Im Zeichen des Rukh von Erenya ================================================================================ Kapitel 22: Befreiung --------------------- Ich muss gestehen, dass ich wirklich sehr überrascht war, denn die Explosion war doch größer, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich war mir sicher gewesen, dass die Menge an Öl, die ich für meinen kleinen Brandsatz verwendet hatte, nicht groß genug für diese Explosion sein konnte. Oder für das, was ich durch den Nebel sah. Rotes Leuchten. Es leuchtet so hell, als hätte sich das Feuer bereits so schnell ausgebreitet. Entweder hatten sie das Öl mit Unmengen an Wasser zu löschen versucht oder... nein. Irgendetwas stimmte nicht. Warum brannte dieses Holzschiff so gut? Es war nicht einmal ein halber Liter Öl gewesen. Wie konnte es da also so eine Explosion... Ich ohrfeigte mich innerlich, weil ich es vergessen hatte. Selbst eine kleine Menge konnte verheerend sein. Das hatte ich vollkommen vergessen, weil mir persönlich noch nie ein Fettbrand passiert war. Glücklicherweise, wenn ich so nun sah, was mit nur hundert Milliliter passieren konnte. Es waren nur wenige Sekunden, in denen alle gen Himmel zu starren schienen. Paralysiert, kurz darüber nachdenkend, was hier geschah. Es dauerte etwas, bis bei allen die Erkenntnis sackte, was dort passiert sein könnte und vor allem, das nicht klar war, was genau in Flammen stand. Zumindest hier auf dem Handelsplatz für Sklaven wusste es niemand. Die Menschen die am Hafen waren, hatten da sicher so eine kleine Ahnung. Zumindest sahen sie das Schiff, welches nun in Flammen stand. Und plötzlich kam die Menge in Bewegung. „Zum Hafen!“ „Seht nach, ob es unser Schiff ist!“ „Bring alles Brennbare ins Landesinnere!“ Ein Stimmgewirr machte sich breit. Überall ertönten Befehle, die sich unter die Schreie panische Massen mischten. Vergessen war die Auktion, die einen Varius anbieten sollte. Besser hätte es nicht laufen können und doch hoffte ich, dass das Feuer nicht ganz so schlimm war. Wie sonst wollte ich von dieser Insel runterkommen? Solange es nur Saams Schiff war, das brannte, konnte es mir doch egal sein. Was mir nicht egal sein konnte, war diese Gelegenheit, die sich mir gerade bot. „Verdammte-“ Ruriels Stimme kam irgendwie durch das Stimmgewirr durch. Schwer zu verstehen, aber dass er wie ein obszöner Seemann fluchte, hörte ich noch heraus. Und mit Sicherheit galten diese Flüche auch dem Feuer. Eines machte es mir aber deutlich, er war in meiner Nähe. Die Frage war nur, wie lange, denn mit Sicherheit musste auch er bald zum Hafen und sehen, was da vor sich ging. Ich musste nur- TOCK. Ich schüttelte mich, als etwas Feuchtes meine Schulter traf. Wobei es nicht nur hart war, sondern auch einen gewissen Widerstand bot, aufgrund der Tatsache, dass es wohl mal etwas fester gewesen war. Als wäre der Nebel nicht genug. Genervt wandte ich mich um, suchte im näheren Umfeld nach der Person, die das getan hatte. Die Zeit dafür hatte ich nicht, denn schon einen Augenaufschlag später landete eine gelbe Nashibirne einige Meter von mir entfernt im schlammigen Boden. Der Matsch spritzte in die Höhe. Verwundert blinzelte ich. Keine gerade Flugbahn. Zumindest hatte ich diese Frucht nicht aus einer Seitengasse kommen sehen, wie auch, überall liefen Menschen entweder dem Hafen entgegen oder rannten weiter ins Innere des Landes. Eine weitere Nashi folgte. Ich konnte die Flugbahn einigermaßen sehen. Wie von selbst hob sich mein Blick gen der Dächer. Wieder der Klang einer aufkommenden Frucht im Matsch. Nicht die Dächer. Von da kamen sie nicht. Mein Blick ging etwas weiter in die Höhe und hielt bei einem Etwas inne. Es flog, eindeutig, und flatterte ein wenig, so als würde es auf diese Weise rudern um oben zu bleiben. Auf ihm sah ich trotz all des Nebels zwei Silhouetten. Eine war definitiv menschlich und die Andere sah aus wie ein großer, gut gefüllter Sack. Was ich aber deutlich erkennen konnte, war das schwarze Rukh, welches um diese Gestalt herumflatterte, genauso wie mein Herz vor Aufregung flatterte. Wenn Er es war, hatte ich ein ernstes Problem. Mal davon abgesehen, dass er mich auf Grundschulniveau mit überreifen Obst bewarf. KLATSCH! Das war keine Nashi. Mein Blick wandte sich von dem Teppich, hoffend, dass dies kein Fehler war, denn wenn es wirklich Er war, dann musste ich auf alles gefasst sein. Ich war auf alles gefasst, aber nicht auf das, was ich im Schlamm sah. Neben dem überreifen Obst lag dort ein langer Gegenstand. Aus Holz mit einem grünen schimmernden Edelstein an der Spitze. Der Alexandrit. Meine Augen weiteten sich und wieder sah ich dahin, wo der fliegende Teppich war. „Hey, Nebelkrähe! Den Rest kannst du aber selbst, oder?“ Ich hatte mich nicht getäuscht. Diese selbstzufriedene Stimme. Als hätte er etwas besonderes getan. Er hatte Piraten bestohlen, aber gut, das wollte ich ihm nicht übelnehmen. Im Gegenteil, er hatte mir damit geholfen. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, während ich beobachtete wie der Teppich in Richtung des Chaos flog. Wenn er, Judar, der Hohepriester aus Kou, wüsste, dass ich so ein klein wenig für dieses Chaos verantwortlich war, uh wir wären sicher beste Freunde geworden. Ich schüttelte den Kopf über diesen absurden Gedanken. Ich und Judar Freunde, sicher. Das war eine mindestens so gesunde Beziehung wie die von Jesus und Judas. Für den Moment war es mir aber egal. Judar hatte mir einen großen Gefallen getan. Und ja, den Rest würde ich alleine schaffen. Vielleicht besser sogar, als geplant. Zumindest hatte ich nun ein Mittel zur Hand, um Varius zu befreien.   Durch das Chaos war es mir recht leicht gefallen den Stab aufzuheben und bei mir zu tragen. Ich hörte Ruriel auch nicht mehr, wahrscheinlich war er zusammen mit Saam in Richtung Hafen geeilt, um die Lage zu checken. Das machte diese Sache einfacher. Auch wenn die fünf Wächter, die für Varius zuständig waren, meines Wissens nach zu den stärksten der Mannschaft gehörten. Stärke, die sie nötig hatten, denn Varius schien die Explosion ebenfalls als seine Chance zu sehen. Er zerrte an den Ketten, bewegte seinen Körper und schleuderte damit einen der Fünf wie eine halb gefüllte Puppe zu Boden. Mehr Freiheiten bekam er aber nicht, denn die anderen vier stürzten sich auf ihn und rangen ihn zu Boden. Das war alles andere als fair. Noch dazu waren die fünf bewaffnet. Anders als Varius, oder ich. Mein Blick glitt kurz zu meinem Zauberstab. Ich war auch bewaffnet. Besser als mit der Schreibfeder, die ich kurz als temporären Zauberstab in Betracht gezogen hatte. Noch dazu, ich hatte drei Monate nicht gezaubert. Mehr als genug Magoi war also vorhanden, um ein paar bösen Piraten böse wehzutun. 'Tschaka~', flüsterte mir eine Stimme hämisch zu. Nein. Ich durfte sie nicht töten, egal wie tief mein Hass und meine Wut auf Saams Bande lag. Ich musste sie einfach nur ausschalten, lange genug beschäftigen, damit ich Varius vom Boden aufsammeln und mit ihm die Flucht antreten konnte. Leichter gesagt als getan, das war mir klar. Und meine Überraschungsbomben zündete ich besser noch nicht. Schon gar nicht, da sie voll mit dem brennenden Wasserersatz waren. Mehr noch als das, was ich an Bord des Schiffes angezündet hatte. Ich wollte gar nicht wissen, wie groß die Explosion dieser Flaschen sein würde. Fakt war, es war zu gefährlich für Varius. Und zu tödlich für die Piraten, auch wenn sie es verdient hatten. 'Keine Zeit~' Die Stimme in meinem Kopf hatte Recht. Auch wenn sie immer noch hämisch klang. Fast schon schadenfroh. Ich hatte nicht die Zeit darüber nachzudenken, was ich nun tun konnte, oder was nicht. Entschlossen, holte ich mit dem Stab aus und sprach den Spruch, der mir zum ersten Mal über die Lippen gekommen war, als ich diesem Pack begegnet war. „FLASH!“ Der Lichtstrahl verfehlte nicht sein Ziel und schleuderte einen der Piraten von Varius. Abgesehen von diesen Fünf und Varius, wurde ich aber von allen anderen ignoriert. Immerhin, ich hatte etwas Aufmerksamkeit, auch wenn es bereits in meinem Kopf ratterte, wie ich als nächstes vorgehen sollte. „Fünf gegen einen ist etwas unfair, meint ihr nicht? Was dagegen, wenn ich mich einmische?“ Hatte ich das gesagt? Ich war selbst über mich verwundert, denn in der Regel hatte ich nicht so eine große Klappe. Wenn dann nur, wenn ich einen guten Grund dazu hatte. Aber hatte ich den? „Die Hexe.“ „Verdammt, ich habe einen Namen! Außerdem ich bin keine Hexe!“ Wie es mich ankotzte, dass sie mich Hexe nannten. Das entsprach mal nur so halb der Wahrheit. In Harry Potter hätte es gestimmt, aber in Magi wollte ich dieses Wort auf mich bezogen nicht hören. Ich war keine Hexe. „Richtig, du bist die untreue Dienerin von Saam.“ Untreue Dienerin? Ich wusste nicht einmal, wann ich Saam die Treue geschworen hatte. Nachdem ich abgelehnt hatte, eine Piratin zu werden, hatte Saam einfach entschieden, dass ich seine Dienerin, viel eher Sklavin, wurde. Die Treue hatte ich ihm damit nicht geschworen. „Wieder falsch. Ich bin, Erenya und ich bin eine Magierin!“ Es war das erste Mal, dass ich dazu stand. Das ich zugab und akzeptierte, dass ich eine Magierin war. Nachdem ich aber in Bitroun das erste Mal tatsächlich gezaubert hatte, konnte ich es einfach nicht mehr abstreiten. In dieser Welt war ich eine Magierin und das würden diese Piraten noch zu spüren bekommen. „Flash!“ Als wollte ich mir selbst in Erinnerung rufen, dass meine Worte der Wahrheit entsprachen, ließ ich einen weiteren Lichtstrahl auf die Piraten los. Dieses Mal wichen sie jedoch rechtzeitig genug aus, mussten aber von Varius ablassen, der diesen Augenblick nutzte und einen der Piraten seinerseits mit den Füßen ins Wanken brachte, indem er ihm die Beine wegzog. Selbst nach drei Monaten waren wir eben noch ein tolles Team, wenn ich das mal so sagen durfte. „Varius, alles in Or-“ Ich hatte gerade einen Schritt auf Varius zugemacht, als einer der Wächter seinen Säbel zog und diesen an Varius Hals hielt. Fakt war immerhin, dass er immer noch am Boden lag und durch seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit nicht so schnell auf die Beine kam. „Einen Schritt weiter, Hexe, und er ist tot. Lass den Zauberstab fallen.“ Ich hasste Situationen wie diese, denn sie lösten ein Déjà-vu in mir aus. Ich erinnerte mich an den Kampf in Bitroun, daran, wie Ikram Cassius bedroht hatte. Hätte ich damals nicht aufgegeben... was wäre dann passiert? Cassius wäre vielleicht noch am Leben. 'Oder tot. Jetzt jammer nicht. Du hast gerade die Chance, diese Vergangenheit nicht noch einmal zu wiederholen.' Ich holte tief Luft. Ich hatte wirklich die Möglichkeit. Anders als beim letzten Mal hätte ich ohne Probleme den Säbel mit einem Lichtstrahl weg schleudern können. Wobei, die Klinge hätte dann dennoch Varius Hals zersäbelt. Keine gute Option. „Holt sie euch!“ Es war sein Befehl, der mich aus meinen Gedanken riss. Das war jetzt nicht der Zeitpunkt, um strategisch werden zu wollen. Strategie war sowieso nie wirklich meine Stärke gewesen. In Games haute ich auch immer einfach nur auf die Gegner drauf. Aber da waren auch keine echte Menschen in Gefahr. So wie Varius. „Kleines, kümmere dich nicht um mich. LAUF!“ Varius Worte drangen klar und deutlich zu mir vor. Ebenso der besorgte Unterton. So ein Idiot, er sollte sich besser Sorgen um sich selbst machen, als um mich. Seine Lage war gerade ein wenig bedrohlicher. Ein Grund mehr, ihn nicht hier alleine zu lassen. Und dennoch wandte ich mich um, als wollte ich weglaufen. Ich lief auch, hörte aber die Schritte der anderen drei Piraten hinter mir. Sie waren schnell. Schneller als ich. Aber ich erwartete auch gar nicht, dass ich entkommen konnte. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie mich gleich hinterrücks tackelten. Ohne eine Chance zu haben mein Gleichgewicht halten zu können, ging ich zu Boden und landete im Schlamm. Meine Landung war alles andere als schmerzfrei, besonders als ich das Gewicht zwei meiner Verfolger spürte, die mich am Boden halten wollten. „Uff... ich hab definitiv zu gut für euch gekocht“, presste ich leise hervor, umklammerte aber den Stab, an dem einer der Beiden zerrte. Nur über meine Leiche würden sie den noch einmal bekommen. „Was machen wir jetzt mit ihr?“ „Ist doch egal, so lange sie ihren Stab nicht nutzen kann, ist sie keine Gefahr. Brich ihr die Beine, dann kann sie auch nicht weglaufen.“ Beine brechen? Aus was für Horrorfilmen waren diese Deppen ausgebrochen? Das konnte ich nicht zulassen, ich brauchte meine Beine noch. Ich wandte meinen Kopf um, versuchte eine Möglichkeit zu finden, wie ich hier raus kam, bis plötzlich einer der Körper von mir weg geschleudert wurde. „Er ist entkommen, haltet ihn!“ Ich wandte meinen Blick etwas um, indem ich meinen Oberkörper, der nun nicht mehr gegen Boden gepinnt war, wand. Varius stand nahe bei mir. Immer noch gefesselt und doch recht aktiv, weil es dieses Mal keine fünf Mann waren, die ihn hielten. Wenn er sich nicht um mich gekümmert hätte, dann hätte er fliehen können. Das war der Plan gewesen, ich hätte mich schon... irgendwie befreit. „Ihr wisst wohl nicht wie man eine Lady richtig behandelt, oder?“ Abgelenkt durch Varius, grub ich meine freie Hand, welche nicht den Stab hielt, unter meinen Körper hervor. Ich schnappte mir dabei etwas Schlamm, erhob meinen Oberkörper und drückte die Ladung des Schlammes direkt in sein Blickfeld. Der Schlamm zeigte seine Wirkung, denn geblendet, weil sicher auch etwas davon mitten in die Augen kam, ließ er von mir ab und ich konnte mich aus dem Dreck erheben. Sofort nahm ich meinen Zauberstab und schleuderte einen Lichtstrahl auf einen der Piraten, die nun versuchten Varius in die Knie zu zwingen. Den Anderen erledigte Varius selbst indem er ihn tackelte. „Kleines, nun lauf!“ Nachdem ich einen weiteren Lichtstrahl auf den letzten Piraten geschossen hatte, entschied ich, dass es auch besser war, das zu tun. Immerhin waren Varius Füße nicht gefesselt. Das einzige Problem, das nun bestand war, wie wir den Rest der Ketten los wurden. Darüber konnten wir allerdings auch später nachdenken, denn im Moment hatten wir weiß Gott andere Probleme. „Komm mit Varius, wir müssen hier weg.“ Ich griff nach Varius gefesselten Armen, die mit einem Metallriemen am Hals verbunden waren. Dadurch war seine Bewegungsfreiheit natürlich eingeschränkt, dennoch hatte er noch genug Spielraum für Bewegungen. Damit war er auch frei genug, für den Moment, um mit mir weglaufen zu können. „Ihnen nach! Saam bringt uns um, wenn der Fanalis entkommt!“ Varius und ich dachten gar nicht daran, jetzt einfach so stehen zu bleiben, kaum dass wir uns in Bewegung gesetzt hatten. Im Gegensatz zu mir, war Varius aber wesentlich schneller, ebenso die Piraten, die ich immer wieder abschüttelte, indem ich ein paar Lichtstrahlen auf sie feuerte. „Kleines, du scheinst endlich etwas zaubern gelernt zu haben.“ „Leider nicht genug. Zwei Zauber reichen nicht, um diese Trottel lange zu beschäftigen.“ Erneut warf ich einen Lichtstrahl hinter mich auf die Piraten, während Varius sich meinem Tempo anpasste. Er schien zu ahnen, dass ich bereits eine Fluchtroute hatte, wir diese aber nicht nehmen konnten, wenn er voran lief. „Besser als gar nichts. Wichtig ist, dass du das was du kannst auch beherrschst.“ Ich verzog etwas das Gesicht, denn ich hatte noch nicht das Gefühl, dass ich das, was ich konnte, wirklich beherrschte. Drei Monate hatte ich nicht die Zeit gehabt zu üben, sonst wäre der Lichtstrahl wahrscheinlich stärker, vielleicht sogar tödlich gewesen. „Hier lang.“ Um das Thema zu vermeiden, lenkte ich eine neue Richtung ein. Dank meiner Botengänge und dem „verlaufen“ kannte ich nun viele Winkel dieses Piratenmarktes. Vielleicht, so hoffte ich es, konnte ich auf diese Weise diese fünf Piraten abhängen. Oder zumindest ein Versteck finden, das mir und Varius lange genug dienlich war, um seine Fesseln zu lösen, auch wenn ich noch keine Ahnung hatte wie ich das bewerkstelligen sollte. 'Du hast andere Probleme', erinnerte mich eine meiner Stimmen und sie hatte Recht. Ich hatte wirklich andere Probleme. In einer Gasse mit einem einzigen Holzfass, war Endstation. „Sackgasse...“, merkte Varius an und ich applaudierte geistig für diese geniale Feststellung, die ich ich selbst nicht hatte treffen können. Nicht gut, ich hatte wohl eine Abzweigung zu früh genommen und uns damit selbst wie die Beute in die Ecke gedrängt. „Weit kommen sie nun nicht mehr.“ Das hämische Gelächter unserer Verfolger ertönte hinter uns. Scheinbar wussten sie genau wohin unser Fluchtweg geführt hatte. „Schnell, Erenya, das Fass.“ Varius schaltete schneller als ich und öffnete das Fass neben uns, wobei das Innere gut gefüllt mit Nashibirnen war. Nun wunderte mich gar nicht mehr, woher der Hohepriester seine Munition herbekommen hatte. Dabei hatte ich immer vermutet, dass er eher auf Pfirsiche stand. „Verstecken kann ich mich da sicher nicht“, murmelte ich leise, denn anders als Yunan fand ich solche engen Räumen nicht sehr bequem. „Es reicht wenn wir sie ablenken. Wirf so gut du kannst.“ Entsetzt sah ich Varius an, denn in Sachen zielen war ich genauso gut wie ein blindes Huhn. Ich traf vielleicht mal aus Glück heraus ein Korn. „Keine Sorge, wir schaffen es hier gemeinsam raus.“ Wahrscheinlich blieb mir nichts anderes übrig, als Varius zu vertrauen, weswegen ich mich direkt neben das Fass platzierte und sofort die ersten zwei Nashis herausholte. Im Gegensatz zu denen, mit denen ich beworfen worden war, waren diese nicht überreif. Sie waren fest und taten sicher weh, wenn man getroffen wurde. Die Frage war nur: Würde ich treffen? „Hahaha, schaut euch das mal an, die Hexe will uns mit Fallobst bewerfen.“ „Sie könnte ja nicht einmal den Fanalis treffen wenn er dreimal so groß wä-“ PATSCH! Ich war erstaunt, wie gut ich getroffen hatte. Auch wenn es nicht gerade der Pirat gewesen war, den ich hatte treffen wollen. Aber das konnte man ja gediegen überspielen. „Kumpel, du hast dich von einem Mädchen tref-“ PATSCH! Die nächste Nashibirne. Wahrscheinlich hatte mich die Zielsicherheit des Hohepriesters angesteckt, auch wenn ich schon wieder nicht mein eigentliches Opfer getroffen hatte. Musste ja keiner wissen. Sofort griff ich die nächsten zwei Nashi und warf sie auf die Piraten. Es war nicht schwer, was vielleicht auch daran lag, dass diese Gasse eng, sie zu fünft und wahre Schränke waren. Da konnte man doch nicht wirklich einen von ihnen verfehlen. Außer denjenigen, den man wirklich treffen wollte. „Argh, ich hab etwas ins Auge bekommen.“ Ich warf weiter und kümmerte mich gar nicht darum, wer was ins Auge bekommen hatte oder nicht. Treffer um Treffer landete ich, die Kleidung der Piraten war nun noch feuchter als sie es von der Meeresluft und dem Nebel waren. Es passierte, als ich gerade mit der nächsten Nashi die Piraten ins Visier nahm. Ein Wind zog an mir vorbei, ich hörte das Ächzen der Piraten, sah auch Varius, der scheinbar durch die Gruppe unserer Verfolger brach. „Komm, Kleines!“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, immerhin lagen unsere Verfolger gerade am Boden und würden etwas brauchen um sich aufzurappeln. Auf Varius Worte hörend, lief ich zu ihm und bog gemeinsam wieder auf den Weg ab, auf dem wir gekommen waren.   Solange wir genügend Abstand zu unseren Verfolgern hatten, war es gut, leider waren auch diese Verfolger sehr lästig. Um etwas zu Ruhe zu kommen, waren Varius und ich daher in ein kleines Lager nahe dem Gasthaus „untergetaucht“. Warum die Piraten ausgerechnet dort nicht nach uns suchten, war mir unklar. Die Logik hätte mir als Verfolger geboten, mich dort zu verstecken. Vielleicht war es aber auch zu offensichtlich, oder sie dachten, dass das Lager unzugänglich war. Wer wusste das schon? Varius und ich nutzten die ersten Momente, um etwas zu Ruhe zu kommen. Dank Varius Gehör konnten wir uns darauf verlassen, dass wir sicher waren, denn ihm entging nicht, wenn unsere Verfolger nahe waren. „Sie sind auf dem Weg zum Hafen...“, erklärte er nach einiger Zeit, in der ich überlegt hatte, ob ich die Luft anhalten sollte. Zum Hafen, damit waren sie weit genug von uns entfernt. Erleichtert ließ ich mich gen Boden sinken und versuchte mich etwas zu beruhigen. Etwas, dass schwer war, denn mein Adrenalin ließ nicht auf Knopfdruck nach. Noch dazu machte ich mir Sorgen, wie wir zum Hafen kommen sollten. „Also schön, schauen wir mal wie wir deine Ketten losbekommen. Zu viel Schmuck ist schädlich für dein Image als Gladiator.“ Auch wenn ich mich nicht sofort erhob, ließ ich meinen Blick durch den Lagerraum schweifen. Es musste irgendetwas geben, dass mir half diese Ketten loszuwerden. Ein passender Schlüssel wäre ideal gewesen, allerdings würde ich so einen hier nicht erwarten können. 'Mist! Wir hätten den Wachen die Schlüssel abnehmen sollen, als sie am Boden lagen', fluchte die Stimme in meinem Kopf und ich musste ihr Recht geben. Allerdings war die Situation keine gewesen, in der mein logisches Denken wirklich aktiv war. „Kleines... Wie sieht es aus, weißt du was mit den Anderen der Gruppe passiert ist?“ Ich erstarrte förmlich, als Varius mir die Frage stellte, die von Anfang an unausweichlich war. Ich hätte sie sicher auch gestellt, sobald seine Ketten ihn nicht mehr fesselten. „Hinata hat es geschafft. Allerdings habe ich sie nach der Ankunft des Schiffs aus Kou nicht mehr gesehen. Und zum Rest...“ Ich hielt kurz inne und wusste nicht, wie ich Varius erklären sollte, was es zu erzählen gab. „Als die Piraten in Bitroun einfielen, war ich bei Cassius. Wir sind zusammen vom Hafen geflohen, wurden aber am Marktplatz von Ikram und ihren Männern entdeckt. Es kam zu einem Kampf, bei dem uns eine Magierin zur Seite stand. Allerdings war sie die einzige, der ich die Flucht ermöglichen konnten. Cassius und ich wurden gefangen genommen, nachdem Ikram drohte, ihn umzubringen, wenn wir nicht aufgeben.“ „Cassius wurde gefangen genommen? Ich hab ihn nicht in meiner Zelle gesehen. Gibt es noch andere?“ Ich zuckte mit den Schultern, denn ich wusste nicht, ob es mehr dieser Zellen gab. Wahrscheinlich aber nicht. So groß war das Schiff auch nicht. Dennoch, ich kannte die Wahrheit und wusste, dass Cassius nicht mehr zu den Gefangenen gehörte. „Cassius wurde gefangen genommen, als wir an Bord kamen, riss er sich los, stürzte sich auf Saam und wurde von ihm über die Reling geschickt. Auch wenn ich es nicht sah, ich hörte es und die Piraten haben mir das immer wieder bestätigt.“ Während ich sprach, spielten sich in meinem Kopf wieder die Bilder des Abends von vor drei Monaten ab. Die Geräusche, die Gerüche, alles wurde scheinbar wieder real, so als hätte es sich zu diesen Zeitpunkt in mein Gedächtnis gebrannt. „Cassius ist also tot?“ Verwundert sah ich zu Varius. Bisher war ich nie davon ausgegangen, dass er tot sein musste, nur weil er über die Reling gegangen war. Ich war mir immerhin sicher gewesen, dass Cassius schwimmen konnte. „Cassius, kann nicht sehr gut schwimmen. War er gefesselt?“ Ich schüttelte den Kopf. Cassius hatte bei Saam sicher einiges an Schlägen gelandet, noch dazu hatte seine Silhouette nicht gefesselt gewirkt. Ich konnte also davon ausgehen, dass er seine Fesseln, die, wie bei mir, nur aus Seilen bestanden hatten, durchgerissen hatte. „Außerdem... Die Piraten haben nie ein Wort darüber verloren was es war, aber ich hörte noch ein zweites Platschen. Als wäre jemand über Bord gesprungen und Cassius gefolgt.“ Ich schloss die Augen und spielte die Geräuschkulisse noch einmal ab. Das zweite Platschen kam kurz nach Cassius'. Die Platscher waren zu dicht, so als wäre jemand Cassius gefolgt. Entweder hatte jemand seine Freiheit in diesem Fluchtversuch gesehen, oder jemand hatte nach Cassius sehen und ihn retten wollen. „Vielleicht ein anderer Pirat?“ Ich schüttelte den Kopf. So wie ich diese Bande einschätzte, hätte sich keiner die Mühe gemacht, denjenigen aus dem Wasser zu ziehen, der Saam angegriffen hatte. „Egal wer es war. Cassius geht es sicher gut. Und er ist frei.“ „Bist du dir sicher?“ Sicher war ich mir nicht, allerdings wollte ich diese Hoffnung auch nicht fahren lassen. Ich wollte mir nicht einmal ausmalen, wie es Varius gehen würde, wenn er Cassius verlor. Einen Freund. „Hey, ich bin eine Magierin. Vertrau mir einfach, Cassius lebt.“ Ich bemühte mich zu lächeln, als ich zu Varius sah. Cassius lebte, er musste leben. Jemand wie ihn brachte so schnell nichts um. Ich konnte oder eher wollte es mir zumindest nicht vorstellen. „Wie sieht es bei dir aus? Du warst mit den Anderen trinken. Weißt du was ihnen widerfahren ist?“ Es war das erste Mal, dass ich wirklich die Frage stellte, was mit den Anderen war. Abgesehen von dem Gespräch mit Hinata, hatte ich ja nicht viel erfahren. Zumindest nicht von den Anderen. Lediglich dass sie ihren Herren beschützt hatte. „Ich weiß es nicht. Abgesehen von Tiberius...“ Abgesehen von Tiberius. Ich wusste nicht, ob ich genauer fragen sollte, denn ich ahnte bereits, was für eine Antwort er mir geben würde. Die Frage war, wollte ich sie so genau wissen? War es nicht besser, mit einer Lüge zu leben, zu glauben, dass alles okay war? Nein. „Was ist passiert?“, fragte ich und holte tief Luft. Ich war bereit für die Wahrheit. Egal was es sein sollte. „Wir haben die Kneipe verlassen, als wir bemerkten, dass etwas nicht die stimmte. War nicht schwer bei dem Krach. Die Hauptstraße war voll und ich verlor Iunia und die Anderen aus den Augen. Tiberius und ich waren alleine, als die Piraten ihren Angriff an die Masse richteten und uns auseinandertrieben. Wahrscheinlich, um die Frauen und Kinder besser zu fangen. Tiberius und ich versuchten, einige Frauen vor den Piraten zu beschützen. Wir waren aber chancenlos. Gegen diese Blitze schleudernde Waffen hatten wir keine Chance. Sie überwältigten mich, Tiberius versuchte noch, sie daran zu hindern, doch sie töteten ihn kaltblütig.“ Ich erinnerte mich an den Strand, den wir vor Bitroun gesehen hatten, und es grenzte an ein Wunder, das Varius das alles überlebt hatte. Oder auch nicht. Das er noch lebte, verdankte er wohl seiner Fanalisabstammung. Dennoch, wie sehr musste Tiberius Tod an Varius genagt haben? Ganze drei Monate, in denen er alleine in dieser Zelle verbracht hatte. Gerade deswegen hoffte ich, dass Cassius überlebt hatte. Noch einen Freund sollte Varius nicht verlieren. „Hey, Kleines, schau nicht so traurig. Wir wussten alle, dass dieser Tag irgendwann einmal kommt. Es war Schicksal.“ „Nein!“ Es brach aus mir heraus. Wie oft hatte ich schon gehört, dass es Schicksal war? Sollte dies wirklich die Ausrede für alles schlechte sein? Für alles, was ihnen widerfuhr? Ich konnte und wollte das nicht akzeptieren. „Schicksal... das ist etwas, das ich höre, seit ich hier bin. Es war nicht Tiberius Schicksal zu sterben. Die Piraten haben ihn umgebracht.“ „Also Schicksal. Es war Schicksal, dass sie in Bitroun eingefallen sind.“ „Verdammt noch mal, Varius, nein! Mit Sicherheit war es nicht Schicksal. Sie haben sich bewusst dafür entschieden. Wäre es Schicksal gewesen, hätte es jede Stadt sein können. Aber irgendwas bei Bitroun hat sie angezogen und das war sicher kein Schicksal.“ Varius schwieg, aber ich erkannte deutlich, das diese Worte ihn nicht überzeugten. Kein Wunder. Wahrscheinlich war allen hier eingeimpft worden, dass es eben Schicksal war, was ihr Leben ausmachte. Traurig, denn selbst ich hatte mich entschieden, mich gegen mein Schicksal zu stellen und diesen Fluchtversuch zu wagen. Egal, was die Konsequenz sein würde. „Ich hab eine Axt hier gesehen. Sie ist vielleicht stark genug, um die Ketten zu trennen. Dein Halsband krieg ich dann zwar nicht ab, aber immerhin verschaffe ich dir mehr Bewegungsfreiheit.“ „Und dann? Wie sieht dein Plan aus?“ „Eigentlich habe ich keinen. Allerdings schlage ich vor, wir kämpfen uns zum Hafen vor. Dort soll ein Schiff aus Kou vor Anker liegen. Hinata meinte, sie wolle uns zu hundert Prozent hier rausholen. Vielleicht hat sie Freunde auf dem Schiff. Darauf verlassen würde ich mich aber nicht. Mein kleines Geschenk an Bord von Saams Schiff hat für ein wenig Chaos gesorgt.“ „Du warst das?“ „Ich hoffe zumindest, das es mein Geschenk war. Ein wenig brennendes Öl. Die Explosion ist zwar größer als geplant aber... mir egal. Solange wir hier wegkommen ist es mir recht. Aber erst einmal nehmen wir dir wirklich die Ketten ab.“ Ich erhob mich von meinem Platz und ging zu der Ecke des Lagers, in dem die Axt stand, von der ich gesprochen hatte. Sie war schwer, massiv und ich fühlte mich gerade wie Rose, die auf einem sinkenden Schiff war und mit diesem Schlüssel ihre erste große Liebe befreien konnte. Ein Glück befand ich mich nicht auf der Titanic. „Wow... weißt du wie man damit umgeht?“ Ich blickte von der Axt zu Varius, der mich zweifelnd ansah. Soviel vertraute er mir also. Gut, ich hätte mir nicht mehr vertraut. Das Ding war schwer und ich wusste nicht, wie gut ich damit zielen konnte. „Klar. Man kann damit Holz hacken, Ketten zerstören und anderen Leute böse wehtun.“ „Du hast also schon einmal eine Axt benutzt?“ „Indirekt.“ Ich musste Varius ja nicht auf die Nase binden, dass meine Axt-Erfahrung sich lediglich auf Harvest Moon bezog. Aber hey, ich schaffte es in Harvest Moon mein Holz zu hacken, da würde doch so eine kleine reale Kette kein Hindernis darstellen. „Indirekt überzeugt mich nicht.“ „Willst du diskutieren oder frei kommen? Vertrau mir. Ich werde dir schon nichts wichtiges abhacken.“ „Ich bitte dich, mir auch nichts unwichtiges abzuhacken.“ Ich verdrehte die Augen und suchte nach einer starken Unterlage. Ich hoffte, sie zumindest in Form eines Woks, ich glaube es war ein Wok, gefunden zu haben. Ich platzierte diesen auf ein Regalfach und wies Varius an, die Kette darauf zu legen. „Du weißt wirklich, was du tust?“ Ich schwieg kurz, als mich Varius das fragte. Ich wusste eigentlich gar nicht, was ich tat. Ich setzte lediglich Wissen ein, welches mich ein Film gelehrt hatte. Es war nur zu hoffen, dass James Cameron diese Variante des Fesseln-Lösens nicht erfunden hatte. „Bist du bereit?“, fragte ich und platzierte meine Hände an der Axt so, wie es Jack Rose angeraten hatte. Immerhin wirkte ich damit schon professioneller als Rose und schien doch etwas das Vertrauen von Varius zu gewinnen. „Nicht wirklich, aber ich fürchte ich habe keine andere Wahl, oder?“ Ich nickte und beobachtete, wie Varius sich platzierte. Die Gefahr seinen Hals zu treffen war groß und anders als bei den Nashibirnengeschoßen befanden wir uns hier nicht in einer engen Gasse. Hier konnte ich nicht behaupten, dass ich die Handgelenke Varius anvisiert hatte. Ich hob die Axt an, schluckte schwer und ließ sie mit geschlossenen Augen auf die Kette niedersausen. Ein Schrei blieb aus, stattdessen spürte ich wie die scharfe Seite der Axt auf etwas aufkam. Die Kette. Ich öffnete die Augen und sah, dass ich auch die Kette getroffen hatte. Nur war sie noch nicht zersprungen. Das würde dauern und die Frage war, ob ich so lange Kraft in den Armen hatte und wirklich immer wieder dieselbe Stelle traf.   Die Axt war nicht gut. Vielleicht schlug ich auch einfach nicht gut. Aber die Kette gab nicht nach. Nach einigen Schlägen verstand ich das und hielt inne mit meinem Tun. Ich spürte das Brennen meiner Muskeln und war froh, als ich die Axt endlich ablegen konnte. Stattdessen griff ich zu meinem Zauberstab, was bei Varius ein Zusammenzucken auslöste. „Was?“ „Du willst nicht wirklich diesen Lichtstrahl benutzen, um die Kette zu lösen!“ „Eis und Feuer habe ich leider nicht zur Hand. Also muss ich auf das zurückgreifen, was ich habe.“ „V-Versuchs doch bitte weiter mit der Axt.“ „Wir haben keine Zeit, Varius. Nun richte dich auf, stell dich seitlich hin und ich mach das.“ Ein leidvoller Blick war zu erkennen. Varius vertraute mir scheinbar wirklich nicht bei dem, was ich tat. Sollte er aber, ich hatte ihn immerhin nicht mit der Axt entmannt. Und mit meinem Flash-Spruch war ich wesentlich zielsicherer als mit der blöden Axt. Noch dazu konnte ich auch einigermaßen die Stärke des Lichtstrahls kontrollieren. Hoffte ich. „Also gut, Rukh... Stark genug um diese Ketten zu sprengen, mehr nicht“, flüsterte ich leise und zielte mit dem Zauberstab auf die Kette. „Flash!“ KLIRR. Es war eindeutig, dass der Strahl die Kette getroffen hatte, denn sie fiel klirrend zu Boden. Varius sah auch noch gesund aus. Etwas blass, aber sonst ganz gesund. „Siehst du. Alles in Ordnung.“ Varius schüttelte sich noch etwas und sah zu, wie die restlichen Ketten von ihm fielen. Abgesehen von dem Halsband erinnerte nichts mehr daran, dass er mal als Sklave verkauft werden sollte. Er hatte seine Freiheit wieder. „Kleines... Nie wieder“, nuschelte er und ich nickte. Ich war nicht weniger erleichtert als er. „Keine Sorge, nie wieder. Außer du lässt dich wieder fesseln“, witzelte ich. Die Antwort blieb aus, denn statt dieser, zog er mich in seine Arme und drückte mich an sich, als wäre unser Wiedersehen nun Jahre her. Es tat gut, denn nun wurde mir richtig bewusst, dass Varius wirklich lebte. „Ich bin froh, dass du es überlebt hast. Vor allem nachdem, wie wir uns das letzte Mal gesehen haben.“ Ich hatte die Ereignisse aus der Kneipe fast vergessen, doch nun kamen sie mir wieder in den Sinn. Ich war aber viel zu froh darüber, dass Varius hier war, als dass ich ihm verübeln konnte, was zwischen den Geschwistern und mir passiert war. „Schon okay. Sollten Panthea und Nel noch leben, muss ich den beiden auf jeden Fall danken. Ohne Nels Stab, wäre ich wohl nicht mehr am Leben.“ „Das, was die Beiden zu dir gesagt haben, meinten sie nicht so. Es war Tiberius und mein Vorschlag, dir auf diese Art und Weise klar zu machen, dass sie diesen Stab nicht zurücknehmen werden. Deswegen, weil dich das sicher sehr verletzt hat, tut es mir Leid.“ Nun war ich es, die ihre Arme um Varius legte. Er war abgemagert, hatte sicher nicht genug zu Essen bekommen und doch spürte ich die Muskeln an seinem warmen Körper. Eines stand fest, ich würde ihm was zu Essen besorgen, wenn wir hier weg waren. „Idiot. Ich bin euch schon lange nicht mehr böse. Ihr habt so viel Gutes für mich getan und ich war nur am herumzetern. Mir tut es Leid, dass ich nicht mehr für Cassius tun konnte.“ „Sag so etwas nicht. Du hast kapituliert, als er bedroht wurde. Ich gehe mal nicht davon aus, dass du das getan hast, um dein Leben zu retten.“ Ich war mir nicht mehr sicher, warum ich es getan hatte. Fakt war, genau das hatte mich in diese Situation gebracht. Und eigentlich wollte ich auch nicht wissen, was passiert wäre, wenn ich es nicht getan hätte. „Wir sollten weiter zum Hafen gehen, bevor sich alles beruhigt. Mach dir keine Sorge, auch ohne Dreizack kann ich dem Pack hier gehörig die Leviten lesen. Sie werden bereuen, was sie Tiberius angetan haben.“ Die Entschlossenheit war deutlich in Varius Worten zu hören. Aber er hatte Recht. Jetzt war unsere Chance. Und wir durften sie nicht ungenutzt lassen. Ich nickte daher und löste mich von Varius. „Aber vorher, schauen wir, was wir aus dem Lager hier noch mitnehmen können. Ein paar Überraschungen für eventuelle Angreifer können niemals schaden.“ Mein Blick glitt erneut durch das Lager. Es war eindeutig auf ein Lokal eingerichtet auch wenn die Axt hier einfach nicht ins Gesamtbild passte. Interessant erschien mir da schon eher eine Kiste voller Alkohol. „Uh~ Da kribbelt mir doch der Finger vor Begeisterung“, kommentierte ich meinen Fund mit Begeisterung, wobei ich mir selbst wie eine Pyromanin vorkam. Ich meine, ich führte Öl mit mir spazieren und freute mich über Alkohol der leicht entzündlich war. In meiner Welt hätte ich mich nicht so darüber gefreut. Aber gut, sobald ich bei den Piraten weg war, würde ich mir verbieten, Leute anzünden zu wollen. Sie mit einem Flash wegzustoßen und übel wehzutun reichte vorerst. „Kleines, du hast dich verändert.“ Ich ignorierte Varius Kommentar, denn er hatte Recht. Ich hatte mich in den drei Monaten verändert und mit Sicherheit lag es nicht nur an den Schafen, die ich hatte schlachten müssen. „Ein Kochmesser. Perfekt.“ Das Lager entpuppte sich als kleines Paradies. Es war Ersatzbesteck zu finden, etwas Stoff, der sich wunderbar mit dem Alkohol nutzen ließ. An Lebensmittel gab es leider nichts Reiseproviantfähiges. Ebenso wenig gab es eine Waffe für Varius, allerdings sollte das, was wir hatten, reichen. „Gabeln?“, fragte Varius mich zweifelnd, als ich ein paar einsteckte. Ein breites Grinsen lag auf meinen Lippen. „Es gibt Menschen, die wurden mit einer Kuchengabel erstochen. Man weiß nie, was die unscheinbaren Dinge bringen können.“ Immer noch nicht ganz überzeugt, sah sich Varius dennoch um. Allerdings schien ihn nichts zu Tonkrügen und Co. als Nutzungsgegenstand einzufallen. „Hast du alles, Kleine?“ Ich nickte, denn ich hatte in der Tat alles, was uns nützlich sein konnte. Zwei Flaschen Alkohol mussten reichen, wenn nicht als Sprengstoff, dann vielleicht als Desinfektionsmittel. Er war vielseitig nutzbar. Zur allerhöchsten Not konnte Varius ihn trinken. Nach drei Monaten wäre das sicher auch was Schönes gewesen. „Dann mal los. Was sagt das Gehör?“ „Sie sind nicht in unserer Nähe.“ Immerhin das klappte. Wir hatten die Wächter wohl wirklich abgeschüttelt. Mit etwas Glück konnten wir unsere Reise zum Hafen recht sicher fortsetzen.   Was auch immer passiert war, die Kämpfe auf der Pirateninsel waren entbrannt. Keine Ahnung warum. Allerdings vermutete ich, dass es was mit den Kou-Kriegern zu tun hatte, derer sich die Piraten erwehrten. Auch Varius und ich wurden in kleinere Kämpfe verwickelt, allerdings erwiesen wir uns als ein wirklich gutes Team, denn wir hielten einander den Rücken frei und konnten so sicher weiter in Richtung Hafen fliehen. Im Grunde hatten wir es auch nicht mit sonderlich kampfstarken Piraten zu tun. Zumindest waren sie nicht stark genug, um gegen einen Zauber oder einen Fanalis zu bestehen. Wir hatten also Glück. Ein Glück, dass uns schnell verließ, kaum dass wir nur noch wenige Meter vom Hafen entfernt waren. Varius und ich hatten eine weniger bekämpfte Seitengasse bevorzugt und waren gerade dabei, den letzten Teil des Marktes hinter uns zu lassen, als sich vor uns eine Gestalt aufbaute. Sie hatte dort einfach auf einem Fass sitzend gewartet, wissend, dass wir wahrscheinlich den Hafen aufsuchen würden. Das Tragische daran war, dass ich diese Gestalt nur zu gut kannte. „Wir waren scheinbar nicht vorsichtig genug mit dir. Selbst Daria, die uns immer wieder über deine Pläne auf dem Laufenden gehalten hat, schien niemals wirklich zu wissen, was in deinem Kopf vorging. Schon seltsam, ihr schient euch wirklich gut zu verstehen.“ Ernst sah ich zu Ruriel, der seinen Säbel zog. Egal wie freundlich er immer zu mir gewesen war, ich hatte immer gewusst, dass er mir das Licht ausknipsen würde, wenn ich ihm an Bord auch nur eine Möglichkeit bot. Seine Psychospielchen mochten vielleicht bei den anderen Sklavinnen geholfen haben, nicht aber bei mir. „Du hast doch den Brand gelegt und ich lasse sicher nicht zu, dass es noch einmal zu so einer Sicherheitslücke kommen wird. Saam mag gerade beschäftigt sein, aber ich nehme mir gerne Zeit, deine Bestrafung persönlich vorzunehmen, Erenya.“ Ich erkannte die Position, die Ruriel einnahm. Ich hatte sie an Bord oft genug gesehen, wenn er die jüngeren Piraten „ausbildete“ und ihnen noch ihren Feinschliff gab. Er war bereit gegen mich zu kämpfen und irgendwie, war ich bereit diesen Kampf zu führen. Denn er war alles, was zwischen meiner und Varius' Freiheit stand. „Oh, bitte. Ich hab nur ein kleines Feuerchen gemacht. Ich habe nicht versucht es mit Wasser zu löschen, auch wenn ich gestehe, dass ich damit gerechnet habe, dass man es auf diese Weise versuchen würde.“ „Kleines, ich lenk ihn ab und du-“ „Nein, Varius, das hier ist etwas, das ich tun muss.“ Es war wirklich dieses Gefühl da, dass diese Auseinandersetzung persönlich war. Keine Ahnung, woher diese Überzeugung kam und warum ich sie so entschlossen akzeptierte, aber vielleicht hatte sich in den drei Monaten an Bord eines Piratenschiffes etwas bei mir verändert. „Eine Frage an dich noch, Ruriel. Wer hat Cybele veraten?“ Ein Seufzen kam von Ruriel, als hätte er gedacht, dass ich wesentlich klüger war. Das war die Antwort, die ich brauchte und mich ehrlich gesagt noch tiefer verletzte, als ich es geglaubt hatte. „Du weißt es doch. Dieselbe Person, die dich verraten hat. Und nicht nur sie. Auch Skylla und Charybdis waren uns im Gegensatz zu dir und Hinata treu.“ Also doch mehr. Wobei Mädchen, die die Namen von Monstern aus der Odyssee trugen, konnte man nicht trauen. War ja klar gewesen. Ebenso, dass Daria die Verräterin gewesen war. Ich seufzte, denn damit war die letzte endgültige Hoffnung dahin gegangen. Kurz schloss ich die Augen und holte tief Luft. Vor anderen Piraten hätte ich dies nicht getan, aber soviel Vertrauen hatte ich doch noch in Ruriel. „Danke.“ Es war das wohl letzte Mal, dass ich mich bei Ruriel, bedanken wollte. Er hatte mir immerhin ehrlich geantwortet, aber wir waren nun keine Freunde mehr oder „Kollegen“ oder wie man unsere Beziehung miteinander hätte nennen können. Von diesen Zeitpunkt an waren wir Gegner. Er war bereit mich umzubringen und ich war bereit mich ihm zu stellen und davon abzuhalten mir im Weg zu stehen. „Flash!“ Ich zögerte nicht lange und schoss einen Lichtstrahl auf Ruriel der diesem geschickt auswich, gleichzeitig aber auf mich zulief und mit seinem Säbel ausholte. Er prallte an meinem Borg ab, holte aber sogleich wieder aus. Seine Geschwindigkeit war im Vergleich zu der von Varius und Cassius nichts, aber doch war er auf rein menschlicher Ebene flink. Ich konnte nur wenige Hiebe mit dem Stab abblocken, den Rest erledigte mein Borg. Zum Angriff kam ich selbst nicht mehr, denn die Kaskade an Schläge, die Ruriel auf mich runtersausen ließ, nahmen kein Ende. Das Ruriel kein leichter Gegner sein würde, war mir von Anfang an klar gewesen, doch dass ich wirklich keinerlei Fuß ohne Borg gefasst hätte, damit hätte ich nicht gerechnet. Fakt war, ich musste etwas tun, denn mich einfach nur auf meine Fähigkeiten des Blockens und Borg konnte ich mich nicht verlassen. So würde ich diese Auseinandersetzung nicht gewinnen können. Allerdings, war dies auch der einzige Augenblick, in dem ich beweisen konnte, wie unabhängig ich in dieser Welt sein würde. Für Varius wäre es immerhin sicher kein Problem gewesen, Ruriel aus dem Weg zu räumen. Aber ich konnte mich nicht immer auf Andere verlassen. Genauso wenig wie ich das in meiner Welt konnte. Dafür musste ich ein Risiko eingehen. Ich konnte nur hoffen, dass die Rukh oder wenigstens das Glück ein wenig auf meiner Seite waren. Ich griff in meine Tasche, bereit etwas heraus zu ziehen, genau in dem Moment, als Ruriel durch den Borg brach. Er hatte genug Schläge auf meinen Schutzschild gegeben, dass er dem irgendwann nicht mehr standhalten oder eher regenerieren konnte. Ich versuchte noch, mit meinem Stab zu blocken, doch Ruriel kam mit seiner gesamten körperlichen Kraft und Größe über mich, dass er mir meine einzige Waffe aus der Hand schlug und mich zu Boden rang. „Du hättest dich einfach deinem Schicksal ergeben sollen, so wie ich es dir angeraten hatte.“ Um mich vollkommen Bewegungsunfähig zu machen, mir also jede Chance zu nehmen, seinem letzten Angriff aufzuweichen, hatte er sich auf meine Hüfte gesetzt und seinen Säbel erhoben, mit dem er in Richtung meines Halses zielte. Es war eindeutig, dass dies meine letzten Augenblicke sein würden. „Lass von ihr ab!“, rief Varius, der bereit war einzugreifen, um mein Leben zu retten, doch ich wollte nicht, dass er es beendete, denn diese Kampf war noch nicht vorbei. „Halt, Varius! Ganz ruhig, alles wird gut.“ „Hexe, du überschätzt deine Fähigkeiten!“ „Und du unterschätzt mich!“ Ruriel ließ seinen Säbel auf mich runtersausen, ich rutschte mit dem Oberkörper so weit es ging aus der Richtung des Säbelhiebes. Dieser schnitt mir übers rechte Schlüsselbein bis zur Schulter. Mit etwas Glück war dort nichts wichtiges, das mich hätte umbringen können. Für den Moment allerdings war der stechende Schmerz, der meine Schulter durchzog, egal, denn ich hatte nur diese eine Chance. Und ich nahm sie wahr, hob die Gabel, die ich zuvor aus der Tasche genommen hatte, und rammte sie in Höhe der Nieren in seinen Rücken. Ich spürte förmlich, wie der Schmerz Ruriels Körperhaltung veränderte. Das war meine Chance. Schnell griff ich mit der rechten Hand in die offene Tasche, welche durch meinen Sturz aufgeklappt war und zog die Schreibfeder. „FLASH!“ Ich zielte schnell und sprach den Spruch in dem Moment, als Ruriel sich die Gabel herausziehen wollte. Der Lichtstrahl ergriff ihn und schleuderte ihn mit aller Kraft von mir. „Das war wohl eher Schicksal, Idiot. Glaub nie wieder, dass deine tragische Vergangenheit irgendwelche Sympathien bei mir weckt.“ Ich erhob mich vom Boden, sah zu Ruriel, der sich den Bauch hielt und wieder erhob. Nun waren wir ebenbürtig. Waffenlos, angeschlagen und kräftig wohl auf gleicher Ebene. „Willst du das wirklich weiterführen? Willst du das Leben, welches Ikram dir nach der Sklaverei geschenkt hat, so einfach wegwerfen?“ „Die Feder hält nicht noch so einen Zauber aus... Auch wenn ich dir zugute halten muss, dass du dieses Geheimnis gut bewahrt hast.“ Ruriel hob seine Hand und wischte sich etwas Blut von den Mundwinkeln. Wenn er jetzt nicht ruhte und ich vielleicht mit einer Gabel einen Lichtstrahl auf ihn sandte, würde er das nicht überleben. Das die Feder hinüber war, sah selbst ich. Aber für mehr Zauber war sie auch nie gedacht gewesen. Sie war ja nicht einmal für einen Zauber gemacht worden. Allerdings, hatte ich etwas vor meinen Füßen, was vielleicht noch besser war. Ich bückte mich, hielt dabei aber Ruriel im Blick, und hob seinen Säbel auf. „Das ich dich nicht töten kann, verdankst du meiner Erziehung und der Tatsache, dass du mir Leid tust. Dein Leben lang scheinst du dir selbst eingeredet zu haben, dass alles, was dir widerfahren ist, dein Schicksal war. Dein Leben in Parthevia, in diesem Grenzgebiet zu Reim. Deine Kriegsgefangenschaft, dass du versklavt wurdest und schließlich auch, dass Ikram deine strahlende Heldin wurde. Es ist gut, dankbar zu sein, aber schlecht, sich aus Dankbarkeit abhängig zu machen. Und du hast dich abhängig gemacht von deinem Schicksal und von Ikram. Das unterscheidet uns, denn ich werde mich niemals abhängig von der Gnade irgendwelcher Menschen machen, schon gar nicht von denen, die etwas verkörpern, was ich nicht tolerieren und akzeptieren kann. Ihr habt Menschen getötet. Ihr habt Tiberius getötet... ihr habt sie ihrer Habe bestohlen und das ist einfach unverzeihlich.“ Als verachtete Ruriel, was ich sagte, spuckte er etwas auf dem Boden, das leicht wie Blut aussah. Eine starke Geste, die er sich, so schätzte ich ihn ein, verkniffen hätte, wenn er mich respektierte. „Du kannst sehr wohl töten. Wir beide wissen, dass die Wut und der Hass dich zerfressen. Außerdem hast du schon drei MEINER Freunde getötet. Und du sagst, dass du mich nicht töten kannst? Lügen.“ Er wusste, wie man Menschen manipulierte. Er versuchte es gerade bei mir und das traurige Ergebnis war, dass er Erfolg hatte. Ich spürte die Wut und den Hass wieder in mir hochkochen. Genauso wie sie es taten, wenn ich diese Träume hatte. Ich spielte wirklich mit dem Gedanken, ihn einfach mit Har Har Infigar zu seinen Ahnen zu schicken, erhob auch schon den Säbel. Deutlich spürte ich, wie meine Vernunft sich Stück für Stück ausschaltete. Du sollst deine Hände nicht mit noch mehr Blut beflecken. Es waren Hinatas Worte, die mich daran hindert diesen verheerenden Zauber zu sprechen. Doch ich wollte Ruriel nicht zeigen, dass ich nicht nach seinem Plan spielt. „Flash!“ Kaum dass der erste Buchstaben über meine Lippen gekommen war, hob ich den Säbel etwas und zielte damit auf das Haus unter dem Ruriel stand. Die Ziegel lösten sich, zusammen mit dem Holz, kaum, dass der Lichtsstrahl sie traf und einiges, was das Dach zu einem Schutz vor Regenwetter gemacht hatte, stürzte auf den Piraten hinab. Ich warf den Säbel von mir und lief zu meinen Stab, den ich nahm. „Varius, zum Hafen!“ Viel Zeit hatten wir sicher nicht, denn das Bisschen, würde Ruriel höchstens etwas ausknocken, aber nicht töten. Aber es würde uns Zeit genug geben, uns dem Hafen zu nähern und vielleicht sogar auf das Kriegsschiff aus Kou zu schleichen.   Je näher wir dem Hafen kamen, desto mehr Kämpfe wurden ausgefochten. Der Hafen selbst schien das Herz der Kämpfe zu sein, der Ort an dem die Piraten ihre Schiffe hatte, wo das Feuer immer noch brannte. Das sahen Varius und ich durch den Nebel nur zu deutlich. Doch wahrscheinlich verdankte man es dem Nebel, dass nur dieses eine Schiff bisher brannte. Saams Schiff. Andere Schiffe waren bereits aus den Hafen herausgeführt worden. Damit war der Markttag wohl offiziell beendet. „Das Schiff von Kou?“, fragte Varius, der mit dem Kopf in die Richtung nickte, wo es vor Anker lag. Ich nickte. Das sollte also das Schiff in meine Freiheit sein. Hoffte ich, denn ich war mir nicht einmal sicher, ob wir es bis dahin schaffen würden. Eisdolche schossen durch den Himmel und scheinbar auch ein paar Blitze, allerdings war ich mir nicht sicher, ob diese von den Waffen der Piraten kamen, oder nicht doch von dem unverschämten Hohepriester. „Varius, bist du bereit zu kämpfen? Wenn wir den Leuten aus Kou helfen, könnten wir als Gefallen vielleicht eine kleine Schiffsreise einfordern.“ Ich hörte Varius Knöchel neben mir knacksen und in seinem Gesicht spielte sich etwas ab, dass ich noch nie gesehen hatte. Freude und auch etwas Dunkles. Etwas, dass seinen Freund Tiberius rächen wollte. „Kleines, ich bin so bereit wie man nur sein kann.“ Ich nickte, sah mich noch einmal um. Doch durch den Nebel war nicht einmal Saam auszumachen, dabei war er der Letzte, dem ich jetzt in die Arme laufen wollte. Ihn konnte ich zwar nicht sehen, dafür erkannte ich Hinata, nicht unweit von uns. Sie kniete vor einem Krieger des Kaiserreiches und nahm dessen Waffe, verweilte aber kurz andächtig einen Augenblick, ehe sie sich erhob und in den Kampf stürzte. Geschickt wich sie den Angriffen der Piraten aus und griff im selben Augenblick an. Ihre Bewegungen waren ohne Zweifel, ohne Zögern. Es wirkte so, als hätte sie diese Bewegung ein Leben lang einstudiert. Sie wurde auf diesem Schlachtfeld ein Teil der Kou-Soldaten, deren Bewegungen den ihren so identisch waren. Ich hatte aber nicht die Zeit, um über den Grund dafür nachzudenken, zum einen, weil der Schmerz meiner Schulter allmählich stärker spürbar wurde und zum anderen weil Varius und ich nicht die einzigen waren, die entschieden hatten, wer zu ihren Gegnern gehörte. Die Piraten hatten uns bemerkt, und richteten ihre Angriffe gegen uns. Mein Borg blockte sie ab, genug Zeit zur Regeneration hatte er ja gehabt. „Flash!“ Als wäre dieser Spruch mein Startzeichen, gingen Varius und ich auf das Schlachtfeld. Kämpfend für den Funken Hoffnung, der in unsere Freiheit führen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)