Pulvis et Umbra von Sarracenia ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Blut. Überall war Blut. Tränkte seine Arme, seine gesamte Kleidung, das Messer in seiner Hand. Wie in Trance starrte Vector auf Yuumas leblosen Körper, vor dem er kniete, das Gesicht so verzerrt, wie es bei Shark gewesen war. Immer mehr Blut strömte aus den unzähligen Wunden in Yuumas Brust, bis die Pfütze langsam Vectors Knie erreichte. „Was hast du getan?“ Die Stimme hallte unangenehm in seinen Ohren. Sie kam ihm bekannt vor, doch er konnte sie nicht zuordnen. „Ich… Ich wollte nicht…“, brachte er zittrig hervor, konnte den Blick nicht von den toten Augen, die ihn so vorwurfsvoll taxierten, abwenden. Niemals würde er Yuuma so etwas antun. Nicht Yuuma. Ein schrilles Lachen zerriss die Stille, brachte Vector dazu, zusammen zu zucken, sich umzuschauen. Er kannte das Lachen, viel zu gut sogar. Doch Black Mist war nirgendwo zu sehen. Sofort hielt er sich die Ohren zu, ließ dabei das Messer fallen – und erschrak, als er sein Spiegelbild darin sah. Seine Augen glühten golden und grünlich-leuchtende Symbole bedeckten sein Gesicht. Als er sich die Hände vor den Mund schlug, verstummte das Gelächter und Dunkelheit breitete sich um ihn herum aus. Keuchend schreckte Vector hoch, fand sich aufrecht in seinem Bett sitzend wieder. Panisch betrachtete er seine Hände – kein Blut, nichts. Erleichtert seufzend fuhr er sich durch die Haare, strich sich einige schweißnasse Strähnen von der Stirn. „Schlecht geträumt?“ Vector zuckte heftig, hatte seinen ‚Mitbewohner‘, welcher am Fußende seines Bettes gegen die Wand gelehnt saß, völlig vergessen. Bemüht gleichgültig hob er den Blick, schüttelte langsam den Kopf. Selbst bei dem dämmrigen Licht sah Vector, dass Black Mist wissend grinste. Genervt ließ er sich zurück in die Laken fallen, wandte den Blick zur Uhr. Nicht einmal fünf Uhr morgens. Mit einem leisen Stöhnen zog Vector die Decke über seinen Kopf. Bisher hatte Vector kaum geschlafen, waren sie doch bis vor wenigen Stunden noch damit beschäftigt gewesen, Sharks Leiche im nahegelegenen Kanal zu versenken. Mit ‚sie‘ meinte Vector, dass er sich mit diesem Fettsack abgemüht hatte, während Black Mist wie immer spöttisch grinsend neben ihm geschwebt war, ohne einen Finger zu krümmen. Er hoffte nur, dass es reichte… Unruhig setzte Vector sich wieder auf, ließ die Decke dabei von ihm rutschen, zog die Beine an den Körper. Bei dem Gedanken daran, wie Sharks Atmung unter seinen Händen immer flacher geworden war, kam ihm noch immer eine Gänsehaut. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Niemand würde ihn erwischen, das hatte Black Mist ihm auch vorhin nochmals versichert. „Ich frage mich, wie Yuuma morgen reagiert“, dachte Black Mist laut nach, lachte leise, als Vector daraufhin abfällig schnaufte. Er hatte keine Spuren eines Kampfes zurückgelassen, also würde sicherlich vermutet werden, dass Shark weggelaufen war. „Werden wir morgen sehen“, erwiderte Vector, wobei sein Tonfall deutlich machen sollte, dass er über das Thema nicht weiter reden wollte. Yuuma würde schon darüber weg kommen. Mit dem Gedanken legte Vector sich auch wieder hin, schloss ohne ein weiteres Wort wieder die Augen, auch wenn der Schlaf nicht so einfach kommen wollte. Am nächsten Tag war Vector nicht derart übermüdet, wie er erwartet hatte. Der Unterricht hatte normal stattgefunden und hätte er nicht einige Lehrer tuscheln hören, hätte er fast geglaubt, Sharks Verschwinden wäre noch nicht aufgefallen. Nach der letzten Stunde saß Vector auf der Schulmauer, hörte Alits und Gilags Gespräch über irgendeine Klausur halbherzig zu. Zumindest so lang, bis Yuuma auf sie zu kam, sofort Vectors gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog. „Habt ihr Shark gesehen?“, erkundigte Yuuma sich ohne jede Begrüßung, klang dabei viel zu besorgt. Beinahe hätte Vector geknurrt, blieb jedoch still und zuckte lediglich mit den Schultern. Von ihm erwartete ohnehin niemand, dass gerade er wusste, wo der Idiot sich rumtrieb. „Wir haben ihn auch schon gesucht“, antwortete Alit, wobei er sich bemühte, aufmunternd zu grinsen. Sie hatten vorhin nach dem Unterricht nur kurz darüber geredet, dass Shark nicht aufzufinden war, doch Alit und Gilag waren sich einig gewesen, dass er ‚eine Auszeit gebraucht hatte‘. Es war immerhin nicht das erste Mal, dass Shark versucht hatte abzuhauen, auch wenn das letzte Mal schon einige Jahre her war. „Der taucht sicher wieder auf. Du weißt doch, wie Shark manchmal ist“, sprach Gilag Vectors Gedanken auch gleich aus, klopfte Yuuma kurz auf die Schulter, als jener alles andere als beruhigt aussah. Vector biss die Zähne zusammen. „Durbe und Rio machen sich Sorgen. Er hätte zumindest seiner Schwester irgendwas gesagt!“, entgegnete Yuuma sofort, schüttelte heftig den Kopf. „Vielleicht habt ihr drei ihm auch zu sehr geklammert und deshalb hat er sich verpisst“, mischte Vector sich nun auch ein, auch wenn er eigentlich nichts dazu sagen wollte. Was musste Yuuma sich nun auch so anstellen? Jener warf ihm einen wütenden Blick zu, ballte die Hände zu Fäusten. Auch Alit und Gilag sahen wenig begeistert von dem Einwurf aus. Vector zuckte mit den Schultern. „Wer könnt’s ihm verübeln?“, fügte er gelangweilt an, ließ sich dabei von der Mauer fallen. Als er jedoch an der Gruppe vorbei gehen wollte, hielt Yuuma ihn an den Schultern fest. Gleich verfinsterte Vectors Blick sich. „Shark ist nicht so!“, verteidigte Yuuma diesen Bastard natürlich, brachte Vector dazu, den anderen von sich zu stoßen. Yuuma konnte sich gerade noch abfangen, zog die Augenbrauen verständnislos zusammen. „Oder du willst einfach nur nicht einsehen, dass er so ist“, erwiderte Vector, sprach dabei betont langsam, als würde er einem Kind etwas erklären. Als Yuuma daraufhin nach ihm griff, schlug Vector seine Hand weg, ließ die drei einfach stehen. Innerlich kochte er vor Wut, ignorierte auch das fassungslose „Vector!“, welches ihm nachgerufen wurde. Bis zum Abend hatte Vector sein Zimmer nicht mehr verlassen, sich ohne sich wirklich zu konzentrieren vor einige Mathematikbücher gesetzt. Mit dem Kugelschreiber kritzelte er sinnlose Muster unter seine Hausaufgaben. Er hätte vorhin die Klappe halten sollen – aber wieso stellte Yuuma sich so an? Vor allem, weil er nicht einmal wusste, was wirklich mit Shark war! Wie würde er dann erst reagieren, wenn die Wahrheit… Nein, das würde nicht passieren. Niemand würde je rausfinden, was er getan hatte. Frustriert ließ Vector den Kopf auf seinen Schreibtisch fallen. Das alles verlief absolut nicht wie geplant. „Deine Pläne sind scheiße“, warf er Black Mist vor, verdrehte die Augen, als jener nur kicherte und zu ihm kam, Vector samt Drehstuhl blitzschnell zu sich herumdrehte. „Ich hab dich nicht gezwungen, oder?“, hakte Black Mist nach, grinste, als Vector daraufhin die Lippen zusammen presste und den Blick zur Seite abwandte. Er hasste es, wenn Black Mist recht hatte. „Du hast ja nicht einsehen wollen, dass Yuuma dich nicht will…“ Sofort zog Vector Black Mist grob an den Schultern näher, bohrte den Blick in die amüsierten Augen vor sich. „Du hast gesagt, du verschaffst mir, was ich will!“ „Ich hab gesagt ich helfe dir, Hindernisse aus dem Weg zu räumen“, verbesserte Black Mist, stützte seine Arme links und rechts neben Vectors Kopf an der Stuhllehne ab. Schon wieder hatte er recht. Vector zischte verstimmt. „Aber was, wenn dein Liebchen selbst das Hindernis ist...?“, flüsterte Black Mist, beugte sich so nah, dass Vector seinen Atem an seinen Lippen spürte, gegen seinen Willen schauderte. „Was soll das heißen?“, erkundigte Vector sich bissig, als er den Blick von den Lippen des anderen hatte losreißen können, presste sich mit dem Rücken ein wenig mehr in den Stuhl, um Abstand zwischen sie zu bringen. „Willst du, dass nochmal jemand wie Shark kommt und ihn dir wegnimmt?“ Vector biss sich auf die Zunge. Nein, wollte er nicht. Sogar jetzt, wo Shark tot war, fraß sich noch immer die Eifersucht in seine Innereien. Langsam schüttelte er den Kopf, wich Black Mists Blick noch immer aus. „Er hat dich nicht verdient…“, schnurrte jener leise, strich mit dem Mund federleicht Vectors Kiefer entlang bis zu seinem Ohr. Vector versuchte die Gänsehaut, die sich auf seinen Armen ausbreitete, zu ignorieren. „Lass mich dir helfen, damit das Gefühl verschwindet…“ Ohne nachzudenken nickte Vector, zog Black Mist ein wenig näher, küsste ihn schließlich. Hauptsache, diese verdammte Eifersucht und die Gefühle für Yuuma hörten auf. Egal wie. „Wie wir es besprochen haben.“ Vector nickte stumm. Seine Hand lag auf der Türklinke zu Yuumas Zimmer. Langsam wurde es zur Gewohnheit, dass er sich mitten in der Nacht durch das Wohnheim schlich. Zögerlich ließ Vector die Finger über das kühle Metall streichen. Nicht, dass er sich nicht sicher war, aber… „Ihn loszuwerden ist der einzige Weg“, sprach Black Mist ihm ruhig zu, fuhr mit den Nägeln leicht über Vectors Nacken. Vector schlucke hart, ehe er die Tür öffnete, überrascht war, als er Yuuma am Schreibtisch sitzen sah. Weniger leise als zuvor schloss er die Tür, erschreckte Yuuma damit sichtlich. Jener sprang auf und fuhr herum, beruhigte sich jedoch schnell, als er Vector erkannte. Es war dunkel im Zimmer, bis auf die kleine Schreibtischlampe. „Hey“, begrüßte Yuuma ihn, klang dabei ungewohnt zurückhaltend. Vector konnte sich nicht erinnern, dass Yuuma schon einmal länger als ein paar Minuten sauer auf einen von ihnen gewesen war. Aber kaum sagte er irgendetwas über Shark… Vector ballte die Hände kurz zu Fäusten, entspannte sie jedoch gleich wieder. Selbst im Tod schaffte Shark es noch, ihn wahnsinnig zu machen. Sein Entschluss verfestigte sich nur noch mehr. „Ich weiß, wo Shark ist“, fing Vector ohne weiteres an, die Miene und der Tonfall kühl. Sofort hellte Yuumas Gesicht sich auf und Vector knirschte mit den Zähnen. „Ist er wie-“ „Auf dem Grund des Kanals“, ließ Vector Yuuma gar nicht ausreden, konnte nicht verhindern, dass seine Mundwinkel ein wenig zuckten. Entgeistert starrte Yuuma ihn an, bevor er die Augenbrauen alles andere als begeistert zusammen zog. „Das ist nicht witzig!“, beschwerte er sich, ging dabei einen Schritt auf Vector zu, die Hände zu Fäusten geballt. Natürlich glaubte Yuuma ihm nicht. Armer, naiver Yuuma. „Ich fand es ziemlich witzig ihm die Kehle zuzudrücken“, erwiderte Vector Schulter zuckend. „Wie sehr er sich gewehrt hat, mich angestarrt hat. Sein Herzschlag unter meiner Hand…“, erzählte Vector weiter, grinste dabei immer mehr, bis er am Ende leise lachte. Ein Schauer lief ihm bei den Erinnerungen den Rücken runter. Derweil war Yuumas Blick immer entsetzter geworden, schüttelte langsam den Kopf. Oh bitte, dachte Yuuma wirklich so gut von ihm? Da war er wohl der einzige. „Der Bastard hatte es nicht anders verdient“, fügte Vector an, schob dabei seine Ärmel hoch, um die Kratzer an seinen Armen zu entblößen, hob sie ein wenig mehr in’s Licht. Zitternd schlug Yuuma die Hände vor den Mund, schien den Blick nicht von den Wunden abwenden zu können. In dem dämmrigen Licht konnte Vector die Tränen, die Yuuma langsam über die Wangen liefen, nur erahnen. Der Anblick versetzte ihm einen Stich, doch er schob das Gefühl zur Seite. Dafür war es jetzt ohnehin zu spät. „Wie panisch er nach Luft geschnappt hat“, gluckste Vector, seufzte beinahe schon genießerisch, ignorierte Yuumas leises „Wieso…?“ „Nicht nur Shark. Auch der Typ, der sich erhängt hat und zwei-“ „Sei still!“, fuhr Yuuma ihn an und sein Körper erbebte unter einem Schluchzen. Wieder dieser Anflug eines schlechten Gewissens. Wieso musste Yuuma auch so um dieses Idioten weinen? Black Mist schien sein Zögern sofort zu bemerken, beugte sich zu seinem Ohr, berührte es beim Sprechen mit den Lippen: „Wenn du mir seine Seele verschaffst, bist du frei.“ Sofort riss Vector die Augen auf, verharrte noch einen Moment, wo er war – ehe er fast schon mechanisch auf Yuuma zuging. Black Mist hatte recht – es würde wieder jemand wie Shark kommen. Wenn Vector ihn nicht haben konnte, sollte ihn auch kein anderer jemals haben. Trotzig bohrte Yuuma seinen Blick in den von Vector, als jener ihn am Hals packte und gegen die Wand drängte. Im Vorbeigehen nahm er die Schere, die auf dem Schreibtisch lag, klappte sie in einer flüssigen Bewegung auf. „Wieso?!“, wiederholte Yuuma, deutlich lauter und wütender als zuvor, zischte schmerzerfüllt, als Vector daraufhin ausholte und mit der Schere einen feinen Schnitt auf Yuumas Wange hinterließ. Yuuma zischte nur leise, kniff kurz die Augen zusammen. Einen Moment betrachtete Vector, wie Blut aus der Wunde hervorquoll, an einigen Stellen langsam hinablief, ehe er wieder in die roten Augen blickte. „Niemand darf dich mir wegnehmen“, erwiderte er ehrlich, verzog dabei keine Miene. Es hätte so einfach sein können. Alles wäre gut gewesen. Verständnislos zog Yuuma die Augenbrauen zusammen, unterdrückte mit sichtlicher Mühe ein Schluchzen. Vectors Hand drückte ein wenig fester zu. Wieso weinte Yuuma so sehr um diesen Bastard?! „Ihr seid alle meine Freunde, du auch! Niemand ändert daran et-“, fing Yuuma etwas gedrückt an, wurde jedoch von Vectors falschem Lachen unterbrochen. „Freunde!“ Es dauerte einen Moment, bis das Gelächter so sehr verebbt war, dass Vector weitersprechen konnte. „Ich will aber nicht wie alle anderen sein.“ Yuuma schien noch immer nicht zu verstehen, doch das war egal – zu spät. „Tu’s“, hauchte Black Mist plötzlich und Vector spürte Black Mists Brust an seinem Rücken, seinen Atem in seinem Nacken. Scheinbar war er plötzlich sichtbar für Yuuma, denn dieser riss erschrocken die Augen auf, starrte an Vector vorbei. „Was…?“ Vor Schreck – zumindest vermutete Vector das – weinte er etwas weniger. Vector hob die Schere erneut, hielt sie direkt über Yuumas Brust, strich mit der Spitze leicht über das Shirt des anderen. „Black Mist“, antwortete Vector, hielt den Blick dabei auf die Klinge der Schere fixiert, „Für ihn brauchte ich die Seelen.“ Hinter ihm kicherte Black Mist leise, legte eine Hand unter Vectors Kinn, zwang jenen so den Blick über seine Schulter zu richten und ihn anzusehen. „Was für ein gehorsames Menschlein er doch war…“, schnurrte Black Mist und Vector zischte abfällig, wehrte sich jedoch nicht, als kalte Lippen für einen Sekundenbruchteil auf seine gepresst wurden. Yuuma schluchzte erneut. „Ich bin frei von dir, wenn ich’s tu?“, versicherte Vector sich, als Black Mist ihn losließ und er sich wieder Yuuma zuwandte, drückte die Schere fest genug in Yuumas Brust, dass ein wenig Blut hervortrat, das Hemd über der Wunde rot tränkte. Sein Traum kam Vector wieder in den Sinn, doch er schüttelte den Gedanken sofort wieder ab. Das hier war die einzige Lösung. „Deine Schuld ist beglichen“, versprach Black Mist ihm und Vector spürte, wie er nickte, ehe er ihm etwas Freiraum gab, stattdessen neben sie schwebte. „Vector…“, wimmerte Yuuma inzwischen, hatte wieder angefangen schlimmer zu weinen. Konnte dieser Junge nicht einfach ein Mal etwas verstehen? „Er bringt mich um wie alle anderen, wenn ich nicht tu, was er sagt“, erklärte Vector, klang dabei viel zu sehr, als wolle er sich rechtfertigen. Als würde er Yuuma eine Rechtfertigung schulden! Hätte er Shark nicht… Zitternd holte Vector mit der Schere aus, fand sein Grinsen wieder. Yuuma war Schuld an allem. Als Vector den Blick wieder hob, sah er jedoch nicht die erwartete Angst auf Yuumas Zügen – jener lächelte. Lächelte dieses verdammte Lächeln, was Vector so sehr li… Was stimmte mit diesem Jungen nicht?! „Wieso-?“ „Es ist okay“, unterbrach Yuuma ihn sanft, ließ dabei Vectors Hand, die um seinen Hals gelegt war, los, sodass seine Arme schlaff neben seinem Körper hingen. Einen Moment konnte Vector ihn nur entsetzt anstarren. „Ich hätte es merken müssen. Du warst so seltsam… Aber ich hab’s nicht verstanden. Dass du Hilfe brauchst.“ Yuuma schluckte hart und Vector drückte seinen Hals mehr zusammen. Er brauchte keine Hilfe! Black Mist war das Beste, was ihm hätte passieren können! Yuuma war nichts als eine weitere Bürde, die er loswerden musste! „Tut mir leid, Vector“, flüsterte Yuuma etwas angestrengt, hustete kurz, wehrte sich jedoch immer noch nicht gegen den Griff. „Ich werd dich umbringen! Und du entschuldigst dich?!“, fuhr Vector den anderen völlig fassungslos an, bemerkte jetzt erst, wie sehr seine Hände angefangen hatten zu zittern. Er sollte es einfach tun. Er wollte dieses verdammte Lächeln nicht mehr sehen! „Wenn ich dir so helfen kann, dann… Ist es so“, meinte Yuuma, nickte, so gut es in dem Würgegriff ging, legte sanft eine Hand auf Vectors Oberarm. Jener zuckte, als hätte er sich verbrannt. Das… War nicht richtig so! Yuuma sollte panisch um sein Leben betteln! „Tu es!“, kam es bissig und hörbar ungeduldig von Black Mist, die Stimme ein wenig verzerrt. Ruckartig hob Vector die Schere, hielt sie nur wenige Millimeter von Yuumas rechtem Auge entfernt. Er würde es tun! Er würde ihm beide Augen ausstechen und seine Lippen abschneiden, damit er dieses Lächeln nicht mehr ertragen musste! Er… Mit einem Klirren fiel die Schere zu Boden. Übelkeit stieg in ihm auf. Er konnte das nicht. Langsam beugte Vector sich vor, küsste den Schnitt auf Yuumas Wange, schmeckte Blut und Salz. So verharrte er einen Moment, ließ dabei auch seine Hand von Yuumas Hals gleiten, krallte sie stattdessen in Yuumas Schulter. „Yuuma…“ „Es ist okay“, wiederholte Yuuma ruhig, schüttelte den Kopf. Yuuma wollte für ihn sterben – und er? Er hatte die eine Person töten wollen, für die er Gefühle hatte. „Vector. Tu es.“ Black Mists Stimme schnitt eiskalt durch die Stille und Vector löste sich ein wenig von Yuuma, atmete tief ein. „Nein.“ Sowohl Yuuma, als auch Black Mist blickten ihn entsetzt an. Langsam wandte Vector sich Black Mist zu, breitete seine Arme aus, ein viel zu breites Grinsen auf den Lippen. „Bringen wir’s hinter uns“, meinte er herausfordernd, ignorierte Yuumas fast schon panisches „Vector!“ Natürlich, jetzt hatte er Angst. Er wurde nicht schlau aus diesem Jungen, würde er vermutlich auch nie werden. Nicht, dass er jetzt noch Zeit dafür hatte. „Du hattest so viel Potential“, seufzte Black Mist übertrieben melodramatisch, klang beinahe so, als würde er es wirklich bereuen. Nicht, dass Vector sich davon noch einmal täuschen ließ. Er schüttelte nur den Kopf. „Geh zurück dahin, wo du hingehörst, Bastard“, entgegnete Vector bissig. Er hatte sich zur Marionette machen lassen – und die ganze Zeit gedacht, er wäre es, der die Fäden in der Hand hatte. „Vector… Willst du dich wirklich opfern, nachdem du so weit gekommen bist? Für denjenigen, der dich nicht will?“, erkundigte Black Mist sich, kam ihm dabei näher als nötig, legte eine Hand auf Vectors Wange. „Ich schau viel lieber zu, wie du wieder in der Hölle verrottest“, spottete Vector und zischte leise, als Black Mist daraufhin seine Nägel in seine Wange bohrte. Bevor Vector die Hand jedoch wegschlagen konnte, hatte Yuuma das für ihn erledigt. „Lass ihn endlich in Ruhe!“, zischte dieser feindseliger, als Vector es je für möglich gehalten hatte, baute sich ein wenig vor ihm auf. Sein Herz schlug unangenehm hart gegen seine Brust. Nach allem, was passiert war… „Was immer du sagst…“, schmunzelte Black Mist, ehe er sich in Nebel auflöste und sich langsam verflüchtigte. Das… War es gewesen? Vector sah sich misstrauisch um, als Yuuma ihm jedoch schon um den Hals fiel. Einen Moment war Vector wie versteinert, ehe er seine Arme langsam um Yuuma schlang, die Umarmung etwas überfordert erwiderte. Er schloss die Augen. „Yuuma…“, fing er nach einigen Augenblicken zögerlich an, atmete tief durch, „Es tut…“, „Shh“, unterbrach Yuuma ihn, drückte ihn fester an sich. Bildete Vector sich das ein, oder zitterten Yuumas Schultern ein wenig? Zaghaft strich er Yuuma über den Rücken. Musste er nun wieder weinen? Das überforderte ihn noch mehr als die Umarmung. Als Vector Yuumas Kinn jedoch anhob, um ihn anzusehen, erschreckte er sich vor dem entrückten Grinsen. Bevor er reagieren konnte, hatte Yuuma ihn derart kräftig geschlagen, dass er zur Seite stolperte und an der Wand hinab rutschte. Sein Kopf schwirrte und Vector brauchte einen Moment, die Orientierung wieder zu finden. Dieses widerlich verzerrte Kichern, welches er in der Nacht, als er das Ritual abgehalten hatte, gehört hatte, hallte in seinen Ohren wieder. Vector wollte sich aufrappeln, doch sofort war Yuuma bei ihm, warf sich auf seinen Oberschenkel und schlug Vectors Kopf zurück gegen die Wand. Schmerzerfüllt keuchte er auf, kniff die Augen zusammen. Wie hatte er so bescheuert sein und glauben können, dass Black Mist einfach aufgab? „Interessanter Körper. Vielleicht sollte ich ihn behalten“, summte Yuuma belustigt vor sich hin, brachte Vector damit dazu, wütend die Augen aufzureißen, nach dem anderen zu schlagen. Ohne große Mühe fing Yuuma seine Handgelenke ein, hielt sie mit einer Hand über Vectors Kopf zusammen. „Was denn, was denn?“, gluckste Yuuma, lehnte sich dabei ein wenig nach vorn, sodass er Vectors Lippen beim Sprechen beinahe berührte. „Wenn du ganz lieb bitte sagst, lass ich dich ihn vielleicht ficken. Das war doch, was du wolltest. Ihn besitzen“, schnurrte Yuuma, zuckte lachend zurück, als Vector nach ihm schnappte. In dem Moment glaubte Vector, noch nie jemanden so sehr gehasst zu haben. „Du hast gewonnen, was soll das hier noch?“, zischte er, knirschte mit den Zähnen, als Yuuma sich daraufhin gespielt nachdenklich einen Finger an die Lippen legte. „Du verstehst es immer noch nicht, oder, Veccy?“ Kurz versuchte Vector nach dem anderen zu treten und seine Arme aus dem Griff zu befreien, doch ohne Erfolg. Yuuma beugte sich zu seinem Ohr, bevor er weiter sprach: „Du warst von Anfang an nicht mehr als ein Spielzeug.“ Wütend riss Vector den Kopf zur Seite, ehe er dem anderen entgegen spie: „Ich bin kein Spielzeug!“ Yuuma kicherte leise, klang inzwischen auch immer mehr wie Black Mist. Besser. Vector wollte nicht Yuumas Stimme in dieser Situation hören. „Aber du hast so brav auf mich gehört. Es hat doch Spaß gemacht. Zumindest bis eben“, seufzte Yuuma, wobei der traurige Tonfall vor Sarkasmus triefte. Mit der freien Hand griff er nach der Schere, die Vector hatte fallen lassen. Sofort wehrte dieser sich wieder, nun doch ein wenig panisch. „Ich teile mein Spielzeug nicht, Vector“, fügte Yuuma plötzlich ernst an, hob die Schere dabei, spielte ein wenig mit ihr. Vector schluckte trocken. „Aber ich bin ja kein Monster. Wie wär’s mit einem Kuss von deinem Liebchen als letzter Wunsch?“ Sofort zuckte Vectors Blick zu Yuumas Lippen. Er atmete tief ein, schloss die Augen. „Fahr zur Hölle.“ „Nur mit dir“, entgegnete Yuuma leise – und Vector schrie gequält auf, als ein spitzer Schmerz sich in sein Innerstes bohrte, kniff die Augen fester zusammen. Er wollte Yuumas Gesicht nicht sehen. Wie konnte der einfache Wunsch, jemanden für sich zu haben, nur so furchtbar schief gehen? Vector keuchte nur schmerzerfüllt, als die Klingen der Schere erneut in seinen Bauch gestoßen wurden, versuchte Black Mists schadenfrohes Lachen auszublenden. Sein Körper fühlte sich taub an. Und mit dem nächsten Stich wurde alles schwarz um ihn herum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)