Closed Barrier Murder von UrrSharrador (Ein Shikamaru Nara-Krimi) ================================================================================ Kapitel 6: Confusion/Conclusion ------------------------------- Hätte er hier, mitten in der Halle, ein zerstörerisches Feuer-Jutsu losgelassen, die Wirkung hätte nicht größer sein können. Die Hälfte der Anwesenden wurde plötzlich totenstill, die andere brach in verwirrtes Gerufe aus. Shikamaru achtete nicht darauf, er fixierte den Mann, der sich als Yorino ausgegeben hatte, mit forschendem Blick. Ohnehin war es mit dessen Nerven in den letzten Stunden nicht weit her gewesen. Nach dieser Enthüllung sank er zu Boden, kauerte sich auf die Knie und starrte ins Leere. Shikamaru meinte, einen Schweißtropfen auf seiner Wange glitzern zu sehen. „Stimmt es, was dieser Bengel sagt?“, krächzte Kawarami erregt. „Red‘ schon, oder hast du deine Zunge verschluckt?“ „Ihr solltet nicht so mit ihm reden“, mischte sich Temari ein. Shikamaru hatte sie in seine Gedankengänge eingeweiht, und sie hatte ihr Ego zurück. Selbstbewusst trat sie neben ihn und ließ das Ende ihres Fächers demonstrativ auf den Boden krachen. „Er ist Euer diplomatisches Konterfei, Kawarami-sama. Der Stellvertreter von Oniyakushi Teito.“ „Nachdem er offenbar keinen Ton herausbringt“, sagte Gaara kühl, „wäre es ganz gut, wenn du fortfährst, Shikamaru. Was hat das zu bedeuten?“ „Ist das nicht schon offensichtlich? Oniyakushi Tarou und sein Leibwächter Yorino waren gute Bekannte, laut eigener Aussage sogar Freunde. Sie waren oft miteinander unterwegs und auf vielen Reisen ins Ausland. Selbst Nuriko kannte sie nur vom Hören her, wie wir gestern Abend erfahren haben. Eigentlich ist es eine Schande, dass wir nicht schon früher darauf gekommen sind. Was ist das Naheliegendste, wenn man der verängstigte Sohn eines Feudallords ist, der mit seinem Leibwächter zu einer wichtigen Zeremonie erscheinen soll, und wenn keiner der dort Anwesenden ihre Gesichter kennt?“ „Sie haben die Plätze getauscht?“, fragte Kankurou. Shikamaru nickte. „Ich werde euch später erzählen, wie ich darauf gekommen bin. Derjenige, der oben im ersten Stock neben einer getrockneten Sake-Pfütze liegt, ist jedenfalls Yorino, der Riff-Shinobi. Und das hier ist Tarou-sama, wie er leibt und lebt. Stimmt’s?“ Mit zittrigen Beinen stand der Mann schließlich auf. „Es stimmt“, murmelte er leise, den Blick immer noch gesenkt. „Und es war gut so, wirklich gut.“ „Tut mir leid“, meinte Shikamaru. „Aber das war es nicht.“ Tarou blickte ihn fragend an, als erkenne er, dass mehr dahinter steckte als nur das Bedauern, dass jemand gestorben war. „Das heißt also, dass, während dieser Mann hier in der Ninjakluft über keinerlei Shinobi-Fähigkeiten verfügt, der Tote im oberen Stockwerk sehr wohl Jutsus benutzen konnte?“, hakte Gaara nach. „Genau das heißt es. Und wenn wir diesen Umstand berücksichtigen, tun sich plötzlich eine unglaubliche Menge neuer Möglichkeiten auf. Und es beantwortet die Motivfrage.“ „Erklär uns das“, verlangte Kawarami. „Mendokusai, da muss ich so weit ausholen, dass ich die Lust daran verliere“, seufzte Shikamaru. Temari sprang für ihn ein. „Gestern beim Abendessen haben wir miteinander geredet. Tarou-sama, der sich als Yorino ausgab, hat einige Bemerkungen über Nuriko gemacht. Und Yorino, der in seinen geborgten Feudallord-Klamotten daneben saß, hat sie gehört.“ „Und was genau waren das für Bemerkungen?“, fragte Tsunade. Shikamaru übernahm wieder das Ruder. „Etwas in die Richtung, wie fähig Nuriko doch wäre, nicht wahr? Tarou-sama hat sie in hohen Tönen gelobt und gemeint, sie würde bald in Oniyakushi Teitos Privatgarde eintreten dürfen, weil dort kürzlich ein Platz frei geworden wäre. Wir haben diesem Umstand bisher wenig Beachtung geschenkt, weil wir dachten, es wäre Yorino gewesen, der das gesagt hatte. Was ist schon Großes dabei, wenn ein Shinobi eine Kameradin lobt und sichtlich begeistert von ihren Fähigkeiten ist, richtig? Aber jetzt, da wir wissen, wer es wirklich gesagt hat, nimmt alles eine ganz andere Note an.“ Er sah Tarou an und hatte einen Funken Verachtung und ansonsten Mitleid für ihn übrig. „Oniyakushi Tarous Worte haben nämlich beträchtlich mehr Gewicht als das Geplapper seines Leibwächters. Wenn Tarou-sama sagt, Nuriko wird es sicher bald in die Leibgarde des Feudallords schaffen, muss sich das für Yorino, der ja als Einziger seine wahre Identität kennt, so anhören wie: Sobald wir hier fertig sind, schreibe ich eine Empfehlung an meinen Vater, damit er Nuriko in seine Garde aufnimmt. Nach erfolgreicher Vertragsabwicklung wären sie sicher zu Teito-sama gereist. Und der beste Freund und langjährige, treue Beschützer des dritten Sohnes fühlt sich natürlich vor den Kopf gestoßen.“ „Also überlegt er, wie er seine momentane Identität nutzen kann, um Nuriko eins auszuwischen“, fuhr Temari fort. „Tarou-sama und Yorino wussten beide, dass sie von Pflichtgefühl zerfressen war. Und offenbar hatte Yorino eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was sie tun würde, wenn plötzlich der wichtigste Auftrag ihres Lebens fehlschlagen würde.“ „Er wollte sie in den Selbstmord treiben?“, fragte Tsunade fassungslos. „Das vermuten wir zumindest. Er hätte es ja auch fast geschafft, wenn ihr euch erinnert“, sagte Shikamaru. „Um Nurikos Stolz zu zerschmettern und sie als völlige Versagerin vor sich selbst dastehen zu lassen, musste er nur eins tun: seinen Tod vortäuschen und sie glauben lassen, es wäre Tarou-sama gewesen, der gestorben ist.“ „Moment“, rief Kankurou dazwischen. „Ich dachte, wir wären uns sicher, dass Ta… dass Yorino wirklich tot war?“ „Das sollten wir glauben“, sagte Shikamaru fürs Erste nur. „Es war ein simples Jutsu, das er angewandt hat. Dank Sakura und einem gewissen blonden Chaoten aus unserem Dorf bin ich dahintergekommen.“ Er nickte der rosahaarigen Kunoichi zu, die schweigend seinen Ausführungen lauschte. „Ich verstehe“, murmelte Tsunade. „Er hat eine Chakrastarre bei sich selbst angewandt.“ „So ist es. Yorino hat seine letzten Momente schlau inszeniert. Er bestellt ganz unverfänglich Sake; seine Leibwachen leiten den Wunsch weiter. Aya-san bringt ihm eine Flasche. Sie ist keine Kunoichi, also war es ihm vermutliches ein Leichtes, sie unter ein billiges Genjutsu zu setzen, damit sie nicht mitbekam, dass er Fingerzeichen wob und seinen eigenen Chakrapunkten medizinisches Chakra zuführte. Vielleicht hat er das sogar ohne Genjutsu getan, während Aya ihn nicht direkt angesehen hat.“ „Schließlich trinkt Yorino den Sake, wartet, bis sein Jutsu wirkt, und fällt kraftlos um“, sagte wieder Temari. „Seine Organe frieren durch das Jutsu förmlich ein, und der winzige Rest Chakra, der in seinem Leib bleibt und mit dem er das Jutsu noch regulieren kann, wird von Oushi als letzter Hauch interpretiert, der sich bald auflösen wird. Und keine Spur von einem fremden Chakra an ihm. So war es doch, oder?“ Oushi nickte. Entweder war er sprachlos, oder er zog es vor, nicht zu antworten. „Aya schreit und lockt damit uns auf den Plan“, fuhr Shikamaru fort. „Wir sehen die Leiche und denken sofort an Gift. Tsunade-sama versucht noch, ihn wiederzubeleben, aber das funktioniert nicht. Verständlich, wenn der Körper gar nicht tot ist und die Organe vom eigenen Chakra blockiert werden. Ich bin mir sicher, wenn Sie eine andere Behandlung eingesetzt hätten, wäre er ganz flugs wieder aufgewacht.“ Tsunade nickte verdattert. „Wir verlassen den Raum und beginnen mit unseren Ermittlungen – und das alles, noch bevor überhaupt jemand gestorben ist“, sagte Temari. „Inzwischen benutzt Tsunade-sama ihr Kryostasis-Jutsu, um die Leiche frischzuhalten. Sie haben mir selbst gesagt, dass es bei Lebenden keine Wirkung zeigt“, ergänzte Shikamaru. Die Hokage verzog den Mund. Er konnte verstehen, dass sie es als persönliche Schande ansah, nicht längst selbst darauf gekommen zu sein. „Yorinos Plan scheint sogar aufzugehen. Tarou-sama spricht noch ein wenig mit Nuriko, und sie wird sich ihres Verfehlens erst so richtig bewusst. Wir können sie allerdings davon abhalten, Selbstmord zu begehen, und lassen sie im Zimmer des Kazekage mit Medikamenten schlafen. Dann treffen wir uns alle zum Frühstück.“ „Und als ich das Zimmer verlassen habe, war Nuriko wirklich noch am Leben“, sagte Temari nun gewichtig. „Und wie ist sie dann gestorben? Sagt jetzt nicht, sie hat sich auch tot gestellt, und der Kopf ist ihr ganz von selbst von den Schultern gesprungen.“ Kawarami wollte wohl höhnisch klingen, aber irgendwie schienen ihm die Schlussfolgerungen der beiden zu imponieren, und vor diesem Hintergrund versagte seine Maskerade. „Wir waren alle am Frühstückstisch versammelt“, erinnerte Shikamaru. „Miyagi-san war ebenfalls im Erdgeschoss. Und vom Tisch aus konnten wir nicht auf die Galerie sehen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sich zu dem Zeitpunkt noch eine andere lebende Person im Haus befand – und zufälligerweise im erste Stock, nur einen Katzensprung vom Zimmer des Kazekage entfernt.“ „Yorino“, murmelte Tsunade düster. „Er hat wohl seine Chakrastarre aufgehoben, um nachzusehen, ob sein Plan Früchte getragen hat. Der Lärm, den Nuriko veranstaltet hat, war ziemlich laut. Vermutlich hat er gehört, was geschehen ist – oder er hat unseren Gesprächen beim Esstisch zugehört und die richtigen Schlüsse gezogen. Ich glaube mich zu erinnern, dass wir über Nuriko gesprochen haben und davon, dass sie in Temaris Zimmer schläft. Der Läufer auf der Galerie dämpft die Geräusche ziemlich gut. Ein Ninja wie Yorino kann natürlich lautlos darüber schleichen. Und übrigens, dreimal dürft ihr raten, welches Element er in seiner Funktion als Ninja wohl beherrscht hat.“ „Wind“, sagte Noi, nachdem sie alle einen Moment geschwiegen hatten. „Nachdem ich alle Möglichkeiten durchgespielt hatte, habe ich erkannte, dass auch der vermeintlich Tote Nuriko hätte ermorden können. Dazu müsste er erstens noch am Leben sein – was sich mit der Chakrastarre erklären lässt – und zweitens ein Wind-Ninja sein. Das hat mich letztendlich auf den Gedanken mit dem Rollentausch gebracht. Weiter im Text: Yorino erkennt, dass sein Plan doch nicht aufgegangen ist. Wenn er seine Scharade fallen lässt, hat ihm das überhaupt nichts gebracht. Aber er erfährt, dass Nuriko schläft, und wittert seine Chance. Jeder glaubt, er sei tot – und wenn seine Rivalin sich nicht selbst töten kann, übernimmt er das eben. Um jeden Zweifel zu zerstreuen, dass der totgeglaubte Oniyakushi Tarou dahinter steckt, ermordet er Nuriko auf überaus ninjatypische Art: mit einem Wind-Jutsu.“ „Und anschließend schleicht er ungerührt in sein eigenes Zimmer zurück, legt sich neben seiner Sakepfütze auf den Boden und versetzt sich wieder in Chakrastarre. Und überlässt uns unseren Verdächtigungen“, sagte Temari, nicht ohne Vorwurf in der Stimme. „Schön und gut.“ Gaara klang nicht überzeugt. „Wäre die Geschichte hiermit erledigt, hätte ich nichts einzuwenden. Aber danach sind Sakura und Sai gekommen und haben Yorino untersucht.“ „Richtig“, brummte Kawarami. „Ich dachte, ihr hättet Gift in seinen Blutbahnen und in der Trinkschale gefunden? Wollt Ihr uns erzählen, Ihr hättet euch geirrt, Ihr, die berühmte Tsunade-hime?“ „Wir haben uns nicht geirrt“, legte Tsunade mit verschränkten Armen fest. „Ich bin sicher, die beiden haben auch dafür eine Erklärung.“ „In der Tat.“ Shikamarus Mund war bereits trocken vom vielen Reden. Eigentlich hatte er geglaubt, er könnte den lange ersehnten Triumph ein wenig auskosten, aber er wollte es nur noch hinter sich bringen. „Bis hierher könnten man meinen, der Täter wäre gar nicht hier unter uns. Immerhin hat Yorino, der oben liegt, Nuriko umgebracht und zum Schein auch sich selbst. Aber das Gift wurde eindeutig festgestellt. Und es war noch nicht lange in seinem Körper. Wir nahmen an, das wäre der Kryostase geschuldet, aber mittlerweile wissen wir ja, dass Tsunade-samas Jutsu gar nicht gewirkt hat. In Wahrheit wurde Yorino das Gift erst kürzlich verabreicht. Es ist also tatsächlich ein Mörder hier in der Halle.“ Sofort wichen die Nicht-Ninjas zu den Wänden zurück, als rechneten sie mit einer Eskalation. Vermutlich war es ganz vernünftig. Niemand wusste, wie der Täter reagieren könnte, wenn er erst enttarnt war. Shikamaru hatte Sai und Sakura eingeweiht, zur Not konnten sie zu viert schnell reagieren. „Zu meinem Leidwesen war ich nicht der Erste, der hinter Yorinos und Tarou-samas Verwechslungskomödie gekommen ist. Das geschieht, wenn man mir meinen Schlaf nicht gönnt. Einer der hier Anwesenden hat den Trick mit der Chakrastarre durchschaut und sich gedacht, er könnte doch mitspielen und Yorino nach dem Mord an Nuriko wirklich vergiften. Er muss ihm das Bleichtropfen-Gift eingeflößt und dann etwas davon auf den Boden der Trinkschale, die immer noch in seinem Zimmer herumlag, gestrichen haben. Yorino stirbt, wahrscheinlich ohne zu wissen, wie ihm geschieht. Und aus seinem Theaterspiel wird Realität. Tsunade-sama und Sakura untersuchen schließlich die Leiche, erkennen das Gift, und alle glauben, Yorino wäre schon seit gestern Abend tot.“ „Wer war es dann?“, fragte Kawarami. Er runzelte seine Stirn so heftig, dass sein Gesicht aussah, als könnte es bald auseinanderfallen. „Wer hat Yorino vergiftet?“ „Derjenige, der das Chakrastarre-Jutsu als Erstes durchschaut hat“, antwortete Shikamaru. „Derjenige, der sich nach eigener Aussage viel theoretisches Wissen über alle möglichen medizinischen Jutsus angeeignet hat. Nicht zu vergessen derjenige, den der echte Tarou-sama in Yorinos Zimmer erwischt hat.“ Shikamaru Augen fixierten Kumuis pechschwarze. Der Ninja war schon die ganze Zeit über verdächtig still gewesen. „Du? Du warst das?“, polterte Kawarami los. „Du hast bemerkt, dass er noch nicht tot war, und hast nichts gesagt?“ „Im Gegenteil“, sagte Temari. „Er hat diesen kleinen Schönheitsfehler in der Geschichte ausgebessert und Yorino tatsächlich umgebracht.“ Kumui ließ demütig den Kopf hängen. Er leugnete nichts, was Shikamaru an sich schon als halbes Geständnis wertete. „Warum hast du das getan?“, fragte Kawarami seinen Untergebenen. Kumui schwieg immer noch. „Das kann ich Euch sagen“, antwortete Shikamaru für ihn. „Zumindest habe ich eine Vermutung. Er wollte sich bei Euch beliebt machen.“ Kawarami blinzelte. „Indem er mir so etwas Wichtiges vorenthält?“ „Indem er es uns allen vorenthält.“ Shikamaru richtete seine Worte nun auch an die anderen. „Was glaubt ihr, warum hat Tarou-sama sich uns nicht zu erkennen gegeben?“ „Weil er Angst hatte“, vermutete Sakura, während der echte Tarou ihn nur unglücklich ansah. „Richtig. Er hat geglaubt, Yorino wäre einem Attentat zum Opfer gefallen, das eigentlich ihm galt. Genau deswegen haben die beiden ja die Plätze getauscht. Nun stellt euch alle mal vor, wie es nun weitergehen wird, da wir den Schwindel aufgeklärt haben. Die Urkunde kann man anfechten, da keiner aus der Oniyakushi-Familie sie unterschrieben hat, sondern nur ein Shinobi in deren Diensten. Aber das macht nichts, Tarou-sama und Kawarami-sama sind beide noch hier. Sie werden den Vertrag neu unterzeichnen, und alles ist in Butter. Wir können die Barriere auflösen und uns auf den Heimweg machen.“ Shikamaru kratzte sich am Kopf. „Was, wenn wir einfach nicht darauf gekommen wären? Wenn wir tatsächlich Temari die Schuld an Nurikos Tod gegeben hätten? Yorino hätte irgendwann aufwachen und uns den Schwindel erklären müssen. Sicher hätte er eine Geschichte erfunden, wonach er die Feinde seines Herrn mit dieser Aktion aus der Reserve locken wollte, oder weiß der Kuckuck was. Oder er wäre weiterhin als Oniyakushi Tarou aufgetreten, der dank einem riesengroßen Wunder doch nicht gestorben ist – etwas in dieser Richtung. Vielleicht hätten wir ihn dann verdächtigt, oder der Verdacht um Temari wäre schon zu gefestigt gewesen. In jedem Fall hätte es sich aufgeklärt, und der Vertrag hätte erneut unterzeichnet werden können, diesmal richtig. Und immer noch hier vor aller Augen.“ „Oder Yorino hätte sich einfach totgestellt, bis man ihn begraben hätte, oder etwas in der Art“, fügte Temari hinzu. „Als Ninja hätte er sicher einen Weg gefunden, sich zu befreien. Wenn er dann zu seinem Herrn zurückgekehrt wäre, hätten wir kaum davon erfahren. Und für seine Dienste hätte er sicher den Posten in der fürstlichen Leibgarde erhalten, für den er sogar seine Kameradin umgebracht hat.“ „Das ist auch eine Möglichkeit, ja“, bestätigte Shikamaru. „Wie auch immer. Jedes dieser Szenarien läuft darauf hinaus, dass entweder der echte Oniyakushi Tarou die Urkunde unterzeichnet hätte – wohlgemerkt hier, während unserer Versammlung –, oder dass die Maskerade unbemerkt geblieben wäre.“ „Ich verstehe nicht ganz, worauf ihr hinauswollt“, brummte Kawarami. „Es ist ganz einfach“, mischte sich Gaara ein, der den Gedankengang zu Ende gedacht hatte. „Das Flussreich wollte dem Riffreich nie die Unabhängigkeit gewähren. Erst als sich zwei große Ninjadörfer eingemischt haben, habt Ihr zugestimmt. Euer Bündnis mit dem Raikage kam auch zu spät. Hier in dieser Barriere müsst Ihr tun, worüber wir bereits übereingekommen sind, und den Vertrag unterzeichnen. Selbst wenn sich herausstellt, dass wir alle von einem Doppelgänger veräppelt wurden, solange der echte Tarou-sama am Ende seine Unterschrift gibt, müsst ihr das Riffreich abtreten. Aber wenn Ihr wieder in Eurem eigenen Land seid und einer Eurer Untergebenen Euch erzählt, dass der Vertrag ungültig ist, weil der Falsche unterzeichnet hat, dann könntet Ihr darauf pochen, dass man Euch vorsätzlich reinlegen wollte. Ihr müsst nur wieder nach Hause zurückkehren, und der träge Verwaltungsapparat arbeitet wieder für Euch.“ „Ich verstehe“, meinte nun auch Tsunade. „Ihr könntet eine neue Aushandlung verlangen. Eine klassische Verzögerungstaktik. Ihr könntet behaupten, dass Ihr gar keine Gelegenheit hattet, den Vertrag ordentlich abzuschließen, weil der echte Vertreter des Riffreiches sich nicht zu erkennen gegeben hat. Und Ihr könntet den Reichen des Feuers und des Windes folgende Botschaft übermitteln: Das Riffgebiet gehört von Rechts wegen immer noch mir. Oniyakushi Teito wollte mich betrügen, also ist unsere Abmachung ungültig. Ich werde mir das Gebiet wieder einverleiben, es gehört mir. Wenn ihr euch einmischt, macht euch das zu Verbündeten dieser Betrüger. Der Kazekage und ich müssten Euch gewähren lassen, weil das Recht offenbar auf Eurer Seite steht. Und mit dem Raikage in Eurem Rücken habt Ihr sogar ein geeignetes Druckmittel. Diese kleine Angelegenheit könnte einen neuen Ninjakrieg entfesseln.“ Kawarami schloss die Augen, als würde er grübeln. „Ist das wahr?“, fragte er Kumui. „Alles für das Reich der Flüsse“, murmelte der Ninja nur, den Blick immer noch gesenkt. Der Feudallord nickte und wandte sich an die Kage. „Einer meiner Leibwächter hat in meinem Namen einen Mord und eine riesige Dummheit begangen. Ich werde das selbstverständlich selbst verantworten. Kumui wird der Prozess wegen Überschreitung seiner Kompetenzen gemacht, darauf habt Ihr mein Wort. Ich lade alle hier Versammelten ein, dem beizuwohnen. Ihr werdet sehen, dass er bestraft wird.“ Die anderen schwiegen nur. Shikamaru und Temari wechselten einen bezeichnenden Blick. Natürlich würde das alte Runzelgesicht es nicht zugeben, wenn es selbst hinter der Sache steckte. Sie konnten unmöglich nachweisen, dass Kumui Kawarami von der Sache erzählt und erst entsprechende Anweisungen erhalten hatte und nun als Sündenbock herhalten musste. Fast tat der Ninja Shikamaru leid. Das Schweigen dehnte sich aus, ehe überraschender Weise Tarou das Ruder übernahm. „Da wir nun so weit gekommen sind, lasst mich den Vertrag unterzeichnen“, sagte er leise, traurig, fast schüchtern. Sein bester Freund war gestorben, dachte Shikamaru, und es war kein besonders ehrenvoller Tod gewesen. Kawarami war schließlich der Erste, der in den Raum stapfte, in dem gestern die Zeremonie abgehalten worden war – ganz so, als wolle er seinen guten Willen beweisen. Shikamaru seufzte tief, als die Sache damit für ihn mehr oder weniger erledigt war. Überall flammten noch Gespräche über diese lange, vertrackte Nacht auf, aber er hatte alles gesagt, was er wusste. Temari gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Gut gemacht“, grinste sie leise und folgte Gaara dann in den Zeremonienraum. Bis Tarous Unterschrift endlich auf der Schriftrolle landete und Gaara, Noi und Oushi zu dritt die Barriere sinken ließen, rechnete Shikamaru fest damit, dass noch irgendetwas Lästiges passieren würde. Irgendein weiterer Mord, der auf den ersten Blick gar keinen Sinn machte und an dessen Erklärung er sich erst wieder quälend langsam würde herantasten müssen. Aber endlich war ihm das Glück hold. Der ganze Rest ging sang- und klanglos und vor allem ohne zusätzlichen Stress über die Bühne. Die Sonne stand schon tief, als die fünfzehn Leute sich vor dem Anwesen trennten und Shikamaru endlich wieder die Luft von jenseits der Barriere roch. Taa hatte offenbar nicht vor, das Anwesen in nächster Zeit wieder zu benutzen; er hatte seine Sachen gepackt und nahm Aya und den Koch mit in eine andere Residenz, von denen er ja offenbar genügend besaß. Weil sie Sakura im Krankenhaus von Konoha haben wollte, wies Tsunade Sai und Oushi die unschöne Aufgabe zu, Tarou in die Hauptstadt des neu gegründeten Reiches zu seinem Vater zu begleiten. Das Anwesen wurde im Namen des neuen Feudallords versiegelt. Tsunade hatte über die beiden Leichen ein temporäres Kryostasis-Jutsu gewirkt, das sie lange genug konservieren würde, bis Oniyakushi Teitos Leute sie fortschafften, gegebenenfalls erneut untersuchten und schließlich beisetzten. Kawarami und seine beiden Begleiter marschierten ohne ein Wort des Abschieds davon. Wahrscheinlich würde er sein Versprechen halten und Kumui öffentlich bestrafen; Shikamaru glaubte nicht, dass er da Skrupel hätte. Er war nach wie vor davon überzeugt, dass der Feudallord den Mord an Yorino befohlen oder zumindest in die Tat eingewilligt hatte, aber so war das Leben im Reich der Mächtigen. Immerhin war das Reich der Riffe nun unabhängig, und niemand konnte mehr etwas daran rütteln. Dafür sollten alle Beteiligten wohl dankbar sein. „Also dann“, sagte Temari, als sich auch die Suna-nins verabschiedeten. So gut gelaunt hatte Shikamaru sie schon lange nicht mehr gesehen. „Vielleicht solltest du das Ninja-Dasein an den Nagel hängen und Detektiv werden“, schlug sie ihm vor. „Hör mir damit auf“, murmelte er und wich ihrem Blick aus. „Ich nehme in Zukunft nur noch Missionen an, bei denen ich nicht Gefahr laufe, das frühzeitige Ableben anderer erklären zu müssen.“ „Dann wäre dein Talent aber verschwendet“, erklärte sie belustigt und hob grüßend die Hand. „Wir sehen uns. Vermutlich schneller, als wir beide erwarten.“ „Ja“, sagte er. „Vermutlich. Ist ja immer so.“ Als die Sandninjas ihnen den Rücken zuwandten und ihrer Wege gingen, schlugen auch Tsunade, Sakura und Shikamaru die Richtung ein, die zurück nach Konoha führte. „Du willst also künftig nur Missionen haben, bei denen du nicht mit Toten zu tun hast?“, fragte Tsunade nach kurzem. „Das war zwar nur so daher gesagt, aber wenn es sich einrichten lässt, gerne.“ Aufträge ohne Mord- und Totschlag waren für jemanden wie ihn wohl genau richtig, denn streng genommen fielen dann auch sämtliche Missionen weg, in denen er kämpfen müsste. „Dann habe ich genau die richtige für sich“, erklärte Tsunade, und das Grinsen auf ihrem Gesicht gefiel Shikamaru ganz und gar nicht. „Naruto wird bald wieder auf dem Damm sein, du kennst ihn. Ich habe schon überlegt, jemanden dazu abzukommandieren, ihn beim Training zu überwachen, damit er es nicht gleich wieder übertreibt. Klingt das nicht lohnenswert?“ Naruto beim Training überwachen? Shikamaru konnte sich nichts Anstrengenderes vorstellen. „Ich hab’s mir überlegt. Ich nehme alles zurück.“ Tsunade und Sakura lachten, dann wurde die Hokage wieder ernst. „Jetzt mal ganz ohne Scherze: Gut gemacht. Ich hoffe, ich kann auf dich zählen, sollte mal wieder etwas Ähnliches vorfallen, für das wir deinen Intellekt brauchen.“ Shikamaru betrachtete unglücklich die Wolken am Himmel. Gelb waren sie im Licht des Sonnenuntergangs. Er seufzte schwer. „Mendokusai. Bleibt mir was anderes übrig?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)