kein Problem damit diese Trumpfkarte auszuspielen. Stille kehrt ein, in der Kasamatsu zum Tisch hinüberschlendert und seine Tasche öffnet, um ein Geschichtsbuch herauszuholen. Momoi setzt sich auf die andere Bank, gegenüber von Kise und Aomine, womit Kasamatsu nur noch der Platz direkt neben ihr bleibt. Die Röte schießt ihm in die Wangen und Missmut zeichnet sich auf seinen Zügen ab, als er Platz nimmt. Ein Räuspern folgt. „Schlagt eure Bücher auf.“ Momoi reicht Aomine und Kise ihr Buch, das Lächeln so strahlend, dass sie nicht ablehnen können, sondern es schweigend entgegen nehmen und aufschlagen. „Ich habe Erfrischungen mitgebracht“, sagt Momoi, während Kasamatsu die Seite heraussucht, an der er mit Kise beim letzten Mal stehen geblieben ist. Sie verrenkt sich halb, um an den kleinen Rucksack auf ihrem Rücken heranzukommen. Ihr Summen hängt in der Luft, genauso wie das ferne Schnarren einiger Insekten und der Geruch von frischgemähtem Gras. Kise folgt ihren Bewegungen mit dem Blick und Aomine stößt ihm grimmig den Ellenbogen in die Seite, als er es bemerkt. Nach und nach holt Momoi ein paar Getränkedosen heraus und stellt jedem eine vor die Nase, selbst Kasamatsu, der nun plötzlich ein Teil dieser ohnehin recht merkwürdigen Truppe ist und nicht genau weiß, wie das eigentlich passiert ist und warum er der Nachhilfe zugestimmt hat. 5 Kise zwinkert der Angestellten zu, bevor er sein Tablett nimmt und zu ihrem Tisch zurückkehrt. Er kann ihren Blick im Nacken spüren, doch er dreht sich nicht mehr um, denn seine Augen sind auf seine Freunde gerichtet. Ausnahmsweise muss er sich wirklich einmal selbst auf die Schulter klopfen. Die Idee, ihr Treffen in diese Burgerbude zu verlegen, ist einfach grandios gewesen. Wer hat schon Lust ständig draußen im Park zu hocken und zu schwitzen und noch nicht einmal Basketball spielen zu dürfen? Kasamatsu hat es ihnen nur ein einziges Mal erlaubt, als er die Nachhilfe früher beendet hat, da er selbst noch etwas zu erledigen gehabt hat. Ewig kann Kise einfach nicht den Basketballplatz beobachten und diese Niederlage gegen Aomine auf sich sitzen lassen. Hier aber läuft die Klimaanlage und stellt ein stetiges Rauschen im Hintergrund dar, vermischt mit rockiger Musik, Dialogfetzen von anderen Gästen und dem beständigen Klappern aus der Küche der kleinen Burgerbude. Und da saßen Momoi, Aomine und Kasamatsu, die neben Kurokocchi und seiner Familie seine absoluten Lieblingspersonen in der Welt waren. Ein Grinsen ruht auf Kises Gesicht, als er sich neben Momoi setzt und das Tablett abstellt. Er verteilt die gekauften Hamburgers und Milchshakes unter ihnen. „Danke, Ki-chan. Das ist sehr nett von dir uns einzuladen. Das ist jetzt schon das zweite Mal. Wir sind dir etwas schuldig“, sagt Momoi und nimmt ihm ihren Milchshake ab. Ihre Finger streifen sich und sie lässt ein helles Lachen erklingen, das Kise an ihre gemeinsame Zeit in der Mittelschule erinnert. An die gute Zeit, in der Aomine ihm einen Basketball an den Kopf geworfen und in ihm die Leidenschaft für den Sport geweckt hat und er Momois Gefühle für Kuroko entdeckt hat und sie genauso rosa wie ihre Haare angelaufen ist, als er sie darauf aufmerksam gemacht hat. „Das ist kein Problem“, erwidert Kise und packt seinen Hamburger aus. Das Knistern von Papier liegt in der Luft, als Aomine und Momoi seinem Beispiel folgen. „Es kann schließlich nicht jeder in unserem Alter einen so guten Job wie ich haben.“ Nun lacht Kise, während Aomine sich halb an seinem Essen verschluckt und ihm einen finsteren Blick zuwirft. „Nur weil wir unser Treffen hierher verlegt haben, heißt das nicht, dass ihr zwei euch vor dem Lernen drücken könnt“, erinnert Kasamatsu sie von der anderen Tischseite. Seine Augenbrauen sind zusammengezogen und sein Mund eine grimmige Linie, als er Aomine und Kise jeweilig einen ausgedruckten Text reicht. „Und nur weil keiner von euch sein Schulbuch mitbringt, bedeutet das genauso wenig, dass die Nachhilfe ausfällt. Falls ihr es noch nicht begriffen habt: Ich werde nicht zulassen, dass ihr eure Mannschaften mit eurem unverantwortlichen Verhalten in der Schule runterzieht. Ihr seid die Asse von Kaijou und Touou. Auf euren Schultern liegt Verpflichtung.“ Aomine grunzt desinteressiert und beißt von seinem Hamburger ab. „Dai-chan!“, schimpft Momoi auf und ein Schmerzenschrei hallt durch den Innenraum, als sie ihrem Kindheitsfreund unter dem Tisch auf den Fuß tritt. „Was Kasamatsu-senpai sagt ist wichtig und du solltest besser zuhören.“ Ein paar Haarsträhnen hängen ihr in die Stirn, die sie unwirsch fortstreicht, ehe sie ruckartig aufsteht. „Ich bin gleich zurück. Bis dahin habt ihr besser angefangen den Text zu lesen.“ Mit diesen Worten spaziert sie in die Richtung der Toiletten und Kise sieht ihr mit amüsiertem Blick hinterher. „Ich hab nachgedacht, Aominecchi“, sagt er nach einer Weile und Aomine sieht von seinem Essen auf. „Du kannst denken?“, murmelt dieser mit vollem Mund. Kasamatsu schiebt derweil den ausgedruckten Text näher zu Kise heran. „Du sollst nicht denken, sondern lesen, Kise!“ Doch die Worte beider gehen an Kise vorbei, als er sich mit dem Zeigefinger nachdenklich gegen das Kinn tippt. „Hast du etwas dagegen, wenn ich Momoicchi um ein Date bitte?“, fragt er freiheraus und lässt die Augen zu Aomine hinüberwandern. Dessen Hamburger, noch immer halb in Papier eingewickelt, friert auf halben Weg zu seinem Mund ein. Irritiert wird Kises Blick erwidert. „Was?“ „Du weißt schon, eine Verabredung“, plappert Kise und zuckt mit den Schultern. „Ich weiß, dass Momoicchi Kurokocchi mag, aber... ich kriege den Eindruck, dass ihre Gefühle sich ihm gegenüber ein wenig verändert haben und—“ „Als ob!“, platzt es aus Aomine heraus, während eine Ader an Kasamatsus Schläfe pocht. Anstatt sich einzumischen, entfaltet er jedoch das Papier seines eigenen Hamburgers und beginnt zu essen. Mit diesen Themen kann er nichts anfangen und es geht ihn eigentlich auch nichts an. „Satsuki fällt ihm immer noch jedes Mal um den Hals, was echt peinlich ist. Da hat sich nichts verändert“, sagt Aomine. „Aber du hast doch keine Ahnung von den Gefühlen anderer Leute, Aominecchi. Woher willst du also genau wissen, was in Momoicchis Herz vor sich geht?“, antwortet Kise und seine Mundwinkel heben sich zu einem Grinsen. „Oder bedeutet deine Reaktion, dass du Momoicchi für dich selbst haben willst? Magst du sie?“ „Wie bitte? Was zum—“, entweicht es Aomine, doch Kise lässt ihm keine Zeit, um seine Frage zu verarbeiten oder für eine richtige Antwort. Stattdessen lehnt sich Kise nach vorn und somit näher zu ihm hinüber. „Oder magst du mich, Aominecchi? Willst du deshalb nicht, dass ich mit ihr ausgehe?“, fragt Kise und klimpert vielsagend mit den Wimpern, woraufhin Aomine die Röte in das gebräunte Gesicht schießt. „Oi! Hast du sie noch alle, Kise? Als ob ich... als ob du... du hast doch nicht einmal...“, stottert er und Kise bricht in prustendem Gelächter aus, das einige Gäste im Umkreis dazu bringt, sich zu ihnen umzudrehen. „Dai-chan!“, erklingt Momois Stimme, die zum Tisch zurückkehrt. Sie hat die Arme in die Hüften gestemmt, als sie einem verschwitzen Aomine mit dem Blick fixiert. „Du hast noch keine einzige Zeile gelesen, nicht wahr? Stattdessen machst du so einen Krach, dass die Leute schon komisch gucken.“ Und Kise lacht und lacht, während Aomine halb unter dem Tisch versinkt und Kasamatsu resigniert seinen Milchshake trinkt, dessen Wut bei dem Inhalt der Unterhaltung von ganz allein wieder verpufft ist. 6 Das Gestein ist hart und warm unter Aomines Rücken, vertraut und entspannend. Er hat das Schuldach vermisst. Dank dieser dummen Nachhilfestunden mit diesem noch dümmeren Kise hat er immer weniger Zeit, um hier herumzuliegen und die Sonne auf seinem Gesicht zu genießen. Nicht nur, dass man ihn zum Lernen abkommandiert hat, wenn er weiterhin Basketballspielen möchte, sondern Satsuki schleppt ihn jetzt auch noch regelmäßig zum Unterricht. Dort darf er sich dann diese bescheuerten Kommentare ihres Lehrers seiner plötzlichen und fast regelmäßigen Anwesenheit betreffend anhören, die ihm gewaltig auf die Nerven gehen. Doch hier oben herrscht Stille und hier verlangt man nichts von ihm. Für gewöhnlich ist das jedenfalls so, obwohl er heute einfach nicht die gewünschte Ruhe finden kann. Er hat die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sein Jackett ist ein zusammengerollter Ball, der achtlos neben ihm auf dem Dach liegt. Der Wind trägt ferne Gespräche vom Schulhof zu ihm hinauf, doch es ist das beständige Klicken von Handytasten und ein gelegentliches, halb unterdrücktes Kichern, was seinen Geduldsfaden strapaziert. Schlussendlich bringen es Aomine dazu die Augen zu öffnen. Genervt sieht er zu dem blauen Himmel hinauf, an dem nur hier und da eine Wolke hängt. „Wem schreibst du da die ganze Zeit, Satsuki?“, brummt er, ohne zu seiner Sandkastenfreundin hinüberzusehen. Sie sitzt nur wenige Meter von ihm entfernt und lehnt an der Brüstung des Dachs. Die Beine hat sie angezogen und Aomine ist sich sicher, dass wenn er den Kopf in ihre Richtung dreht, er ihren Schlüpfer unter dem hochgerutschten Rock sehen kann. Wahrscheinlich trägt sie irgendeinen mit Punkten oder Teddybären drauf, denn Satsuki steht auf dieses niedliche Zeug, das vermutlich so einigen Kerlen das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Kise wohl auch, wenn er mit ihr ausgehen möchte. Dieser Gedanke lässt ihn nicht ganz los, sondern verfolgt ihn bis in seinen Schlaf und bis hinauf auf das Schuldach. Sein Gesicht verzieht sich. Kise kennt Satsuki seit der Mittelschule, warum entwickelt er also ausgerechnet jetzt Interesse für sie? Und was soll diese Frage, ob Aomine eifersüchtig war? Als ob er jemals etwas für Satsuki empfinden kann, was über etwas Freundschaftliches hinausgeht. Oder für Kise. Das ist noch lächerlicher! „Ich schreibe mir mit Ki-chan“, informiert Satsuki ihn. „Er schreibt mir zur Zeit eine Menge, weißt du. Es erinnert mich an unsere Zeit in Teiko. Irgendwie aber auch nicht. Immerhin sind wir jetzt alle erwachsener und reifer, findest du nicht, Dai-chan?“ „Was soll das denn heißen?“, fragt Aomine, der die Brauen zusammenzieht und sich aufsetzt. „Erwachsener und reifer?“ Er stemmt die Hände hinter sich auf den Stein und sieht zu Satsuki hinüber. Er hat recht gehabt, denn er kann ihren Schlüpfer sehen. Allerdings wandert sein Blick weiter zu ihrem Mobiltelefon, welches er misstrauisch mustert. „Magst du Kise etwa, huh?“ Sein Ton ist vorwurfsvoll und erinnert ihn abermals an Kises nervtötende Fragen, die kaum weniger der Wahrheit entsprechen können. Satsuki blinzelt. „Natürlich mag ich, Ki-chan“, sagt sie und hat nicht einmal den Anstand bei ihrer Antwort zu zögern. Aomine klappt der Mund auf. „W-Was findest du an ihm so toll? Er redet ununterbrochen und geht einem mit seinen bescheuerten Fans auf die Nerven. Oder mit seinem Verhalten gegenüber Tetsu.“ „Oh, Dai-chan...“ Satsuki kichert erneut und lässt ihr Handy zuklappen, bevor sie es beiseite legt. „Sei nicht eifersüchtig. Jeder weiß, dass du Ki-chan auch magst.“ Aomines Augen verengen sich. Da ist es wieder, dieses Wort, diese Anschuldigung, dass er eifersüchtig sein soll. Schlimmer noch, dachte Satsuki wirklich, dass er Kise jemals mögen kann? „Und wie kommst du auf diesen Unsinn?“, fragt er und lässt sich wieder nach hinten auf den Rücken sinken. Desinteressiert dreht er den Kopf weg von Satsuki, die auf Knien näher zu ihm hinüber rutscht, die Hände ordentlich im Schoß gebettet. „Das ist doch nicht zu übersehen“, antwortet sie und er kann ihr Lächeln aus ihrer Stimme heraushören. „Du legst bei seinen Anrufen selten auf und du kommst zur Nachhilfe, obwohl du weißt, dass er da sein wird. Du legst zwar Proteste ein, aber die sind nur halbherzig, Dai-chan. Nicht zu vergessen, dass du stets deine Basketballkleidung unter deinen Sachen trägst, weil du auf ein One-on-One mit ihm hoffst, um ihn besiegen zu können.“ Aomines Augen wandern in die Ferne bei ihrer Aufzählung, die er gern verleugnen würde, aber nicht kann. Ihm fallen keine passenden Argumente ein und Satsuki hat seine Meinung sowieso noch nie akzeptiert, wenn sie sich bereits eine eigene gebildet hat. Nur zum Thema Basketball kann er sie gelegentlich belehren, während sie in Sachen wie Gefühlen und zwischenmenschliche Beziehungen stets auf ihre weibliche Intuition beharrt. Aomine schnauft. „Ach, halt einfach den Mund, Satsuki...“ Kapitel 3: the one-on-one. -------------------------- 7 Sie sind die ersten am Treffpunkt im Park. Es ist so früh, dass die Sonne noch nicht sehr hoch steht und auch die Temperaturen sich noch im Erträglichen befinden. Momois Tasche ist schwer und gefüllt mit Wasserflaschen und einem selbstgemachten Mittagessen, um den Jungs eine Freude zu bereiten. Sie hat einen Plan, obwohl es schwer ist, Aomine zum Kooperieren zu bekommen. Vorhin hat sie sturmklingeln müssen, damit er endlich seinen Hintern bewegt und sie loskönnen. Allerdings kann sie sein Herauszögern verstehen, jetzt da sie weiß, was vor ihrer Nase passiert. Scheinbar hat ihre Intuition in der letzten Zeit geschlafen, denn sie hat rein gar nichts von Aomines Gefühlen für Kise bemerkt. Doch gestern auf dem Schuldach sind sie mehr als offensichtlich gewesen. Endlich gibt es etwas, was Aomine neben dem Basketball interessiert. Momoi klatscht begeistert in die Hände, woraufhin Aomine den Kopf hebt, der auf seinen Armen liegt, die wiederum auf dem Picknicktisch gebettet sind. Er blinzelt müde zu ihr hinauf, da sie direkt vor ihm steht. „Wie kannst du so früh am Wochenende schon so wach sein?“, murrt er, doch nichts kann Momois gute Laune verderben. „Es ist doch gar nicht mehr früh, Dai-chan“, erwidert sie. „Hab dich nicht so. Oh, schau... dahinten kommen Ki-chan und Kasamatsu-senpai!“ Sie winkt ihnen zu und Kise hebt schwingend einen Arm, um ihren Gruß aus der Ferne zu erwidern, während Kasamatsu seine Tasche schultert. Aomine hebt den Kopf an und eine Emotion, die Momoi nicht genau deuten kann, huscht über sein Gesicht. Plötzlich sieht er nicht mehr so verschlafen aus, sondern fast... skeptisch. Aber davon lässt sich Momoi nicht abschrecken, denn nicht für jeden sind sich entwickelnde Gefühle problemlos zu akzeptieren und ganz sicher nicht für jemanden wie Aomine. Ein sanftes Lächeln legt sich auf ihren Lippen und sie tätschelt wortlos seinen Arm, was einen genervten Blick seitens Aomine zur Folge hat, der Momoi jedoch schon lange nicht mehr beeindrucken kann. „Ihr seid früh“, sagt Kasamatsu, als Kise und er sie erreichen. Kises Arme schlingen sich um Momois Schultern, um sie in eine Umarmung zu ziehen. „Momoicchi!“ Diese Art der Berührung ist neu, aber nicht unerfreulich. Es zeigt Momoi nur, dass es noch Hoffnung für ihren Traum gibt, dass sie alle für ewig Freunde bleiben können und ihre Wege sich nicht komplett trennen werden. Nein, sie glaubt fester denn je daran, dass sie zusammengehören. Das gilt für Kuroko und sie, seit einiger Zeit jedoch auch für Aomine, Kise und sie selbst. „Ich bin sicher, dass Dai-chan auch gern eine Umarmung von Ki-chan hätte und er es nur nicht sagen kann“, flüstert sie, bevor Kise die Umarmung löst. Sein Grinsen ist strahlend und er marschiert wortlos davon, um seine Arme zusätzlich um Aomines Nacken zu legen und sich halb über ihn zu beugen, da er im Stehen um einiges größer ist. „Wenn Aominecchi eine Umarmung möchte, kriegt Aominecchi auch eine Umarmung“, flötet er und festigt seinen Griff, als sich Aomine aus ihm zu befreien versucht. „Ey, was soll der Scheiß? Niemand will hier umarmt werden. Von dir erst recht nicht, Kise!“, schimpft dieser und Momoi presst eine Hand gegen den Mund, um ihr Kichern zu unterdrücken. „Momoicchi hat gesagt...“, beginnt Kise, als er von seinem Rivalen ablässt und neben ihm auf die Bank sinkt. „Du glaubst Satsuki aber auch jeden Mist, was?“, murrt Aomine und richtet sein verrutschtes T-Shirt. „Behalt deine Grabscherfinger für dich, verstanden!?“ Kasamatsu räuspert sich. „Können wir dann endlich zum eigentlich Thema unseres Treffens zurückkommen?“ Er zieht ein einziges Buch aus der Tasche, denn die Materialen, die er mitbringt, werden von Mal zu Mal weniger und Momoi bekommt vermehrt den Eindruck, dass er langsam aber sicher an dieser Nachhilfegruppe aufgibt. „Kasamatsu-senpai?“, fragt sie und zupft an seiner Schuluniform. Er dreht sich zu ihr um und seine Ohrenspitzen erröten, obwohl sein Gesicht genauso grimmig wie Aomines aussieht. „Momoi-san?“ „Ich habe nachgedacht. Wie wäre es mit einer Belohnung, wenn sich Ki-chan und Dai-chan ausnahmsweise wirklich beim Lernen anstrengen?“ Ihr Blick wandert von Kasamatsu zu dem Basketballplatz hinüber, der im Moment verlassen ist. „Ein One-on-One vielleicht?“ Kasamatsu folgt ihrem Blick, während Kise erwartungsvoll seinen Senpai anstarrt. Aomine ist weniger begeistert und vermeidet es in Momois Richtung zu sehen, was jedoch nur bedeuten kann, dass er ihren Vorschlag unterstützt. Wer hätte gedacht, dass Aomine so schüchtern ist, wenn es um romantische Gefühle geht... Ein Kribbeln breitet sich bei dem Gedanken in Momois Bauch aus und sie presst die Lippen freudig aufeinander. „Was meinst du, Kasamatsu-senpai?“ „Meinetwegen“, antwortet dieser und wendet sich Aomine und Kise zu. „Wenn ihr euch tatsächlich konzentriert und am Ende ein paar meiner Fragen beantworten könnt, entlasse ich euch früher zum Basketballspielen.“ Herausforderung blitzt in Kises und Aomines Augen, das kann Momoi ganz deutlich sehen. Es erinnert sie an ihr erstes Treffen zum Eisessen, bei dem die beiden den Wettkampf, wer denn nun von ihnen besser in Geschichte ist, bereits begonnen haben. Er ist in Vergessen geraten, als etwas anderes und weitaus Wichtigeres widergefunden worden ist. Etwas, was Momois Herz schneller schlagen lässt. Aomine reißt ihr förmlich das Gesichtsbuch aus der Hand, welches sie auspackt und ihm reicht, während Kise alle schrägt zusammengefalteten Papiere aus seiner Schultasche angelt, die wie jeden Tag die runde, ausgebeulte Form eines Basketballs hat. „In 1945 endete der zweite Weltkrieg und in...“, begann Kasamatsu zu erzählen und Momoi zwängte sich lächelnd zwischen Aomine und Kise auf die Parkbank. 8 Die Nachmittagssonne ist hinter einer Wolke versteckt, welche die Wärme erträglich macht. Auch die gelegentlichen Brisen helfen, die Kises aufgeheizte und überanstrengte Gestalt abkühlen, obwohl sie nicht einmal zum Basketballspielen gekommen sind. Seine Wange ruht auf dem splitterigen Holz des Picknicktischs, denn sein Kopf ist schwer und vor seinen Augen flimmern Jahrezahlen und die Namen unzähliger Generäle und Offiziere. Warum muss man sich das alles merken? Geschichte ist tot, niemand braucht all diese Informationen. Zudem knurrt sein Magen, denn obwohl Momoi Mittagessen mitgebracht hat, hat Kise keinen Bissen hinunterbekommen. Auf den Sandwichs sind saure Gurken gewesen und eine scharfe Soße, die Kise nicht einmal mit den ganzen Wasserflaschen, die Momoi zusätzlich eingesteckt hat, hat löschen können. Aomine ergeht es ähnlich, denn dieser sitzt neben ihm und hat das Kinn auf der Handfläche abgestützt. Sein Mund steht offen und seine Augen sind geschlossen, da er weggedöst ist. „Ausnahmsweise habt ihr euch wirklich ins Zeug gelegt“, sagt Kasamatsu, der den Verschluss seiner Tasche zuschnappen lässt. „Gute Arbeit, obwohl... der größte Dank geht wohl an Momoi-san. Wer hätte gedacht, dass es doch jemanden gibt, der euch antreiben kann. Ich bewundere dein Durchhaltevermögen, Momoi-san.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich Kasamatsu und schlendert davon. Momoi sieht ihm hinterher und winkt, bevor sie schwungvoll herumfährt und Kise und Aomine anlächelt. „Seht ihr? Harte Arbeit zahlt sich aus. Jetzt habt ihr doch noch Zeit für ein One-on-One.“ Erst bei diesem Wort kehrt wieder Leben in Kises Körper zurück und er setzt sich gerade hin. Sein Ellenbogen stupst Aomine an, dessen Arm umknickt. Er verliert das Gleichgewicht, fängt sich jedoch, bevor er von der Bank fallen kann, um sich verschlafen die Augen zu reiben. „Was?“, brummt er und Kise grinst. „Zeit für meine Revanche, Aominecchi!“ Dieser stößt ein heiseres Lachen aus, als er aufsteht und sich streckt, bis seine Gelenke knacken. „Als ob du mich jemals besiegen wirst, Kise. Dass ich nicht lache.“ Trotzdem trottet er den Hügel zum Basketballplatz hinunter, dicht gefolgt von Kise, der seinen Basketball aus seinem Rucksack befreit hat. „Du wirst schon sehen“, sagt dieser, sobald er mit Aomine aufholt. „Ich hab dich in Geschichte geschlagen und jetzt gleich in Basketball!“ „Du hast mich in Geschichte geschlagen?“, wiederholt Aomine. Er schubst Kise an der Schulter von sich, so dass dieser über seine eigenen Füße stolpert und den Rest des Hügels hinunterjoggen muss, um nicht gänzlich hinzufallen. „Ich wusste viel mehr Jahreszahlen als du.“ „Gar nicht wahr!“, lässt Kise empört verlauten. „Momoicchi, Aominecchi lügt wie gedruckt!“ Momoi joggt mit ihren gemeinsamen Sachen hinter ihnen her. „Also ich finde, ihr wart mehr oder weniger gleich auf“, sagt sie außer Atem, als sie den Basketballplatz erreichen. Sie lässt die Taschen und Bücher auf den Boden am Spielfeldrand plumpsen, bevor sie sich den Jungs widmet. „Dieser One-on-One wird es entscheiden“, sagt sie dann. Während Aomine über das Feld zu einem der Körbe hinüberschlendert, stellt sich Kise in Position. Der Ball fühlt sich gut, richtig, in seinen Händen an. Als Model arbeiten und für Geschichte lernen mag gut für seine Zukunft sein, aber nichts ist besser als Basketball. Nichts kann sein Blut dermaßen zum Kochen bringen, als wenn er gegen Aomine antritt, der sich elegant und unberechenbar wie ein Panther bewegt. Kise hat seine Bewunderung für ihn abgelegt, aber ganz lässt ihn Aomines Spielweise nicht los, nicht komplett und das wird es auch niemals. Ein Grinsen liegt auf Kises Gesicht, als er losrennt und auf Aomine zusteuert, auf den Korb, der über seinem Kopf hängt. Ein Wurf aus der Ferne ist zu einfach. Aomines Augen folgen ihm, huschen nach links und rechts, in jede Richtung, die Kise einschlägt, um Aomine zu verwirren, während er bewegungslos dasteht. Jeden anderen kann es täuschen, doch Kise hat schon zu oft gegen ihn gespielt. Kise kennt ihn besser, als jeder andere es jemals kann. Er kann die angespannten Muskeln sehen, die unter der Haut hüpfen, jedes Mal, wenn Kise einen Hacken schlägt und Aomine mit dem Impuls kämpft hinter ihm herzujagen. Jedes Mal ist es dasselbe. Jedes Mal bewegt sich Aomine in der Sekunde, in der Kise es am wenigsten erwartet, in der er tatsächlich glaubt, an Aomine vorbeiziehen und den Korb erreichen zu können. Kise rennt um ihn herum, springt und der Ball verlässt seine Hand, nur wenige Zentimeter vom Korb entfernt, ehe er Aomines Körper dicht hinter sich wahrnimmt, ebenfalls in der Luft. Ein gebräunter Arm streckt sich über seine Schulter und Finger streifen den Ball, so dass er vom Korbrand abprahlt, anstatt hineinzufallen. Die Luft wird beim Aufprall auf dem Boden aus Kises Lungen gedrückt, aber vielleicht ist es auch das Gefühl des Verlierens oder Aomines Präsenz. Kise dreht sich um, nur um mit Aomines Blick konfrontiert zu werden, der sich wie Säure in seine Haut frisst. „Nächstes Mal!“, entweicht es Kises Mund und er geht den Ball holen. Ein Kribbeln breitet sich auf seiner Haut aus, während Adrenalin durch seine Arterien pumpt. Er folgt dem Ball, der zu Momoi hinübergerollt ist und die ihn aufgehoben hat. Ihr Lächeln ist strahlend, als sie ihn Kise reicht und sich ihre Finger berühren. „Ich weiß, dass du es schaffen kannst, Ki-chan“, versichert sie ihm und Kise nickt eifrig, bevor er zu Aomine zurückkehrt. Eine Runde gleicht der anderen, denn Aomine ist eine Mauer und gleichzeitig flexible genug, um sich Kise problemlos anzupassen. Manchmal kommt es ihm vor, als ob nicht er, sondern Aomine die Fähigkeit hat, andere Spieler zu kopieren. Doch Aomine grinst nur ein schiefes Grinsen, stemmt eine Hand in die Hüfte und starrt auf Kise hinunter, der am Ende erschöpft auf dem Boden hockt und sich den Schweiß mit seinem T-Shirt abwischt. „Ich kenn dich zu gut, Kise. Ich weiß immer ganz genau, was du vorhast“, sagt Aomine und Kise fühlt sich unangenehm an ihre erste Begegnung auf dem Spielfeld zurückerinnert, an dem Aomine ihn mit ähnlichen Worten geschlagen hat. Es ist ein Déjà-vu-Erlebnis, das keines ist. In Aomines Stimme schwimmt keine Arroganz und sein Blick ist nicht kalt, sondern herausfordernd und lebendig. Er ist Feuer auf Kises Haut. „Nächstes Mal“, sagt Kise, als er sich aufrichtet. Ein Stich geht durch sein Bein, was mehr Phantomschmerz als alles andere ist. „Nächstes Mal!“, wiederholt er und ballt die Hände zu Fäusten. Aomine zuckt unbekümmert mit den Schultern. „Bald sind Sommerferien. Da hab ich sowieso nichts Besseres zu tun.“ Seine Worte sind vage, aber ein Blick zu einer nickenden Momoi hinüber bestätigt Kise, dass dieser Sommer anders ablaufen wird, dass sie diesen Sommer womöglich zu dritt verbringen werden. 9 Kasamatsu ist nicht nostalgisch veranlagt, aber verbringt grundsätzlich noch immer zu viel Zeit in seiner alten Schule. Die fehlenden Gesichter der anderen Drittklässer fallen ihm auf und der Gedanke an seine Zeit hier verfolgt ihn trotzdem mit jedem Schritt über den Schulhof. Seine Beine tragen ihn von allein zur Turnhalle, in der er so viele Stunden trainiert und geschwitzt hat, um seine Spielkunst zu verbessern. Doch er ist nie allein gewesen, der Rest von Kaijou war stets immer an seiner Seite, selbst an Tagen, an denen kein offizielles Training angestanden hat. Er schiebt die Tür zur Turnhalle auf, in der das Team bereits trainiert. Alle sind zu konzentriert, um ihn zu bemerken. Schnelle Pässe werden geübt, welche Kasamatsu einige Momente beobachtet, bevor er zur Umkleidekabine wandert. Von Kise ist keine Spur zu sehen, aber Kasamatsu hat ihn versichert, dass er nicht ungestraft davon kommen wird, sollte er das Training ausfallen lassen. Verärgert ziehen sich seine Augenbrauen zusammen. Eigentlich hat er gedacht, dass Kise nach dem Winter Cup etwas gelernt und etwas verantwortungsbewusster geworden ist, aber scheinbar hat er sich in dieser Annahme geirrt. Vielleicht sind aber auch Aomine und Momoi ein bisschen an seinem neusten Verhalten schuld, denn Kasamatsu hat leider Augen im Kopf und ein gutes Gehör. Die Tür zum Umkleideraum schubst Kasamatsu mit mehr Kraft auf, so dass sie gegen die Wand dahinter knallt. Kise, der gerade dabei war in seine Basketballkleidung zu schlüpfen, zuckt zusammen. Er ist in seinem T-Shirt verheddert und steht einen Moment stocksteif da, ehe er den Kopf durch die Öffnung bekommt. Mit wuseligen Haaren dreht er sich zu Kasamatsu um. „Bist du hier, um uns beim Training anzufeuern, Senpai?“, fragt er gutgelaunt und Kasamatsu juckt es in den Fingern. Seine Selbstkontrolle wird besser, denn er verpasst Kise keine saftige Kopfnuss, als er auf ihn zukommt. „Nein, eher um nach dem Rechten sehen“, sagt er, während Kise in seine Turnschuhe schlüpft und die Schleifen bindet. Kasamatsus Blick fällt auf den offenen Spint, der einen Haufen Sachen beinhaltet, darunter vermutlich auch eine Menge von seinen sogenannten Fans, von denen Kise ständig jedem berichten muss. Doch es ist das Foto, das mit vier Magneten an der Tür festgemacht ist, auf dem seine Augen zum Ruhen kommen. Es ist ein Gruppenfoto von allen Mitgliedern der Generation der Wunder. „Keine Sorge, alles läuft bestens. Die anderen machen ihre Sache gut“, versichert Kise, was Kasamatsu die Augen rollen lässt. „Um die anderen mache ich mir keine Gedanken“, murmelt er, als er sich mit einem Seufzen neben Kise auf die Bank setzt. Dieser sieht ihn verwundert an, was Kasamatsus schlechte Laune nicht verbessert. „Du bist zur Zeit abgelenkt. Mehr als sonst schon“, sagt er dann. Kise deutet ein Kopfschütteln an, noch immer ein Grinsen auf den Lippen tragend. „Ich habe noch nie gelernt. Nicht so wie letztens im Park.“ „Aber nur, weil du dir ein One-on-One mit Aomine davon versprochen hast“, erwidert Kasamatsu und bettet die Arme auf den Oberschenkeln, als er sich vorlehnt. „Du bist motiviert, wenn es um Dinge, die Aomine und Momoi-san betreffen, geht. Bei allem anderen bist du abgelenkt. Ich misch nicht gern in diese Dinge ein, aber... du solltest ihnen deine Gefühle gestehen, Kise.“ „Senpai...?“ Kasamatsu fixiert Kise mit einem strengen Blick. „Ich meine es ernst, Kise. Dieses ganze Hin und Her während der Nachhilfestunde geht mir tierisch auf die Nerven. Und im Sommer beginnt das Training für den nächsten Winter Cup. Du bist Kaijous Ass, du kannst nicht nur halbe Sachen machen. Oder willst du dieses Jahr den Winter Cup etwa nicht gewinnen!?“ Kise schluckt und das Grinsen verliert sich nach und nach. „N-Natürlich will ich gewinnen, Senpai. Das Team ist mir wichtig!“ Das hat Kise bereits beim letzten Winter Cup bewiesen und daran zweifelt Kasamatsu auch nicht, aber... „Dann schaff Ablenkungen aus dem Weg und spring über deinen Schatten“, redet Kasamatsu weiter. Er versteht nicht viel von romantischen Dingen und hat auch keinen besonders guten Draht zu Mädchen, aber dass Aomine und Momoi ähnliche Gefühle gegenüber Kise hegen, kann selbst er erkennen. Obwohl er es als äußerst seltsam empfindet, versucht er nicht allzu sehr über dieses Dreiergespann nachzudenken. Alles, was er weiß ist, dass Kise am besten spielt, wenn er glücklich ist und wenn es etwas gibt, das ihn antreibt. Erst vor ein paar Tagen bei der Nachhilfestunde hat sich das wieder bestätigt, denn da hat er bewiesen, dass in seinem Gehirn noch für etwas anderes als Basketball Platz ist. „Kaijou braucht dich“, sagt Kasamatsu und Kises Unterlippe bebt gefährlich. „Senpai, das ist das Netteste, was du jemals zu mir—“, beginnt Kise, wird jedoch unterbrochen, als Kasamatsus Hand mit seiner Schulter kollidiert und der Schwung ihn von der Bank wirft. „Hab ich dir erlaubt zu sprechen?“, murrt Kasamatsu und steht auf, um genervt aus der Umkleidekabine zu marschieren. Kapitel 4: the kiss. -------------------- 10 Die Dunkelheit lauert an jeder Straßenecke. Selbst die Laternen haben sich bereits eingeschaltet, um gelbgoldene Kreise auf den grauen Asphalt zu zeichnen. Kises T-Shirt ist durchgeschwitzt und klebt an seinem Körper wie eine zweite Haut, während sein Atem nur stoßweise kommt. Zeitgleich fühlen sich seine Muskeln jedoch locker und entspannt an, ein bisschen wie Wackelpudding, was sie nur nach einer guten Runde Basketball tun. Ein Grinsen liegt aus seinen Lippen, als er auf die Parkbank sinkt, die nur wenige Meter vom Spielfeld steht. Sogleich legt Momoi ihm ein Handtuch um den Nacken und reicht ihm eine Wasserflasche. Ihr rosafarbenes Haar ist zu einem einfachen Zopf gebunden, doch Kise ist schon immer der Meinung gewesen, dass Momoi sich überhaupt nicht anstrengen muss, um niedlich auszusehen. Ganz im Gegenteil, er ist sich ganz sicher, dass sie als einziges in seinem Freundeskreis ebenfalls das Aussehen hätte, um eine Modelkarriere starten zu können. „Danke, Momoicchi“, sagt er. Aomine, der auf sie zugeschlendert kommt und ebenfalls reichlich verschwitzt ist, mustert ihn mit zuckender Augenbraue. „Wenn du weiter so machst, fallen dir noch die Augen aus dem Kopf, Kise.“ „Bist du etwa eifersüchtig, Aominecchi?“ „Fängt du schon wieder mit diesem Scheiß an?“, brummt dieser und sackt auf die Bank neben Kise, meidet jedoch seinen Blick und ist halb von ihm weggedreht. „Auf was soll ich denn deiner Meinung nach eifersüchtig sein, huh? So ein Unsinn...“ Doch Aomines Abweisung ist halbherzig, denn Kise kann sich noch sehr gut an die Zeit erinnern, in dem Aomine seinen Spaß am Basketball verloren hat. Das hier ist nicht mit damals zu vergleichen, denn nun genießt Aomine sein Leben wieder und... mag Kise. Er hat ein Gespür für diese Dinge, weshalb das Grinsen auf seinen Lippen breiter wird. Er lehnt sich zu Aomine hinüber, um über seine Schulter zu sehen, um sein markantes Seitenprofil zu mustern. „Vielleicht, weil ich Momoicchi mehr Aufmerksamkeit schenke als dir.“ Aomines Lippen pressen sich zu einer Linie zusammen und Momoi stößt ein Kichern aus. Sie steht hinter der Bank auf Aomines anderer Seite und bettet die Arme auf der Rücklehne, um sich ebenfalls zu ihrem Sandkastenfreund hinüberzulehnen. „Dabei schenkt dir Ki-chan doch so viel Aufmerksamkeit, Dai-chan, du Dummkopf“, sagt sie und piekst Aomine mit dem Zeigefinger in die Wange, bis Aomine sich grummelnd von ihr wegdreht und Kise anschaut. Seine Augen weiten sich kaum merklich, als sie auf Kises Lippen zum Ruhen kommen, auf denen ein nahezu freundliches Lächeln liegt, das er offenbar nicht erwartet hat. „Oder vielleicht ist Aominecchi auch eifersüchtig, dass Momoicchi mir mehr Aufmerksamkeit schenkt“, vermutet Kise weiter und aus der Nähe kann er trotz der anfänglichen Dunkelheit sehen, dass Aomines Ohrenspitzen glühen. Momois Gesicht taucht mit fragendem Ausdruck neben Aomines auf, aber das wundert Kise nicht. Obwohl sie stets von ihrer weiblichen Intuition spricht, bemerkt sie den Ursprung ihrer eigenen Gefühle und der Leute, mit denen sie tagtäglich zusammen ist, als letztes. „Ich lade euch wieder zum Essen ein, wenn wir alle die Prüfungen bestehen!“, platzt es aus Kise heraus, anstatt Momois ungestellte Frage zu beantworten. Die Einladung hallt über den leeren Basketballplatz davon und verliert sich in der Abenddämmerung. „Wir treffen uns hier im Park, wenn wir die Ergebnisse haben“, erklärt er, bevor er aufspringt. Aomines Proteste liegen in der Luft, doch Momoi entweicht ein Lachen. „Das klingt nach einer guten Idee, Ki-chan. Ich bin sicher, dass sich Dai-chan noch mehr anstrengen wird, wenn er weiß, dass gutes Essen als Belohnung auf ihn wartet.“ „Heiße ich etwa Murasakibara?“, brummt dieser und fährt sich mit einer Hand durch das verschwitzte Haar. „Und redet nicht ständig über mich, als säße ich nicht direkt vor euch. Das nervt.“ Doch Kise antwortet nicht, sondern holt den Basketball, der bis eben allein auf dem Spielfeld gelegen hat. Er klemmt ihn sich unter den Arm, bevor er auch seine Tasche vom Boden aufhebt. „Wir sehen uns dann. Viel Glück beim Examen, Aominecchi.“ Er hebt die Hand zum Abschied, dreht sich um und spaziert davon. Nur im Hintergrund kann er Aomine hören, der ihm nachruft, dass er Kises dummes Glück nicht braucht und er es doch gefälligst für sich behalten soll. Es ist Aomines Art und Weise, um Kise ebenfalls Glück zu wünschen, da ist sich Kise felsenfest sicher. Sein Senpai wäre stolz auf ihn, dass er den ersten Schritt gemacht hat. 11 Aomine kann sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wann sein Leben dermaßen kompliziert geworden ist. Oder seit wann sich sein Leben nicht mehr ausschließlich um Basketball dreht. Zugegeben, der Sport nimmt noch immer den Großteil seiner Gedanken in Anspruch, doch hinzugekommen sind seine Kindheitsfreundin, zu deren Brüsten seine Augen inzwischen viel zu oft hinunterschweiften und deren Lachen viel zu gut in seinen Ohren klingt, und diese Nervensäge, die schon seit der Mittelschule an seinem Rockzipfel hängt und deren One-on-Ones er zu sehr genießt. Nicht einmal Kises Stimme stellt ihm noch unangenehm die Nackenhaare auf – und das hätte das erste Warnsignal sein sollen! Müde blinzelt Aomine gegen das Sonnenlicht an, das seine Augen zum Tränen bringt. Er sitzt verkehrt herum auf der Picknickbank, damit er den Rücken gegen den Holztisch lehnen kann. Sein Kopf ist in den Nacken gelegt, doch das einzige, worauf seine Sinne konzentriert sind, ist Satsukis Oberschenkel, der gegen seinen gepresst ist. Sie sitzt neben ihm auf der Bank und tippt summend auf ihrem Handy herum, während Aomine nicht weiter fortrutschen kann, ohne von eben jeder Bank zu fallen und im Schmutz zu landen. „Kise ist spät“, murmelt er. „Wenn er in zwei Minuten nicht hier ist, geh ich nach Hause.“ Satsuki schlägt ihm mit der flachen Hand gegen das Knie. „Wir sind doch gerade erst gekommen, Dai-chan.“ Aomine seufzt. „Ich bin müde.“ „Du bist immer müde“, erwidert Satsuki, denn sie muss immer das letzte Wort haben und wenn sie von etwas überzeugt ist, dann lässt sie sich davon nicht mehr abbringen. Aber wann genau ist aus ihrer Zweisamkeit eine Dreisamkeit geworden? Seit wann ist Kise – ausgerechnet Kise! – ein Teil von ihnen geworden? Aomine versteht es nicht und kann sich nur vage daran erinnern, dass alles mit seiner schlechten Note in Geschichte und der Drohung, dass er nach dem Durchfallen nicht mehr Basketball mit dem Touou-Team spielen durfte, angefangen hat. Der Rest ist eine Kettenreaktion gewesen und nun sind sie hier in diesem Park, der irgendwie zu ihrem gemeinsamen Treffpunkt geworden ist, weil sie keine zwei Tage ohne Kise auskommen können. Die Vorstellung ist gruselig und wenn er an Kise denkt, fährt Aomine ein eisiger Schauer den Rücken hinunter. Dabei kann er nicht sagen, ob dass Abneigung oder eher das Wissen ist, dass Kise ihn zu gut kennt. Dass Kise und Satsuki ihn zu gut kennen und ihm somit stets einen Schritt voraus sind, was seine eigenen Gefühle angeht. Aber wie konnte das bloß passieren? Kise ist nicht einmal ein Mädchen, geschweige denn hat er große Brüste, so wie Aomine das gern hat. Er unterdrückt ein zweites Seufzen, als er stattdessen den Blick von den Braunkronen über seinem Kopf senkt und zur Seite schielt, wo Satsuki sitzt und ihn längst wieder ausgeblendet hat. Seine Augen wandern zu ihrem türkisen Pullover hinunter, der ihre Oberweite versteckt. Anstatt ein Mädchen mit Satsukis Figur zu treffen und mit ihr auszugehen, sitzt seine beste Freundin neben ihn, während sie auf einen Jungen warten, der zudem Aomines Rivale und absolut nervtötend ist. Wann ist sein Leben nur so absurd geworden? Aomine kann es sich beim besten Willen nicht erklären. „Dai-chan, schau!“, ruft Satsuki aus und lässt ihn aufsehen. „Da kommt Ki-chan.“ Kise kommt den Hügel hinaufgejoggt. Er trägt noch immer seine Schulkleidung, aber sein Rucksack weist die inzwischen bekannte Form eines Basketballs auf, was verspricht, dass es ein One-on-One geben wird. Die Anspannung in Aomines Schultern lockert sich instinktiv – und kehrt sofort um ein Vielfaches zurück, als Kise nicht anhält, sondern direkt auf sie zujoggt. Wie ein Bulldozer steuert er auf Aomine zu, während er wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines auf ihn zurollenden Autos paralysiert dasitzt. „Kise...“, brummt er als Drohung, aber da erreicht Kise ihn bereits. Zwei Arme schlingen sich um seinen Nacken und der Zusammenprall ihrer Körper drückt Aomine unangenehm die Tischkante in den Rücken. Ein Ächzen wird aus seiner Kehle gedrückt und blonde Haare kitzeln seine Nase, während Kise ihn mit einer ungeahnten Stärke umarmt, die ihn jegliche Luft aus den Lungen presst. „Wir haben bestanden. Wir sind Genies, Aominecchi“, flötet dieser dicht an seinem Ohr. Mit einer Hand hält sich Aomine an dem Tisch hinter sich fest und die andere schwebt unschlüssig in der Luft. „Verdammt noch mal, Kise, das wissen wir doch längst! Und woher weißt du das schon wieder?“ Mühevoll dreht er den Kopf in Satsukis Richtung, die strahlend neben ihnen sitzt. „Hast du schon wieder nicht den Mund halten können, Satsuki?“ Diese hält ihr Handy in die Höhe. „Ki-chan hat mir gleich heute Morgen sein Testergebnis geschrieben. Es wäre unhöflich gewesen nicht zurückzuschreiben.“ „Ich dachte, wir treffen uns, damit wir die Testergebnisse austauschen können...“ Denn Aomine bezweifelt, dass Höflichkeit Satsukis wahres Motiv gewesen ist. „Ach, Dai-chan...“, sagt sie. „Wir brauchen doch keinen Grund, um uns zu treffen. Du hast mal wieder gar keine Ahnung.“ Aber ihre Stimme ist sanft und das Lächeln verweilt auf ihren Lippen, als sie die Arme ausbreitet, um Kise und Aomine ihrerseits zu umarmen. Der Schweiß bricht auf Aomines Stirn aus und das gemeinsame Gewicht dieser zwei Spinner wiegt schwer auf ihm, während die Sonne seine Augen noch immer zum Brennen bringt. Wenigstens ist die Müdigkeit verflogen, hat jedoch eine merkwürdige Art des Herzflatterns zurückgelassen, das Aomine Sorgen bereitet. „Also, was ist nun mit dem One-on-One?“, mault er atemlos. „Oder trägst du den Basketball im Rucksack nur zur Schau herum, Kise?“ Dieser hebt das Gesicht, das in Aomines Halsbeuge vergraben ist, als gehört es dorthin. „Natürlich nicht. Heute ist der Tag, an dem ich dich schlagen werde!“ „Das sagst du jeden Tag“, antwortet Aomine, als Satsuki und Kise ihn endlich aus ihrem Klammergriff entlassen. Ihre Körperwärme verweilt, dem Herzflattern nicht ganz unähnlich. „Aber heute ist der Tag, Aominecchi!“ „Das will ich erst einmal sehen...“ 12 Die Pommes sind auf dem Papier eines gegessenen Hamburgers ausgebreitet und Momoi tunkt eine von ihnen in den Klecks Ketschup hinein. Musik spielt im Hintergrund und die meisten Gäste der Burgerbude sind bereits gegangen. Kein einziger Tisch in ihrer Umgebung ist besetzt, so wie es Momoi am liebsten hat. Es kreiert die Illusion einer Privatsphäre an einem öffentlichen Ort wie diesem. Ihr Fuß wippt im Takt der Musik und ihr Kinn ist auf die Handfläche abgestützt. Kise und Aomine sitzen ihr gegenüber, doch der Abstand zwischen ihnen wirkt nicht mehr unüberwindlich, wie er es vor ein paar Wochen eventuell noch gewesen ist. Beide tragen lose T-Shirts, denn die Schule ist vorbei und ein langer Sommer steht an, der mit Basketball und Gelächter gefüllt sein wird, mit Kise, Aomine und Momoi selbst. „Kasamatsu-senpai hat gesagt, dass ich euch ausrichten soll, dass er nie geglaubt hat, dass wir bei der Prüfung durchfallen werden“, erzählt Kise, der an seinem Milchshake schlürft. „Dafür hat er zu viel investiert.“ Seine Mundwinkel heben sich zu einem amüsierten Lächeln. „Kasamatsu-sempai war sehr geduldig“, bestätigt Momoi, denn aus Kises Erzählungen heraus hat sie ihn sich anders vorgestellt. Letztendlich ist er jedoch nett und unheimlich hilfsbereit gewesen. Er hat für seine Hilfe nicht einmal eine Gegenleistung verlangt, sondern Momoi nur per SMS geschrieben, dass er nie mehr einem von ihnen Nachhilfeunterricht geben wird und sie sehen müssen, wie sie in Zukunft allein klarkommen. Verübeln kann Momoi es ihm nicht, denn er hat auf seiner Schule und mit dem neuen Basketballteam sicher auch so genug zu tun. „Er ist auch immer noch mitten in der Planung für das nächste Trainingscamp“, plappert Kise weiter, während ihre Hände immer wieder den Weg zu den Pommes finden und gelegentlich einander streifen. „Er hat gesagt, dass seine Schule und Kaijou vermutlich zusammen wegfahren und trainieren. Scheinbar nimmt er das Versprechen an sich selbst sehr ernst, dass er nicht zulassen wird, dass Kaijous Niveau durch seine Abwesenheit absackt oder so.“ Kise zuckt mit den Schultern und schiebt sich eine weitere Pommes in den Mund. „Wie lange will er dein Team noch babysitten?“, entweicht es Aomine, der einen Arm auf der Lehne ihrer Sitzreihe abgelegt hat. Seine Finger baumeln hinter Kise hinunter und sind nur wenige Zentimeter von dessen Nacken entfernt. „Also ich finde es nett, dass er sich so viel Mühe macht“, wirft Momoi ein und tippt mit dem Zeigefinger gegen ihr Kinn. „Gerade jemand, der Basketball so sehr liebt wie du, Dai-chan, sollte das bewundern.“ „Hmpf...“, entweicht es diesem und Momoi lächelt, ehe sie sich die letzte Pommes stibitzt. Kise knüllt lachend das Papier zusammen und bringt das Tablett mit ihrem Abfall weg. Auch Aomine und Momoi erheben sich und schlendern auf den Ausgang zu, um dort auf Kise zu warten. Er schließt binnen kürzester Zeit mit ihnen auf und gemeinsam verlassen sie die Burgerbude und treten hinaus in die Abenddämmerung. Es ist dunkler noch, als es den anderen Tag gewesen ist, an dem Kise erst den Vorschlag zum Essengehen gemacht hat. Es hat wie eine Verabredung geklungen und auch jetzt wird Momoi den Gedanken nicht ganz los, dass etwas Bedeutungsschweres in der Luft liegt, die nach Blüten von unzähligen Blühbäumen und Büschen riecht. Sie folgen dem Gehweg, der sie zurück zur Hauptstraße bringt und auf der sich ihre Wege trennen. Schweigen herrscht zwischen ihnen, selten, aber alles andere als unangenehm. Momoi sieht zu Kise hinüber, der eine Hand in der Hosentasche vergraben hat, bevor sie zu Aomine schielt, der auf ihrer anderen Seite spaziert und den Blick von ihnen weg schweifen lässt. Sein Gesicht ist entspannt und nicht grimmig, genauso wie sie es am liebsten hat. Sobald sie die Straßenecke erreicht haben, kommen sie zum Stehen und Kise wendet sich ihnen zu. „Das war ein Date, oder?“, fragt er heiter. „Wir sind miteinander ausgegangen. Nicht wahr, Momoicchi, Aominecchi?“ „Was fragst du so blöd, Kise?“, stellt Aomine die Gegenfrage, der von ein Bein aufs andere tritt. „Woher soll ich das wissen?“ Aomines Augen zucken zu Momoi hinüber, gefolgt von Kise, der das alles viel zu gelassen sieht. Hitze breitet sich auf Momois Gesicht aus, als sie plötzlich sämtliche Aufmerksamkeit auf sich ruhen hat. „Warum fragt ihr mich? Ihr seid gemein, dass ich das entscheiden muss“, murmelt sie, überbrückt jedoch den Abstand zwischen Kise und sich und stellt sich auf Zehnspitzen, um Kise einen Kuss auf die Wange zu geben. Die Geste ist ungeplant, furchtbar spontan, aber irgendwie richtig. Seine Hände berühren ihre Ellenbogen und seine Augen funkeln freudig, so dass sich Momois Herz zusammenzieht, ein Gefühl, dass sie sonst nur in Kurokos Gegenwart bekommt. „Dachte ich es mir doch“, sagt Kise und seine Hand wandert ihrem Arm entlang, als er an ihr vorbeitritt, um ihre Geste weiterzugeben. Mit der anderen Hand zieht er Aomine am Kragen seines T-Shirts trotz Proteste zu sich heran und presst seine Lippen auf Aomines Wange. Momoi presst die Finger gegen den Mund, lässt sie im nächsten Moment jedoch sinken, um Aomines andere Wange zu küssen. Seine Lippen bewegen sich, doch kein Laut schafft es aus seiner Kehle, die sich wahrscheinlich genauso staubig wie Momois anfühlt. Das ist Aomines erster Kuss, seine ersten zwei Küsse – und nie hätte Momoi gedacht, dass jemals einer von ihr kommen würde. „Bis dann, Aominecchi, Momoicchi“, sagt Kise, bevor er geht. Er hebt nicht die Hand, sondern holt mit dem gesamten Arm aus, um ihnen zum Abschied zu winken. Die Dunkelheit verschluckt ihn und Momoi nimmt Aomines Hand in ihre, um ihn zum Weitergehen zu bringen. „W-Was war das denn?“, fragt Aomine nach einer Weile, als ob seine Finger nicht gerade mit ihren verschränkt wären. „Ich dachte, du magst Tetsu.“ Momoi legt den Kopf schief, als sie den Gehweg vor sich mustert, der in regelmäßigen Abständen von Laternen beleuchtet wird. „Ich mag Tetsu-kun. Sehr sogar. Aber ich mag Ki-chan und dich, Dai-chan, eben auch. Nur anders.“ Aomine fragt nicht weiter nach, sondern festigt stattdessen den Griff um ihre Hand und schnauft belustigt, während Momoi gedanklich bereits eine SMS an Kasamatsu verfasst, um den Ort für das bevorstehende Trainingscamp rechtzeitig herauszufinden und somit auch zum Trainingsort von Touou für den Sommer zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)