Corrupt Me! von Sky- ================================================================================ Kapitel 11: Unloved And Left Behind ----------------------------------- Nachdem Christoph Kaffee eingeschenkt hatte, atmete Harold tief durch und wusste wohl nicht so recht, wo er anfangen sollte. Schließlich aber fragte er „Warum hast du ihn eigentlich Crow genannt?“ „So nennt er sich immer, weil er seinen richtigen nicht nennen will.“ „Ach so“, murmelte der 58-jährige und gab etwas Zucker in seinen Kaffee. Er wirkte tief in Gedanken versunken und Christoph befürchtete zunächst, er müsse näher nachfragen, aber sein Adoptivvater setzte dann schon wieder zum Reden an. „Das ist ja auch verständlich nach all den Dingen, die sich in der Vergangenheit zugetragen haben.“ Etwas genervt atmete Christoph geräuschvoll aus und rief „Jetzt lass dir die Infos doch nicht einzeln aus der Nase ziehen, Dad!“ „Ist ja gut“, beschwichtigte ihn der Mathematiker und Physiker und seufzte leise, wobei ihm anzumerken war, dass diese Geschichte nicht spurlos an ihm vorbeiging. Doch es fiel ihm schwer, darüber zu sprechen. Vermutlich, weil ihm unter anderem auch das schlechte Gewissen plagte. „Als ich in Physik promoviert hatte, da war ich knapp 33 Jahre alt, da habe ich einen hochintelligenten und talentierten Jungen kennen gelernt. Ich war zu dem Zeitpunkt in einer Schule, um den Kindern das Studieren näherzubringen. Dieser Junge galt als Raufbold und Unruhestifter. Er hat sich mit anderen Kindern geprügelt, nie im Unterricht aufgepasst und galt als schwierig und da er eh aus einem komplizierten Umfeld kam, hatte er es nicht gerade leicht. Seine Arbeiten hatte er allesamt vermasselt und er hatte die schlechtesten Noten. Aber als ich ihn dann alleine dasitzen sah, wie er ein Buch über Anatomie und Medizin las, da lernte ich diesen Jungen von einer anderen Seite kennen. Ein Freund von mir machte Tests mit ihm und es zeigte sich, dass er hochbegabt und deshalb vollkommen unterfordert an der Schule war. Daraufhin versuchte ich mit seinen Eltern zu sprechen, aber da wurde mir schnell klar, wo sein aggressive Verhalten her kam. Sein Vater war ein Choleriker und hat oft Streit gesucht, insbesondere wenn er getrunken hatte. Und seine Mutter hatte sich nicht für ihren Sohn interessiert und auch keine Verbindung zu ihm. Er war quasi auf sich allein gestellt und so beschloss ich, diesem Jungen zu helfen. Ich ließ meine Beziehungen spielen und ermöglichte ihm einen Platz in einer sehr guten Privatschule, für die er ein Stipendium bekam und später unterstützte ich ihn auch dabei, an der Universität aufgenommen zu werden. Da er wohl nie so etwas wie elterliche Liebe erfahren hatte, begann er mich als eine Art Vaterfigur zu betrachten. Ich schloss den Jungen ins Herz, aber an manchen Tagen machte sein aggressives Verhalten mir Schwierigkeiten. Er prügelte sich nach wie vor mit anderen Kindern, er wurde oft mit blauen Flecken gesehen und lief des Öfteren auch von zuhause weg. Es kam auch der Verdacht auf, dass er von seinen Eltern misshandelt wird, aber er hatte sich niemals irgendjemandem anvertraut und als ich mit ihm sprach, fragte er mich, was er dafür tun müsse, damit seine Eltern ihn zur Adoption freigeben. Ich war erschrocken, dass er tatsächlich wollte, dass seine Eltern ihn endgültig verstoßen und ihn in ein Heim stecken. Und dann fragte er mich auch, ob ich ihn dann nicht adoptieren würde.“ „Und was hast du gesagt?“ „Ich hab ihn vertröstet, denn für mich war es zu dem Zeitpunkt eine sehr schwierige Entscheidung gewesen, auch wenn ich schon 34 Jahre alt war. Aber der Junge war schwierig. Er kam aus einem sozialen Brennpunkt und er war nicht einfach zu handhaben. Ich hatte das Gefühl gehabt, ich würde nicht mit ihm umgehen können. Darum hielt ich ihn auf Abstand, versuchte ihm aber dennoch zu helfen und ihm beizustehen, damit er sich ein vernünftiges Leben aufbauen konnte. Und er war wirklich ein kluger Kopf. Er hat mit Begeisterung Medizin studiert und träumte davon, eines Tages Arzt zu werden. Aber die Sache wurde komplizierter, als mein guter Freund Professor Gregory Bloom, der übrigens auch den Intelligenztest bei ihm durchgeführt hat, eine Affäre mit der Mutter des Jungen begann. Für ihn war sie ein kleiner Spaß, aber die Mutter wollte mehr. Schließlich wollte diese ihre Familie verlassen, um mit Professor Bloom glücklich zu werden. Der Vater des Jungen erfuhr schließlich von der Affäre und es kam zu einem heftigen Streit. Der Junge, der zu dem Zeitpunkt eigentlich schon gar kein Junge mehr war, sondern bereits 22 Jahre alt, rief mich an und bat mich um Hilfe, weil sein Vater bewaffnet sei und die Mutter umbringen wollte. Ich machte mir große Sorgen um ihn und beeilte mich, zu ihm zu kommen. Als ich in der Wohnung eintraf, war die Situation völlig eskaliert. Der Vater war ausgerastet und hatte versucht, die Mutter mit einem Messer zu attackieren. Der Junge verlor daraufhin die Beherrschung und schlug zu. Ich versuchte ihn aufzuhalten, doch er war nicht zu bremsen. Ich weiß nicht, ob er so zugeschlagen hat, um sich gegen seinen tyrannischen Vater zur Wehr zu setzen, oder weil er seine Mutter beschützen wollte. Vermutlich war es beides. Jedenfalls schlug er so heftig zu, dass sein Vater zu Boden stürzte. Und als er nach dem Messer greifen wollte, trat der Junge noch mal gegen seinen Kopf und die Verletzung war letztendlich tödlich. Der Vater starb an einer Hirnblutung, die von den Verletzungen stammte.“ Stille trat ein und nun verstand Christoph endlich die ganze Geschichte. Crow hatte seinen Vater geschlagen, weil dieser wieder ausgerastet war und seine Mutter verletzen wollte. Er hatte sie beschützen und sich selbst auch mal zur Wehr setzen wollen und dabei hatte er ihn getötet. Ja aber wenn Crow seine Mutter doch beschützen wollte, dann hätte er doch wegen Notwehr freigesprochen werden müssen. Immerhin war sein Vater doch bewaffnet gewesen und wer weiß, was passiert wäre, wenn Crow ihn nicht daran gehindert hätte. „Ja aber… warum ist er dann im Gefängnis gewesen, wenn es doch eindeutig Notwehr war? Ich meine, Crow ist zwar etwas rabiat, aber ich glaube nicht, dass er einfach so einen Menschen umbringen würde. Wenn er seine Mutter beschützen wollte, hätte der Richter ihn doch freisprechen müssen.“ „Das dachte ich ja auch“, seufzte Harold und wirkte ziemlich unglücklich. „Selbst seine Mutter hätte auch aussagen sollen, dass er sie beschützen wollte. Aber stattdessen hat sie offenbar gelogen, weil sie ihm den Mord an ihrem Mann nicht verzeihen konnte. Ariyana hatte für ihren Sohn noch nie etwas übrig gehabt und diesen Vorfall nutzte sie dann, um ihr Kind für immer aus ihrem Leben zu streichen.“ Eine Weile sagte Christoph nichts. Aber nun verstand er auch endlich Crows Verhalten und wieso er vehement abgeblockt hatte. Warum er zu Aggressionen neigte und zugeschlagen hatte und warum er nun ein Leben als einfacher Tätowierer fristete, obwohl er die Begabung für akademische Berufe hatte. Weil seine Mutter aus Rache gegen ihn ausgesagt hatte und Harold Strauss als Zeuge nicht erschienen war, war er wegen Totschlags verurteilt worden. Er war einfach im Stich gelassen worden und hatte ganz alleine klar kommen müssen. Seine Zukunft war zerstört, sein Traum von einer Karriere als Arzt genauso. Er hatte niemanden gehabt und die Person, der er als einzige vertraut hatte, hatte ihn einfach im Stich gelassen. Und bei diesem Gedanken kochte die Wut in ihm hoch und er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Warum hast du nicht für ihn ausgesagt? Wenn er seine Mutter vor seinem gewalttätigen Vater beschützen wollte, dann hätte er freigesprochen werden können. Er hätte dann noch eine Chance gehabt. Warum hast du ihm nicht geholfen?“ „Das ist nicht so einfach“, erwiderte Harold etwas stotternd und fuhr sich durch sein lichter werdendes brünettes Haar. „Als die Verhandlung war, da bist du ins Krankenhaus eingeliefert worden und als ich hörte, dass du fast gestorben wärst, da… da musste ich mich entscheiden.“ „Jetzt komm mir bloß nicht mit Ausreden!“ rief Christoph und fühlte nur noch diese Wut gegen seinen Vater. Er war enttäuscht von ihm, hatte er doch immer zu ihm aufgesehen und was war? Dieser ließ einen Menschen im Stich, obwohl dieser ihm so sehr vertraut hatte. „Du hattest doch bloß Schiss wegen deiner Karriere. Crow hatte vollkommen Recht. Er hat dir vertraut, verdammt. Du warst wie ein Vater für ihn und die einzige Bezugsperson, die er wahrscheinlich hatte. Und du behandelst ihn wie ein Problemkind und lässt zu, dass sie ihn verurteilen. Ihm ging es so viel schlimmer als mir, aber mich hast du sofort adoptiert, weil ich karrierefördernd für dich war, oder was?“ „Das lasse ich mir nicht unterstellen“, entgegnete der 58-jährige und stand auf. „Du weißt genau, dass wir dich adoptiert haben, weil wir dich lieben und wir haben dir das auch immer gezeigt, dass du für uns wie unser eigen Fleisch und Blut bist.“ „Aber Crow hat euch mehr gebraucht!“ erwiderte der 24-jährige und stand nun ebenfalls auf, um mit seinem Adoptivvater auf eine Augenhöhe zu sein. „Im Heim hat mich nie jemand geschlagen oder misshandelt und die Heimleiter haben sich gut um uns gekümmert. Ich will dir jetzt keinen Vorwurf machen, dass du mich adoptiert hast. Ich bin dir und Mum wirklich dankbar dafür. Aber ich kann es nicht akzeptieren, dass du Crow nicht mal geholfen hast, als du wusstest, dass sein Vater ihn schlägt. Du hättest wenigstens das Jugendamt einschalten können, damit er vielleicht in eine Pflegefamilie kommt. Du hättest ihm helfen sollen, anstatt einfach nur wegzusehen! Und weißt du was? Ich kann Crow da auch so langsam verstehen, dass er so wütend ist und dir eine reingehauen hat. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich das vermutlich auch getan. Weißt du was, Dad? Du bist ein Feigling! Und mir reicht es auch erst mal. Morgen werde ich zu Crow gehen und versuchen, mit ihm zu reden. Und du solltest dir mal ernsthaft darüber Gedanken machen, was du getan hast. Jetzt möchte ich dich bitten zu gehen.“ Geschlagen nickte Harold Strauss und ging aus der Wohnung. Er wusste um die Fehler, die er gemacht hatte und die er nicht wieder rückgängig machen konnte. So war Christoph alleine und musste das alles erst einmal verarbeiten, was er erfahren hatte. Noch nie war er dermaßen enttäuscht von seinem Adoptivvater, dass er so etwas tun konnte und er konnte in der Hinsicht auch Crow verstehen, wenn dieser erst einmal Abstand nehmen wollte. Er fühlte sich mies und fragte sich, ob er nicht noch mal vernünftig mit ihm reden konnte. Gerade wollte er seinen Kaffee austrinken, da überkam ihn ein heftiger Magenkrampf. Ihm wurde schlecht und er schaffte es noch rechtzeitig ins Bad, bevor er sich endgültig übergeben musste. Verdammt, als wäre der Vorfall mit Crow nicht schon schlimm genug, jetzt auch noch das. Warum mussten diese verdammten Magenschmerzen auch immer zu den ungünstigsten Zeitpunkten kommen? Das Beste war vielleicht, er legte sich hin und suchte Crow morgen im Tattoostudio auf, um mit ihm zu reden. Vielleicht ließ sich ja trotz allem noch eine Lösung finden. Crow… ob es je wieder eine Chance zwischen ihnen beiden geben würde? Insgeheim hoffte Christoph es ja, aber nach all den Dingen, die er erfahren hatte, würde es nicht einfach werden. Vielleicht würde er auch gar nicht zu Crow durchdringen und seine Bemühungen würden dann auch nichts bringen. Niedergeschlagen und demotiviert ging er ins Wohnzimmer und legte sich auf die Couch, nachdem er etwas von dem Magenberuhigungsmittel, das sein Adoptivvater ihm mitgebracht hatte. So langsam hatte er die Vermutung, dass er vielleicht einen grippalen Infekt hatte, der noch nicht ganz ausgebrochen war. Manchmal hatte er eine Halsrötung und sogar kurzzeitig einen Hautausschlag gehabt. Irgendetwas lag da im Argen bei ihm, aber solange er noch nicht beim Arzt war, konnte er nicht sagen, was mit ihm nicht stimmte. Und dabei hatte er sich doch so auf einen entspannten Tag gefreut. Sich nachher eine Tiefkühlpizza oder eine Fünfminuten-Terrine fertig machen, Mortal Kombat zocken, oder vielleicht auch alle Filme von Freitag der 13. ansehen. Aber bei seinem Zustand würde er wohl nichts runterkriegen. Und außerdem war ihm nach all diesen Dingen eh nicht zumute. Nicht nach dem, was passiert war. Am liebsten wollte er wieder zu Crow. Er wollte wieder seine Stimme hören und vor allem seine Nähe spüren. Und er wollte ihm beweisen, dass seine Gefühle wirklich für ihn echt waren. Er wollte, dass Crow ihm glaubte und diese Liebe erwiderte. Ja, das war es, was er wirklich wollte und wonach er sich wirklich gesehnt hatte. Er wollte Crows Liebe. Aber… würde das auch wirklich gelingen? Der Tätowierer hatte seinerseits deutlich klar gemacht, dass er niemandem vertrauen wollte, ebenso wie er auch keine Hilfe annehmen wollte. Er war immer alleine gewesen und kannte es deshalb auch nicht, wenn sich jemand um ihn kümmerte. Das Einzige, was er kannte war, andere zu beherrschen. Nie wieder wollte er in diese alte Rolle zurück, in der er selber beherrscht und unterdrückt wurde, so wie von seinem Vater. Es war nicht bloß ein Hobby für ihn, sondern irgendwie auch eine Flucht vor seinem alten Leben, wo er das Opfer war. Zumindest schien das so in Christophs Augen zu sein. Während er so auf der Couch lag und sich schließlich aus reiner Lustlosigkeit und Langeweile einen Porno ansah, konnte er nicht aufhören, an Crow zu denken. Nun, vielleicht hätte er bei der Wahl der Filme etwas mehr nachdenken sollen… Crow war, nachdem die Beerdigung seiner Mutter vollzogen war, direkt zu seinem Haus gefahren, da er keine Lust hatte, direkt in seine Wohnung zurückzufahren. Außerdem war Sonntag und diese verbrachte er damit, sein Spielzeug und die Geräte zu reinigen und zu desinfizieren. Und so hatte er wenigstens eine Beschäftigung und konnte sich ablenken. Nun gut, zwar reinigte er seine Sachen nach Benutzung eh, aber ein Mal die Woche machte er eine Grundreinigung, um alles möglichst rein zu halten. Hygiene war eben das A und O bei diesem Hobby und in der Hinsicht war er auch eben sehr kleinlich. Hier in diesem Haus hatte er das Sagen und die vollständige Kontrolle. Es war sein persönliches Reich, wo es sein altes Ich überhaupt nicht gab. Deshalb gab es hier auch keine persönlichen Gegenstände wie Fotos oder Erinnerungsstücke. Das Haus war einfach nur da, um seinen Zweck zu erfüllen, nicht mehr und nicht weniger. Hier konnte er in seine Welt abtauchen. Als er die Tür öffnen wollte, hörte er ein „Kuro!“ und drehte sich um. Eine hübsche asiatische junge Frau mit einigen Tattoos und Piercings kam auf ihn zu. Sie hatte eine kleine Tüte bei sich und strahlte übers ganze Gesicht. Es war Honoka, Satoris ältere Schwester. Er war Stammkunde in ihrem Erotikshop und sie hatte die Angewohnheit, ihn immer Kuro, statt Crow zu nennen. Das lag auch ein wenig daran, weil die japanische Aussprache für Crow dem japanischen Kuro sehr ähnlich klang. Und da er meist immer schwarze Kleidung trug, passte es ja auch. Zur Begrüßung umarmte die Japanerin ihn, wobei sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste, da er für sie viel zu groß war. Voller Stolz gab sie ihm die Tüte, wobei sie verkündete „Ich hab dir neues Spielzeug mitgebracht. Sollen wir ins Haus gehen?“ Da Honoka sein Hobby kannte und als Mitarbeiterin eines Erotikshops ohnehin ziemlich locker war, hatte Crow nichts dagegen und ging mit ihr rein. Sie gingen in den Keller, wo er meist seine deutlich härteren Bestrafungen durchzog. Er hatte vorgehabt, Christoph eines Tages in seinem Bestrafungskeller zu bearbeiten, wenn ein paar Sessions erfolgt waren, aber das konnte er jetzt auch abhaken. Das hatte sich inzwischen erledigt. Honoka stellte die Tüte auf dem Tisch ab und holte nach und nach das neueste Zubehör raus. „Ich hab hier drei neue Penisring und -manschettenmodelle, einen Prostatavibrator, einen Kugeldildo, Sextoy Cleaner und einen O-Ring-Knebel. Zusätzlich habe ich noch ein Cup Set und einen Shock Wave Elektrodildo. Und deine Bestellung ist auch da: eine Analkette mit Dogtail. Die anderen Sachen sind momentan im Sonderangebot.“ Crow sah sich die verschiedenen Stücke genauer an, die Honoka ausgebreitet hatte. Und als er seine Bestellung sah, die eigentlich für Christoph vorgesehen war, wurde ihm ganz anders zumute. Er fühlte tiefe Enttäuschung und für einen kurzen Moment bereute er auch seinen Entschluss, dass er den Vertrag beendet hatte. Mit ihm hatte er eben seinen Spaß gehabt und es lag auch nicht nur allein daran, weil er es liebte, Christoph zu dominieren und ihn das machen zu lassen, was er wollte. Der Akademiker war schon recht heiß und er hatte sich auch ein Stück weit wohl gefühlt mit ihm. Er hatte die Sessions wirklich genossen. Mehr noch als mit seinen bisherigen Partnern. Aber nachdem er erfahren hatte, dass er der Adoptivsohn von Prof. Dr. Harold Strauss war, konnte er sich nicht mehr mit Christoph treffen. Auch wenn es schwer war, aber es war besser, als wenn er wieder mit Harold zu tun hatte, der ihn einfach abgesägt und ersetzt hatte. Christoph selbst gab er aber nicht die Schuld daran. Dieser hatte ja nicht wissen können, was alles passiert war und dieser war sicher dankbar dafür, wenigstens eine Familie zu haben. Aber wenn er erst hinter die Maske von „Crow“ geblickt und den wahren Menschen dahinter erkannt hatte, würde er sich auch abwenden. Der Tätowierer konnte es ihm ja nicht mal verübeln. Er wusste selbst, dass er kein Vorzeigemensch war. Er war wegen Totschlags verurteilt und unter der Voraussetzung war ein Studium nicht mehr möglich. Seine Hobbys waren auch nicht gerade gewöhnlich und er neigte zu leichter Reizbarkeit und Aggression. Er wurde schnell gewalttätig, wenn er zu wütend war und das lag nun mal auch daran, weil er in einer Familie aufgewachsen war, in der so etwas halt an der Tagesordnung stand. Wenn Christoph das alles erst mal erkannte, würde er sich auch lieber einen anderen suchen. Einen, der nicht so „schwierig“ war. „Kuro?“ fragte Honoka, die offenbar bemerkte, dass er nicht ganz bei der Sache war. „Ist etwas nicht in Ordnung? Du wirkst sehr bedrückt.“ „Schon okay“, winkte er ab und schüttelte den Kopf. „Ich hatte nur einen etwas aufreibenden Vormittag gehabt. Also ich nehme den Knebel, die Manschetten und den Vibrator. Was kostet der Spaß?“ Honoka holte ihre Liste hervor und begann zu rechnen. „Also zusätzlich zu den Rabatten wären wir jetzt bei 41,97$.“ Crow holte aus seiner Jackentasche sein Portemonnaie und drückte Honoka 45$ in die Hand mit den Worten „Stimmt so.“ Da Honoka selbst Zeit hatte, zog sie sich gemeinsam mit Crow Handschuhe an, schnappte sich den Reiniger und half ihm bei der Säuberungsarbeit. Dabei kamen sie auch ein wenig ins Gespräch, wobei die Asiatin ihn direkt fragte „Hast du eigentlich schon mal Fifty Shades of Grey gelesen?“ „Ich hab davon nur grob was gehört, aber ich steh nicht so auf solche Bücher. Ich finde es langweilig, über Sex nur zu lesen.“ „Es geht doch nicht nur um Sex!“ rief Honoka sofort, doch als sie Crows skeptischen Blick sah, seufzte sie und korrigierte sich. „Zumindest nicht die meiste Zeit. Es ist eine BDSM-Romanze.“ „Ja ich weiß. Hässliches Entlein trifft auf supersexy Schönling mit viel Kohle. Das absolute Märchenklischee… Ein weiterer Grund, warum ich diesen Schwachsinn nicht lese.“ „Ich finde es toll. Jedenfalls geht es darum, dass eine Studentin ein Interview mit dem charismatischen Milliardär Christian Grey hat. Sie verliebt sich, er führt sie in seine Welt ein und sie machen dann einen Vertrag. Sie lernen sich näher kennen und sie lässt sich auf die ganze Sache ein, damit sie ihm wenigstens auf diese Art und Weise nah sein kann, aber er will nur Sex mit ihr. Dann stellt sich halt heraus, dass er eine ziemlich beschissene Kindheit hatte.“ Ein lautes Klappern erfolgte, als Crow die Sachen aus der Hand gefallen waren, als er das hörte. Verwundert wandte sich die Japanerin ihm zu und fragte „Was ist los?“ Doch Crow schüttelte nur den Kopf und murmelte „Ich… ich geh eben kurz eine rauchen.“ Dass ihn diese erschreckende Ähnlichkeit mit seiner Geschichte ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte, erzählte er lieber nicht. Ansonsten würde Honoka das noch überall erzählen und darauf konnte er wirklich verzichten. Da die 32-jährige auch eine Zigarette vertragen konnte, unterbrachen sie vorerst mal die Putzaktion und gingen wieder nach oben, setzten sich im Garten auf die Bank und zündeten sich je eine Zigarette an. Inzwischen war es deutlich bewölkt und vermutlich würde es nachher noch ordentlich regnen. „Und darf ich raten?“ setzte Crow wieder an das Gespräch an. „In dem Roman gibt es ein Happy End.“ „Natürlich. Hinterher heiraten die beiden sogar und sie überstehen jede Krise. Auch wenn Christian ein ziemlicher Kontrollfreak ist, schafft Ana es ja zum Glück, sich gegen ihn zu behaupten und sich durchzusetzen.“ Ja und daran sieht man, dass es Romane sind: weil sie pure Fiktion sind, dachte sich Crow und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Das Leben schreibt nicht immer Happy Ends. Es ist verdammt hart und unfair. Ja, das stimmte. Wahres Glück war nun mal ein Luxus, der nicht jedem Menschen vergönnt war. Dennoch ließ ihn diese Vorstellung nicht los, sein Leben hätte tatsächlich Parallelen zu einem Buch, was er noch nie zuvor gelesen hatte. Und dabei kam ihm auch der Gedanke, dass es vielleicht eine winzige Chance gab, dass auch er so ein Happy End haben würde, so kitschig und dämlich das auch klang. Er und Christoph… trotz ihrer vielen Unterschiede ein Paar. Aber das war nur Wunschdenken und fernab jeglicher Realität. Als würde so etwas jemals funktionieren. „Sag mal, Kuro… Wie läuft es denn eigentlich mit diesem Akademiker? Meine Schwester hat ja nicht allzu viel erzählt und ich frage mich dann auch, wie es dazu kommt, dass jemand wie du sich auf einen solchen Typ einlässt. Ich meine, keiner hasst Akademiker so sehr wie du.“ Crows Miene verfinsterte sich und wieder dachte er an Christoph, aber vor allem an Harold. Der Mann, der ihn einfach im Stich gelassen hatte, obwohl dieser wie ein Vater für ihn war. Und allein bei dem Gedanken an Harold kochte die alte Wut wieder in ihm hoch. Darum sagte er nur „Das ist vorbei“ und drückte seine Zigarette aus. Honoka sagte eine Weile nichts, sondern betrachtete ihn mit ihren dunklen Augen. Dann aber schüttelte sie den Kopf und meinte nur „Ich verstehe dich echt nicht.“ „Wie meinst du das?“ fragte Crow, aber eigentlich hatte er nicht so wirklich Lust darauf, mit ihr zu reden. Er wollte niemanden sehen und alleine sein. „Du hast deutlich bessere Laune gehabt, als du deinen Spaß mit ihm hattest, das ist auch Satori sofort aufgefallen und sie ist in manchen Dingen eine kleine Blindschleiche. Ich hab zwar keine Ahnung, was da zwischen euch vorgefallen ist, dass du die Sache beendet hast, aber du bist gerade noch wortkarger und verschlossener als sonst und ich kapiere wirklich nicht, wieso du den Schwanz eingezogen hast. Klar weiß ich, dass du nicht willst, dass dir irgendjemand zu nah kommt. Aber man hat echt das Gefühl gehabt, du würdest auch mal zur Abwechslung gute Laune haben und die hast du so gut wie nie. Höchstens, als du dir die Harley zugelegt hast. Satori meinte schon, dass dieser Christoph dir eigentlich ganz gut tut, aber du verbaust dir gleich alles wieder, nur weil du wegen deiner Vergangenheit Schiss davor hast, je wieder einem Menschen zu vertrauen.“ Genervt stand Crow auf und drückte seine Zigarette aus. Er hatte keine Lust, sich das weiter anzuhören. „Ich habe keine Angst“, erwiderte er gereizt. „Ich habe diese Vereinbarung beendet, weil sein Adoptivvater genau der Mensch ist, der mich so eiskalt im Stich gelassen hat.“ „Aber dafür kann er doch nichts“, erwiderte die Japanerin und versuchte, ihm zu folgen. Doch so ganz leicht fiel es ihr nicht wirklich. Aber darauf nahm Crow auch keine Rücksicht. Er wollte diese Unterhaltung beenden und zwar so schnell wie möglich. „Das weiß ich selbst“, sagte er nur und ging weiter, ohne auf Honoka zu warten. Dann aber hatte sie ihn endlich eingeholt und bekam seinen Arm zu fassen. „Was ist es dann, was dich davon abhält, endlich mal glücklich zu werden?“ „Weil es keine Zukunft hat!“ rief er und schlug ihre Hand weg. Für einen Moment sah er so aus, als wollte er am liebsten alles kurz und klein schlagen, aber er beherrschte sich noch. Stattdessen senkte er den Blick und wirkte in diesem Moment sehr unglücklich und einsam. „Seien wir doch mal realistisch, Honoka. Das Leben ist keine verdammte Schnulze mit einem Happy End wie in deinem Buch, okay? Es ist verdammt unfair und für manche Menschen gibt es halt kein Glück. Ich habe es längst aufgegeben, darauf zu hoffen, dass es mal besser wird. Aber wenn nicht mal meine eigenen Eltern mich lieben konnten, wer soll es dann tun? Ich bin es einfach leid und ich kann das auch nicht mehr, Honoka.“ „Du bist ein Vollidiot, Kuro! Wenn man den Willen dazu hat, dann findet man einen Weg. Aber du gibst schon auf, bevor du es überhaupt versucht hast, weil du Angst vor dem Versagen hast.“ Der Tätowierer warf ihr einen finsteren Blick zu, der wirklich einschüchtern konnte. Normalerweise hätte er das nicht so auf sitzen lassen, aber er hielt an seiner eisernen Regel fest, niemals eine Frau zu schlagen. Zumindest nicht aus solchen Motiven. Und tief in seinem Herzen wusste er doch, dass sie nur das aussprach, was sie dachte und so ganz falsch lag sie auch nicht. Und das war es auch, was ihn daran hinderte, so etwas wie Gefühle für jemanden zuzulassen. Es war einfach besser, als wenn es wieder nur Enttäuschungen gab. Und die würde es garantiert geben. Wer wollte auch schon etwas mit einem Problemfall wie ihm auf die Dauer etwas anfangen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)