Pulvis et Umbra von Sarracenia ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Manchmal fragte Vector sich wirklich, wieso er überhaupt so viel Zeit mit Alit und Gilag verbrachte. Gelangweilt saß er auf der Mauer, die das Internat umgab, ließ die Beine baumeln, beobachtete, wie Alit irgendetwas von seinem neuen Trainingsplan erzählte – und Gilag klebte natürlich förmlich an seinen Lippen. Wie lästig. Mit einem genervten Stöhnen – das übertriebene Gähnen zuvor war bereits überhört worden - ließ Vector sich zur Seite fallen, verschränkte fast schon trotzig die Arme. Sein Blick wanderte über den Schulhof. Die meisten waren wohl noch beim Mittagessen – oder wo auch immer. Interessierte ihn eigentlich auch nicht weiter. Er würde sowieso vor Langeweile sterben. Bei dem Gedanken überschlug er beide Hände vor seinem Gesicht. „Unser letztes Jahr hat angefangen und du siehst trotzdem scheiße gelaunt aus.“ Alit hatte bemerkt, wie wenig ihn sein Geschwafel interessierte. Er fühlte sich ja so geehrt. Nicht, dass er sich nicht über die Tatsache freute, dass er nur noch das zwölfte Jahr auf dieser Vollidiotenschule verbringen musste. Andererseits hätten ein paar Tage mehr Ferien auch nicht geschadet. Oder interessantere Gesellschaft. „Will dich mal sehen, wenn ich zwei Stunden nur über’s Fußballteam rede.“ „Wir sind erst…“, Gilag warf einen spöttisch langen Blick auf das Display seines Handys, „20 Minuten hier.“ Wow, der Muskelprotz konnte zählen. „Gut, anderes Thema. Hast du schon einen deiner berühmten Pläne für das Jahr?“, erkundigte Alit sich, ein Grinsen auf den Lippen, welches nur größer wurde, als Vector sich gleich aufrichtete und er schelmisch auf sie beide hinab blickte. Das war doch viel mehr nach seinem Geschmack. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, seit die Kantine wegen der Schädlinge – mit denen er natürlich nichts zu tun gehabt hatte - hatte geschlossen werden müssen. Ein zufriedenes Glucksen entkam ihm, als er daran dachte, wie die Mädchen panisch auf die Tische gesprungen waren und gekreischt hatten. „Noch nicht. Ich-“ „Meinst du nicht wir?“, hakte Gilag beinahe ein wenig beleidigt nach. Stimmt, deshalb verbrachte er so viel Zeit mit den beiden. Sie machten bei jedem Scheiß mit, statt wie Durbe Spielverderber zu spielen oder schlimmer noch ihn wie Shark es tat zu verpfeifen. Hatte er beinahe vergessen. „Jaja, klar. Wir brauchen etwas Großes. Unser Vermächtnis!“, verkündete Vector, breitete feierlich die Arme aus, ehe er sich von der Mauer fallen ließ und sich stattdessen gegen eben jene lehnte. Das Internat sollte sich noch Jahre an ihn erinnern. „Ich weiß was“, meinte Alit nach einem Moment, ehe er einen Arm um Gilag legte, diesen näher zog, sodass sie in einem engen Kreis standen. Gespielt verschwörerisch sah Alit sich um, ehe er leiser fortfuhr: „Wir beschwören einen Geist, oder sowas in der Art, der dann die Schule heimsucht.“ Von Gilag ging ein Schaudern aus, während Vector nur eine Augenbraue hob. Seit wann glaubte Alit an so einen Schwachsinn? „Es gibt keine Geister.“ „Wenn du nicht dran glaubst, kannst du’s uns ja beweisen. Oder traust du dich nicht?“ Wenn das nicht nach einer ihrer bescheuerten Mutproben klang – genau das, was er bei seiner Langeweile brauchte! „Was krieg ich, wenn ich’s mach?“, wollte Vector wissen, lehnte sich ein wenig näher in den Kreis. „Wir bezahlen einen Monat deine Kippen.“ Bei dem ‚wir‘ hatte Gilag bereits den Mund geöffnet, um zu widersprechen, blieb jedoch still, als Alit ihm mit dem Ellenbogen in die Seite stieß. Selbst wenn Vector normalerweise nicht viel rauchte, würde das teuer für die beiden werden. Dafür würde er mit Freuden sorgen. „Wenn du kneifst gibst du beim nächsten Mal im BARian alle Drinks aus. Auch für Shark und die anderen“, forderte Alit dann seinerseits, musste sich sichtlich ein Lachen verkneifen, als Vector das Gesicht verzog, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Klar, als würde er diesem Großmaul sein billiges Bier ausgeben. Wie gut, dass er nicht kneifen würde. Tat er nie. „Abgemacht“, flüsterte er, im Gegensatz zu seiner vorherigen Mimik deutlich begeistert, schlug mit Alit ein, als jener ihm seine Hand hinhielt. Wie er einfach verdientes Geld doch liebte. „Weiß einer von euch beiden, wie man so einen Geist beschwört?“, wandte Gilag nach einem Moment der Stille ein, schüttelte den Kopf, als er von beiden nur ein Schulterzucken bekam. „Dann mach dich mal schlau“, triezte Alit, als er seine Hand zurück zog, Vector viel zu breit nachgrinste, als dieser sich auf den Weg zum Gebäude machte. Er wusste schon genau, wo er anfangen würde nachzuforschen. „Du willst… Was?“ „Einen Geist oder so was beschwören, der tut, was ich ihm sage.“ Durbe sah trotz Vectors völlig überzeugtem Tonfall nicht begeistert von der Idee aus. Musste er auch nicht, solange er ihm half, denn selbst würde er sicher nicht stundenlang in der Bibliothek nach einer Antwort suchen. Sollte Durbe doch mal seinen übergroßen Kopf benutzen. „Du meinst eher einen Dämon?“, versuchte Durbe durch die ganze Sache durchzusteigen, lehnte sich an die Kante einer der Tische in der leeren Sitzecke der Bibliothek. Er sah Vector immer noch an, als hätte dieser den Verstand verloren. Andererseits tat er das auch sonst des Öfteren. „Von mir aus auch das.“ Als der andere daraufhin nur seine Brille richtete, jedoch nichts sagte, zog Vector die Augenbrauen zusammen, ließ sich im Schneidersitz auf dem Tisch nieder, ehe er anfügte: „Will Alit und Gilag beweisen, dass das alles Schwachsinn ist.“ Damit schien Durbe sich schon eher zufrieden zu geben, denn er ließ Vector wortlos zurück, kam erst nach mehreren Minuten zurück, mehrere Bücher in den Armen. Na bitte, war das nun so schwer? Er sah mäßig interessiert zu, wie Durbe die Bücher ablegte und sich einen Stuhl ranzog, sofort konzentriert in dem größten davon anfing zu blättern. ‚Goetia‘ und ‚Lemegeton Clavicula Salomonis Regis‘ konnte er auf dem Buchrücken lesen – was auch immer das heißen mochte. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf die Tischplatte, da zeigte der andere auch schon auf eine Seite mit verschiedenen Symbolen. „Hier ist eine Anleitung. Du musst wissen, welchen Dämon du beschwören willst. Alle erfüllen unterschiedliche Wünsche“, erklärte Durbe beiläufig, ohne von der Seite aufzublicken. So viele Möglichkeiten, wie sollte er sich da entscheiden? „Ich will Herrscher über die Welt sein.“ Nun hob Durbe doch den Blick, um Vector anzusehen, als wäre er ein Kind, das eine dumme Frage gestellt hatte. Auch das kannte er schon, ließ sich davon das Grinsen nicht aus dem Gesicht wischen, erwiderte den Blick herausfordernd. „Geht’s auch etwas weniger… Größenwahnsinnig? Wie wäre es mit…“, Durbe blätterte einige Seiten weit, überflog einige Zeilen, „Unsichtbarkeit?“ „Und euch allen mein umwerfendes Aussehen vorenthalten?“, erwiderte Vector gespielt entrüstet, schüttelte sofort den Kopf. Wozu sollte er unsichtbar sein? Er hatte jahrelange Erfahrung damit sich rauszuschleichen. Scheinbar fiel auch Durbe genau das wieder ein, denn er seufzte nur, las weiter in dem Buch. „Der hier kommt in der Form eines Drachen und…“, fing er nach einigen Minuten wieder an, doch Vector unterbrach ihn. „Ich könnte Mizael seinen größten Wunsch erfüllen und ihn mit einem Drachen rummachen lassen.“ Ein genervter Blick von Durbe folgte. „Hast du nicht irgendwen, der mich reich machen kann?“ Durbe schlug einige Seiten wieder zurück, ehe er das Buch umdrehte und es näher zu Vector schob, den Zeigefinger auf dem Bild eines muskulösen Mannes mit prächtigen Flügeln und dem Kopf eines Bullen. Wie sympathisch. Erinnerte ihn ein wenig an Gilag. Er beugte sich ein Stück hinab, las laut vor: „Haagenti. Verschafft jenem, der ihn ruft, große Weisheit und lehrt jedes Wissen. … Der wär eher was für dich.“ „Lies weiter“, wies Durbe ihn an, ohne sich beirren zu lassen, woraufhin Vector fortfuhr: „Verwandelt jedes Metall zu Gold, Wasser zu Wein und Wein in Wasser.“ Damit konnte er arbeiten – nicht, dass das Ganze funktionieren würde. Doch für den unwahrscheinlichen Fall würde er sich immerhin eine goldene Nase dabei verdienen. „Den nehm ich.“ Durbe nickte, offensichtlich froh etwas gefunden zu haben. „Am besten machst du es in der Nacht von Montag auf Dienstag oder Freitag auf Samstag. Du brauchst das Siegel und…“ Wieder konnte er nicht aussprechen, denn Vector winkte ungeduldig ab und sprang vom Tisch. Er hatte besseres zu tun, als sich diesen Quatsch zu merken. „Schreib’s mir auf und bring’s mir nachher in mein Zimmer“, wies er den anderen nur an, als er schon auf dem Weg zur Tür war, warf Durbe einen Luftkuss zu, als jener ansetzte sich zu beschweren. Montag auf Dienstag hatte er gesagt? Dann würde er gleich morgen sein Glück versuchen und diese Wette gewinnen. Es sollte im September noch nicht so kalt sein. Vector zog seine Lederjacke enger um sich, als er sich zwischen den Gitterstäben des Friedhoftors durchquetschte. Es war erst kurz nach elf, doch Durbe hatte ihm versichert, dass es nicht genau Mitternacht sein musste. Ein Rabe krächzte und Vector schauderte. Hoffentlich war Alits dummes Gesicht es wert, sich hier den Arsch abzufrieren – ach, natürlich war es das. Als der Kiesweg sich gabelte blieb er stehen, leuchtete mit dem Handy die Umgebung ab. Sollte er sich einfach auf eines der Gräber setzen? Die Idee verwarf Vector schnell wieder, als ein eiskalter Windhauch ihm erneut einen Schauer über den Rücken jagte. Stattdessen folgte er dem Weg Richtung der alten Kapelle. Diese war zwar nicht mehr in Benutzung, aber besser als nichts. War vermutlich auch besser so, dann würde niemand irgendwelche zurückgelassenen Kerzen oder sowas finden, denn den ganzen Kram wieder einpacken und mitnehmen wollte er sicher nicht. Er wollte so schnell wie möglich wieder in’s Wohnheim – nicht, dass er Angst hatte. Der Friedhof war zwar nicht das gemütlichste, was er sich vorstellen konnte, aber ein paar Raben auf knorrigen Bäumen und bemooste, alte Grabsteine machten ihm sicher keine Angst. Ihr Direktor im Übrigen auch nicht, aber trotzdem konnte er auf einen Besuch bei eben diesem gleich am zweiten Tag des neuen Jahres wirklich verzichten. Genau wie auf das Nachsitzen, was ihm blühte, wenn sein kleiner Abendspaziergang rauskam. Es war aber auch wirklich nicht seine Schuld, dass die Fenster des Wohnheims sich völlig öffnen ließen und nicht vergittert waren. Zumindest im Erdgeschoss – Glück musste man haben. Vector steckte sein Handy in die Hosentasche zurück, als er vor der fauligen Holztür der bereits leicht baufälligen Kapelle stehen blieb, rüttelte einige Male an ihr – ehe eines der Scharniere ächzend nachgab, sodass er beinahe von dem schweren Stück Holz erschlagen wurde. Ein leises ‚Fuck‘ verließ seine Lippen, ehe er die Tür aufstieß und das Gemäuer betrat. Durch den Türspalt und die kaputten Fenster fiel für’s erste genug Licht von den am Weg stehenden Laternen, sodass er seinen Rucksack einfach achtlos fallen ließ, ein Stück Kreide, welches er aus einem der Unterrichtsräume hatte mitgehen lassen, daraus hervorholte. Er zeichnete einen Kreis auf den mit Laub und Moos bedeckten Steinboden – oder eher ein Oval. Wenn es nicht genau Mitternacht für diesen Spuk sein musste, musste es auch kein perfekter Kreis sein, oder? Einen Moment betrachtete er sein Werk, bevor er ein Pentagramm in das Innere des Kreis-Ovals malte. So weit hatte er sich das Spielchen noch gemerkt. Er kramte in seiner Hosentasche nach den Anweisungen, die Durbe ihm aufgeschrieben hatte, hatte jedoch Schwierigkeiten im Dämmerlicht zu lesen. Da fiel ihm ein… Ach ja, Kerzen. Er stellte je eine Kerze auf jede Spitze des Pentagramms, ehe er sie entzündete. Gut, dass er auf dem Hinweg geraucht hatte, sonst hätte er sicher das Feuerzeug vergessen. Hätte Durbe ihm aber auch wirklich aufschreiben können. Nun überflog er den zerknitterten Zettel, ehe er ein Dreieck außerhalb des Kreises aufmalte, dann den Stummel Kreide achtlos fallen ließ, sich die staubige Hand an der Hose abwischte. Jetzt kam der schwierige Part. Er holte eine kleine Metallschale aus seinem Rucksack, platzierte sie in der Mitte des Dreiecks, blickte sich dabei um. Waren in solchen Gemäuern nicht immer Ratten oder Fledermäuse? Auch nach näherem Umsehen entdeckte er nichts. Was für ein Glück. Natürlich könnte er jetzt sein Glück versuchen und mit einem Küchenmesser auf eine Krähe losgehen, doch kurzerhand schob er seinen linken Ärmel hoch, setzte die Klinge an sein Handgelenk an. Er durfte nicht zu großflächig schneiden, immerhin musste ein Pflaster auf die Wunde passen. Er warf nochmal den Blick umher, ob sich nicht doch irgendwo eine Ratte versteckt hatte – ehe er mit verzogenem Gesicht in einer schnellen Bewegung die Haut aufschnitt, die Hand anschließend zischend an den Behälter hielt. Eher provisorisch wischte er mit dem Handrücken über die Wunde. Nicht, dass das viel brachte, sodass er schließlich einfach den Ärmel wieder runter zog. Wehe der Dämon kam jetzt nicht, wenn Vector ihm schon sein eigenes Blut gab und seine Jacke einsaute. Er legte das Messer beiseite, um stattdessen das Räucherwerk, was er von Rio bekommen hatte, aus der Tasche zu nehmen. Allein dafür, dass er gerade Rio um einen Gefallen hatte bitten – wobei das Wort ‚bitte‘ selbst nie gefallen war – müssen, hatte er schon eine verdammte Schachtel Kippen verdient. Er streute etwas von den Krümeln – Styrax, laut der Notizen – in eine der Kerzen, rümpfte die Nase bei dem penetrant süßlichen und gleichzeitig verbrannten Geruch, der sich daraufhin ausbreitete. Wie konnte Rio ständig ihr Zimmer so verpesten, ohne sofort Kopfschmerzen zu bekommen? Er wiederholte den Vorgang bei den anderen Kerzen. Das sollte doch reichen, um den Kreis zu weihen, oder? Weihwasser hatte er nicht auftreiben können. Rio war aber auch wirklich schlecht vorbereitet auf so einen Fall. Nicht, dass er ihr viel von dem Vorhaben erzählt hatte. Sie hatte auch nicht gewirkt, als würde sie es wissen wollen. Schließlich holte er noch ein Stück Papier und einen Stift aus der Tasche, bevor er sich in die Mitte des Pentagramms setzte, die Beine überschlug. Bevor er jedoch weitermachte, nahm er sein Handy wieder zur Hand, schaltete den Videoaufnahmemodus an, und lehnte es an den Rucksack außerhalb des Kreises, sodass man zumindest ein wenig von dem ganzen Spiel sehen sollte. Nicht, dass Alit und Gilag ihm später vorwarfen, er hätte geschummelt. Vector machte sich daran, das Siegel, welches Durbe ihm fein säuberlich vorgezeichnet hatte, abzuzeichnen – auch dieses Mal war es eher ein Oval. Hätte er das gewusst hätte er sich irgendwo einen Zirkel besorgt. Genervt seufzend warf er den Bleistift über die Schulter, nahm den Papierfetzen in die linke Hand, griff mit der anderen wieder nach dem Messer. „Macht euch drauf gefasst zu verlieren“, grinste er in Richtung der Handykamera, auch wenn er bezweifelte, dass man sein Gesicht besonders gut erkennen konnte bei den schlechten Lichtverhältnissen. „Mit dem Dolch das Siegel nachzeichnen…“, las er laut die Anweisungen vor, welche er vor sich auf seine Oberschenkel gelegt hatte. „Haha, Durbe. Wo sollte ich ‘nen Dolch auftreiben?“, beschwerte er sich dieses Mal ohne sich zum Handy zu drehen, wedelte dabei mit dem Küchenmesser herum. Welches übrigens schon schwer genug zu besorgen gewesen war. Nach einem missbilligenden Schnaufen las er weiter, während er mit der Messerspitze die Bleistiftlinien nachzog. „Beschwörung laut vorlesen, dabei das Siegel mit dem Do… Billigen Küchenmesser berühren. Verabschieden des Dämons nach erfolgreicher Beschwörung niemals vergessen.“ Ach, man achtete jetzt also schon in der Hölle auf Höflichkeit? Das waren ja gute Aussichten. Einen Moment schwieg Vector, ehe er sich übertrieben räusperte, als er mit lauter, gestellt tiefer Stimme anfing: „Ich beschwöre dich, Haagenti, durch die Geister der Sieben Winde. Durch ihre Tugenden und Kräfte gebiete ich dir nicht meinem Blick zu weichen, noch deine Gestalt zu ändern, sondern gehorsam zu sein ob meiner Worte.“ Er zog eines seiner Beine an und kreiste kurz die Schultern. Das alles war einfach lächerlich. „Ich beschwöre und binde dich, Haagenti, durch die genannten Worte und ihrer Tugenden und Macht, dass du mir gehorsam seist und dich zeigst, zu allen Tagen, Stunden und Minuten kommen mögest, dich meinen Wünschen zu beugen.“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken, wobei er den Blick über die Schulter wandte, fühlte er sich doch plötzlich beobachtet. Nichts rührte sich. Okay, er wurde paranoid. Weiter im Text. „Ich beschwöre dich durch den Schmerz der ewigen Verdammnis.“ Moment, seiner Verdammnis oder der des Dämons? Er wollte der Kamera einen bösen Blick zuwerfen, doch sprach stattdessen schnell weiter, inzwischen leiser und hektischer als noch zu Anfang. „Fiat, fiat, fiat. Amen.“ Er hatte keine Ahnung, was ‚fiat‘ bedeutete, doch in dem Moment, als sich im Kreidedreieck vor ihm langsam schwarzer Nebel sammelte, immer näher über den Boden zu ihm kroch, hätte ihm auch nichts egaler sein können als verpasste Lateinstunden. „Haagenti?“, erkundigte er sich, wobei ihm beinahe die Stimme versagte, betrachtete gleichermaßen entsetzt und fasziniert, wie die Nebelschwaden sich langsam vor ihm aufbauten, wie im Wind hin und her tanzten. „Pereat mundus!“, hallte es tief und verzerrt von den Wänden wieder, sodass Vector unbewusst die Arme um sich schlang, als es ihm kalt den Rücken runterlief, nicht einmal bemerkte, dass er Messer und Siegel fallen gelassen hatte. Hätte ihm Durbe nicht ein Wörterbuch mitgeben können, wenn dieser Dämon scheinbar nur Latein sprach? Der Nebel kam näher, streckte sich nach Vector aus, doch hielt am Kreis angekommen plötzlich inne, schien es nicht zu wagen, die Linie auch nur zu berühren. „So mächtig kannst du ja nicht sein, wenn du dich von einem Kreidestrich auf dem Boden abhalten lässt.“ Sofort, als er die Worte mit zurückkehrendem Selbstbewusstsein ausgesprochen hatte, bereute er sie, denn der Schleier schoss mit einem Mal hoch bis zur Decke, umkreiste ihn völlig, raubte ihm die Sicht. Vor Schreck trat er eine der Kerzen um, als er aufsprang, nutzte die Gelegenheit, als sich dadurch ein Loch in der Nebelwand bildete, zur Flucht. Ohne einen Blick hinter sich schnappte er sich Handy und Rucksack und stürmte zur Tür hinaus, knallte diese so gut es ging hinter sich zu. Das Blut rauschte unangenehm in seinen Ohren und erst jetzt fiel ihm auf, dass er den Atem angehalten hatte. Gierig schnappte er nach Luft, lehnte sich mit dem Rücken an das kalte Holz, das Handy und Griff der Tasche fest umklammert in der Hand, verharrte so einige Augenblicke. „Fuck…“, flüsterte er schließlich, wobei sich langsam ein leichtes Schmunzeln auf seinen Zügen bildete, immer mehr, bevor er schließlich anfing zu lachen. Laut und ungehemmt lachte er, schlug sich die freie Hand vor’s Gesicht. Er hatte ewig nicht mehr so etwas Aufregendes erlebt. Das Adrenalin schoss durch seine Adern, machte seine Hände zittrig. Er ließ den Kopf zurückfallen, als das Lachen immer mehr verebbte, ein Grinsen zurück ließ. Langsam drehte er den Kopf so weit, dass er durch den Spalt der kaputten Tür blicken konnte. Die Kerzen waren erloschen, es war beinahe völlig dunkel in dem Gebäude. Sollte ihm recht sein. Er stieß sich von dem morschen Holz ab, welches laut knarrte, schwang den Rucksack über eine seiner Schultern, ließ die Kapelle und den Friedhof hinter sich. Wenn er das Alit und Gilag zeigte… Inzwischen war der Adrenalinschub verraucht – wohl spätestens, als Vector auf dem Rückweg bereits festgestellt hatte, dass auf dem Video nichts zu sehen war. Es war ein wenig, wie das Bild eines kaputten, alten Fernsehers. Vom völlig verzerrten, hohen Störgeräusch mal ganz abgesehen. Das würde Alit ihm niemals abkaufen. Wütend stopfte er sein Handy zurück in seine Tasche, als er das Fenster zu seinem Zimmer, welches er nur angelehnt hatte, aufstieß und sich hineinschwang. Mit einem genervten Stöhnen schlug er das Fenster zu und schloss es – bevor er heftig zusammen zuckte, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Sofort fuhr er herum, schlug die Hand dabei weg, starrte mit aufgerissenen Augen einen wohl selbst etwas erschreckten Durbe an. Das war nun wirklich peinlich, er war normalerweise nie derart schreckhaft. Er war es, der andere erschreckte. Einen Moment blickten sie sich stumm an, ehe Vector sein Grinsen wiederfand, auch wenn es wohl etwas bemüht wirkte. „Wie süß, du hast dir Sorgen um mich gemacht“, triezte er mit verstellt hoher Stimme, fragte sich nur am Rande, wieso er vergessen hatte sein Zimmer abzuschließen. „Und?“ Durbe ging gar nicht auf den Seitenhieb ein, schien eher ein wenig misstrauisch zu sein, dass Vector so blass war. Jener antwortete nicht sofort, ehe er gelangweilt abwinkte. Durbe würde ihm erst recht nicht glauben – und zugeben, dass er wie ein Angsthase abgehauen war, würde er auch nicht. „Ich hab’s doch gesagt. Alles Schwachsinn“, verkündete er, als er den Rucksack in eine Ecke des kleinen Raumes warf, sich anschließend auf sein Bett fallen ließ, die Schuhe von seinen Füßen trat. Immerhin konnte er so allen erzählen, dass er recht gehabt hatte. Hatte er sicher auch, immerhin war dieses lächerliche bisschen Nebel ja mit Sicherheit kein mächtiger Dämon gewesen. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, den Blick Richtung Decke gerichtet. „Hast du dich trotzdem verabschiedet?“, erkundigte Durbe sich, folgte ihm, blieb jedoch vor dem Bett stehen, schien zumindest beruhigt zu sein, dass Vector wieder ganz der Alte war – wenn auch nur äußerlich. Innerlich hatte er sich bei der Frage auf die Zunge gebissen. Ups. „Jaja“, antwortete er jedoch nur nebensächlich, drehte den Kopf dann zur Seite, um den nicht wirklich gebetenen Gast anzusehen. „Würdest du?“ „Natürlich. Gute Nacht.“ Mit diesen Worten wandte Durbe sich zum Gehen, hielt inne, als Vector ihn mit einem „Durbe?“ zurückhielt, als er gerade die Hand auf die Türklinke legte. „Ja?“ „Was heißt pereat mundus?“ Überrascht wandte Durbe den Blick wieder zu Vector, doch jener starrte schon wieder die Decke an. „Gehe die Welt zugrunde.“ Kapitel 2: ----------- Früh am Morgen schreckte Vector noch vor seinem Wecker aus unruhigem Schlaf, hob sofort die Hände vor’s Gesicht, um seine Augen vor dem viel zu grellen Sonnenlicht zu schützen. Er fühlte sich völlig gerädert. Dabei kam es nicht einmal selten vor, dass er dank seiner Angewohnheit wichtige Hausaufgaben auf den letzten Drücker zu machen deutlich später in’s Bett kam, als es am Vortag der Fall gewesen war – wenn überhaupt. Trotzdem erhob er sich, ging schnellen Schritts zum Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Viel besser. Erst jetzt streckte er sich, fuhr sich durch die zerzausten Haare. Der Spuk der letzten Nacht schlich sich langsam wieder in sein Gedächtnis, so wie der Frust über den misslungenen Videobeweis. Den hätte er sicher auch an irgendwelche Spinner verkaufen können. Er knirschte mit den Zähnen. Er würde den Teufel tun und Alit, Gilag und den Vollidioten noch Runden dafür ausgeben, dass er sich den Arsch auf dem Friedhof abgefroren hatte. Inzwischen war er sich nicht einmal sicher, ob er das Ganze nicht nur geträumt hatte… Sofort hob er sein Handgelenk, um den Schnitt darauf zu betrachten. Blut war auf der Haut darum verschmiert und getrocknet. Er widerstand dem Drang daran zu kratzen, ließ den Arm stattdessen wieder sinken, ehe er zum Schrank ging, Hose und Hemd seiner Schuluniform daraus zog. Ihm war noch weniger nach Unterricht zumute, als es normalerweise der Fall war. Nachdem er sein Oberteil zugeknöpft hatte, nahm er seine Krawatte und wandte sich zum Spiegel – und erstarrte. Es war völlig verschwommen. Er blinzelte, rieb sich dann über die Augen. Als das nichts änderte, trat er näher an den Spiegel heran, streckte eine Hand aus, nur um erschrocken zurückzuweichen, als sein Spiegelbild klar wurde. Das linke Auge seines Ebenbilds glühte beinahe schon gelb, während das rechte beinahe völlig schwarz war. Im ersten Moment konnte Vector nur den Blick, der ihn beinahe verschlingen wollte, mit offenem Mund erwidern. Als er sich endlich losreißen konnte, stürzte er zum Fenster und öffnete die Vorhänge, riss einen davon teilweise von der Stange. Nicht, dass ihn das gerade interessierte. Er fuhr wieder herum, doch sein Spiegelbild war völlig normal, abgesehen davon, dass er blasser war als sonst - und ihm dieses verschreckte Aussehen absolut nicht stand, wie er feststellen durfte. Mit beiden Händen schlug Vector sich einmal gegen die Wangen, machte sich dann daran, seine Krawatte zu binden. Da schlief er mal etwas zu wenig und er halluzinierte gleich – und benahm sich wie der größte Vollidiot. Genervt zischend warf er seinem Pendant im Spiegel einen wütenden Blick zu, bevor er seine Zahnbürste schnappte und sich auf den Weg zum Gemeinschaftsbad machte. Wenn er schon mal so früh wach war, konnte er das auch nutzen um eben jenes für sich allein zu haben. „Du verarscht uns doch.“ Natürlich glaubte Alit dem Video nicht und auch Gilag hatte nur ein dummes Grinsen auf den Lippen, das Vector ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte. Mit einem abfälligen Schnauben schob er sein Handy zurück in seine Hosentasche. Der Schultag war furchtbar gelaufen, er war mehrfach fast eingeschlafen und jetzt durfte er sich noch mit den beiden Spinnern rumschlagen. „Ist sicher besser, dass du’s nicht gemacht hast. Nachher wär der Geist dir noch hinterher gekommen.“ Gilag ließ es wie Spott klingen, doch Vector war sich ziemlich sicher, dass dahinter echte Befürchtungen standen. „Es gibt keine Geister“, entgegnete er sofort. Die schlechte Laune war ihm deutlich anzuhören. Er hasste es zu verlieren – vor allem, wenn er nicht einmal verloren hatte! „Wieso hast du dann gekniffen?“, hakte Alit, der im Gegenzug erstaunlich gut drauf zu sein schien, nach, hob gespielt beschwichtigend die Hände vor die Brust, als Vector nun deutlich lauter erwiderte: „Hab ich nicht!“ Als die beiden anderen nur lachten zeigte er ihnen wütend den Mittelfinger und wandte sich ab, jedoch hielt Alit ihn am Arm fest. „Komm wieder runter, es reicht wenn du eine Runde ausgibst, okay?“ Vector fuhr wieder herum, riss dabei deutlich gröber als nötig gewesen wäre seinen Arm aus dem Griff. „Fick dich, ich schieb dir gleich-“ „Deine Nase blutet.“ Der Satz schaffte es erfolgreich, Vector in seiner Schimpftirade zu unterbrechen und ihn dazu zu bringen, sich an die Nase zu fassen. Es war wirklich Blut an seinen Fingern. Als er den Blick wieder hob, bemerkte er, dass sowohl Gilag als auch Alit ihn irritiert anschauten, was ihn dazu brachte, sich mit dem Handrücken das Blut wegzuwischen. Plötzlich war ihm unwohl, sein Kopf fühlte sich leicht an. „Alter, brauchst du-“ Vector ließ Gilag nicht aussprechen, ließ die beiden stattdessen stehen. Auf einmal wollte er sich einfach nur noch hinlegen. Vector wusste nicht, wann er eingeschlafen war – doch als er aufwachte, war das erste, was er wahrnahm, das beklemmende Gefühl in seiner Brust. Er wollte sich aufsetzen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Mühevoll schlug er die Augen auf, gewöhnte sich nur langsam an die Dunkelheit in seinem Zimmer. Erneut versuchte er sich zu bewegen, doch er konnte nicht einmal einen Finger rühren oder seinem Unmut mit Worten Luft machen. Das schlimmste war jedoch das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Egal, wie sehr er versuchte tief einzuatmen, sein Brustkorb hob und senkte sich nur flach, quälend langsam. Was zum Teufel ging hier vor? Wie auf Kommando vernahm er Bewegung aus den Augenwinkeln. Der schwarze Nebel, den er beim Ritual gesehen hatte, sammelte sich am Boden vor seinem Bett, soweit er das in dem spärlichen Licht, was durch die halb geöffneten Vorhänge fiel, sehen konnte. Vector riss die Augen auf – zu mehr war er ohnehin nicht fähig. Etwas flüsterte auf einer anderen Sprache – Latein? – doch er konnte nicht ausmachen, woher die Stimme kam, sie hallte durch das gesamte Zimmer. Sein Blick war fixiert auf die Nebelschwaden, die langsam auf das Bett krochen, sich über seinem gesamten Körper ausbreitete. Selbst durch die Bettdecke spürte er die Kälte, die von ihnen ausging. „Wie ein Lamm auf der Schlachtbank…“ Dieses Mal war das Wispern direkt an seinem Ohr, jagte eine unangenehme Gänsehaut über seinen Rücken. Vector kniff die Augen zusammen. Das war sicher der Schlafmangel, der ihn halluzinieren ließ. Oder – er träumte. Natürlich träumte er. Eine Berührung, als hätte jemand einen Eiswürfel seine Wange hinabgleiten lassen, riss ihn aus dem Gedanken, ließ ihn die Augen wieder öffnen. Der Nebel hing direkt über seinem Gesicht. Beinahe glaubte er, eine verzogene Fratze darin erkennen zu können. „Das war nicht nett“, flüsterte es wieder neben ihm, wobei es dieses Mal fast schon belustigt klang. „Aber von Höflichkeiten scheinst du ja nicht viel zu halten. Sonst hättest du dich von mir verabschiedet.“ Vector wollte schlucken, doch sein Mund war ausgetrocknet. Fauliger Geschmack lag auf seiner Zunge. Jetzt konnte dieses Ding schon seine Gedanken lesen. Es wurde wirklich immer besser. „Andererseits hast du mich befreit… Vielleicht bekommst du eine Belohnung dafür.“ Mit viel Mühe schaffte Vector es, einen Finger zu heben, doch bevor er sich völlig aus seiner Starre reißen konnte, kroch der Nebel höher, raubte ihm die Sicht und er befürchtete, von ihm verschlungen zu werden. Stattdessen sank er zurück in unruhigen Schlaf. Mit einem panischen Keuchen saß Vector aufrecht im Bett, blickte sich einen Moment völlig desorientiert um, ballte prüfend seine Hände zu Fäusten. Als er feststellte, dass er wieder Herr seiner Sinne und seiner Bewegungen war, ließ er sich zurück auf die Matratze fallen. Sein Oberteil war vom Schweiß durchnässt und klebte unangenehm an ihm. Was für ein abgedrehter Traum. Müde ließ er den Kopf zur Seite fallen – und sprang fluchend auf, nachdem sein Blick auf die Uhr auf seinem Nachttisch gefallen war. Er hatte den gesamten Vormittagsunterricht verschlafen. Natürlich, weil er Nachsitzen gerade so gut gebrauchen konnte, wenn er dabei war durchzudrehen. Nur wenige Momente vor der Schulglocke stürzte Vector in den Unterrichtsraum und ließ sich auf seinen Platz fallen, ignorierte den mahnenden Blick ihrer Geschichtslehrerin, versuchte lieber seinen Atem unter Kontrolle zu bringen. War immerhin auch nicht seine Schuld, dass dieses Fossil immer zu früh mit ihrem sterbenslangweiligen Unterricht anfing. „Schade, ich dachte schon du bist krank.“ Vector ignorierte Mizael hinter sich, was sowohl diesem, als auch Durbe neben ihm, einen verwirrten Blick entlockte. Er fühlte sich, als hätte ein Lastwagen ihn angefahren, ihm war ausnahmsweise nicht nach Streit. Lieber schaute er aus dem Fenster, sah zu, wie einige Federwolken langsam über den Himmel zogen. Vielleicht sollte er Durbe nach dem seltsamen Erlebnis in der Nacht zuvor fragen. Andererseits… Er wusste nicht, was dagegen sprach, außer, dass dieser ihn dann wahrscheinlich wirklich langsam für verrückt hielt. Doch auch sonst sträubte sich alles in ihm dagegen, mit einem der anderen über alles zu reden. Wahrscheinlich hatte er ohnehin alles geträumt. Auch wenn er sich noch zu genau an die leise, samt weiche Stimme an seinem Ohr erinnerte. Unweigerlich schauderte er, wenn auch nicht gerade angenehm. Es war dieselbe Stimme wie auf dem Friedhof gewesen. Pereat mundus… Wenn das ein Traum oder bloße Einbildung gewesen war, wo hatte er dann so etwas aufgeschnappt? Gehe die Welt zugrunde. Gefiel ihm. Aber deshalb konnte er noch lange kein Latein. Er schloss die Augen. Es machte keinen Sinn, egal, wie lang er darüber nachdachte. Das Ganze würde schon von allein wieder aufhören, hoffentlich genauso schnell, wie es begonnen hatte. Der Klang der Glocke ließ ihn hochschrecken. War er eingenickt? Er war sich nicht sicher. „So lang hab ich dich noch nie still sitzen sehen“, kam es erneut spöttisch von Mizael, doch Vector verdrehte nur die Augen. „Du hast recht, er ist komisch“, wandte sich Mizael nun an Durbe, welcher nickte, den Blick auf Vector gerichtet. Was sollte das nun werden? „Bin ich nicht.“ Vermutlich war er wirklich komisch, doch selbst wenn ging das die beiden absolut nichts an. Er packte seine Sachen ein, zischte genervt, als Durbe anfing: „Seit der Nacht als du-“ „Ich hab einfach scheiße geschlafen“, unterbrach er sofort, schwang sich die Tasche über die Schulter und verließ den Klassenraum, bevor einer der beiden etwas erwidern konnte. Erst einmal musste er sich nun nachträglich eine Ausrede für den verpassten Unterricht einfallen lassen. Natürlich war ‚Der dumme Wecker hat nicht geklingelt‘ keine angemessene Ausrede – vor allem nicht bei Vector, der bereits mehr als ein Mal irgendwelche Stunden geschwänzt hatte. Statt Nachsitzen hatte der Rektor ihm Strafarbeit aufgezwungen, weshalb er nun hinter dem Gebäude auf einer Leiter stand, einen übergroßen Pinsel in der Hand, und leichte Schäden an der Außenfassade des Internats ausbesserte. Nicht, dass er darin nicht schon geübt war, immerhin hatte er bereits zwei Graffiti, die er an die Außenmauer gesprüht hatte, selbst übermalen müssen. Für die mehr als gelungene Karikatur ihres Direktors im letzten Jahr hätte er aber eigentlich ein Plus für den Kunstunterricht bekommen müssen. Alles hier Banausen, die wahre Kunst nicht zu schätzen wussten. Seufzend warf er den Pinsel in den halb leeren Farbeimer, wischte sich über die Stirn, verteilte dabei etwas Weiß auf eben dieser. „Hier steckst du.“ Vectors Blick huschte nach unten. Yuuma lehnte an der Leiter, grinste gut gelaunt zu ihm rauf. Ohne ihn weiter zu beachten nahm er wieder den Pinsel zur Hand und setzte seine Arbeit fort. „Hey!“, beschwerte Yuuma sich sofort entrüstet, stieß die Leiter dabei leicht an – und gab einen erschrockenen Laut von sich, als Vector ihn daraufhin, natürlich völlig versehentlich, mit Farbe bekleckerte. „Vector!“, kam es vorwurfsvoll von Yuuma, wobei er seinen Namen wie ein nöliges Kind übertrieben in die Länge zog. Vector konnte nicht verhindern, dass seine Mundwinkel zuckten und fing nach einem Blick auf den schmollenden, weiß gesprenkelten Yuuma schließlich an zu lachen. Sofort stieg der andere mit ein, bevor er ihn deutlich sanfter als zuvor anlächelte. „Also hat Durbe völlig übertrieben, mh?“ Sofort verstummte Vectors Lachen und sein Blick wurde fragend. „Durbe hat dich hergeschickt?“, erkundigte er sich, stellte dabei fest, dass er fast so etwas wie beleidigt war, weil Yuuma nicht von sich aus nach ihm hatte sehen wollen. Immerhin war Yuumas Gesellschaft meistens wirklich amüsant – natürlich nur, weil er ihn ständig mit irgendetwas aufziehen konnte. Yuuma verschränkte die Arme hinter dem Kopf, gluckste dabei ertappt. „Er hat gesagt du benimmst dich komisch. Aber du bist genau so doof wie sonst auch.“ Darauf schüttelte Vector grinsend erneut den Pinsel in Yuumas Richtung aus, streckte die Zunge raus, als dieser daraufhin einen Satz zurück sprang, beinahe stolperte. „Und du bist genauso ein Vollidiot wie sonst“, summte Vector entgegen der Worte fast schon fröhlich vor sich hin, wandte sich dabei wieder seiner Arbeit zu, beobachtete jedoch aus den Augenwinkeln, wie Yuuma die Arme vor der Brust verschränkte und nun seinerseits die Zunge rausstreckte. „Blödmann!“ „Nervensäge.“ „Pumuckl!“ „Zwerg.“ „Ich bin genauso groß wie du!“ Mit einem „Davon träumst du“ machte Vector sich daran, sich die Leiter hinunter rutschen zu lassen, um Yuuma zu beweisen, dass er größer war, was jedoch damit endete, dass er das Gleichgewicht verlor und mit dem Rücken hart aus dem Rasen aufschlug. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen und seine Sicht verschwamm. Schrilles Pfeifen hallte in seinen Ohren wieder und verschwand auch nicht, als er sich die Hände auf diese drückte. „Vector!“ Er riss die Augen auf, stellte erst dann fest, dass das Pfeifen sein eigenes Schreien war. Entsetzt hielt er sich den Mund zu, woraufhin Yuuma aufhörte ihn zu schütteln, die Hände jedoch in seine Arme gekrallt ließ, ihn weiterhin überfordert ansah. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass der andere zu ihm gekommen war. Zittrig atmete er aus, nahm dann erst die Hand weg, wehrte sich jedoch nicht gegen den Griff. Aus irgendeinem Grund beruhigte ihn die Berührung. Er hob die Arme und legte die Hände auf Yuumas Schultern, um ihn festzuhalten. „Deine Nase blutet…“, teilte Yuuma ihm besorgt mit, schaute sich dabei um – wohl um nach Hilfe zu sehen. Vector verfestigte den Griff um seine Schultern, woraufhin Yuuma den Blick wieder ihm zuwandte. Besser. Wortlos starrte er in die roten Augen vor sich, öffnete die Lippen leicht, ignorierte, dass er dabei Blut schmeckte. Er wollte keine Hilfe. Yuuma sollte einfach hier bleiben. Nah bei ihm bleiben. Ihn… Etwas angestrengt zog Yuuma Vector auf die Beine, löste sich dann von ihm und die Gedanken verschwanden. Vector drückte einen der Gartenhandschuhe, die er wegen des Streichens trug, auf seine Nase. Jetzt konnte er sich nicht mehr einreden, dass er sich alles einbildete, immerhin hatte Yuuma es nun auch mitbekommen. Jener sah ihn im Übrigen noch immer an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. „Ich bring die Sachen zum Hausmeister. Du solltest zur Krankenschwester“, forderte Yuuma nach einem Moment, in dem sie sich still angesehen hatten – zumindest so sehr ihm ein wirklich fordernder Tonfall gelang. Vector nickte nur, zog die Handschuhe aus und legte sie im Vorbeigehen auf die Leiter, bevor er langsam zurück in das Gebäude ging. Die Schulkrankenschwester hatte Vector nicht wirklich helfen können – nicht, dass er das erwartet hatte, immerhin ging ihr Fachwissen kaum über Pflaster, Kamillentee und Kopfschmerztabletten hinaus. Trotzdem hatte sie ihn eine Weile ihm Krankenzimmer liegen lassen, für den Fall, dass er Zeichen einer Gehirnerschütterung zeigte. Hatte er nicht, was für eine Überraschung. Nach dem Abendessen war er zurück zu seinem Zimmer gegangen, hatte sich auf sein Bett geworfen und mehrere Stunden lang immer wieder das Video von der Nacht auf dem Friedhof angesehen, versucht auf jedes Detail zu achten. Doch außer Kopfschmerzen hatte ihm das nichts gebracht. Fluchend warf er das Handy an’s andere Ende des Betts, erhob sich dann schwungvoll. Langsam aber sicher fühlte er sich unglaublich verarscht und wollte wissen, was los war. „Okay, was für ein scheiß Spiel spielst du?“, wandte er sich an den Spiegel, ging dabei immer näher auf ihn zu, bis seine Nasenspitze beinahe die seines Ebenbilds berührte. Nichts Ungewöhnliches. Kein Nebel, keine leuchtenden Augen, nichts, was ihm versicherte, dass er sich das alles nicht nur eingebildet hatte. „Fuck!“, entkam es ihm wütend, als er den Spiegel von der Wand riss und ihn auf dem Boden zerschlug, sich anschließend auf die Knie fallen ließ, um mit der Faust noch nachzuschlagen. Blut tropfte von seiner Hand auf den Boden, auf die Scherben. Es war so weit, er war völlig durchgedreht. „Vielleicht hättest du versuchen sollen drei Mal vor’m Spiegel meinen Namen zu sagen“, riss es Vector aus den Gedanken und er blickte sich hektisch um. Aus den Blutstropfen stieg wieder der schwarze Nebel auf, wurde dieses Mal jedoch immer dichter, bis er sich zu einer schwarze Gestalt direkt vor ihm gesammelt hatte. Das rechte Auge war beinahe völlig schwarz, man konnte die Pupille nur erahnen. Das linke glühte gelb, betrachtete ihn spöttisch. Vector starrte mit offenem Mund auf den Geist vor sich, hob unbewusst eine Hand, um ihn zu berühren. Jener ließ das jedoch nicht zu, wich ein Stück zurück, der Blick nun völlig aufgesetzt tadelnd. „Wirklich keine Manieren…“, schüttelte die Nebelgestalt den Kopf, schnalzte zwei Mal mit der Zunge. Vector zog die Hand wieder zurück und zwang sich den Mund zu schließen, zog peinlich berührt die Augenbrauen zusammen, dass er so unintelligent gestarrt hatte. Andererseits… Er war nicht verrückt. Er hatte sich das nicht eingebildet! Auf die Idee, dass er jetzt träumen könnte, kam er in dem Moment gar nicht. „Was zum Teufel willst du hier?“, hakte er sofort, als er wieder klarer wurde, nach, nun wieder deutlich angriffslustiger als zuvor. Dieses Ding sollte nicht glauben, dass es ihn besitzen könnte, oder was auch immer. „Du hast mich gerufen“, bekam er die Antwort, wobei der andere klang, als würde er über das Wetter reden. „Haagenti?“, erkundigte Vector sich daraufhin mit gehobener Augenbraue. Auf dem Bild hatte der Dämon deutlich größer und mächtiger ausgesehen. Der andere verdrehte die Augen, verzog das Gesicht ein wenig. „Ich bin keiner dieser armseligen Idioten, die mit Menschen spielen und ihre Wünsche erfüllen“, wehrte der Dämon sofort ab, als hätte Vector ihn beleidigt. „Nenn mich Black Mist.“ „Vector.“ Er klang immer noch nicht wirklich begeistert, vor allem nachdem Black Mist gesagt hatte, er war nicht dafür hier, irgendwelche Wünsche zu erfüllen. Natürlich musste genau dieser Teil des Plans nicht funktionieren. Was hatte er doch für ein Glück. „Ich weiß. Ich kann durch deine Augen sehen“, erwiderte Black Mist daraufhin, fast so etwas wie ein Schnurren im Unterton, streckte daraufhin eine leicht durchsichtige Hand nach ihm aus. Vector zuckte zurück, als sie ihn eiskalt am Kiefer berührte. Es war nicht einmal eine wirkliche Berührung, die Hand ging durch ihn hindurch. Es war mehr wie ein kühler Windhauch. Er schauderte merklich, was Black Mist unheimlich amüsant zu finden schien, zumindest sagte ihm das Grinsen des anderen das. „Du hast mir immer noch nicht geantwortet.“ Black Mist seufzte übertrieben langgezogen, als hätte Vector eine wirklich dumme Frage gestellt. „Du hast mich befreit und in diese Welt gerufen, ich versuche nur zu überleben.“ „Das heißt?“ Langsam wurde Vector wirklich ungeduldig. „Wir ernähren uns von der Lebensenergie anderer. Da du mich gerufen hast…“ Black Mist ließ den Rest des Satzes im Raum stehen, doch nun war auch bei Vector der Groschen gefallen. Das erklärte einiges. „Deshalb bin ich die ganze Zeit so müde und…“ „Das Nasenbluten, die schwankende Stimmung, die Albträume. Mein Verdienst“, beendete Black Mist für ihn die Aufzählung, klang dabei immer angetaner, blickte Vector aus halb geschlossenen Augen an. Das war absolut nicht, was er sich bei der Beschwörung erhofft hatte, wenn es schon unbedingt hatte funktionieren müssen. „Und wie werd ich dich wieder los?“ Einen Moment setzte Black Mist eine enttäuschte Maske auf, ehe das vergnügte Grinsen zurück auf seinen Zügen war. „Seelen. Das ist der Preis dafür einen Dämon zu beschwören.“ „Und wo soll ich die hernehmen?“ „Du könntest mir deine geben…“ Der Tonfall verschaffte Vector erneut eine Gänsehaut. Sofort schüttelte er den Kopf. Das stand völlig außer Frage! Er brauchte seine Seele sicher noch – vor allem, wenn er nicht einmal etwas dafür bekam. Black Mist gluckste leise, als hätte er mit der Antwort bereits gerechnet. „Die andere Möglichkeit ist, dass du mir Zugang zu Seelen verschaffst. Dafür lass ich deine Energie in Ruhe.“ Das klang deutlich mehr nach Vectors Vorstellungen. Ihm fielen sofort einige Vollidioten ein, die sicher eine kleine Lektion verdient hatten. Er nickte, nun sichtlich zufrieden. Es war Nacht, also konnten sie eigentlich gleich damit anfangen, ihre ‚Rechnung‘ zu begleichen. „Lauf… oder schweb nicht so nah hinter mir“, zischte Vector leise über seine Schulter, schnaufte abfällig, als Black Mist daraufhin noch näher kam, mit seiner Brust wohl Vectors Schulter berührt hätte, wenn er eine feste Form gehabt hätte. Der Dämon nervte ihn jetzt schon, was sein Blick wohl auch deutlich ausdrücken sollte. Er schlich weiter über den Flur, hielt an einer der Türen inne, legte das Ohr dagegen. Nichts. Sehr gut. Lautlos öffnete er die Tür einen Spalt und schob sich in den Raum, verschloss die Tür dann hinter sich. Er wusste nicht einmal, wie der Typ hieß, der hier wohnte – nicht, dass er sich allgemein viele Namen merkte. Allerdings ging er Vector oft genug furchtbar auf die Nerven. Er schleimte bei den Lehrern, war überpünktlich, schrieb die besten Noten und beschwerte sich über jeden, der es nicht genau so machte. Wenn das kein guter Grund war, jemandem einen Dämon auf den Hals zu hetzen, wusste er auch nicht. „Dann zeig mal, was du drauf hast“, wandte er sich an Black Mist, konnte nicht verhindern, ein wenig gespannt zu klingen. Er hatte auch keine Ahnung, wie man jemandem die Seele nahm. Black Mist grinste ihn daraufhin breit an, ehe sich seine annähernd menschliche Gestalt zu Nebel verflüchtigte. Dieser umhüllte den schlafenden Jungen langsam, bevor jener plötzlich hustete. Vector beobachtete, wie er den Nebel einatmete, bis dieser völlig verschwunden war, und dann die Augen aufschlug. Der Blick war verklärt, beinahe schon trüb, beachtete Vector gar nicht. Auch nicht, als er dem Jungen mit der Hand vor dem Gesicht hin und her wedelte. Lange hatte er dafür ohnehin keine Zeit, denn der Junge setzte sich mechanisch in Bewegung, holte einen Gürtel aus dem Kleiderschrank. Vector folgte ihm mit etwas Abstand, auch als der Typ seinen Schreibtischstuhl unter die an der Decke verschraubte Lampe zog. Plötzlich dämmerte es ihm. Black Mist würde doch nicht… Nicht mehr ganz so überzeugt wie zuvor, doch zu neugierig um einzuschreiten, lehnte Vector sich an den Schreibtisch, sah zu, wie der Junge auf den Stuhl stieg und den Gürtel mit etwas Mühe an der Lampe befestigte. Langsam legte er die provisorische Schlinge um seinen Hals. Vector hielt unbewusst den Atem an. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dass der Junge sich nach vorn lehnte und vom Stuhl rutschte. In dem Moment, als die Schlinge sich zuzog und er nur wenige Zentimeter über dem Boden in der Luft hing, kam mit dem erstickten Husten auch der Nebel wieder zum Vorschein, nahm neben dem gehängten wieder seine menschlichere Form an. Doch Vectors Blick war völlig auf den Jungen, der zappelte und versuchte sich aus der Schlinge zu befreien, fixiert. Innerlich zählte er langsam. In Geschichte hatten sie einmal über Hinrichtungen geredet – eine der wenigen Dinge, die Vector sich bis heute gemerkt hatte. Normalerweise brach dem zu Hängenden sofort das Genick und der Tod kam schnell. War das Seil jedoch zu kurz, dauerte es einen Moment, bis Bewusstlosigkeit eintraf – wie in diesem Fall. Vector war bei neun, als das Husten und Würgen verstummte und es wieder völlig still im Raum wurde. Seine Hände hatte er so fest in die Tischplatte gekrallt, sodass seine Fingerknöchel weiß wurden. Nur schwer konnte er den Blick von der Leiche lösen, wobei er erst jetzt bemerkte, dass Black Mist ihn anstarrte. „Du hast ihn umgebracht.“ Es lag keinerlei Wertung in Vectors Stimme, was Black Mist dazu veranlasste, näher zu kommen – zu nah. Er umfasste Vectors Gesicht mit beiden Händen, doch dieser wehrte sich nicht, genoss die Kälte, die von der Berührung ausging. Ihm war viel zu warm. „Wie du es mir gesagt hast“, flüsterte Black Mist, lachte leise. Vector öffnete den Mund, um es abzustreiten, sich zu rechtfertigen, schloss ihn jedoch wieder. Es war ihm egal, dass er Schuld war, dass der Junge tot war. Nein, das war es nicht… Langsam zuckten seine Mundwinkel, immer mehr, bis er schließlich entrückt lächelte. Es gefiel ihm. Kapitel 3: ----------- Die Nacht über hatte Vector erholsamer geschlafen, als die gesamten Tage zuvor zusammen – und das, obwohl er noch lang wach gelegen hatte und an das Geschehene gedacht hatte. Er hatte die Leiche hängen lassen, lediglich die Türklinke von beiden Seiten abgewischt, um mögliche Spuren zu beseitigen. Am Morgen war er von der Durchsage geweckt worden, dass sich alle Schüler in der Aula einzufinden hatten. Dort hatte der Rektor ihnen vom Suizid ihres Mitschülers erzählt, es eine furchtbare Tragödie genannt – das übliche Geschwafel, Vector hatte kaum zugehört. Nachdem ihnen mehrfach eingetrichtert wurde, dass das Internat immer ein offenes Ohr für alle Art von Problemen hat und jeder von ihnen sich an ihre Lehrer wenden kann, wurden sie entlassen und der Unterricht für den restlichen Tag gestrichen. Vector war das mehr als recht gewesen. Er saß auf dem begehbaren, flachen Teil des Schuldachs und rauchte, beobachtete das Treiben auf dem Hof. Die meisten schien der Tod ihres Mitschülers nicht wirklich nahe zu gehen. So waren Menschen wohl. Sein wirkliches Interesse lag jedoch bei Yuuma, welcher mit Shark und der üblichen Truppe von Idioten, die ihn immer auf Schritt und Tritt verfolgte, auf dem Rasen saß. Es war ihm schleierhaft, wie irgendjemand Shark längere Zeit am Stück ertragen konnte – oder überhaupt. Manchmal hatte Vector schon das Bedürfnis, ihm die Zunge raus zu schneiden, nur weil er atmete. Mit einem genervten Zischen blies er den bläulichen Rauch aus, nahm gleich einen weiteren Zug. Nach einigen Momenten sprang Yuuma auf, half Shark dann hoch, wobei jener die ihm dargebotene Hand deutlich länger als nötig festhielt, als er bereits stand, Yuuma dabei mit diesem widerlichen Blick ansah. Er musste es nicht einmal erkennen können, er wusste es auch so. Vector knirschte mit den Zähnen, schnaufte abfällig. Wie gern würde er ihm diese Hand abschneiden… Black Mist gluckste hinter ihm, brachte Vector damit allerdings nur kurz dazu, ihm über die Schulter einen drohenden Blick zuzuwerfen, bevor er ihn wieder in sein Hassobjekt bohrte. „Du weißt, dass du ihn einfach loswerden könntest?“, flüsterte Black Mist verlockend, wieder einmal viel zu nah an seinem Ohr. Dieses Mal unterdrückte Vector jedoch ein Schaudern, ging auch sonst nicht weiter darauf ein. Nur weil jemand, der irgendwie zu seiner Freundesgruppe gehörte, ihm mit allem, was er tat, den letzten Nerv raubte, warf er ihn nicht gleich einem Dämon zum Fraß vor. Davon abgesehen wollte Vector keine Opfer in seinem Bekanntenkreis. Wer wusste schon, ob es nicht doch irgendwann auf ihn zurück fiel. Black Mist schnalzte mit der Zunge, schwebte dabei mehr in Vectors Blickfeld, sah ein wenig wie ein beleidigtes Kind aus. „Ich hasse es, ignoriert zu werden“, setzte er Vector auch gleich in Kenntnis, hörbar verstimmt. Dieser verdrehte die Augen, grinste dann spöttisch. „Buh-Huh. Was willst du schon tun? Wenn du mich umbringst, landest du wieder in der Hölle“, entgegnete er siegessicher, winkte dabei ab. Er hatte festgestellt, dass Black Mist zwar weniger durchsichtig war, als noch vor der ‚Seelenfütterung‘, und nun grünliche Ornamente seinen Körper an einigen Stellen zierten, doch er konnte ihn – oder überhaupt jemanden – noch immer nicht richtig berühren. Vector war auch der einzige, der ihn sehen und hören konnte, also war Black Mist auf ihn angewiesen. So einfach war das. Der Ausdruck auf Black Mists Zügen verfinsterte sich noch mehr, ehe er die Arme verschränkte, sein Gesicht mit einem „Pass auf, was du sagst…“ näher an Vectors heranbrachte. Vector erwiderte den Blick herausfordernd, nahm dann einen Zug seiner Zigarette, nur um Black Mist etwas Rauch entgegen zu pusten. „Sonst?“ Als keine Erwiderung kam führte Vector den Glimmstängel erneut an seine Lippen. Genau in diesem Moment verflüchtigte Black Mist sich, ließ sich zusammen mit dem giftigen Rauch einatmen. Sofort fing Vector an zu Husten, kippte dabei von der Dachbegrenzung, landete auf dem Kiesdach. Seine Lunge fühlte sich an, als würde sie verbrennen und das Gefühl breitete sich rasant in seinem ganzen Körper aus. Seine Hände ruckten zu seiner Kehle, rissen an dem Kragen seiner Schuluniform. „Fuck…“, presste er zwischen dem Husten angestrengt hervor. Er würde jämmerlich ersticken, wenn das so weiter ging! Gerade, als seine Sicht etwas verschwamm, zog der Nebel sich wieder aus seinem Körper zurück und Black Mist nahm seine gewohnte Form direkt über ihm an. „Rauchen ist schlecht für deine Gesundheit.“ Nun war Black Mist es, der höhnisch grinste, während Vector wie ein Fisch auf dem Trockenen panisch nach Luft schnappte. Schließlich ließ er die Arme zur Seite in den Kies fallen, bohrte seinen Blick vorwurfsvoll in den von Black Mist, der Atem noch immer ein wenig zu schnell. „Mach das nie wieder.“ Darauf lachte Black Mist leise, schien das ganze viel zu sehr genossen zu haben. Vector zog die Augenbrauen zusammen. „Dein Wunsch ist mir Befehl“, versicherte Black Mist, im Unterton beinahe ein wenig anzüglich. Vector schauderte, ehe er sich schnell aufsetzte und wieder etwas Abstand zwischen sie brachte. Das musste er wirklich irgendwie in den Griff bekommen – vor allem weil er Black Mist dank seines selbstgefälligen Grinsens genau ansah, dass dieser seine Wirkung auf Vector genau mitbekommen hatte. „Wolltest du mich nicht dafür belohnen, dass ich dich freigelassen hab?“, fragte Vector nach einem Moment, als wäre nichts passiert, zog die Beine dabei an den Körper, setzte sich in den Schneidersitz. Irgendetwas musste er aus der Sache ja rausschlagen, wenn er sich schon mit einem Dämon rumschlagen musste. „Ich kann jeden für dich beseitigen und niemand wird es je auf dich zurückführen. Dafür sorge ich“, antwortete Black Mist, kam wieder näher zu Vector, um einen Arm um seine Schulter zu legen, ehe er leiser als zuvor anfügte: „Außerdem hab ich genau gesehen, wie sehr du es gestern genossen hast. Die Macht, das Gefühl ein Leben in deinen Händen zu halten…“ Vector schloss die Augen, atmete bei dem Gedanken an die vergangene Nacht zittrig aus, schmunzelte ein wenig. Er konnte es nicht abstreiten. „Du solltest dir überlegen, wen du als nächstes loswerden willst“, fuhr Black Mist fort, ließ dabei wieder von Vector ab, warf den Blick stattdessen hinab zum Hof. So viele Möglichkeiten – doch er hatte alle Zeit der Welt. Erst zum Mittag war Vector wieder vom Dach gekommen, sah sich, nachdem er sein Essen ausgeteilt bekommen hatte, in der Cafeteria um. Immerhin hatte das Internat es in den Ferien geschafft, die Ratten wieder loszuwerden. Nicht, dass er gerade einen Kopf für solche Kinderspielchen hatte – er hatte so viel größere Möglichkeiten. Gerade, als er sich auf den Weg machte, um sich zu Yuuma zu setzen, legte ihm jemand rücklings den Arm um die Schultern. „Hey, wo hast du dich den ganzen Morgen rumgetrieben?“, erkundigte Alit sich neugierig, führte ihn, als er nur ein Schulterzucken als Antwort bekam, zum Tisch, wo bereits die anderen saßen. Augen verdrehend fügte Vector sich seinem Schicksal, ließ sich gegenüber von Shark auf die Bank fallen, stellte sein Tablett ab. Er verkniff sich einen abfälligen Blick – was Black Mist mit einem amüsierten „Wann immer du ihn loswerden willst. Du musst nur etwas sagen.“ auch um einiges einfacher machte. Er schmunzelte leicht. "Wir haben gerade drüber geredet, dass wir heute mal wieder in die Bar könnten. Haben morgen ja eh noch frei“, setzte Alit ihn in Kenntnis und Vector betrachtete belustigt, wie Durbe, Rio und Shark beinahe synchron einen verblüffend ähnlich pikierten Gesichtsausdruck annahmen. Er wusste schon, was jetzt kam. „Ist das nicht irgendwie… Makaber?“, wandte Rio ein, zog die Augenbrauen zusammen, als Vector dabei mit der Hand eine nachäffende Bewegung machte. „Die Toten haben auch nichts davon, wenn wir die ganze Zeit Trübsal blasen. Wir stoßen auf ihn an. Und Vector zahlt“, entgegnete Alit und zuckte mit den Schultern, grinste bei dem letzten Richtung Vector. Shit, das hätte er fast vergessen. „Ich hab was vor“, redete Vector sich sofort raus – wobei es nicht einmal gelogen war, immerhin hatte er sich um einen hungrigen Dämonen zu kümmern. „Sag bloß du hast ein Date?“ Alit war sofort näher bei ihm, klang plötzlich viel zu interessiert. Wenn er zustimmte, hätte er eine Ausrede – andererseits traute er Alit und Gilag zu, ihm dann nachzuspionieren, um herauszufinden, wer dieses ominöse Date war. „Hast du Yuuma endlich gesagt, dass du in ihn verschossen bist?“ Sowohl Vectors, als auch Sharks Blick ruckten synchron zu Mizael. Vector lachte, wenn auch bloß geschauspielert. Kurz spielte er mit dem Gedanken zuzustimmen, einfach um Sharks dummes Gesicht zu sehen. „Ja, klar. Wer würde gerade auf Yuuma stehen?“, erwiderte er stattdessen, wandte sich dabei spöttisch grinsend Shark zu, als er anfügte: „Nicht wahr, Ryogalein?“ Vector erwiderte den abfälligen Blick, den Shark ihm zuwarf, herausfordernd, war zufrieden, als Shark sich genervt schnaufend abwandte. Von der aufkeimenden Eifersucht ließ er sich nichts anmerken, reagierte auch nicht, als Black Mist neben ihm leise kicherte. Rio berührte ihren Bruder leicht am Arm, flüsterte etwas, was Vector nicht verstand. Vermutlich dass er nicht auf ihn hören sollte. Wie rührend. Gleich wurde ihm schlecht. „Ich hab nachher noch Strafarbeit“, ging Vector wieder auf ihr eigentliches Thema ein. Das würde niemand hinterfragen. „Aber Wettschulden sind Ehrenschulden“, mischte sich nun Gilag ein und Alit nickte sofort zustimmend. Vector seufzte genervt. „Ich geb euch nachher Geld mit, zufrieden?“ Zufrieden schienen sie wirklich – Shark und Rio wahrscheinlich eher, weil er nicht mit kam. Sollte ihm recht sein, heute hatte er auch noch weniger Lust sich mit den beiden zu beschäftigen als sonst. Erst einmal begann er endlich mit dem Essen, hörte den weiteren Planungen von Alit kaum zu. Nachdem Vector Alit und Gilag erneut versichert hatte, dass er keine Zeit für sie und das BARian hatte, hatten die beiden sich mit dem Geld zufrieden gegeben und sich auf den Weg zu den anderen gemacht. Vector hatte sich daraufhin wieder auf sein Bett geworfen, beobachtete Black Mist dabei, wie dieser sich im Zimmer umsah, sich zu langweilen schien. „Du hättest dich ein wenig amüsieren gehen sollen, Veccy“, meinte er nebensächlich, den Blick auf Vectors Hausaufgaben gerichtet. Vector sparte es sich, sich über den Kosenamen zu beschweren. Black Mist hörte ohnehin nicht auf ihn, würde es höchstens noch als einen Grund mehr nehmen ihn so zu nennen. Davon abgesehen sollte sein missmutiger Blick wohl Bände sprechen. „Wir hätten Ryoga bestimmt einen Moment für uns allein gehabt“, fuhr Black Mist fort, versuchte die Seiten des Buches umzublättern, glitt jedoch nur durch sie hindurch. Der trotzige Blick auf seinen Zügen ließ Vector leise auflachen. Über die Worte dachte er nicht weiter nach. Es stand außer Frage jemanden, der ihm recht nah stand – wenn auch nicht gerade positiv – umzubringen. Wie sehr Black Mist auch schwor, dass der Verdacht niemals auf Vector fallen würde, völlig leichtsinnig war er nun wirklich nicht. „Oder willst du ihm Yuuma einfach-“ Black Mist wich lachend dem Kissen aus, was Vector nach ihm warf, ließ das zweite einfach durch ihn durch fliegen. Er würde Yuuma nicht Shark überlassen, aber darüber diskutierte er nicht mit irgendeinem dahergelaufenen Dämon. Das war etwas, worum er sich selbst kümmerte. „Misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen“, zischte er Black Mist nur zu, ließ sich wieder zurück auf die Matratze fallen, rollte sich auf den Bauch. Vielleicht sollte er doch noch raus gehen und sich irgendwie ablenken. „Was hältst du von einem romantischen Spaziergang zum Friedhof?“ Vector zuckte vor der Stimme direkt neben ihm zurück, fiel dabei fast vom Bett. Er hasste es so sehr, wenn Black Mist das tat. „Lass das, oder du kriegst ein Halsband mit ‘nem Glöckchen dran!“, drohte Vector, setzte sich dabei auf, ließ Black Mist allerdings nicht aus den Augen. Was sollte eigentlich der Mist mit dem ‚romantischen Spaziergang‘? „Was willst du auf dem Friedhof?“, erkundigte Vector sich, deutliche Skepsis in der Stimme, vor allem als Black Mist seine Arme rücklings um ihn schlang, ihm durch die Kälte einen Schauer über den Rücken jagte. „Stell dir einfach vor, ich wäre Yuuma. Wir können auch Händchen halten, wenn du willst.“ Gerade wünschte sich Vector nichts mehr, als Black Mist berühren zu können, um ihm das dämliche Grinsen von den Zügen schlagen zu können. Alternativ erwürgte er ihn einfach. Stattdessen erhob er sich, zog sich seine Lederjacke über. „Ich kann Energie aus der Umgebung ziehen, wo ich beschworen wurde“, klärte Black Mist ihn daraufhin freundlicherweise auf, schien zufrieden damit zu sein, dass Vector auf den Vorschlag hörte. Solange Black Mist dann aufhörte, ihm den letzten Nerv zu rauben, war ihm der Ausflug mehr als recht. „Rück mir nicht so auf die Pelle, mir ist schon kalt genug“, beschwerte Vector sich, als er sich gerade wie schon bei seinem ersten Besuch auf dem Friedhof durch das Gitter des Tors schob, machte eine scheuchende Bewegung Richtung Black Mist. Jener hörte dieses Mal wirklich auf ihn und nahm etwas mehr Abstand. Was für eine schöne Abwechslung. Allgemein schien Black Mist die Umgebung zu genießen. Die Ornamente auf seinem Körper leuchteten ein wenig. Vector wollte gerade die Hand ausstrecken, um sie zu berühren, rief sich jedoch noch zur Vernunft. „Wenn du von hier Energie kriegst, wozu brauchst du dann die Seelen?“, hakte Vector nach, hauptsächlich aus ehrlicher Neugier und nicht als Beschwerde, dass sie eigentlich niemanden umbringen mussten. Immerhin hatte Black Mist Recht – er konnte jeden einfach aus dem Weg räumen, den er wollte. Allein bei dem Gedanken daran schauderte Vector alles andere als unangenehm. „Seelen bringen viel mehr Energie und halten länger, vor allem reine“, antwortete Black Mist, schien Vectors Neugier nicht weiter zu hinterfragen. Vermutlich kannte er das schon von Menschen. „Reine Seelen?“ „Das Gegenteil von dir“, triezte Black Mist, entlockte Vector damit ein breites Grinsen, bevor er fortfuhr: „Freundliche, altruistische Menschen. Die mit einer großen Zukunft vor sich.“ Leise Stimmen ließen sie beide aufhorchen. Vector schlich sich hinter eine große Weide, entdeckte von dort ein Paar nahe der Kapelle. Der Mann, nicht viel älter als Vector, hatte eine Hand unter dem Pullover der Frau, welche leise kicherte. „Glücklich Liebende…“, fügte Black Mist seiner Auflistung hinzu und der Blick, den er den beiden zuwarf, verhieß sicherlich nichts Gutes. Vector schmunzelte. „Dann wollen wir dir doch mal was zu essen besorgen.“ Sie warteten, bis das junge Paar in der Kapelle verschwand, ehe Vector ihnen folgte, an der Tür stehen blieb. Es war alles noch genau so, wie in der Nacht, als er hier gewesen war. Das hieß wohl auch, dass das Messer noch hier war. Er wandte sich Black Mist zu und nickte wie zur Erlaubnis, sah dabei beinahe wie ein aufgeregtes Kind aus. Black Mist gluckste, bevor er sich zu Nebel verflüchtigte und in das Gemäuer schwebte. Das Paar küsste sich verlangend und Black Mist nutzte die Chance, als sie sich kurz lösten, um sich des Mannes zu bemächtigen. Jener hustete kurz, doch dann küsste er seine Freundin wieder, sodass diese keinen Verdacht schöpfte. Er schob sie gegen die kühle Mauer, riss ihre Bluse auf und streichelte über den schlanken Körper. Er küsste den Hals und die Brust des Mädchens hinab, griff unauffällig mit der freien Hand nach dem Küchenmesser, das Vector liegen gelassen hatte. Die Frau merkte davon nichts, keuchte nur angetan, hatte die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt. Einen Moment genoss Black Mist das Spiel noch – ehe er sich aufrichtete und die Klinge in die Brust der Frau rammte. Jene schrie, starrte in das Gesicht ihres Geliebten, welches zu einer Fratze verzogen war. Tränen liefen über ihre Wangen. „Wieso..?“, schluchzte sie erstickt, wimmerte, als Black Mist statt zu antworten nur das Messer wieder hervorzog. Genüsslich leckte er das Blut von der Klinge. Vector starrte fasziniert auf die Szene, die sich ihm bot, traute sich nun auch die Kapelle zu betreten, ein wenig näher zu kommen. Die Frau schien ihn nicht zu bemerken. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte. Black Mist hingegen schon, zwinkerte ihm aus dem Augenwinkel zu, ehe er sich wieder seinem Opfer zuwandte. Jenes sackte langsam in sich zusammen, kippte schließlich nach vorn, als ihre Beine nachgaben. Black Mist fing sie auf, ließ sich mit ihr auf die Knie fallen. Es wirkte paradox ihn fast schon sanft zu sehen. Lang hielt diese Farce jedoch nicht an, denn im nächsten Moment hob Black Mist das Messer wieder an, suchte Vectors Blick, als er die Spitze der Klinge an seine Kehle setzte. „Nicht…“ Der schwache Protest ließ Black Mist genervt seufzend die Augen verdrehen, warf das Mädchen schließlich von seinem Schoß. „Wir sehen uns in der Hölle.“ Er beugte sich über sie, zog die Klinge dann quälend langsam über seinen Hals, ehe er sie völlig im Fleisch versenkte. Als er sich aus dem Körper zurück zog brach dieser leblos auf der jungen Frau zusammen. Vector beugte sich über die beiden, erkannte recht schnell, dass die Frau ebenfalls tot zu sein schien. Er schauderte, streckte eine zittrige Hand nach den Leichen aus. „Du willst doch keine Spuren hinterlassen, oder?“ Vector hielt inne, wandte den Blick Black Mist zu. Jener grinste ihm zu, ehe er die Augen schloss, als würde er etwas unheimlich genießen. Bildete er sich das ein, oder wirkte Black Mist weniger durchsichtig als noch kurz zuvor? Er schüttelte den Gedanken wieder ab. Gehorsam ging Vector einen Schritt zurück, sah zu wie die Blutlache unter den Körpern sich weiter ausbreitete. Er schluckte hart. Blut machte das alles noch so viel aufregender. Wie gern würde er selbst das Messer nehmen und… „Hat’s dir gefallen?“ Vector zuckte, als Black Mist plötzlich neben ihm war, nickte jedoch sofort schmunzelnd, den Blick weiterhin auf das Blutbad vor sich fixiert. „Gut. Es gibt noch so viel, was ich dir zeigen kann“, hauchte Black Mist in sein Ohr, legte eine Hand auf seine Wange – und brachte Vector damit dazu, ihm überrascht den Blick zuzuwenden. Die Berührung war nicht so ein schwacher Hauch wie sonst – es war als läge wirklich eine, zugegebenermaßen eiskalte, Hand auf seiner Haut. Auch Black Mist schien im ersten Moment erstaunt, doch schnell zuckten seine Mundwinkel verräterisch. Zögerlich hob Vector eine Hand, legte sie auf den Arm des anderen, strich über die sanft leuchtenden Ornamente. Er wurde mächtiger mit jeder Seele, das hatte Black Mist ihm erklärt. Doch dass das solche Ausmaße annahm, hatte er Vector verschwiegen. „Dass du mal so lang am Stück die Klappe hältst…“ Das Triezen riss ihn aus seiner Faszination, brachte Vector dazu, Black Mist die Zunge heraus zu strecken, zog sie allerdings sofort wieder zurück, als Black Mist danach schnappte. „Jetzt nervst du mich noch mehr, oder?“, grinste Vector nun seinerseits, konnte sich aus irgendeinem Grund nicht dazu bringen, die Hand, die inzwischen seinen Kiefer entlangstrich, wegzuschieben. Black Mist schnalzte gespielt tadelnd mit der Zunge. „Etwas mehr Respekt, kleines Menschlein“, erwiderte er amüsiert, musterte dabei eingehend Vectors Züge. „Kannst du nur mich berühren?“ „Bist du eifersüchtig?“ Vector schnaubte abfällig, schnappte mit den Zähnen nach Black Mists Daumen, als dieser über seine Lippen strich, war jedoch zu langsam. „Keine Sorge. Es würde Aufsehen erregen, wenn ich jemanden berühre, der mich nicht sehen kann. Also bist du für’s erste der einzige“, antwortete Black Mist, wieder dieses selbstgefällige Grinsen auf den Zügen. Er war dazu übergegangen, mit den Fingern durch Vectors Haare zu kämen, hier und da mit den Nägeln leicht über seine Kopfhaut zu kratzen. Er schauderte wohlig. „Das Menschlein fühlt sich ja so geehrt“, spottete Vector, zog das ‚so‘ dabei unnötig in die Länge – und keuchte leise, als Black Mist daraufhin seinen Kopf an den Haaren zurückzog. Black Mist lachte leise. „Hab ich da eine Schwachstelle gefunden?“ „Halt die Klappe…“, murmelte Vector, nicht in der Stimmung für die ewigen Spielchen des anderen. Als Black Mist jedoch erneut zum Sprechen ansetzte, zog Vector ihn kurzerhand an den Schultern zu sich runter, presste seine Lippen auf die des anderen. Er spürte, wie Black Mist kurz erstarrte und grinste in den Kuss, krallte sich in seinen Nacken, um ihn näher zu zerren, zufrieden, als Black Mist den Kuss schließlich erwiderte. Immerhin hatte er einen angenehmen Weg gefunden, Black Mist erfolgreich zum Schweigen zu bringen. Kapitel 4: ----------- „Veccy…“, nörgelte Black Mist zum sicher zehnten Mal innerhalb der letzten paar Minuten, fand wie schon zuvor kein Gehör. Vector saß über seine Geschichtshausarbeit gebeugt im Schneidersitzt auf dem Boden, ein Salzkreis um sich und seine Bücher gezogen. Eigentlich wäre das nicht einmal nötig gewesen, doch Black Mist hatte ja unbedingt sein neu ernanntes Lieblingsspiel ‚Finden wir Vectors empfindlichste Stellen‘ spielen müssen. An sich war er nicht einmal völlig abgeneigt, aber diese verdammte Hausarbeit war schon eine Woche überfällig und er konnte mehr als darauf verzichten bei dem Fossil nachsitzen zu müssen. Er wich einem Kissen, welches Black Mist nach ihm warf, aus, ohne aufzusehen. „Wenn du so weiter machst hol ich mir Räucherwerk von Rio“, drohte er, konnte nicht verhindern dabei leicht zu grinsen. „Vielleicht such ich mir dann eine andere Beschäftigung. Wie wär’s mit… Yuuma?“, lachte Black Mist nur herausfordernd, wandte sich ab und schwebte demonstrativ näher zur Tür. Vector sah immer noch nicht auf. „Kommst du überhaupt so weit von mir weg?“ Das wütende Knurren sagte ihm, dass das nicht der Fall war. „Und jetzt halt die Klappe, das ist ohne dich schon anstrengend genug“, fügte er an, ehe er etwas Salz in seine Hand schüttete und nach Black Mist warf, welcher sofort auswich, sich schließlich beleidigt auf Vectors Schreibtisch niederließ, die Arme vor der Brust verschränkt. „Warte nur ab…“ Den Rest der geflüsterten Drohung verstand Vector nicht, versuchte sich wieder auf seine sterbenslangweilige Arbeit zu konzentrieren. Völlig außer Atem ließ Vector sich auf den Rasen fallen, spielte mit dem Fußball in seinen Händen. Wenn es nach ihm ging, konnten sie die nächste Woche ebenfalls noch den gesamten Unterricht ausfallen lassen, bis auf Sport - auch wenn das Spiel nicht wirklich gut gelaufen war. Black Mist hatte ständig versucht ihn zum Stolpern zu bringen oder anderweitig zu behindern. Innerlich machte Vector sich die Notiz, später wirklich bei Rio nach dem Zeug zu fragen, mit dem er beim Ritual den Kreis geweiht hatte. Das Spiel konnten sie auch zu zweit spielen. „Alles okay mit dir?“, erkundigte Yuuma sich, ließ sich neben ihm in’s Gras fallen. Immerhin hatte Yuuma ihm durch die ganzen ‚Unfälle‘ viel mehr Beachtung als sonst geschenkt. Vielleicht überlegte er sich das mit dem Ausräuchern doch anders. Vielleicht. „Ging mir nie besser“, grinste Vector, streckte Yuuma die Zunge raus, als jener ihm daraufhin den Ball klaute. „Dann warst du also gestern nicht mit den anderen weg?“, gluckste Yuuma, warf den Ball immer wieder hoch und fing ihn wieder auf, hielt den Blick jedoch bei Vector. Oh, er würde zu gern zusehen, wie Alit sich verkatert beim Boxen quälte. Er schüttelte den Kopf, ließ sich dabei nach hinten fallen, verschränkte die Arme unter dem Kopf. „Hatte Strafarbeit“, log er ohne rot zu werden, ignorierte Black Mists Lachen. Hätte der nicht noch ein wenig beleidigt am Rand bleiben können? „Hat Alit erzählt. Er, Shark und Rio waren danach noch bei mir“, erzählte Yuuma, betrachtete dabei den Ball, sah deshalb nicht, wie Vector das Gesicht verzog, mit den Zähnen knirschte, ehe er wieder sein Grinsen aufsetzte. „Hättest du gestern bloß auf mich gehört, statt dich mit mir auf dem Friedhof zu vergnügen“, schnurrte Black Mist leise. Vector hatte Mühe dem Drang zu widerstehen, nach ihm zu schlagen. „Wir könnten auch mal in’s BARian gehen“, schlug Vector stattdessen vor, verdrehte innerlich die Augen, als Yuuma erwiderte: „Klar! Hat Shark gestern auch schon vorgeschlagen.“ Shark, Shark, Shark. Er konnte es nicht mehr hören. Davon abgesehen hatte er sicherlich nicht mit den anderen Idioten gemeint. „So eine naive, reine Seele…“ Sofort setzte Vector sich auf, warf Black Mist einen drohenden Blick zu, welchen dieser nur provokant erwiderte. Wenn Black Mist von einem die Finger zu lassen hatte, dann von Yuuma. „Gleich morgen?“, zog Yuuma seine Aufmerksamkeit wieder auf sich, ließ ihn schief grinsen und nicken. „Ich trink dich unter den Tisch“, verkündete Vector spöttisch, lachte, als Yuuma daraufhin die Wangen aufblies, mit einem „Das werden wir sehen!“ gleich auf die Herausforderung einging. „Und wie willst du mich dann die Zeit über beschäftigen?“, erkundiget Black Mist sich, hauchte dabei gegen seinen Nacken, ehe er leicht darüber leckte. Vector schauderte, biss sich auf die Zunge, um nicht zu keuchen. Gut, dass Yuuma gerade aufsprang und so nichts davon mitbekam. Er würde Black Mist doch ausräuchern. Erst einmal nahm Vector jedoch die ihm dargebotene Hand an, ließ sich von Yuuma hochziehen, hielt seine Hand ein wenig fester als nötig, damit der andere sie nicht sofort wieder wegzog. Was Shark konnte… „Ich sag gleich den anderen Bescheid! Bis morgen dann!“, verabschiedete Yuuma sich viel zu motiviert, schenkte ihm ein breites Lächeln, ehe er Richtung Gebäude davonlief. Vector seufzte genervt, als er den Fußball aufhob, den Yuuma liegen gelassen hatte. Jetzt musste er sich nur noch überlegen, wie er die anderen los wurde. „Ich glaub es steht dir noch nicht deutlich genug auf der Stirn geschrieben, dass du ihn flachlegen willst. Versuch’s mal mit Neonreklame?“, schlug Black Mist vor, gluckste für Vectors Geschmack viel zu amüsiert. Er stieß Black Mist im Vorbeigehen einen Ellenbogen in die Seite, warf dann den Ball zu den anderen in’s Netz. „Hast du nicht gesagt es wär zu auffällig, wenn du andere berührst? Dann fass mich auch nicht an, wenn andere dabei sind“, zischte er Black Mist leise zu, zuckte, als jener daraufhin die Arme rücklings um ihn schlang, ihn so dazu brachte stehen zu bleiben. „Aber Veccy, ich dachte wir hätten was Besonderes…“ Purer Hohn tropfte förmlich aus Black Mists Stimme. Wo war das Salz, wenn er es brauchte? „Kannst du nicht mal fünf Minuten…“ „Ich kann dir mit Shark helfen.“ Plötzlich hellhörig warf Vector den Blick über die Schulter, zog eine Augenbraue hoch. Gut, dass er gerade allein auf dem Sportfeld war. „Ich hab dir gesagt, niemand aus meinem Umfeld“, erwiderte Vector skeptisch, entspannte sich allerdings ein wenig, als Black Mist ihm durch die Haare strich. Der andere nutzte es viel zu sehr aus, dass er ihn inzwischen berühren konnte – und er selbst sollte aufhören, sich so leicht darauf einzulassen. Später. „Ich weiß. Ich meinte nur... Es wäre doch schade für den Armen, wenn ihm in der Bar ein paar Missgeschicke passieren, oder?“, erklärte Black Mist, ließ ihn dabei wieder los, um vor ihn zu schweben, Vector einen fast schon verspielten Blick zuzuwerfen. Dieser konnte nicht anders, als ebenfalls zu grinsen, ehe er ohne zu antworten zurück zum Gebäude ging. Das war doch schon viel eher nach seinem Geschmack. „Musst du die ganze Zeit in meine Richtung rauchen?“ Die Gruppe war erst auf dem Weg zur Bar und Mizael klang bereits, als wäre er schon völlig fertig mit Vector für den Abend. Dieser grinste breit, ehe er sich noch ein wenig näher zu Mizael beugte, den bläulichen Rauch genüsslich in dessen Gesicht blies. „Aber Mizachen, ich kann doch nichts dafür, dass der Wind in deine Richtung weht“, erwiderte er gespielt verletzt, lachte auf und wich einen Schritt zurück, als Mizael daraufhin nach ihm schlug. „Wenn du dich provozieren lässt hört er nie auf“, riet Durbe seufzend, legte Mizael eine Hand auf die Schulter, woraufhin dieser nur ein „Ich kann’s kaum erwarten, dass er an diesen Glimmstängeln verreckt…“ vor sich hin murmelte. Die drei liefen als Schlusslicht der Gruppe. Vor ihnen erzählte Alit Gilag aufgeregt von irgendeinem Date, gestikulierte dabei viel zu ausschweifend. Ganz vorn gingen Rio, Yuuma und Shark. Allein die Tatsache, dass Shark ein wenig zu nah neben Yuuma herlief, brachte Vector dazu abfällig zu schnaufen, während er versuchte Shark mit Blicken zu erdolchen. „Ryoga und Yuuma verstehen sich ziemlich gut“, triezte Mizael plötzlich, brachte Vector dazu seine Zigarette durchzubrechen und wütend weg zu schnipsen. „Wie schön für sie“, kommentierte er nur trocken, hielt den Blick weiter in Sharks Nacken gebohrt. Er konnte es kaum abwarten, dass Black Mist ein wenig mit ihm ‚spielte‘, wie jener es ausgedrückt hatte. „Mizael…“, mahnte Durbe wieder, als Mizael scheinbar weiter Salz in die Wunde schütten wollte, brachte ihn damit auch tatsächlich dazu mal den Mund zu halten. „Genau, hör auf deinen Stecher“, grinste Vector herausfordernd, was gleich noch breiter wurde, als Mizael ihn wütend und ein wenig rot im Gesicht ansah, mit den Händen eine würgende Bewegung in der Luft andeutete. Das war viel zu leicht. Durbe reagierte auf den Seitenhieb nur damit, dass er seine Brille richtete und die Lippen ein wenig zusammen presste, schien langsam keine Lust mehr zu haben, sich in ihre Streitigkeiten einzumischen. Sollte ihm recht sein, sie waren ohnehin an ihrer Stammbar angekommen. Drinnen nahmen sie alle an einem freien Tisch Platz, wobei Vector sich gegenüber von Yuuma setzte, diesem zugrinste, sich von seinem Unmut – und der Tatsache, dass Shark immer noch wie eine Klette an Yuuma hing – nichts mehr anmerken ließ. Shark würde schon sehen, was er davon hatte. „Was ist dir über die Leber gelaufen?“, erkundigte Shark sich mit gehobener Augenbraue Richtung Mizael, verdrehte die Augen, als jener daraufhin mit einem ‚Eher wer…‘ auf Vector deutete. „Es war so schön ruhig als wir ohne ihn hier waren“, fügte Mizael an, als er nach einer der Karten griff und gelangweilt darin blätterte. Vector setzte eine traurige Miene auf und zog übertrieben die Nase hoch, was Yuuma dazu brachte, nach seiner Hand zu greifen und diese kurz zu streicheln, ihn anzulächeln. „Ich bin froh, dass du mitgekommen bist“, versicherte er Vector – und jener wusste nicht, ob er deshalb so grinste, oder weil er aus den Augenwinkeln genau sah, wie Shark das Gesicht verzog. Ein wenig von beidem. „Ich bin auch froh, dass du hier bist“, stimmte Alit mit zuckersüßer Stimme zu, spitzte die Lippen, als Vector ihm dafür nur einen genervten Seitenblick zuwarf. Lang hielt Alit sich damit nicht auf, wandte sich gleich wieder Gilag neben sich zu und führte die Geschichte über seine ‚Eroberung‘ weiter aus. Vector streckte angewidert die Zunge raus. So genau wollte er das alles gar nicht wissen. Gilag scheinbar auch nicht, wenn er sich so ansah, wie jener verlegen mit einer Salzstange spielte. „Hier, ich hab dir das Styrax mitgebracht, was du wolltest“, riss Rio ihn aus den Gedanken, schob ihm dabei ein Döschen mit dem schwarzen Harz zu. Er war sich sehr sicher, dass das Timing nur war, damit Yuuma seine Hand losließ – was jener natürlich auch gleich tat. Mit einem genervten „Zu freundlich“ steckte er das Räucherwerk in seine Jackentasche. „Du wolltest mich wirklich ausräuchern!“, warf Black Mist ihm mit gespielter Entrüstung vor, bekam keine Reaktion. Black Mist sollte sich lieber an die Arbeit machen. Andererseits war es sicher schlauer zu warten, bis sie getrunken hatten. Nicht, dass Durbe noch seinen übergroßen Kopf benutzte und irgendwelche Schlüsse zog. Nachdem sie alle bestellt und schon ein wenig getrunken hatten, erdolchte Shark Vector nicht mehr ununterbrochen mit Blicken, hatte sich völlig Yuuma zugewandt und hörte dessen Erzählungen über irgendwelche Klassenausflüge zu, wobei Vector genau sah, dass er ein wenig schwankte. Konnte daran liegen, dass Black Mist hinter dem Tresen wann immer möglich ein wenig mit den Drinks, die für Shark bestimmt waren, herumfuschte. Möglicherweise. Man wusste es nicht. Vector drehte sein leeres Schnapsglas in den Händen, beobachtete Black Mist dabei, wie jener den Alkohol an der Bar inspizierte. Das war definitiv nicht, was er sich unter ‚Hilfe‘ vorgestellt hatte. Er zuckte, als Alit ihm einen Arm um die Schulter legte. „Du bist so still, so kennt man dich gar nicht.“ Alit klang noch besser gelaunt als sonst, sodass Vector beinahe die Augen verdreht hätte. Vermutlich war er wirklich viel zu still, denn auch Durbe und Gilag sahen ihn daraufhin interessiert an. Wie redete er sich jetzt möglichst unauffällig raus? „War ein langer Tag“, fing er an, betrachtete dabei wieder das Pinnchen in seiner Hand, ehe er weiter erzählte: „Das Fossil hat mich vorhin vielleicht zusammen gestaucht. Ich dacht die geht gleich mit dem Zeigestock auf mich los.“ Mizael prustete daraufhin leise in seinen Cocktail. War Mizael wirklich schon so angetrunken, dass er freiwillig mit Vector interagierte? „Wegen deiner ‚Foltermethoden der Antike‘-Hausarbeit?“ Nun war es an Durbe kaum hörbar zu lachen. Anscheinend konnte dieser sich auch noch an Vectors Diskussion mit ihrer Geschichtslehrerin über das Thema erinnern. Vector hatte aber auch wirklich nicht eingesehen, wieso so etwas ‚unangemessen‘ für ihr Alter sein sollte. „Die Bilder, die ich rausgesucht hab, haben ihr anscheinend nicht gefallen“, grinste Vector nur, war zufrieden, als Alit ihn daraufhin kumpelhaft gegen die Schulter schlug und dann losließ. Gut, dass Alit die Aufmerksamkeitsspanne eines Eichhörnchens hatte. „Shit!“, zog Shark ein wenig zu laut die Aufmerksamkeit aller am Tisch – und am Nachbartisch – auf sich, ließ sich als er das bemerkte wieder auf seinen Stuhl sinken, fluchte etwas leiser weiter vor sich hin. Sein gesamter Glasinhalt hatte sich über seiner Kleidung ergossen und Black Mist schwebte vergnügt kichernd über Shark. Vector biss sich auf die Zunge, um nicht ebenfalls zu lachen. Um diese hässliche Jacke war es aber wirklich nicht schade. Vector öffnete bereits den Mund, um einen schlechten Wortwitz à la ‚So wurde aus der Bloody Mary ein blutiger Hai‘ beizutragen – da knirschte er mit den Zähnen, als Yuuma anfing mit einigen Servierten auf den roten Flecken herum zu tupfen, dabei ein viel zu sanftes Lächeln auf den Lippen. „Ich dachte ich bin der Tollpatsch von uns beiden“, gluckste er, brachte Shark damit, so sehr er auch versuchte es zu unterdrücken, ebenfalls zum Grinsen. Vector blieb jeder Spott im Hals stecken. Ohne sich etwas anmerken zu lassen bestellte er sich noch einen Schnaps. Auch Black Mists andere Versuche – von weiteren Getränkeduschen bis hin zu unvorteilhaft gerissener Kleidung – führten eher dazu, dass Yuuma sich völlig um den betrunkenen Shark kümmerte, als dass es Shark lächerlich machte. Genervt spielte Vector mit dem Schirmchen, welches er aus einem von Mizaels viel zu bunten Cocktails geklaut hatte. Sein Magen zog furchtbar und er war sich sehr sicher, dass das nicht an den zwei Kurzen lag, die er getrunken hatte. Im Gegenteil, er fühlte sich viel zu klar für die Situation. „Ich glaub ich bring die Schnapsdrossel… Den Schnapshai nach Hause“, meinte Yuuma plötzlich, amüsierte sich dabei viel zu sehr über seinen eigenen Witz. Auch Rio erhob sich, half ihrem Bruder auf die Beine, bevor jener einen Arm um Yuuma legte, um sich zu stützen. Shark sah wirklich nicht gut aus – der einzige Trost, den Vector gerade hatte. Nicht sehr viel, wenn er sich so ansah, wie Yuuma kurz die Stirn an Sharks Schulter lehnte, dabei immer noch dieses verdammte Lächeln auf den Lippen. „Trinkt nicht mehr zu viel“, mahnte Rio in gespielt strengem Tonfall, sah dabei vor allem Alit an, welcher nur demonstrativ sein Glas leerte, Rio damit dazu brachte, schmunzelnd den Kopf zu schütteln. Vector sparte sich eine Verabschiedung, sah auch nicht auf, als Yuuma ihn direkt ansprach und die freie Hand auf seine Schulter legte. Eifersucht fraß sich durch seine Innereien und er zerbrach das Holzschirmchen in seiner Hand. Unauffällig wischte er Black Mists Hand von seinem Arm, tat es damit ab, dass er sich streckte. Hätte er nicht auf den Dämon gehört und sich abgeschossen würde Yuuma jetzt ihn zurück zum Wohnheim bringen und… Er knirschte mit den Zähnen. „Ryoga verträgt doch sonst nicht so wenig“, seufzte Durbe, scheinbar nicht wirklich begeistert, dass sein bester Freund und Rio schon gegangen waren. „Vielleicht ist er liebestrunken“, säuselte Alit, gluckste dann, als hätte er einen unheimlich lustigen Witz erzählt. Haha, Vector lachte sich tot. Er hielt den Blick auf die Tischplatte fixiert, kochte innerlich vor Wut. Scheinbar auch äußerlich genug, immerhin hielt Black Mist ausnahmsweise Abstand und ließ ihn in Ruhe. „Ich geh rauchen“, verkündete Vector nach einem Moment mitten im Gespräch der anderen vier, versuchte nur halbherzig sich die schlechte Laune nicht anmerken zu lassen. Er wartete nicht auf eine Antwort und ignorierte Alits fragenden Blick, als er sich erhob und die Bar schnellen Schritts verließ. Irgendeiner würde schon für ihn bezahlen. Vector wusste nicht genau, wie weit er gegangen war, als er sich schließlich in einer Nebenstraße auf den Bordstein fallen ließ, die Hände zu Fäusten geballt. Nichts hatte funktioniert, im Gegenteil. Im Endeffekt war alles schlimmer als vorher. „Wieso Shark?“, zischte er wütend, klang im Unterton beinahe schon frustriert, als er die Hände in den Haaren vergrub und leicht daran zerrte. „Wieso dieser Bastard und nicht ich?!“, fügte er etwas lauter an, schlug mit der Faust auf den Boden. Sein Atem ging schwer. Grob schob er Black Mists Hand weg, als jener ihn am Knie berührte. In der Dunkelheit konnte Vector den anderen kaum sehen. War auch besser so, er hatte gerade absolut keinen Nerv auf ihn. „Yuuma ist nicht gerade der Schlauste“, erwiderte dieser nüchtern und Vector war fast überrascht, dass er nicht beleidigt schien wegen des Wegschiebens. Nicht, dass das gerade wichtig war. „Das weiß ich selbst!“ Trotzdem wollte er Yuuma für sich allein. Eigentlich hatte er auch große Lust das Ganze an Black Mist auszulassen, immerhin war dieser Schuld an der Sache – zumindest redete er sich das ein. „Hättest du dich mehr angestrengt…“, fing Vector deshalb vorwurfsvoll an, biss die Zähne zusammen, als Black Mist seinen Kopf an den Haaren in seine Richtung zog. „Du weißt, dass das nichts geändert hätte.“ Natürlich wusste Vector das – aber es war deutlich einfacher irgendjemandem die Schuld zuzuschieben! Trotzig presste er die Lippen aufeinander, statt etwas entgegenzusetzen. Wie gern würde er einfach zuschlagen, um sich abzulenken, die verdammten Gedanken daran, was Yuuma und Shark wohl gerade im Wohnheim taten, loszuwerden. Das endete schließlich damit, dass er Black Mist an den Schultern näher zog und ihn grob küsste, zittrig ausatmete und keuchte, als Black Mist ihn fest genug in die Unterlippe biss, dass er Blut schmeckte. War nicht wichtig, Black Mist leckte ohnehin gleich über die Wunde, bewegte die Lippen hart gegen seine. Seine Finger fühlten sich wie Eis auf Vectors Haut an, als Black Mist seine freie Hand unter sein Shirt schob, hinterließen eine Gänsehaut. Vector krallte sich in seine Schultern, kratzte seinen Rücken ein Stück hinab, wollte ihn näher zerren, bis nichts mehr zwischen ihnen war. Nicht ganz so gut wie zuschlagen, aber ein Anfang. „Du weißt, dass ich dir helfen kann…“, wisperte Black Mist gegen seine Lippen, lachte leise, als Vector wie zum Protest ein Murren von sich gab, ihn wieder küssen wollte. Den Wunsch erfüllte Black Mist ihm nicht, strich stattdessen mit dem Mund und der Zungenspitze seinen Kiefer entlang bis zu seinem Ohr. „Solange Shark da ist, wirst du Yuuma niemals für dich haben…“ Vector schauderte merklich, als Black Mist mit den Nägeln über seine Brust kratzte, nickte jedoch schwach. Er wollte Yuuma – und vor allen Dingen wollte er nicht, dass Shark ihn bekam. „Was ha-“ Vector wurde von einem Keuchen unterbrochen, als Black Mist seine Zähne in seinem Hals vergrub, ihn schließlich dazu brachte, den anderen von sich zu schieben, allerdings die Hände in seine Schultern gekrallt ließ. „Was wolltest du sagen? Hab dich nicht verstanden.“ Vector zog die Augenbrauen bei dem schon wieder viel zu amüsierten Tonfall zusammen. Er hasste es so sehr, wenn Black Mist ihn so ansah, als kannte er jeden seiner Knöpfe. „Was hast du vor?“, wiederholte Vector, ignorierte, dass er noch immer viel zu angetan von der Situation klang. War er auch und das wusste Black Mist genau so gut wie er selbst. „Ich kann ihn für dich loswerden“, schnurrte Black Mist beinahe schon, strich dabei Vectors Nacken hinab, zog ihn wieder näher, um kurz die Lippen auf seinen Mundwinkel zu legen, ehe er fortfuhr: „Er würde dir nie wieder Probleme machen und Yuuma würde dir gehören…“ Bei den letzten Worten schloss Vector die Augen halb, schauderte erneut. Black Mist hatte Recht. Es wäre wirklich so einfach… Erst einmal riss Vector sich völlig von Black Mist los, erhob sich mit leicht zittrigen Beinen. Ihn musste nicht jemand in diesem Zustand draußen Selbstgespräche führen hören. Außerdem… „Morgen. Jetzt will ich zurück zum Wohnheim.“ Black Mist schien der leicht anzügliche – und vor allem ungeduldige – Tonfall nicht zu entgehen, denn er grinste breit und folgte Vector sofort, als jener sich auf den Weg machte. Wenn Vector jetzt eins wollte, dann war es Ablenkung von diesem scheiß Abend. Kapitel 5: ----------- „Was auch immer die kleine Hexe dir gegeben hat, es ist kein Styrax.“ Vector wandte den Blick zur Seite, beobachtete Black Mist einen Moment dabei, wie er das Räucherwerk, welches Rio ihm am Vortag gegeben hatte, in eine Kerze rieseln ließ. Als hätte er nicht schon genug Kopfschmerzen. Der verbrannte Geruch machte das definitiv nicht besser. Genervt wandte er den Blick wieder zur Decke, spielte beiläufig mit seinem Kopfkissen, auf welches er bis vor einigen Minuten noch eingeprügelt hatte. Das hatte wirklich wunderbar gegen den Frust über den vergangenen Abend geholfen. Ihm ging es ja so viel besser. „Der Geruch erinnert mich an Zuhause“, erzählte Black Mist munter weiter, ließ sich nicht davon stören, dass er keine Reaktion bekam. Oder er überspielte es gut, Vector war sich da nicht ganz sicher. Einen Moment herrschte Stille, bis auf das Knistern des Räucherwerks. Vector gähnte. Die Nacht über hatte er kaum ein Auge zu getan – und das war nicht nur die Schuld seines Schoßdämons gewesen. Nur zum Großteil. Unbewusst leckte Vector sich bei dem Gedanken daran über die völlig zerbissene Unterlippe. „Willst du nicht langsam zum Frühstück gehen?“, riss Black Mist ihn aus den Erinnerungen, erhielt jedoch wie schon zuvor keine Antwort. Ihm war nicht nach Essen – beziehungsweise würde ihm bei Sharks Anblick der Appetit vergehen. Oder bei Yuumas. Allein bei dem Gedanken zog sein Magen unangenehm und er schlang einen Arm um sich selbst. „Wenn du mich weiter ignorierst, brenn ich dein Zimmer nieder.“ Der plötzlich so bissige Tonfall entlockte Vector ein Grinsen, ehe er sich auf die Seite rollte, sich Black Mist zuwandte. Für einen vermutlich steinalten Dämon benahm Black Mist sich manchmal wie ein kleines Kind, das Aufmerksamkeit wollte. „Machst du dir solche Sorgen um mich, dass du mich sogar an’s Essen erinnerst?“, hakte Vector nach, streckte die Zunge raus – ehe er sie schnell wieder zurück zog, als Black Mist daraufhin das Feuerzeug weglegte und zu ihm schwebte. „Es wäre doch eine Schande, wenn meinem Meister etwas passieren würde“, schnurrte Black Mist, gluckste leise, als Vector bei dem ‚Meister‘ merklich schauderte. Eine kühle Hand legte sich auf Vectors Wange und jener verdrehte nur die Augen. Langsam gewöhnte er sich daran, wie berührungsfreudig der andere war. Gerade war es auch eine willkommene Ablenkung – wie schon in der Nacht zuvor. „Wenn dir das mit Ryoga und deinem Liebchen so viel ausmacht, werden wir ihn halt los.“ Bildete Vector sich das ein, oder hatte Black Mist gerade beinahe schon eifersüchtig geklungen? Er schüttelte den Gedanken sofort wieder ab. Vermutlich waren Dämonen nicht einmal zu wirklichen Gefühlen in der Lage. Beinahe beneidenswert – und mit ‚beinahe‘ meinte er ‚sehr‘. „Nach gestern würde das auffallen“, entgegnete Vector, schüttelte nachdenklich den Kopf. Er klang nicht so abgeneigt, wie er gewollt hatte. „Ich hatte dich nicht als Feigling eingeschätzt, aber wenn du das sagst…“, seufzte Black Mist, doch bevor er sich abwenden konnte, krallte Vector die Hände in seine Schultern, hielt ihn eisern fest. „Ich bin kein Feigling!“, zischte er wütend, bohrte den Blick in den von Black Mist, welcher nun genau über ihm schwebte. „Dann nimm dir, was du willst“, flüsterte Black Mist, strich mit den Fingern bis unter Vectors Kinn, hob dieses leicht an. Als Vector jedoch gerade etwas erwidern wollte, klopfte es an der Tür. Überflüssigerweise schob er Black Mist schnell von sich, setzte sich auf, ehe er den Störenfried mit einem nicht unbedingt einladenden „Was?“ herein bat – und sich auf die Zunge biss, als Yuuma den Kopf durch den Türspalt steckte. „Alles okay?“, erkundigte er sich, trat nun auch ganz ein und schloss die Tür wieder hinter sich, dieses verdammte Lächeln auf den Lippen. Müsste Yuuma nicht Kopfschmerzen haben vom Vortag, oder irgendwas in der Art? Wobei Vector sich ziemlich sicher war, dass er ihn dann trotzdem anlächeln würde, wenn er sich Sorgen machte. Beinahe hätte er mit der Zunge geschnalzt. „Ging mir nie besser“, antwortete Vector schulterzuckend, klang deutlich abweisender als sonst. Zumindest so sehr, dass Yuumas Lächeln ein wenig schmaler wurde und er den Kopf schief legte. „Hab ‘nen Kater“, fügte Vector deshalb sofort an, ignorierte Black Mists abfälliges Schnaufen neben sich, erhob sich, als jener ihm eine Hand auf die Schulter legte, um diese gleich wieder abzuschütteln. Yuuma gluckste leise über die Worte, ehe er ein wenig näher kam, plötzlich wieder besorgt aussah. „Hast du dich gestern noch geprügelt?“, erkundigte er sich, streckte die Hand nach Vectors Lippen aus, als jener nur verwirrt schaute. Sofort zuckte Vector vor der Berührung zurück, ohrfeigte sich innerlich, als Yuuma daraufhin schnell die Hand zurück zog. Black Mists Lachen machte das nicht unbedingt besser. Er musste sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, dass dieser gerade dieses scheiß selbstgefällige Grinsen im Gesicht hatte, was er so sehr hasste. „Bin gestern auf dem Weg gegen ‘ne Laterne gelaufen“, gab Vector gut gespielt widerwillig zu, kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Yuuma seufzte langgezogen, grinste allerdings sanft. „Ich hätte dich auch nach Hause bringen sollen“, meinte er amüsiert, streckte Vector die Zunge raus. „Hat er aber nicht, weil er Ryoga dir vorgezogen hat…“ Das Flüstern direkt an seinem Ohr brachte Vector zum Zucken, wobei das kurze Grinsen, welches sich auf seine Lippen geschlichen hatte, sofort wieder erstarb. Dieses Mal ließ er auch zu, dass Black Mist ihm rücklings einen Arm um die Taille schlang – oder ignorierte es eher. „Wie geht’s… Shark?“ Vector hatte sich gerade so eine Beleidigung verkneifen können, nicht aber den eifersüchtigen Unterton. Sein Blick verfinsterte sich auch gleich, als Yuuma rot wurde und verlegen lachend den Blick zur Seite wandte. „Der war wirklich betrunken. Hab ihn noch nie so gesprächig gesehen“, erzählte Yuuma, schien gar nicht zu merken, wie Vector seine Hände zu Fäusten ballte und die Zähne zusammen biss. Natürlich nicht, wieso sollte Yuuma auch auf ihn achten, wenn er von diesem Bastard redete? „Wir haben noch ein bisschen draußen gesessen, bevor ich ihn in’s Bett gebracht hab.“ „Aha“, war alles, was Vector dazu sagen konnte – zumindest ohne ausfallend oder laut zu werden. Dieser Idiot vor ihm war auch der einzige, der nicht mitbekam, wie das klang, oder? „Ich hoffe Rio geht’s besser, die sah gar nicht gut aus. Ist auch sofort in ihr Zimmer gegangen, als wir hier waren“, fügte Yuuma an, verzog das Gesicht leicht, denselben Ausdruck auf den Zügen wie zuvor, als er Vector nach seiner wunden Lippe gefragt hatte. Sein Magen zog schmerzhaft. Er und Shark waren also wirklich allein draußen gewesen und es hatte nicht nur so geklungen. Er knirschte mit den Zähnen. „Sicher, dass alles okay mit dir ist?“, riss Yuuma ihn aus seiner inneren Hasstirade, wobei Vector sich nur abwandte, Yuumas Hand, die daraufhin nach seinem Arm griff, gröber als nötig wegschlug, sich dabei auch aus Black Mists Griff wand. „Ich hab noch Hausaufgaben“, entgegnete Vector nun hörbar kühl, bemühte sich auch nicht, nicht so zu klingen, als würde er lügen. Shark war ja so etwas Besonderes und er? Er war auf derselben Stufe wie die ganzen anderen Idioten. Natürlich. „Vector…“ „Verpiss dich!“, zischte Vector schließlich wütend, wandte den Blick ab, als Yuuma ihn verwirrt, beinahe schon verletzt ansah und schließlich das Zimmer widerwillig verließ, natürlich nicht ohne Vector noch einmal einen besorgten Blick zuzuwerfen, ehe die Tür in’s Schloss fiel. Genervt seufzend warf Vector sich auf’s Bett und vergrub das Gesicht in seinem Kissen, schlug einige Male auf die Matratze, bis Black Mist seine Handgelenke festhielt. „Du weißt, dass ich dir helfen kann. Du musst mich nur lassen“, schnurrte Black Mist über ihm, ließ ihn los, als Vector sich daraufhin herumrollte, den Blick in den des anderen bohrte. „Ich kann dir alles geben, was du willst…“, fuhr Black Mist fort, kam Vector dabei immer näher, bis er den kühlen Atem auf seinen Lippen spürte. Er schluckte hart. „Ich will ihn bluten und leiden sehen“, erwiderte Vector nach einem Moment Stille, schloss die Augen, als Black Mist ihn daraufhin küsste. Bis zum nächsten Morgen hatte Vector sein Zimmer kaum mehr verlassen, war zu sehr damit beschäftigt mit Black Mist einen Plan für ein angemessenes Ende für Shark zu entwickeln. Beim Frühstück hatte er jedoch normal bei den anderen gesessen, sich nichts anmerken lassen. Nicht, dass das bei diesen Idioten besonders schwierig war. Das Problem war das Fußballtraining am Nachmittag. Vector blockte jeden Versuch seitens Yuuma, mit ihm zu reden, ab, ignorierte den anderen und faulte am Ende einen seiner Mitspieler, um schnell vom Spielfeld zu kommen. Sollte Yuuma sich doch bei Shark ausweinen. Interessierte ihn nicht. „Hätte dir gar nicht zugetraut, deinem Liebchen so lang aus dem Weg zu gehen“, triezte Black Mist beim Abpfiff, bekam dafür nur einen drohenden Seitenblick. Andererseits war Vector die Ablenkung recht. Nicht, dass er es zugeben würde, aber ein wenig schlecht fühlte er sich, wenn er sich Yuuma, welcher nach einem niedergeschlagenen Blick in seine Richtung zur Umkleide verschwand, so ansah. Sein Magen zog. „Du machst das gut“, lobte Black Mist, der Tonfall etwas weniger spöttisch als zuvor, und strich Vector durch die Haare. „Bald steht dir nichts mehr im Weg.“ Kaum merklich nickte Vector. Bald würde Shark an seinem eigenen Blut ersticken. Er konnte es nicht erwarten. „Vector!“ Sofort ruckte Vectors Blick zur Seite, von wo ein alles andere als begeistert aussehender Alit auf ihn zu kam. Er trug noch seine Sportsachen, sah allerdings nicht danach aus, als käme er gerade in dem Moment vom Boxen, hatte ihnen demnach wahrscheinlich zugesehen, wie er es ab und zu tat. Oder seine Gegner waren irgendwelche Unterstufler gewesen, dass er so gar nicht in’s Schwitzen gekommen war. „Was gibt’s?“, erkundigte Vector sich gleichgültig, streckte sich dabei ausgiebig. Er war es immerhin gewohnt, dass einer der anderen ihn ansah, als hätte er was ausgefressen – hatte er meistens ja auch. „Was hat Yuuma dir getan?“, erkundigte Alit sich, als er vor Vector zum Stehen kam, verschränkte die Arme vor der Brust. Na wunderbar. Das eine Thema, auf das Vector absolut keinen Nerv hatte. Er zuckte mit den Schultern. Was auch immer er tat, er durfte nicht eifersüchtig wirken. Wie schwer konnte das schon sein? „Ich dachte, du magst ihn“, fügte Alit an, sichtlich genervt von der fehlenden Reaktion. Was war Alit, Yuumas selbsternannter Wachhund? Vector verkniff sich den Gedanken laut auszusprechen. „Dann üb das mit dem Denken nochmal“, erwiderte Vector gelangweilt, wandte sich halb ab, war das Thema für ihn doch erledigt. Er verdrehte die Augen, als Alit ihn am Shirt festhielt und zurück zog. „Du tust ihm weh!“ „Interessiert mich, weil…?“ Yuuma hatte angefangen! Yuuma musste ja unbedingt Shark ihm vorziehen! Gerade Shark… Vector ballte die Hände zu Fäusten, entspannte sie jedoch sofort wieder, als Black Mist seine Handgelenke daraufhin umfasste, ihm ein ‚Beruhig dich…‘ zuflüsterte. Fuck, er war ruhig. Black Mist sollte ihn mal erleben, wenn er nicht ruhig war. „Ich weiß, ihr fliegt alle so auf den Knirps, aber mich nervt er einfach nur, okay? Hab lang genug so getan, als könnte ich ihn leiden“, meinte Vector ohne eine Miene zu verziehen, auch wenn langsam ein schlechtes Gewissen an ihm nagte, von dem er nicht einmal wusste, dass er es besaß. Er musste Shark wirklich schnell loswerden. Sofort ließ Alit Vector los, als würde er ihn plötzlich anwidern, zog die Augenbrauen zusammen. Das war fast so amüsant wie Mizael auf die Palme zu bringen. Langsam schlich sich ein Grinsen auf Vectors Lippen. „Du bist so ein Arschloch“, knurrte Alit, spannte seinerseits seine Hände an, als Vector daraufhin ein weinerliches Gesicht aufsetzte, spottete: „Buh-Huh, der böse, böse Vector ist gemein zu meinem liebsten Yuuma und mir.“ Kurz rechnete Vector damit, dass Alit mal seine Boxfähigkeiten unter Beweis stellte und ihn schlug, doch der andere zog mit einem bissigen ‚Leck mich‘ ab, nachdem er sichtlich mit sich gerungen hatte, ließ Vector auf dem Spielfeld zurück. „Du solltest öfter so mit diesen Vollidioten reden“, schnurrte Black Mist hörbar angetan, schlang seine Arme langsam um Vectors Schultern, biss ihn leicht in die Halsbeuge. Ein Glucksen verließ Vectors Lippen, als er schauderte. Immerhin war Black Mist eine verdammt gute Ablenkung – auch wenn die Gedanken an Yuuma ihn schnell wieder einholten. Seufzen. „Heute Nacht holen wir ihn uns“, flüsterte Vector, klang nicht so überzeugt, wie er eigentlich vorgehabt hatte. Es konnte nichts schief gehen. So weit er wusste wurde wegen des Schülers, der sich erhängt hatte, nicht einmal ermittelt und von dem Paar auf dem Friedhof hatte er ebenfalls nichts gehört oder gelesen. Alles würde nach Plan laufen - und dann holte er sich, was er so sehr wollte. Das leichte Gefühl eines Déjà-vus kam in Vector auf, als er durch die dunklen Flure des Wohnheims schlich, Black Mist wieder viel zu nah hinter ihm. Doch inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, dass das Prinzip von persönlichem Raum bei dem anderen völlig verloren war – oder besser gesagt, er hatte sich damit abgefunden. Vielleicht genoss er das Spiel mit dem Feuer auch ein wenig, wer wusste das schon. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er vor Sharks Tür zum Stehen kam. Kurz wandte Vector den Blick über die Schulter, legte die Hand auf die Klinke, als Black Mist nickte. Sein linkes Auge glühte in der Dunkelheit fast schon unheimlich. Vector schüttelte den Gedanken ab, als er bemerkte, dass er ein wenig länger als nötig gestarrt hatte, ignorierte Black Mists Grinsen daraufhin. Lautlos öffnete Vector die Tür, schlüpfte durch den Spalt hinein, verschloss sie dann hinter sich. Ohne es wirklich zu merken hatte er erwartungsvoll die Luft angehalten. Langsam trat er an das Bett heran, betrachtete Shark einen Moment. Sogar wenn er schlief schaffte dieser Bastard es irgendwie, Vector den letzten Nerv zu rauben. Vermutlich war es einfach Schicksal, dass sie sich hassten. Nun, vielleicht ja im nächsten Leben. Vectors Mundwinkel zuckten leicht, ehe er sich Black Mist zuwandte, ihm bestimmt zunickte. Sofort verflüchtigte dieser sich zu Nebel, ergriff Besitz von Shark, wie er es schon bei seinen Opfern zuvor getan hatte, dieses Mal jedoch leiser, ohne dass Shark wirklich aufzuwachen schien. Interessiert beobachtete Vector wie Black Mist sich aufsetzte. Er würde sich die Pulsadern aufschneiden und Shark einfach verbluten lassen. Niemand würde so einen klischeehaften Selbstmord hinterfragen, Vector würde niemals in Verdacht geraten. Und trotzdem… „Warte.“ Fragend legte Black Mist den Kopf schief, zog die Augenbrauen leicht zusammen, als befürchtete er, Vector hatte es sich anders überlegt. Hatte er auch. Das alles… Fühlte sich nicht richtig an. „Ich will es tun“, erklärte Vector leise, den Blick aufgeregt in die so verhassten Augen gebohrt. Shark sollte nicht so einfach wie die anderen sterben. Er wollte ihn leiden sehen, wollte seinen letzten Herzschlag, den letzten Atemzug in der Hand haben. Er schauderte leicht bei dem Gedanken. Black Mist gluckste leise, ehe er Vector an den Handgelenken zu sich auf’s Bett zog, seine Hände an seinen – Sharks – Hals legte. „Ganz sicher?“, versicherte Black Mist sich, klang dabei viel zu zufrieden mit der Entscheidung. Vector nickte, den Blick noch immer auf den besessenen Shark fixiert. „Zeig mir, was du kannst…“, wisperte Black Mist, den anzüglichen Unterton, den Vector schon kannte, in der Stimme. Er drückte Vectors Hände dabei fester auf seine Kehle, ehe er sich zurück auf die Matratze fallen ließ, Vector mit sich zog, sodass jener auf seinen Oberschenkeln saß und über ihn gebeugt war. Vermutlich könnte Vector sich mit der Situation wirklich anfreunden – wenn Black Mist gerade nicht dieses Gesicht hätte, welches er am liebsten mit einem Baseballschläger einschlagen würde. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, in der Vector einfach auf das Gesicht unter sich starrte – ehe er mit aller Kraft dessen Kehle zudrückte. Einen Moment verharrte Black Mist noch bewegungslos in dem Körper, dann wurde Sharks Blick klarer und er fing an zu husten. Sofort verzerrte Panik die sonst so stoischen Züge und Vector spürte, wie der Körper unter ihm sich in Todesangst wand. Sharks Hände krallten sich in Vectors Arme, zerrten an ihnen, bohrten Fingernägel in seine Haut. Vector konnte nicht anders als zu grinsen, schließlich entrückt zu lachen. Das war besser als alles, was er sich je erträumt hatte. „Vec-“ Auch mit Mühe bekam Shark seinen Namen nicht über die Lippen, wurde immer wieder von Husten und dem verzweifelten Ringen nach Luft unterbrochen. Beinahe spielte Vector mit dem Gedanken, ihn kurz loszulassen – einfach, um es zu hören, um die letzten Worte dieses Wichsers gewesen zu sein. „Du denkst, du hast immer alles unter Kontrolle“, wisperte Vector, lehnte sich dabei ein wenig hinab, presste seine Handballen gegen den Kehlkopf des anderen, entlockte diesem damit ein ersticktes Würgen. „Überraschung! Wer sitzt jetzt am längeren Hebel, Sharkie?“ Vector gluckste begeistert auf, als sich Tränen in Sharks Augen sammelten, jener sich immer verzweifelter wehrte. Sein Puls schlug viel zu schnell an Vectors Hand, ließ diesen erneut schaudern. Er zitterte vor Anstrengung und Aufregung. Vector hatte das Gefühl, die Zeit um ihn herum war stehen geblieben. Und doch kam alles ihm viel zu schnell vor, als Sharks Griff schwächer wurde und seine Arme schließlich zur Seite auf die Matratze zurück fielen. Trotzdem hörte er nicht sofort mit der Tortur auf, setzte sich nur langsam auf, ließ schließlich seine Finger von der geschundenen Haut des anderen gleiten, als er keinen Herzschlag mehr spüren konnte. Sein Atem ging schnell und Blut rauschte in seinen Ohren. Beinahe fühlte er sich wie bei dem Jungen, den Black Mist als erstes getötet hatte. Doch das hier war… Anders. Für einen Moment schloss Vector die Augen, brannte sich das Bild des blanken Horrors in Sharks Blick in sein Gedächtnis. Es war so viel besser als die Male zuvor. „Ich bin stolz auf dich.“ Black Mist hatte er beinahe vergessen. Sofort öffnete er wieder die Augen, sah nach oben – und erschauderte, als er Black Mists Blick bemerkte. Er sah ihn beinahe an, als wolle er ihn verschlingen. Vector lächelte ekstatisch. „Wir sollten ihn loswerden“, fuhr Black Mist nach einem Moment fort, nahm Vectors Gesicht dabei in seine Hände, küsste ihn hart, bis er das Gefühl hatte, die Wunde an seiner Lippe platze auf. Nur langsam löste Vector sich von dem anderen, erhob sich vom Bett, betrachtete die Leiche. In Filmen sahen Tote immer so friedlich aus, mit geschlossenen Augen und über der Brust verschränkten Händen – doch hier lag Shark, das Gesicht verzerrt, die Augen aufgerissen und Speichel, der sein Kinn hinabgelaufen war. So ungern er es zugab, doch Black Mist hatte recht, sie sollten den Abfall loswerden. Vector holte tief Luft, versuchte sich von dem Adrenalinschub zu erholen, von dem Gefühl der unbeschreiblichen Macht, das ihn durchflossen hatte. Und tief in ihm keimte der Wunsch, Yuumas Puls unter seinen Händen zu spüren. Kapitel 6: ----------- Blut. Überall war Blut. Tränkte seine Arme, seine gesamte Kleidung, das Messer in seiner Hand. Wie in Trance starrte Vector auf Yuumas leblosen Körper, vor dem er kniete, das Gesicht so verzerrt, wie es bei Shark gewesen war. Immer mehr Blut strömte aus den unzähligen Wunden in Yuumas Brust, bis die Pfütze langsam Vectors Knie erreichte. „Was hast du getan?“ Die Stimme hallte unangenehm in seinen Ohren. Sie kam ihm bekannt vor, doch er konnte sie nicht zuordnen. „Ich… Ich wollte nicht…“, brachte er zittrig hervor, konnte den Blick nicht von den toten Augen, die ihn so vorwurfsvoll taxierten, abwenden. Niemals würde er Yuuma so etwas antun. Nicht Yuuma. Ein schrilles Lachen zerriss die Stille, brachte Vector dazu, zusammen zu zucken, sich umzuschauen. Er kannte das Lachen, viel zu gut sogar. Doch Black Mist war nirgendwo zu sehen. Sofort hielt er sich die Ohren zu, ließ dabei das Messer fallen – und erschrak, als er sein Spiegelbild darin sah. Seine Augen glühten golden und grünlich-leuchtende Symbole bedeckten sein Gesicht. Als er sich die Hände vor den Mund schlug, verstummte das Gelächter und Dunkelheit breitete sich um ihn herum aus. Keuchend schreckte Vector hoch, fand sich aufrecht in seinem Bett sitzend wieder. Panisch betrachtete er seine Hände – kein Blut, nichts. Erleichtert seufzend fuhr er sich durch die Haare, strich sich einige schweißnasse Strähnen von der Stirn. „Schlecht geträumt?“ Vector zuckte heftig, hatte seinen ‚Mitbewohner‘, welcher am Fußende seines Bettes gegen die Wand gelehnt saß, völlig vergessen. Bemüht gleichgültig hob er den Blick, schüttelte langsam den Kopf. Selbst bei dem dämmrigen Licht sah Vector, dass Black Mist wissend grinste. Genervt ließ er sich zurück in die Laken fallen, wandte den Blick zur Uhr. Nicht einmal fünf Uhr morgens. Mit einem leisen Stöhnen zog Vector die Decke über seinen Kopf. Bisher hatte Vector kaum geschlafen, waren sie doch bis vor wenigen Stunden noch damit beschäftigt gewesen, Sharks Leiche im nahegelegenen Kanal zu versenken. Mit ‚sie‘ meinte Vector, dass er sich mit diesem Fettsack abgemüht hatte, während Black Mist wie immer spöttisch grinsend neben ihm geschwebt war, ohne einen Finger zu krümmen. Er hoffte nur, dass es reichte… Unruhig setzte Vector sich wieder auf, ließ die Decke dabei von ihm rutschen, zog die Beine an den Körper. Bei dem Gedanken daran, wie Sharks Atmung unter seinen Händen immer flacher geworden war, kam ihm noch immer eine Gänsehaut. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Niemand würde ihn erwischen, das hatte Black Mist ihm auch vorhin nochmals versichert. „Ich frage mich, wie Yuuma morgen reagiert“, dachte Black Mist laut nach, lachte leise, als Vector daraufhin abfällig schnaufte. Er hatte keine Spuren eines Kampfes zurückgelassen, also würde sicherlich vermutet werden, dass Shark weggelaufen war. „Werden wir morgen sehen“, erwiderte Vector, wobei sein Tonfall deutlich machen sollte, dass er über das Thema nicht weiter reden wollte. Yuuma würde schon darüber weg kommen. Mit dem Gedanken legte Vector sich auch wieder hin, schloss ohne ein weiteres Wort wieder die Augen, auch wenn der Schlaf nicht so einfach kommen wollte. Am nächsten Tag war Vector nicht derart übermüdet, wie er erwartet hatte. Der Unterricht hatte normal stattgefunden und hätte er nicht einige Lehrer tuscheln hören, hätte er fast geglaubt, Sharks Verschwinden wäre noch nicht aufgefallen. Nach der letzten Stunde saß Vector auf der Schulmauer, hörte Alits und Gilags Gespräch über irgendeine Klausur halbherzig zu. Zumindest so lang, bis Yuuma auf sie zu kam, sofort Vectors gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog. „Habt ihr Shark gesehen?“, erkundigte Yuuma sich ohne jede Begrüßung, klang dabei viel zu besorgt. Beinahe hätte Vector geknurrt, blieb jedoch still und zuckte lediglich mit den Schultern. Von ihm erwartete ohnehin niemand, dass gerade er wusste, wo der Idiot sich rumtrieb. „Wir haben ihn auch schon gesucht“, antwortete Alit, wobei er sich bemühte, aufmunternd zu grinsen. Sie hatten vorhin nach dem Unterricht nur kurz darüber geredet, dass Shark nicht aufzufinden war, doch Alit und Gilag waren sich einig gewesen, dass er ‚eine Auszeit gebraucht hatte‘. Es war immerhin nicht das erste Mal, dass Shark versucht hatte abzuhauen, auch wenn das letzte Mal schon einige Jahre her war. „Der taucht sicher wieder auf. Du weißt doch, wie Shark manchmal ist“, sprach Gilag Vectors Gedanken auch gleich aus, klopfte Yuuma kurz auf die Schulter, als jener alles andere als beruhigt aussah. Vector biss die Zähne zusammen. „Durbe und Rio machen sich Sorgen. Er hätte zumindest seiner Schwester irgendwas gesagt!“, entgegnete Yuuma sofort, schüttelte heftig den Kopf. „Vielleicht habt ihr drei ihm auch zu sehr geklammert und deshalb hat er sich verpisst“, mischte Vector sich nun auch ein, auch wenn er eigentlich nichts dazu sagen wollte. Was musste Yuuma sich nun auch so anstellen? Jener warf ihm einen wütenden Blick zu, ballte die Hände zu Fäusten. Auch Alit und Gilag sahen wenig begeistert von dem Einwurf aus. Vector zuckte mit den Schultern. „Wer könnt’s ihm verübeln?“, fügte er gelangweilt an, ließ sich dabei von der Mauer fallen. Als er jedoch an der Gruppe vorbei gehen wollte, hielt Yuuma ihn an den Schultern fest. Gleich verfinsterte Vectors Blick sich. „Shark ist nicht so!“, verteidigte Yuuma diesen Bastard natürlich, brachte Vector dazu, den anderen von sich zu stoßen. Yuuma konnte sich gerade noch abfangen, zog die Augenbrauen verständnislos zusammen. „Oder du willst einfach nur nicht einsehen, dass er so ist“, erwiderte Vector, sprach dabei betont langsam, als würde er einem Kind etwas erklären. Als Yuuma daraufhin nach ihm griff, schlug Vector seine Hand weg, ließ die drei einfach stehen. Innerlich kochte er vor Wut, ignorierte auch das fassungslose „Vector!“, welches ihm nachgerufen wurde. Bis zum Abend hatte Vector sein Zimmer nicht mehr verlassen, sich ohne sich wirklich zu konzentrieren vor einige Mathematikbücher gesetzt. Mit dem Kugelschreiber kritzelte er sinnlose Muster unter seine Hausaufgaben. Er hätte vorhin die Klappe halten sollen – aber wieso stellte Yuuma sich so an? Vor allem, weil er nicht einmal wusste, was wirklich mit Shark war! Wie würde er dann erst reagieren, wenn die Wahrheit… Nein, das würde nicht passieren. Niemand würde je rausfinden, was er getan hatte. Frustriert ließ Vector den Kopf auf seinen Schreibtisch fallen. Das alles verlief absolut nicht wie geplant. „Deine Pläne sind scheiße“, warf er Black Mist vor, verdrehte die Augen, als jener nur kicherte und zu ihm kam, Vector samt Drehstuhl blitzschnell zu sich herumdrehte. „Ich hab dich nicht gezwungen, oder?“, hakte Black Mist nach, grinste, als Vector daraufhin die Lippen zusammen presste und den Blick zur Seite abwandte. Er hasste es, wenn Black Mist recht hatte. „Du hast ja nicht einsehen wollen, dass Yuuma dich nicht will…“ Sofort zog Vector Black Mist grob an den Schultern näher, bohrte den Blick in die amüsierten Augen vor sich. „Du hast gesagt, du verschaffst mir, was ich will!“ „Ich hab gesagt ich helfe dir, Hindernisse aus dem Weg zu räumen“, verbesserte Black Mist, stützte seine Arme links und rechts neben Vectors Kopf an der Stuhllehne ab. Schon wieder hatte er recht. Vector zischte verstimmt. „Aber was, wenn dein Liebchen selbst das Hindernis ist...?“, flüsterte Black Mist, beugte sich so nah, dass Vector seinen Atem an seinen Lippen spürte, gegen seinen Willen schauderte. „Was soll das heißen?“, erkundigte Vector sich bissig, als er den Blick von den Lippen des anderen hatte losreißen können, presste sich mit dem Rücken ein wenig mehr in den Stuhl, um Abstand zwischen sie zu bringen. „Willst du, dass nochmal jemand wie Shark kommt und ihn dir wegnimmt?“ Vector biss sich auf die Zunge. Nein, wollte er nicht. Sogar jetzt, wo Shark tot war, fraß sich noch immer die Eifersucht in seine Innereien. Langsam schüttelte er den Kopf, wich Black Mists Blick noch immer aus. „Er hat dich nicht verdient…“, schnurrte jener leise, strich mit dem Mund federleicht Vectors Kiefer entlang bis zu seinem Ohr. Vector versuchte die Gänsehaut, die sich auf seinen Armen ausbreitete, zu ignorieren. „Lass mich dir helfen, damit das Gefühl verschwindet…“ Ohne nachzudenken nickte Vector, zog Black Mist ein wenig näher, küsste ihn schließlich. Hauptsache, diese verdammte Eifersucht und die Gefühle für Yuuma hörten auf. Egal wie. „Wie wir es besprochen haben.“ Vector nickte stumm. Seine Hand lag auf der Türklinke zu Yuumas Zimmer. Langsam wurde es zur Gewohnheit, dass er sich mitten in der Nacht durch das Wohnheim schlich. Zögerlich ließ Vector die Finger über das kühle Metall streichen. Nicht, dass er sich nicht sicher war, aber… „Ihn loszuwerden ist der einzige Weg“, sprach Black Mist ihm ruhig zu, fuhr mit den Nägeln leicht über Vectors Nacken. Vector schlucke hart, ehe er die Tür öffnete, überrascht war, als er Yuuma am Schreibtisch sitzen sah. Weniger leise als zuvor schloss er die Tür, erschreckte Yuuma damit sichtlich. Jener sprang auf und fuhr herum, beruhigte sich jedoch schnell, als er Vector erkannte. Es war dunkel im Zimmer, bis auf die kleine Schreibtischlampe. „Hey“, begrüßte Yuuma ihn, klang dabei ungewohnt zurückhaltend. Vector konnte sich nicht erinnern, dass Yuuma schon einmal länger als ein paar Minuten sauer auf einen von ihnen gewesen war. Aber kaum sagte er irgendetwas über Shark… Vector ballte die Hände kurz zu Fäusten, entspannte sie jedoch gleich wieder. Selbst im Tod schaffte Shark es noch, ihn wahnsinnig zu machen. Sein Entschluss verfestigte sich nur noch mehr. „Ich weiß, wo Shark ist“, fing Vector ohne weiteres an, die Miene und der Tonfall kühl. Sofort hellte Yuumas Gesicht sich auf und Vector knirschte mit den Zähnen. „Ist er wie-“ „Auf dem Grund des Kanals“, ließ Vector Yuuma gar nicht ausreden, konnte nicht verhindern, dass seine Mundwinkel ein wenig zuckten. Entgeistert starrte Yuuma ihn an, bevor er die Augenbrauen alles andere als begeistert zusammen zog. „Das ist nicht witzig!“, beschwerte er sich, ging dabei einen Schritt auf Vector zu, die Hände zu Fäusten geballt. Natürlich glaubte Yuuma ihm nicht. Armer, naiver Yuuma. „Ich fand es ziemlich witzig ihm die Kehle zuzudrücken“, erwiderte Vector Schulter zuckend. „Wie sehr er sich gewehrt hat, mich angestarrt hat. Sein Herzschlag unter meiner Hand…“, erzählte Vector weiter, grinste dabei immer mehr, bis er am Ende leise lachte. Ein Schauer lief ihm bei den Erinnerungen den Rücken runter. Derweil war Yuumas Blick immer entsetzter geworden, schüttelte langsam den Kopf. Oh bitte, dachte Yuuma wirklich so gut von ihm? Da war er wohl der einzige. „Der Bastard hatte es nicht anders verdient“, fügte Vector an, schob dabei seine Ärmel hoch, um die Kratzer an seinen Armen zu entblößen, hob sie ein wenig mehr in’s Licht. Zitternd schlug Yuuma die Hände vor den Mund, schien den Blick nicht von den Wunden abwenden zu können. In dem dämmrigen Licht konnte Vector die Tränen, die Yuuma langsam über die Wangen liefen, nur erahnen. Der Anblick versetzte ihm einen Stich, doch er schob das Gefühl zur Seite. Dafür war es jetzt ohnehin zu spät. „Wie panisch er nach Luft geschnappt hat“, gluckste Vector, seufzte beinahe schon genießerisch, ignorierte Yuumas leises „Wieso…?“ „Nicht nur Shark. Auch der Typ, der sich erhängt hat und zwei-“ „Sei still!“, fuhr Yuuma ihn an und sein Körper erbebte unter einem Schluchzen. Wieder dieser Anflug eines schlechten Gewissens. Wieso musste Yuuma auch so um dieses Idioten weinen? Black Mist schien sein Zögern sofort zu bemerken, beugte sich zu seinem Ohr, berührte es beim Sprechen mit den Lippen: „Wenn du mir seine Seele verschaffst, bist du frei.“ Sofort riss Vector die Augen auf, verharrte noch einen Moment, wo er war – ehe er fast schon mechanisch auf Yuuma zuging. Black Mist hatte recht – es würde wieder jemand wie Shark kommen. Wenn Vector ihn nicht haben konnte, sollte ihn auch kein anderer jemals haben. Trotzig bohrte Yuuma seinen Blick in den von Vector, als jener ihn am Hals packte und gegen die Wand drängte. Im Vorbeigehen nahm er die Schere, die auf dem Schreibtisch lag, klappte sie in einer flüssigen Bewegung auf. „Wieso?!“, wiederholte Yuuma, deutlich lauter und wütender als zuvor, zischte schmerzerfüllt, als Vector daraufhin ausholte und mit der Schere einen feinen Schnitt auf Yuumas Wange hinterließ. Yuuma zischte nur leise, kniff kurz die Augen zusammen. Einen Moment betrachtete Vector, wie Blut aus der Wunde hervorquoll, an einigen Stellen langsam hinablief, ehe er wieder in die roten Augen blickte. „Niemand darf dich mir wegnehmen“, erwiderte er ehrlich, verzog dabei keine Miene. Es hätte so einfach sein können. Alles wäre gut gewesen. Verständnislos zog Yuuma die Augenbrauen zusammen, unterdrückte mit sichtlicher Mühe ein Schluchzen. Vectors Hand drückte ein wenig fester zu. Wieso weinte Yuuma so sehr um diesen Bastard?! „Ihr seid alle meine Freunde, du auch! Niemand ändert daran et-“, fing Yuuma etwas gedrückt an, wurde jedoch von Vectors falschem Lachen unterbrochen. „Freunde!“ Es dauerte einen Moment, bis das Gelächter so sehr verebbt war, dass Vector weitersprechen konnte. „Ich will aber nicht wie alle anderen sein.“ Yuuma schien noch immer nicht zu verstehen, doch das war egal – zu spät. „Tu’s“, hauchte Black Mist plötzlich und Vector spürte Black Mists Brust an seinem Rücken, seinen Atem in seinem Nacken. Scheinbar war er plötzlich sichtbar für Yuuma, denn dieser riss erschrocken die Augen auf, starrte an Vector vorbei. „Was…?“ Vor Schreck – zumindest vermutete Vector das – weinte er etwas weniger. Vector hob die Schere erneut, hielt sie direkt über Yuumas Brust, strich mit der Spitze leicht über das Shirt des anderen. „Black Mist“, antwortete Vector, hielt den Blick dabei auf die Klinge der Schere fixiert, „Für ihn brauchte ich die Seelen.“ Hinter ihm kicherte Black Mist leise, legte eine Hand unter Vectors Kinn, zwang jenen so den Blick über seine Schulter zu richten und ihn anzusehen. „Was für ein gehorsames Menschlein er doch war…“, schnurrte Black Mist und Vector zischte abfällig, wehrte sich jedoch nicht, als kalte Lippen für einen Sekundenbruchteil auf seine gepresst wurden. Yuuma schluchzte erneut. „Ich bin frei von dir, wenn ich’s tu?“, versicherte Vector sich, als Black Mist ihn losließ und er sich wieder Yuuma zuwandte, drückte die Schere fest genug in Yuumas Brust, dass ein wenig Blut hervortrat, das Hemd über der Wunde rot tränkte. Sein Traum kam Vector wieder in den Sinn, doch er schüttelte den Gedanken sofort wieder ab. Das hier war die einzige Lösung. „Deine Schuld ist beglichen“, versprach Black Mist ihm und Vector spürte, wie er nickte, ehe er ihm etwas Freiraum gab, stattdessen neben sie schwebte. „Vector…“, wimmerte Yuuma inzwischen, hatte wieder angefangen schlimmer zu weinen. Konnte dieser Junge nicht einfach ein Mal etwas verstehen? „Er bringt mich um wie alle anderen, wenn ich nicht tu, was er sagt“, erklärte Vector, klang dabei viel zu sehr, als wolle er sich rechtfertigen. Als würde er Yuuma eine Rechtfertigung schulden! Hätte er Shark nicht… Zitternd holte Vector mit der Schere aus, fand sein Grinsen wieder. Yuuma war Schuld an allem. Als Vector den Blick wieder hob, sah er jedoch nicht die erwartete Angst auf Yuumas Zügen – jener lächelte. Lächelte dieses verdammte Lächeln, was Vector so sehr li… Was stimmte mit diesem Jungen nicht?! „Wieso-?“ „Es ist okay“, unterbrach Yuuma ihn sanft, ließ dabei Vectors Hand, die um seinen Hals gelegt war, los, sodass seine Arme schlaff neben seinem Körper hingen. Einen Moment konnte Vector ihn nur entsetzt anstarren. „Ich hätte es merken müssen. Du warst so seltsam… Aber ich hab’s nicht verstanden. Dass du Hilfe brauchst.“ Yuuma schluckte hart und Vector drückte seinen Hals mehr zusammen. Er brauchte keine Hilfe! Black Mist war das Beste, was ihm hätte passieren können! Yuuma war nichts als eine weitere Bürde, die er loswerden musste! „Tut mir leid, Vector“, flüsterte Yuuma etwas angestrengt, hustete kurz, wehrte sich jedoch immer noch nicht gegen den Griff. „Ich werd dich umbringen! Und du entschuldigst dich?!“, fuhr Vector den anderen völlig fassungslos an, bemerkte jetzt erst, wie sehr seine Hände angefangen hatten zu zittern. Er sollte es einfach tun. Er wollte dieses verdammte Lächeln nicht mehr sehen! „Wenn ich dir so helfen kann, dann… Ist es so“, meinte Yuuma, nickte, so gut es in dem Würgegriff ging, legte sanft eine Hand auf Vectors Oberarm. Jener zuckte, als hätte er sich verbrannt. Das… War nicht richtig so! Yuuma sollte panisch um sein Leben betteln! „Tu es!“, kam es bissig und hörbar ungeduldig von Black Mist, die Stimme ein wenig verzerrt. Ruckartig hob Vector die Schere, hielt sie nur wenige Millimeter von Yuumas rechtem Auge entfernt. Er würde es tun! Er würde ihm beide Augen ausstechen und seine Lippen abschneiden, damit er dieses Lächeln nicht mehr ertragen musste! Er… Mit einem Klirren fiel die Schere zu Boden. Übelkeit stieg in ihm auf. Er konnte das nicht. Langsam beugte Vector sich vor, küsste den Schnitt auf Yuumas Wange, schmeckte Blut und Salz. So verharrte er einen Moment, ließ dabei auch seine Hand von Yuumas Hals gleiten, krallte sie stattdessen in Yuumas Schulter. „Yuuma…“ „Es ist okay“, wiederholte Yuuma ruhig, schüttelte den Kopf. Yuuma wollte für ihn sterben – und er? Er hatte die eine Person töten wollen, für die er Gefühle hatte. „Vector. Tu es.“ Black Mists Stimme schnitt eiskalt durch die Stille und Vector löste sich ein wenig von Yuuma, atmete tief ein. „Nein.“ Sowohl Yuuma, als auch Black Mist blickten ihn entsetzt an. Langsam wandte Vector sich Black Mist zu, breitete seine Arme aus, ein viel zu breites Grinsen auf den Lippen. „Bringen wir’s hinter uns“, meinte er herausfordernd, ignorierte Yuumas fast schon panisches „Vector!“ Natürlich, jetzt hatte er Angst. Er wurde nicht schlau aus diesem Jungen, würde er vermutlich auch nie werden. Nicht, dass er jetzt noch Zeit dafür hatte. „Du hattest so viel Potential“, seufzte Black Mist übertrieben melodramatisch, klang beinahe so, als würde er es wirklich bereuen. Nicht, dass Vector sich davon noch einmal täuschen ließ. Er schüttelte nur den Kopf. „Geh zurück dahin, wo du hingehörst, Bastard“, entgegnete Vector bissig. Er hatte sich zur Marionette machen lassen – und die ganze Zeit gedacht, er wäre es, der die Fäden in der Hand hatte. „Vector… Willst du dich wirklich opfern, nachdem du so weit gekommen bist? Für denjenigen, der dich nicht will?“, erkundigte Black Mist sich, kam ihm dabei näher als nötig, legte eine Hand auf Vectors Wange. „Ich schau viel lieber zu, wie du wieder in der Hölle verrottest“, spottete Vector und zischte leise, als Black Mist daraufhin seine Nägel in seine Wange bohrte. Bevor Vector die Hand jedoch wegschlagen konnte, hatte Yuuma das für ihn erledigt. „Lass ihn endlich in Ruhe!“, zischte dieser feindseliger, als Vector es je für möglich gehalten hatte, baute sich ein wenig vor ihm auf. Sein Herz schlug unangenehm hart gegen seine Brust. Nach allem, was passiert war… „Was immer du sagst…“, schmunzelte Black Mist, ehe er sich in Nebel auflöste und sich langsam verflüchtigte. Das… War es gewesen? Vector sah sich misstrauisch um, als Yuuma ihm jedoch schon um den Hals fiel. Einen Moment war Vector wie versteinert, ehe er seine Arme langsam um Yuuma schlang, die Umarmung etwas überfordert erwiderte. Er schloss die Augen. „Yuuma…“, fing er nach einigen Augenblicken zögerlich an, atmete tief durch, „Es tut…“, „Shh“, unterbrach Yuuma ihn, drückte ihn fester an sich. Bildete Vector sich das ein, oder zitterten Yuumas Schultern ein wenig? Zaghaft strich er Yuuma über den Rücken. Musste er nun wieder weinen? Das überforderte ihn noch mehr als die Umarmung. Als Vector Yuumas Kinn jedoch anhob, um ihn anzusehen, erschreckte er sich vor dem entrückten Grinsen. Bevor er reagieren konnte, hatte Yuuma ihn derart kräftig geschlagen, dass er zur Seite stolperte und an der Wand hinab rutschte. Sein Kopf schwirrte und Vector brauchte einen Moment, die Orientierung wieder zu finden. Dieses widerlich verzerrte Kichern, welches er in der Nacht, als er das Ritual abgehalten hatte, gehört hatte, hallte in seinen Ohren wieder. Vector wollte sich aufrappeln, doch sofort war Yuuma bei ihm, warf sich auf seinen Oberschenkel und schlug Vectors Kopf zurück gegen die Wand. Schmerzerfüllt keuchte er auf, kniff die Augen zusammen. Wie hatte er so bescheuert sein und glauben können, dass Black Mist einfach aufgab? „Interessanter Körper. Vielleicht sollte ich ihn behalten“, summte Yuuma belustigt vor sich hin, brachte Vector damit dazu, wütend die Augen aufzureißen, nach dem anderen zu schlagen. Ohne große Mühe fing Yuuma seine Handgelenke ein, hielt sie mit einer Hand über Vectors Kopf zusammen. „Was denn, was denn?“, gluckste Yuuma, lehnte sich dabei ein wenig nach vorn, sodass er Vectors Lippen beim Sprechen beinahe berührte. „Wenn du ganz lieb bitte sagst, lass ich dich ihn vielleicht ficken. Das war doch, was du wolltest. Ihn besitzen“, schnurrte Yuuma, zuckte lachend zurück, als Vector nach ihm schnappte. In dem Moment glaubte Vector, noch nie jemanden so sehr gehasst zu haben. „Du hast gewonnen, was soll das hier noch?“, zischte er, knirschte mit den Zähnen, als Yuuma sich daraufhin gespielt nachdenklich einen Finger an die Lippen legte. „Du verstehst es immer noch nicht, oder, Veccy?“ Kurz versuchte Vector nach dem anderen zu treten und seine Arme aus dem Griff zu befreien, doch ohne Erfolg. Yuuma beugte sich zu seinem Ohr, bevor er weiter sprach: „Du warst von Anfang an nicht mehr als ein Spielzeug.“ Wütend riss Vector den Kopf zur Seite, ehe er dem anderen entgegen spie: „Ich bin kein Spielzeug!“ Yuuma kicherte leise, klang inzwischen auch immer mehr wie Black Mist. Besser. Vector wollte nicht Yuumas Stimme in dieser Situation hören. „Aber du hast so brav auf mich gehört. Es hat doch Spaß gemacht. Zumindest bis eben“, seufzte Yuuma, wobei der traurige Tonfall vor Sarkasmus triefte. Mit der freien Hand griff er nach der Schere, die Vector hatte fallen lassen. Sofort wehrte dieser sich wieder, nun doch ein wenig panisch. „Ich teile mein Spielzeug nicht, Vector“, fügte Yuuma plötzlich ernst an, hob die Schere dabei, spielte ein wenig mit ihr. Vector schluckte trocken. „Aber ich bin ja kein Monster. Wie wär’s mit einem Kuss von deinem Liebchen als letzter Wunsch?“ Sofort zuckte Vectors Blick zu Yuumas Lippen. Er atmete tief ein, schloss die Augen. „Fahr zur Hölle.“ „Nur mit dir“, entgegnete Yuuma leise – und Vector schrie gequält auf, als ein spitzer Schmerz sich in sein Innerstes bohrte, kniff die Augen fester zusammen. Er wollte Yuumas Gesicht nicht sehen. Wie konnte der einfache Wunsch, jemanden für sich zu haben, nur so furchtbar schief gehen? Vector keuchte nur schmerzerfüllt, als die Klingen der Schere erneut in seinen Bauch gestoßen wurden, versuchte Black Mists schadenfrohes Lachen auszublenden. Sein Körper fühlte sich taub an. Und mit dem nächsten Stich wurde alles schwarz um ihn herum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)