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Closed Barrier Murder

Ein Shikamaru Nara-Krimi
von

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Homicide/Suicide

Die Flüche von Nuriko, der Leibwächtern des Toten, wurden immer lauter, ihre Schläge gegen die Holzwand immer heftiger, bis die Balken unter ihrer Kraft erzitterten. Ansonsten war es im ersten Moment totenstill in dem Raum.

Shikamaru ging es nicht anders als Yorino, dem zweiten Wächter. Er konnte nicht anders, als in Tarous glanzlose Augen zu starren. Es war die Mission von ihnen allen gewesen, die Zeremonie zu überwachen und darüber hinaus alle zu schützen, die damit zu tun hatten. Dass der Sohn des neuen Feudallords hier vor ihnen lag, bedeutete nicht weniger, als dass sie versagt hatten.

Tsunade fluchte, lief auf den Toten zu und fühlte den Puls. Richtig, dachte Shikamaru, sie mussten einen kühlen Kopf bewahren. Noch stand gar nicht fest, ob Tarou tot war – dieses abrupte Aufwachen und der Sprint hierher schränkten seine Denkleistung wohl ganz schön ein. Er trat hinzu, um den Körper ebenfalls zu begutachten. Tsunade drehte ihn bereits auf den Rücken und grünes Chakra flammte in ihren Handflächen auf.

Schritte trampelten hinter ihnen im Flur. „Was ist los? Was ist geschehen?“ Taa, der weißbärtige Hausbesitzer, kam hereingestürzt und stieß einen Schrei aus, als er seinen Herrn am Boden liegen sah. „Aya! Was … Was hat er?“ Aya, das schüchterne Dienstmädchen, kauerte in einer Ecke, so weit wie möglich von der Leiche entfernt. Zu ihren Füßen lag ein Serviertablett.

Tsunade biss die Zähne zusammen, hochkonzentriert. Schweiß lief über ihre Stirn. Es dauerte eine schiere Ewigkeit, bis sie mit der Behandlung aufhörte. „Es bringt nichts“, murmelte sie. „Keine Reaktion aus seinem Chakrasystem. Was immer er erwischt hat, es hat verdammt schnell gewirkt.“

Shikamaru tauchte einen Finger in die kleine Sake-Lache am Boden und schnupperte daran. Er erwartete gar nicht, irgendetwas Ungewöhnliches zu riechen, und genauso war es auch.

„Also war es vermutlich Mord?“, fragte ihn Temari.

„Ganz klar Mord. Sonst würde er kaum so daliegen.“

„Der Meinung bin ich auch.“

Tsunade richtete sich auf und rief in den Gang hinaus: „Oushi! Wo bleibst du?“

„Das wart ihr!“ Die brüchige Stimme ließ Shikamaru herumfahren. Nuriko, die kleingewachsene, junge Riff-Kunoichi funkelte Lord Kawarami und seine Begleiter böse an. „Gebt es zu! Ihr habt ihn umgebracht!“

Der verhutzelte Feudalherr rümpfte nur die Nase. „Als ob ich einer vorlauten Göre Rechnung schuldig wäre.“

Wie war das? Unser … Der Sohn des neuen Feudalherrn ist tot!“

„Weil ihr nicht gut genug auf ihn aufgepasst habt. Gebt uns nicht die Schuld an eurer Unfähigkeit“, zischte der Fluss-Ninja, den Shikamaru noch nicht kannte. Die Stimme war eindeutig zu hoch für einen Mann – also war sie tatsächlich eine Frau. Das kantige Gesicht, der drahtige Körperbau und die flache Brust täuschten gelungen darüber hinweg.

„Langsam“, versuchte Shikamaru die Situation zu entschärfen. „Noch ist niemand verdächtig. Tragen wir doch erst mal die Fakten zusammen. Wer hat den Schrei vorhin ausgestoßen?“

Temari deutete stumm auf die Dienerin, die sich an die Wand drückte, in Tränen aufgelöst, und von Taa an der Schulter gerüttelt wurde. „Er ist … Einfach so … Ich habe gar nichts gemacht …“, brachte sie zittrig hervor.

Shikamaru seufzte. Da konnte ja heiter werden.

Flink wie ein Schatten erschien Oushi neben Tsunade. „Hier bin ich.“

„Wo hast du gesteckt?“, fuhr die Hokage ihn an. „Hier ist jemand gestorben, und das halbe Haus wurde zusammengeschrien!“

„Ich weiß“, sagte der Anbu ungerührt, das Gesicht hinter der Katzenmaske verborgen. „Ich war schon im Raum, ehe ihr alle gekommen seid. Gleich, als die Wachen die Tür aufgerissen haben. Dann hab ich das Haus durchsucht.“

„Und was hast du gesehen?“, hakte Tsunade nach und tippte ungeduldig mit ihren Fingern auf den Oberarm.

„Hier drin nicht viel. Eine verzweifelte Dienerin, einen Toten. Draußen auch nicht. Die Barriere ist unberührt, rund um das Haus ist alles sauber.“

„Hilf den anderen beim Untersuchen“, murmelte Tsunade. Das plötzliche Ereignis ließ sie gereizt werden.

Oushi kniete neben Shikamaru und hielt eine Hand über die Leiche. Shikamaru erinnerte sich daran, was Tsunade ihm über die Fähigkeiten des Anbu gesagt hatte: Er war ungeschlagen im Aufspüren von Chakraresten, wie geschaffen für das Aufklären von unnatürlichen Vorkommnissen. Tsunade hatte wohl schon damit gerechnet, dass etwas in der Art passieren könnte … Aber offenbar hatte der reibungslose Ablauf gestern Abend sie ebenso in Sicherheit gewiegt wie ihn.

Während der Anbu am Werk war, ging Shikamaru die Wände des Zimmers ab, klopfte dann und wann gegen das Holz und überprüfte auch die Bodendielen. Man konnte nie wissen, worauf man stieß … Er allerdings stieß auf gar nichts. Keine versteckte Tür, kein zweiter Ausgang. Es gab keine Fenster, durch die irgendein Attentäter in den Raum hätte gelangen  können. „Wart ihr die ganze Zeit vor der Tür und habt Wache gehalten?“, fragte Shikamaru die beiden Riff-Ninjas. Beide nickten, Nuriko mit zornblitzenden, Yorino mit leeren Augen.

Seine Katzenmaske ruckelte, als Oushi schließlich den Kopf schüttelte. „Keine Spuren von fremdem Chakra auf seiner Kleidung. Ich sehe auch keine Wunden oder Ähnliches. Da sind nur die Reste seines eigenen Chakras, die gerade am Erlöschen sind.“

„Also wirklich Gift.“ Shikamaru kratzte sich am Kinn. „Es wirkt, als hätte er ganz normal Sake getrunken und wäre plötzlich umgefallen.“ Er trat auf Aya zu. „Ich weiß, das ist viel verlangt, aber kannst du uns erzählen, was du gesehen hast?“

Die Dienerin sah geradewegs durch ihn hindurch. „Tot … Er ist tot …“

„Aya! Das sind wichtige Leute, mit denen du sprichst!“, sagte Taa scharf.

Das brachte sie zur Besinnung. Sie zuckte zusammen und sah Shikamaru mit neuer Klarheit an. „Ich … Also …“ Sie schluckte trocken.

„Vielleicht solltest du ihr ein Glas Wasser bringen“, meinte er zu Taa. Und zwar unvergiftetes, fügte er in Gedanken hinzu.

Der Hausherr nickte und lief nach unten in die Küche. Aya begann dennoch zu erzählen. „Mir wurde nur gesagt, der edle Herr wolle Sake trinken. Also habe ich ihm eine Flasche gebracht … Mehr nicht.“

„Eine Flasche und eine Schale?“, hakte Shikamaru nach. Neben der Leiche lag eine kleine Sakeschale. Ein Stück war aus dem Rand gebrochen, als sie zu Boden ging.

Aya nickte. „Er hat sich bedankt. Und dann hat er mir Fragen gestellt.“

„Was für Fragen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Dies und das. Er wollte noch einmal meinen Namen wissen und wie lange ich schon hier arbeite und wie es mir gefällt … Ich habe ihm eingeschenkt, während wir geredet haben, und nach dem ersten Schluck …“ Aya schlug die Hände vor den Mund. „Ich dachte, er macht einen Scherz! Plötzlich ist er umgekippt, einfach im Sitzen umgekippt, und dann hat er sich nicht mehr gerührt!“

„Da habt ihr eure Mörderin“, sagte Lord Kawarami säuerlich. „Schon traurig, wenn einem die eigenen Landsleute umbringen.“

„So etwas würde Aya nie tun!“, rief Nuriko erregt. „Das stinkt mir eher nach einem feigen Attentat, wie es die Fluss-Ninjas immer schon gerne getan haben!“

„Zu denen ihr genauso gezählt habt“, hielt ihr die Fluss-Kunoichi entgegen.

„Darum wollten wir die Unabhängigkeit! Weil wir einfach nicht zu euch passen!“

Dafür hatte die Fluss-Kunoichi nur ein Lachen übrig. „So hehr und edel. Und trotzdem stirbt euer Herr eines so langweiligen Todes.“

Das schien das Fass für Nuriko zum Überlaufen zu bringen. An ihrer Stirn begann eine wütende Ader zu pochen. Im dämmrigen Licht blitzend, tauchte ein Kunai in ihrer Hand auf. „Du, ich werde dich …“ Sie wollte sich auf die andere stürzen, aber Kumui ging gekonnt dazwischen. Nurikos Zorn schien ihre Reaktionen zu hemmen. Der Fluss-Shinobi mit der grauen Haarmähne fing ihre Waffenhand auf und verpasste ihr mit der anderen einen blitzschnellen Schlag gegen den Kehlkopf. Nuriko würgte und stolperte zurück, rang nach Luft.

„Hört sofort damit auf!“, sagte Tsunade scharf. „Wir können hier wirklich keinen Kampf gebrauchen!“

Nur langsam schaffte es Nuriko, ihren Atem zu beruhigen. Dunkle Strähnen klebten ihr am schweißnassen, hochroten Gesicht, aber die Hokage überzeugte sich mit einem Nicken, dass es ihr gutging. Die Kunoichi schwieg, funkelte die Flussleute aber böse an.

„Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen“, sagte plötzlich Gaara. Shikamaru hatte ihn gar nicht kommen gehört – wieder dieser lästige Schlafmangel. Selbst jetzt schien der Kazekage die Ruhe in Person. „Tsunade-sama. Sie können das Gift doch sicher identifizieren.“

„Ich kann es versuchen“, sagte die Hokage. „Für eine ordentliche Analyse bräuchte ich allerdings meine medizinische Ausrüstung, und die habe ich nicht dabei. Aber ich gebe mein Bestes.“

„Bis diese Sache nicht geklärt ist, sollten wir die Barriere nicht auflösen“, beschloss Gaara. „Eine neue Nation wurde gegründet und in derselben Nacht ihr Vertreter getötet. Nichts kann die Barriere so einfach verlassen – das sind optimale Bedingungen, um den Mörder zu fassen.“

Shikamaru sah ihn nachdenklich an. Gaara sprach das an, worüber er sich bereit die ganze Zeit Gedanken machte. Es gab genau fünfzehn Personen in diesem Haus – oder, den jüngsten Entwicklungen zufolge, vierzehn Lebende und einen Toten. Die Suna-nins hatten das Gebäude gründlich durchsucht, ehe die Barriere errichtet worden war, und seither war diese undurchbrochen und konnte nur durch das Zusammenspiel der vier Ninjas, die sie errichtet hatten, wieder aufgelöst werden. Das ließ nur einen Schluss zu.

Der Mörder war hier in diesem Haus. Und er hatte entweder mit Shikamaru zu Abend gegessen oder selbiges angerichtet oder hergebracht. Ihm lief es kalt den Rücken hinunter. Shinobi waren von Grund auf vorsichtig und misstrauisch, aber bei einer diplomatischen Mission das Essen vorzukosten, noch dazu, wenn alle aus den gleichen Tellern nahmen, ging zu weit und führte überdies nur zu Reibereien. Und nun war eine Katastrophe passiert. Einen Ninjaangriff hätten sie ohne Zweifel abwenden können. Tarou war von zwei treuen Leibwachen beschützt worden, und einen allzu großen Chakraansteig oder Kampfgeräusche hätten auch die anderen bemerkt.

Aber hier lag ein Nicht-Ninja in einer Sakepfütze, tot, und mit den Mitteln eines Nicht-Ninjas ermordet.

Taa kam zurück mit einem Glas Wasser, von dem die Dienerin in kleinen Schlucken trank. Langsam schien sie sich zu beruhigen. Vermutlich war es das erste Mal, dass sie eine Leiche gesehen hatte – eine Leiche, die sogar noch warm war.

Tsunade wandte sich den vier Barriere-Ninjas zu. „Könnt ihr ein kleines Tor in der Barriere öffnen? Ich möchte ein Beschwörungsjutsu ausführen, um nach medizinischem Material und meiner Assistentin zu schicken.“ Shikamaru erinnerte sich, dass die Hokage über ihre Schnecke Katsuyu mit Shizune in Verbindung hatte bleiben wollen, für den Notfall. „Brauchen wir sonst noch etwas, um den Täter zu überführen?“ Diese ihre Frage galt Shikamaru. Also erwartete sie, dass er sich um die Ermittlungsarbeit kümmerte. Mendokusai.

„Ich denke, ich werde damit fertig“, murmelte er. „Außer die Leiche zu untersuchen, können wir genauso gut ohne Hilfsmittel arbeiten.“

„Warten Sie!“, rief plötzlich Yorino, der immer noch kreidebleich war. „Sie wollen ihn doch nicht … aufschneiden oder so …“

„Und wenn?“, fragte Tsunade stirnrunzelnd. „Eine Obduktion ist wahrscheinlich nötig, um die Wahrheit zu erfahren.“

„Das dürfen Sie nicht! Ich … Ich meine … Tarou war mehr als mein Herr. Er war mein Freund. Und ich weiß, dass sein Vater ihn lieber … Er will ihn sicher so zurückhaben, wie er jetzt ist!“ In einem Stück, wollte er wohl sagen.

„Das stimmt“, sprang ihm Nuriko bei.

Tsunade seufzte, Shikamaru innerlich ebenfalls. Wie verdammt unprofessionell für zwei angeblich so hervorragende Ninjas. „Also schön. Von Konoha ist es nur ein Tag bis hierher. Wir lassen ihn einstweilen unberührt. Ich werde ihn nur mit einem Kryostasis-Jutsu belegen, damit die Leiche konserviert bleibt.“ Ihr Blick wurde finster „Wenn die Analyse des Sake oder seines Blutes und die Ermittlerfähigkeit von Shikamaru allerdings nicht ausreichen, werde ich ihn der pathologischen Abteilung von Konoha übergeben, damit das klar ist. Ein ungeklärter Mord an jemandem wie ihm ist sicher nicht im Interesse von Lord Teito.“

Yorino biss sich auf die Lippen und nickte dann unglücklich.

„Entschuldigt“, meldete sich Taa zu Wort. „Sehe ich das richtig? Ihr wollt hier in der Barriere bleiben, bis Ihr den Mord aufgeklärt habt?“

„So ist es.“

„Und sehe ich das richtig, dass der Mörder …“ Taa schluckte unbehaglich.

„Noch hier im Haus ist. Davon gehe ich aus.“

Taa schlug die Hände über dem Kopf zusammen und murmelte etwas Unverständliches.

Shikamaru kratzte sich im Nacken. „Dann fang ich wohl mal mit dem Ermitteln an.“ Obwohl ihm eindeutig der Schlaf fehlte.

„Was gibt es da überhaupt noch zu ermitteln?“, fing Nuriko wieder bitterböse an. „Es ist doch klar, wer dahintersteckt. Das Flussreich war immer dagegen, dass wir uns abspalten, natürlich waren sie das!“

„Ach? Wer war denn ständig in Tarous Nähe? Wem wäre der Mord denn am leichtesten gefallen?“, giftete die Fluss-Kunoichi zurück.

„Seid so gut und haltet euch mit Anschuldigungen zurück“, seufzte Shikamaru. „Ihr macht das alles nur noch viel lästiger.“

„Noi, halt den Mund“, wies Lord Kawarami seine Leibwächterin an. „Und dir, Mädchen, lass mich eines sagen. Wenn ich Tarous Tod wegen der Sache mit der Unabhängigkeitserklärung gewollt hätte, hätte ich nicht gewartet, bis wir alle die Urkunde unterzeichnet hätten. Tot oder nicht, seine Rolle ist erfüllt. Ihr seid jetzt ein eigenständiges Reich.“

Nuriko verstummte, ihr Gesicht wirkte, eingerahmt von losen schwarzen Strähnen, noch finsterer. Was Kawarami gesagt hatte, nagte auch an Shikamaru. Gerade deshalb ergab es keinen Sinn, dass jemand Tarou jetzt töten wollte, nachdem die Zeremonie über die Bühne war. Es sei denn, das alles war von langer Hand vorbereitet gewesen und es hatte nur zu lange gedauert, bis er den richtigen Schluck Sake in die Kehle bekam …

„Also gut“, seufzte er. „Zuerst möchte ich wissen, wo ihr euren Sake gelagert habt.“

 

Der Keller war direkt in den Felsen gehauen, der hier unten recht hell, fast freundlich war. Zusammen mit Shikamaru und Taa stieg noch eine andere Person durch die schmale Luke im Raum neben der Küche.

„Ich würde nur gern wissen, warum du schon wieder auf mir klebst“, maulte er.

„Wir haben genauso viel Interesse daran wie ihr, diese Sache aufzudröseln“, sagte Temari, während sie vor ihm die wackelige Leiter hinunterstieg. Als nur noch ihr Kopf aus der Öffnung ragte, drehte sie sich zu ihm um und fügte mit einem undefinierbaren Lächeln hinzu: „Außerdem kenne ich da einen Shinobi, der so faul ist, dass er die wichtigsten Hinweise am Ende absichtlich übersieht.“

Mendokusai.

„Hier werden die Flaschen und die Nahrungsmittelvorräte gelagert“, sagte Taa, als sie alle unten angelangt waren, und deutete auf die hölzernen Stellagen, die in dem gewölbten Kellerloch aufgebaut waren. Sogar elektrisches Licht gab es hier, eine einzelne Lampe erhellte den Raum. Shikamaru sah getrocknete Früchte, einige unbeschriftete Behälter und in einem Regal gut fünfzig der typischen, tonfarbenen Sakeflaschen. „Die meiste Zutaten für das Essen gestern wurden aber frisch hergebracht.“

„Der Sake auch?“

„Nein, der …“ Taa druckste ein wenig herum und kratzte sich am Hinterkopf. „Der stammt aus meinem Privatbestand. Ich habe immer ein paar Flaschen hier. Ich benutze es als Wochenendhaus, wisst ihr.“

Shikamaru nahm eine der Sakeflaschen, die einladend auf Augenhöhe standen, zog den Korken heraus und schnupperte daran. „Die jetzt alle durchzukosten ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem wäre es sicher nicht klug, wenn Lord Tarou schon ein einziger Schluck umgehauen hat.“ Er stellte die Flasche zurück. „Gibt es hier in der Nähe überhaupt eine Möglichkeit, an Gift zu kommen? Auf natürliche Weise, meine ich. Irgendwelche giftigen Pflanzen, oder Pilze oder Schlangen?“

„Nicht wirklich“, meinte der Hausbesitzer. „Das Einzige, was mir einfällt … Unten an den Riffen gibt es vielleicht noch diese speziellen Korallen. Es heißt, wenn man sie zerstößt, können sie in ausreichender Menge ziemlich gefährlich sein.“

„Also hättet ihr theoretisch die Möglichkeit gehabt, solche Korallen zu ernten und in den Sake zu mischen?“

Taa starrte ihn an, fast so bleich wie sein Eisbart. „Ich … Das … Das würden wir nie …“

Theoretisch, sagte ich.“

Der Hausherr wich seinem Blick aus und knetete seine schweißnassen Hände. „Nun ja, schon. Aber man muss schon ziemlich tief tauchen, um diese Korallen zu finden. Und … ich bin nicht mehr der Jüngste. Mein Rücken tut mir schon beim Treppensteigen weh … Und Aya, ich glaube nicht, dass sie so gut schwimmen kann. Und Miyagi – der Koch –, er ist, nun ja …“

Es war nicht nötig, dass er weiterredete. Miyagis Leibesfülle sprach für sich. „Aber es wäre möglich gewesen, dass ihr irgendjemanden dafür engagiert“, meinte Temari. „Mit ein wenig Geld lässt sich sicher auch ein Ninja dafür finden.“

„Ja … Vielleicht, aber trotzdem …“

Taa verstummte. Er könnte wohl höchstens immer wieder versichern, unschuldig zu sein.

„Was mich stört, ist die Menge“, sagte Shikamaru nachdenklich. „Wenn man wirklich ziemlich viele Korallen zerstoßen muss, ist es vielleicht nicht mit einem Schluck getan. Abgesehen davon, dass wir nicht wissen, ob der Alkohol das Gift nicht irgendwie verändert. Und die Kage werden uns sicher nicht erlauben, jenseits der Barriere auf Korallenjagd zu gehen.“ Er seufzte. Nicht, dass er Lust hatte, dort im felsigen Meer herumzutauchen. Er kratzte sich am Kinn. „Und es kann trotzdem auch sein, dass jemand das Gift selbst mitgebracht hat. Es müssen ja keine Korallen sein.“ Shikamaru überlegte kurz. „Ich würde gern nochmal mit Aya sprechen.“

 

„Du hast die Flasche also nicht aus dem Keller geholt?“, fragte er das Dienstmädchen, das auf einem rohen Holzstuhl in der Küche saß und immer noch etwas blass um die sommersprossengesäumte Nase war.

Aya schüttelte den Kopf. „Wir haben hier einen kleinen Vorrat, wie ihr seht.“ Sie wies auf die Anrichte, wo noch einige Flaschen bereitstanden. „Damit wir nicht bis in den Keller hinunter müssen, falls jemand von den ehrwürdigen Herrschaften Durst bekommen sollte.“

„Hättet ihr denn auch jeden anderen mit diesem Sake bewirtet? Beispielsweise Lord Kawarami?“

„Ja, natürlich“, sagte Aya bestimmt. „Wer immer bei uns zu Gast ist, soll sich wie zuhause fühlen können. Das wurde uns aufgetragen.“

„Was denkst du?“, fragte Temari, als Shikamaru grübelnd den Blick schweifen ließ. „War nur eine Flasche vergiftet? Meinst du, das Attentat hatte eigentlich jemand anderem gegolten?“

„Ich glaube, es ist eher andersherum“, sagte er. „Wenn ich jemanden vergiften wollte, würde ich nicht darauf setzen, dass die Flasche genau den Richtigen erreicht. Ich glaube, wir können ausschließen, dass jemand den Sake hier in der Küche vergiftet hat.“ Er wandte sich wieder Aya zu. „Kannst du uns beschreiben, wie es war, als du Lord Tarou den Sake gebracht hast? Du hast die Flasche hier von der Theke genommen, ja? Was ist mit der Trinkschale?“

„Die Schalen sind in dem Schrank dort drüben.“ Aya deutete auf ein erhöht angebrachtes Kästchen, und als Temari es öffnete, standen dort noch weitere Tonschalen, säuberlich gestapelt. „Ich habe die erstbeste Flasche genommen, dann eine Schale – die oberste –, habe sie auf mein Tablett gestellt und bin gegangen.“

„Hast du auf dem Weg nach oben irgendwo Halt gemacht oder mit jemandem gesprochen?“

„Ja … Also, gesprochen. Mit den Wachen vor Tarous Zimmer. Sie waren es ja, die mir den Wunsch ihres Herrn mitgeteilt haben, Sake zu trinken. Ich habe ihnen gesagt, dass ich den Sake nun hätte, und dann bin ich hineingegangen.“

Wieder sah Temari Shikamaru erwartungsvoll an. „Glaubst du, dass jemand den Sake unterwegs vergiftet hat?“

„Hm.“ Er ließ seine grauen Zellen um diese Möglichkeit kreisen. „Allzu unwahrscheinlich ist es nicht. Schließlich laufen hier seit gestern so einige Ninjas herum. Aber Gift in eine Flasche Sake zu kippen, während eine Dienerin sie relativ nah am Körper transportiert … Ah!“, rief er aus.

„Was hast du?“, fragte Temari aufgeregt.

„Mir fällt gerade etwas ein. Aya, war der Sake offen?“

Die Dienerin sah ihn fragend an. „Äh, nein. Er war zugekorkt, bis ich bei Lord Tarou im Zimmer war.“

„Also das auch nicht.“ Shikamaru seufzte.

„Glaubtest du, jemand hätte ein Stück Korallen-Würfelzucker einfach so nebenbei in die Flasche geschnipst?“, fragte Temari belustigt.

„Möglich wäre es ja.“

Sie ließen Aya allein, schlossen die Tür zur Küche hinter sich und schlenderten nachdenklich den Flur zum Hauptraum entlang. „Wenn die Sakeflaschen tatsächlich aus Taas persönlichem Bestand kommen“, begann Shikamaru, „und wahllos auf der Theke organisiert standen, ebenso die Trinkschalen, und niemand gewusst hat, wer von den Gästen als Erstes Sake bestellen würde, dann kommt tatsächlich nur Aya selbst infrage.“

„Du meinst, dass sie gelogen haben könnte? Dass sie vielleicht selbst unterwegs das Gift in die Flasche getan hat, oder es von jemand anderem hat tun lassen? Aber warum? Warum zu diesem Zeitpunkt?“

„Hm. Tarou hatte seine Rolle erfüllt. Lord Kawarami hat das ja so treffend formuliert. Vielleicht deswegen zu diesem Zeitpunkt. Er hat es geschafft, dass dieses Land jetzt unabhängig ist. Mehr konnten sie von ihm nicht erwarten.“

„Und weiter?“, fragte Temari.

„Wir haben bis jetzt angenommen, dass dieser Mord politischer Natur ist. Aber was, wenn es um etwas viel Banaleres geht? Oniyakushi Tarou kannte vermutlich diese Leute hier. Vielleicht nur flüchtig, aber auch wenn er oft im Ausland unterwegs war, er ist hier im Reich der Riffe aufgewachsen. Vielleicht hat er – oder sein Vater – irgendwann den Groll von Aya oder Taa erregt.“

„Hm, das könnte sein … Dann hätten sie einen Grund, ihn erst nach der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung um die Ecke zu bringen.“

Shikamaru seufzte. „Und genau das stört mich.“

„Warum? Es klingt doch ganz einfach. Das genaue Motiv kennen wir zwar noch nicht, aber es ließe sich so erklären.“

„Eben darum stört es mich.“ Wieder seufzte er. „Es wäre zu einfach. Und es wäre ziemlich dumm.“

„Weil man sie so leicht überführen würde?“

Er nickte. „Stell dir vor, der Sohn deines Feudalherrn stirbt als Gast in deinem Haus. Gibt es einen schnellere Methode, deinen Hals in eine Schlinge zu bekommen?“

„Du meinst also, wir sollten Taa und seine Dienerschaft von vornherein ausschließen, weil sie am verdächtigsten sind?“ Temari runzelte die Stirn.

Ein weiterer Seufzer entrang sich seiner Kehle. „Das hab ich nicht gesagt. Vielleicht ist es aussichtslos, ehe wir kein medizinisches Gutachten haben.“

Temari spitzte die Lippen, bewegte sie nach links und nach rechts, während sie überlegte. „Mir fällt gerade etwas ein. Die Flasche war zwar zugekorkt, aber …“

Er brauchte nur eine Sekunde, um ihren Gedankengang zu erraten. „Die Schale? Glaubst du, dass jemand die Schale vergiftet hat?“

Sie lachte leise. „Ich habe da mal eine Geschichte gehört. Es ging auch um einen unbeliebten Feudallord, der getötet wurde. Man hat den Mörder überführt, aber der Mord war anders geschehen, als man zunächst glaubte. Es war in der Geschichte kein Sake, sondern einfaches Wasser, aber nicht die Wasserflasche war vergiftet, sondern der Boden des Glases war mit einer durchsichtigen Flüssigkeit bestrichen.“

„Hm. Aber auch da hätten wir das Problem. Wenn die Schalen gestapelt im Schrank stehen und jeder beliebige Gast die oberste bekommen könnte …“ Ihm ging ein Licht auf. „Ah, du meinst, dass auf dem Weg jemand die Schale manipuliert haben könnte?“

Sie waren am Rand der Empfangshalle stehengeblieben. Kankurou und Kumui, der Flussninja, standen in der Nähe des Tischs und waren offenbar in ein Gespräch vertieft.

„Es gäbe sicher ein paar Möglichkeiten“, sagte Temari. „Wie du gesagt hast, es laufen hier viele Ninjas herum.“

„Aber das würde einem doch … O nein.“ Der nächste Seufzer. „Der Gedankengang führt mich zu etwas, das mir gar nicht gefällt. Ein Genjutsu. Wie sollten wir das jetzt noch feststellen? Stell dir vor, jemand hätte Aya auf dem Weg nach oben unter ein Genjutsu gesetzt und die Schale ausgetauscht – er hätte sogar die Sakeflasche selbst austauschen können! Oder … noch etwas anderes wäre möglich. Aya hat die Flasche tatsächlich von anderen unberührt hinaufgebracht. Aber vom großen Gästezimmer oben, durch Flur nach vorne, über die Treppe herunter und dann den nächsten Flur nach hinten bis in die Küche – wenn man‘s nicht gerade besonders eilig hat, braucht man da schon eine gute Minute. Was, wenn irgendeiner der anderen Shinobi gehört hat, wie Tarous Wachen bei Aya Sake bestellt haben, flugs übers Geländer gesprungen, in die Küche geeilt ist und dort die oberste Schale bestrichen hat? Oder die erste Flasche vergiftet hat?“

Temari schnaubte. „Der müsste aber alles von langer Hand vorbereitet haben.“

„Vielleicht. Wäre gut zu wissen, ob Tarou die Angewohnheit hatte, als Gast in fremden Häusern Sake zu trinken. Aber wer tut das schließlich nicht?“

„Außer dir, meinst du?“ In Temaris Augen funkelte völlig unangemessener Schalk. „Du hast beim Abendessen kaum welchen angerührt.“

„Weil ich keine Lust auf einen Kater am nächsten Tag habe“, hörte er sich erklären.

„Soll das heißen, das du kaum etwas verträgst?“, neckte sie weiter.

„Weiter im Text“, sagte Shikamaru ungeduldig. „Unser unbekannter Mörder hört also, dass Aya dem Feudallord Sake bringen soll, huscht in die Küche und bereitet das Gift vor. Der Koch war zu diesem Zeitpunkt …“ Die beiden sahen sich an. „Das finden wir heraus.“

 

„Ich war tatsächlich nicht mehr dort“, brummte der dicke Miyagi. „Ich habe mich ein wenig ausgeruht. Es war gar nicht so wenig Aufwand, für all unsere Gäste Essen zuzubereiten. Bitte um Verzeihung. Taa hat mich extra heute dafür antanzen lassen, und ich war müde von der Reise.“

„Das heißt also, du kanntest weder Taa noch den Feudalsohn? Und auch nicht Aya?“, hakte Shikamaru nach, dem das wiederholte Verhören langsam zum Hals raushing.

„Naja, vom Hören“, sagte der Koch gedehnt. „Ich wusste, dass Taa ein reicher Grundbesitzer ist und ihm dieses Haus gehört. Er ist sogar recht bekannt in unserem Reich der Flüsse – jetzt Reich der Riffe, meine ich.“ Er brummte zufrieden. „Aya habe ich erst am Vormittag kennengelernt. Aber ich kann euch sagen, Taa ist ein richtiger Sklaventreiber!“

„Das heißt, bevor man die Leiche gefunden hat, hast du schon selig gschlafen?“, fragte Shikamaru.

„Mjaa, sozusagen.“

„Sozusagen heißt, dass es nicht so war“, stellte Temari trocken fest.

„Naja, ich war noch wach in der Dienstbotenkamer“, wehrte Miyagi ab. „Aber ich lag bereits auf meinem Futon und hab auf den seligen Schlummer gewartet.“

„Dann konnte also tatsächlich jeder zur kritischen Zeit ungesehen die Küche betreten.“ Shikamaru konnte seine Seufzer in dieser Nacht schon gar nicht mehr zählen. „Mendokusai. Das wird immer lästiger. Wenn wir so weitermachen, hat bald jeder das Potenzial, der Mörder zu sein.“

„Alle außer uns beiden“, fügte Temari hinzu.

„Hm. Ich denke, uns beide, Tsunade-sama, Gaara und Kankurou können wir ausschließen.“

„Solltest du so generös mit deinem Vertrauen sein?“, fragte sie rhetorisch.

„Ich bin einfach nur realistisch“, antwortete er trotzdem. „Aber sehen wir mal, was unsere Überlegungen sonst noch so ergeben. Ich hab geschlafen, als man die Leiche entdeckt hat. Tsunade-sama war wach und in unserem Zimmer …“ Er zog die Stirn kraus. „Oushi.“

„Euer Anbu?“

„Er hat die Leiche als Erstes nach Aya gesehen, zusammen mit Tarous Leibwachen.“ Er zögerte. „Das hört sich zwar nach einem irren Zufall an, aber das Haus ist nicht so groß, dass ein Shinobi nicht in Sekundenschnelle dort sein könnte, solange er wach ist.“

„Meinst du, er hat trotzdem etwas damit zu tun?“

„Hm. Sagen wir’s so: Er war wach und er war allein. Er hätte theoretisch die Möglichkeit gehabt, den Sake zu vergiften. Vielleicht nicht mit diesem Korallengift, aber man weiß ja nie. Ninjas haben ja oft ein ordentliches Repertoire an Giften. Vor allem bei Anbus kann ich mir das sehr gut vorstellen. Außerdem kenne ich ihn nicht – ich glaube, nicht einmal Tsunade-sama kennt ihn wirklich. Er ist gut im Aufspüren von aggressivem Chakra und gut in Barriere-Jutsus. Darum ist er mitgekommen.“

„Aber du vertraust ihm nicht?“

Und wieder ein Seufzer. „Irgendwann muss ich anfangen, Leuten zu misstrauen. So … Oushi hatte also die Gelegenheit, wenn auch kein Motiv. Wie hat’s denn bei dir ausgesehen, als du schlafen gegangen bist? Ihr wart doch im gleichen Stockwerk wie das Opfer.“

„Hm“, machte Temari. „Wir waren alle im Zimmer. Kankurou hat an seinen Puppen gebastelt. Macht er oft, wenn er nichts zu tun hat. Gaara hat nur die Wand angestarrt – das macht er oft, wenn er nachdenkt. Und ich …Tja, ich bin nach meinem Schwätzchen mit dir auch zu Bett gegangen.“

„Das heißt, außer einer Kellnerin und einem Anbu, die in den Gängen herumschwirren, und Tarous Wachen, die das Erdgeschoss nicht einsehen konnten, hatten noch Kawarami und seine beiden Ninjas die Möglichkeit.“ Der nächste Seufzer wollte kommen, doch er unterdrückte ihn.

„Also wieder Kawarami“, stellte sie fest.

„Das gefällt mir alles nicht. Wir raten hier nur ins Blaue. Wir brauchen ein Motiv. Wenn wir das Motiv haben, finden wir den Täter. Wer würde den dritten Sohn – ich wiederhole, den dritten Sohn – eines Feudallords umbringen? Ich könnte noch verstehen, wenn sie ihn als Geisel nehmen oder ihm ein schleichendes Gift verabreichen, um seinen Vater zu erpressen, aber das …“

„Vielleicht war es ein Unfall“, schlug Temari vor. „Ein Versehen. Oder es war …“

Mendokusai, sag jetzt bitte nicht Selbstmord.“

„Wieso nicht? Er hat beim Abendessen recht fröhlich gewirkt, aber wenn das gespielt war?“

„Du meinst, er hat seine Rolle erfüllt und sich dann verabschiedet?“ Gegen seinen Willen musste Shikamaru grinsen. „Kann ich mir nicht vorstellen.“

„Und warum nicht?“

„Wer sterben will, legt sich nicht so unbequem auf den Boden“, sagte er überzeugt und reckte besserwisserisch die Nase in die Höhe.

„In deinem Fall würdest du wohl erst ein paar Tage in deinem Sarg probeliegen, was?“, meinte sie humorlos. „Aber wenn das Gift wirklich so schnell wirkt, kann es ihm doch egal sein, wie er auf dem Boden landet.“

Shikamaru schnaubte. „Er hat angeblich ganz normal mit Aya geplaudert. Würde er das tun, wenn er vorhat zu sterben?“ Darauf wusste sie keine Antwort. „Mendokusai. Ich werde mal sehen, ob es Neuigkeiten von Tsunade-sama gibt. Vielleicht hat sie durch Katsuyu irgendwas Nützliches erfahren. Vielleicht sollten wir auch einfach schlafen gehen.“ Er gähnte herzhaft. „Ich bin hundemüde. Ein müder Kopf denkt nicht gern – oder so ähnlich heißt es doch.“

Temari nickte. Sie sah ebenso müde aus, wie er sich fühlte. „Dann werd ich mal zu meinen Brüdern schauen.“

 

„Sie schicken jemanden“, sagte Tsunade auf Shikamarus Frage hin. Sie saß wieder auf ihrem Futon, die kleine Schreibunterlage mit Dokumenten vor ihr, aber es war ihr anzusehen, dass sie sich nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte. „Shizune sagte, sie wird zusehen, dass sie bis morgen Mittag hier ist.“

„Wenn man das Gift dann noch nachweisen kann“, murmelte er.

„Ach, ja. Ich habe dieses Konservierungsjutsu angewandt. Das ist ziemlich hohe Heilkunst und verhindert, dass Zellen absterben, selbst wenn der Gasaustausch nicht mehr funktioniert und sie keine Nährstoffe mehr erhalten – und ein paar andere nützliche Nebeneffekte hat es auch. Da Tarou keinen Kreislauf mehr hat, sollte das Gift in seinen Adern isoliert sein.“ Sie legte den Pinsel weg, den sie immerhin wie als Zeichen ihres guten Willens in der Hand hielt. „Hast du mittlerweile irgendwelche Fortschritte gemacht?“

Shikamaru war einfach nur müde und ausgelaugt. „Schön wär’s. Alles, was ich rausgefunden habe, ist, dass so ziemlich jeder der Mörder sein kann. Entweder stecken die Ninjas aus dem Flussreich mit ihrem Herrn unter einer Decke oder es war das Dienstmädchen, oder Oushi. Er war immerhin allein unterwegs, als der Mord geschehen ist.“

„Hm“, machte Tsunade nachdenklich. „Ich hatte gehofft, dass du etwas anderes sagst. Um ehrlich zu sein, hat Shizune mir eine noch Nachricht von den Ältesten übermittelt.“ Shikamaru horchte auf. Tsunades Stirn runzelte sich besorgt, als sie fortfuhr: „Oushi ist vielleicht nicht ganz so sauber, wie wir glauben. Es sind nur Gerüchte, aber die können in so einer Situation viel bedeuten. Oushi hat anscheinend Kontakte zur Anbu Ne.“

Shikamaru schluckte und massierte seine Nasenwurzel, die Auswirkungen des Gehörten überschlagend. „Aber was hätte die Anbu Ne davon, dass der Feudallord stirbt?“

„Da musst du schon in Danzous Kopf blicken“, brummte Tsunade.

„Fällt Ihnen etwas ein?“

Ihre Finger falteten andächtig die Dokumente zusammen und legten sie zur Seite. „Danzou würde vermutlich irgendeinen Vorteil für Konoha herausschlagen wollen. Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass er Feudallord Teito eine Nachricht überbringen lässt wie: Eure Ninjas haben es nicht geschafft, Euren Sohn zu beschützen; sie werden es auch nicht schaffen, Euer neues Land zu beschützen. Besser, Ihr gliedert Euch in das Reich des Feuers ein oder nehmt verstärkt Ninjas aus Konoha in Eure Reihen auf.

„Wäre ihm so etwas zuzutrauen?“

Sie schnaubte unglücklich. „Es ist Danzou, über den wir hier sprechen. Ihm ist alles zuzutrauen.“

„Ja, aber es scheint mir etwas viel Aufwand für ein paar neue Kunden.“

Tsunade verschränkte die Arme und sinnierte: „Wenn der Rifflord seinen eigenen Shinobi nicht mehr traut und stattdessen beispielsweise Anbu als seine Wächter nimmt, wobei diese vielleicht noch als seine Berater fungieren, dann wäre sozusagen Danzou der Herr des neuen Reiches. Auf jeden Fall würde es seinen Einflussbereich vergrößern.“

Darüber musste Shikamaru erst mal nachdenken. Er hasste solche politischen Machtgeplänkel. Vor allem, da das hier auf den ersten Blick wie ein überaus einfach gestrickter Mord ohne allzu weitreichende Hintergedanken aussah – irgendwie wollte er nicht glauben, dass eine derart große Sache dahintersteckte.

„Das wird ja immer schöner“, seufzte er. „Am Ende kommen wir darauf, dass Gaara ein doppeltes Spiel spielt.“

„So ein Ermittlungsergebnis ist tunlichst zu vermeiden!“, sagte Tsunade streng.

„Ja, aber ...“

„Nichts aber. Sollte Gaara oder generell Suna irgendetwas damit zu tun haben und Gaara damit einverstanden sein, dann hast du es nicht herauszufinden! Unsere Beziehung zum Reich des Windes ist mehr wert als die zum Reich der Riffe.“

„Ich weiß. Schon gut“, murmelte er und verdrehte die Augen. „Es ist ja nicht so, als würde ich ihn verdächtigen.“ Mühsam unterdrückte er ein Gähnen. „Wenn Ihr es mir erlaubt, würde ich jetzt gerne ein paar Stunden schlafen. Ich habe alles gesehen, was sich zu sehen lohnt, und wenn ich wieder Leute verhöre, ist es besser, wir sind alle miteinander ausgeruht.“

Tsunade nickte. Und Shikamaru stellte sich schon mal auf wirre Träume ein.

 

Die Träume blieben zwar aus, dafür wurde er mal wieder von einem Schrei geweckt – oder eher einem aufgeregten Ruf, bestehend aus mehreren, drängenden Wörtern. Diesmal brauchte er länger, um aus den Federn zu kommen. Noch ehe er Mendokusai murmeln konnte, war Tsunade auf den Beinen und bei der Tür. „Was ist denn da draußen los?“, hörte er sie rufen.

Blinzelnd sah Shikamaru Oushi in der Halle stehen. „Gute Frage“, murmelte der Katzen-Anbu und sah ratlos zur Galerie hinauf. „Kann man einen Selbstmordversuch als das schlechte Gewissen des Mörders interpretieren?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das war das nächste Kapitel. Shikamaru ist einfach kein Schlaf vergönnt^^
Ich hoffe, es war nicht zu viel Information auf einmal und man konnte den Gedankengängen unserer beiden Detektive folgen. Freue mich über jedwede Rückmeldung :) Falls jemand bei neuen Kapiteln eine ENS haben will, sagt einfach Bescheid. Vier kommen noch. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  -Zerschmetterling-
2015-08-19T19:47:09+00:00 19.08.2015 21:47
Was für ein spannendes Ende!
Da würde man am liebsten direkt weiterlesen,
aber zuerst nehme ich mir die Zeit
und schreibe dir meine Meinung zu diesem Kapitel.

Im Vergleich zum vorherigen war das Tempo schon deutlich schneller,
wodurch alles nicht mehr so langatmig gewirkt hat.
Auch hatte ich das Gefühl, dass ich langsam mit den Namen zurecht komme,
wobei die Liste der Charaktere sehr geholfen hat,
die ich nebenbei die ganze Zeit über offen hatte.
Auch dass die Charaktere schon so schön gruppiert waren,
hat mir die Übersicht sehr erleichtert.

Den Gedankengängen konnte man sehr gut folgen,
einfach weil du einen bei jedem Schritt an die Hand genommen hast.
Durch die Dialogform zwischen Temari und Shikamaru
konnte man die Entwicklung der Gedanken nachvollziehen,
wobei du einige Punkte angesprochen hast, auf die ich noch gar nicht gekommen wäre.
Ich finde es cool, dass die beiden oftmals die selbe Idee zu haben scheinen.

Schön war auch der Einstieg in die Ermittlungen:
"Also erwartete sie, dass er sich um die Ermittlungsarbeit kümmerte. Mendokusai."
Tsunade hat eben auch erkannt, dass er dafür perfekt geeignet ist.
Shikamarus Schlussfolgerung so schön auf den Punkt gebracht
und ein wunderbarer Auftakt für alles folgende.
Meine absolute Lieblingsschlussfolgerung von ihm, ist aber:
"Wer sterben will, legt sich nicht so unbequem auf den Boden“
Irgendwie logisch - Selbstmord ausgeschlossen. Weil Shikamaru das sagt. ;D

Noch mehr lachen musste ich bei dem Wort "Korallen-Würfelzucker".
Die Vorstellung war einfach zu genial. Was für ein Wort!
Aber auch gar nicht mal so abwegig -
Durch Zucker würde das Gift ja auch schneller in die Blutbahn kommen. ;)

Tsunade hat mir auch gut gefallen, einfach weil sie in ihrer politischen Funktion authentisch wirkt.
Spätestens als sie sagt, dass die Ermittlungsergebnisse nicht auf Gaara hindeuten dürfen,
selbst wenn er es gewesen wäre - so etwas nennt man Politik. :D
Aber auch ihren Medic-Nin Part hast du sehr gut rübergebracht,
indem du immer wieder kleine Erklärungen hast einfließen lassen,
die dem ganzen mehr Plausibilität verleihen, z.B.
"Da Tarou keinen Kreislauf mehr hat, sollte das Gift in seinen Adern isoliert sein."

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  EL-CK
2015-08-17T18:58:20+00:00 17.08.2015 20:58
Armer Shika... ob er je wieder schlafen darf ;)
Von: Swanlady
2015-07-25T19:06:14+00:00 25.07.2015 21:06
Ich habe mir zwar versprochen, nicht zu raten, aber nun erwische ich mich dabei, wie ich es doch tue. :') Es ist allerdings noch verdammt knifflig, da absolut alle verdächtig sind - nun, zumindest all die neuen Figuren. So langsam komme ich auch mit den ganzen Namen zurecht, wobei die Übersicht auch hilft, vielen Dank dafür!
Shikamaru gefällt mir in der Rolle des Detektivs außerordentlich gut, auch wenn der Gute wohl nicht so froh darüber ist. Wenn das alles vorbei ist, hat er sich aber Urlaub verdient, würde ich sagen.
Ich finde es klasse, dass Temari praktisch seine erste Anlaufstelle für's Brainstorming ist. Ich kann mir nicht helfen, aber die Dialoge der beiden haben mir am meisten gefallen. Mein absoluter Lieblingssatz des Kapitels: „In deinem Fall würdest du wohl erst ein paar Tage in deinem Sarg probeliegen, was?“ Ich musste herzhaft lachen, danke dafür.
Ich bin wirklich gespannt, wer versucht hat sich das Leben zu nehmen - und diese Person nehme ich dann schon mal von meiner Liste der Verdächtigen, einfach aus Prinzip. Und weil da sicher etwas anderes dahintersteckt. x) Ich freue mich auf das nächste Kapitel!

LG
Swanlady
Antwort von:  UrrSharrador
04.08.2015 15:03
Danke für deinen Kommi :) Uh, das freut mich, bin schon gespannt, welche Vermutungen du anstellst :D
Ja, den verdient er sich eindeutig^^ Urlaub und ausschlafen^^
Schön, dass dir ihre Dialoge gefallen, die waren auch recht witzig zu schreiben :)
Hehe, wäre zu einfach, nicht wahr? ;) Ich mach mich mal gleich ans Hochladen :)
Von:  Stef_Luthien
2015-07-20T15:04:35+00:00 20.07.2015 17:04
Das Kapitel hat mir gut gefallen und ich fand die Ermittlung ziemlich interessant. :)
Allerdings würd ich gerne wissen, ob du vllt die Namen aller Charaktere noch mal zu der Charakterliste hinzufügen könntest? :) Ich glaub, wenn alle Charaktere nochmal iwo aufgelistet sind, kann man selbst auch nochmal besser mit rätseln und kommt nicht so ganz durch einander (oder bei mir wäre es zumin so, da ich ziemlich schusselig bin). XD

Ich freue mich schon mega darauf wie es weiter geht.:)

LG,
Asuna
Antwort von:  UrrSharrador
21.07.2015 13:35
Danke für deinen Kommentar, freut mich, wenn es interessant war :)
Das mit der Chara-Liste ist eine gute Idee, das werde ich gleich machen!
lg
Antwort von:  Stef_Luthien
21.07.2015 14:02
Danke :)


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