Freundschaftsband von Tammix (Durch die Kraft des Bands der Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 19: Zwischenwesenlichebindungen --------------------------------------- Zwischenwesenlichebindungen Ich weiß nicht, wie lange Karnimani und ich auf diesem Waldboden liegen und uns einfach nur aneinander festhalten, aber irgendwann realisiert mein Gehirn das Rufen von Lin-Fu. Langsam hebe ich den Kopf, öffne die Augen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie geschlossen hatte, und sehe mich um. Von wo kommt das Rufen? Wo ist Lin-Fu? Karnimani beantwortet mir meine unausgesprochene Frage, indem er nach oben zeigt, wobei er sich aus meinen Armen löst und aufsteht. Ich tue es ihm nach, um besser sehen zu können, wohin er zeigt. Und dann sehe ich den Felsvorsprung, von dem wir eben gefallen sind. Eben dort steht nämlich Lin-Fu, sieht zu uns nach unten und ruft und winkt hektisch. Heiliger Arceus, ist das vielleicht hoch! Das waren 15 Meter, die wir runtergefallen sind, mindestens! Wenn nicht noch mehr! Ohne Karnimanis Eingreifen hätten wir diesen Fall ganz sicher nicht überlebt. Zum Glück hat Karnimani die Ruhe bewahrt und ihm ist die Lösung mit der Aquaknarre eingefallen. „Ist schon gut, Lin-Fu. Uns ist nichts passiert, Karnimani sei Dank. Bleib du einfach genau da stehen, wir kommen zu dir nach oben.“ Doch Lin-Fu sieht immer noch panisch aus und ruft laut: „ Lin Lin-Fu!“, wobei sie hektisch hinter mich zeigt. Und schon bevor ich mich umdrehe, weiß ich, dass mir das, was ich gleich sehen werde, nicht gefallen wird. Und ich hatte recht. Es gefällt mir nicht. Denn ich sehe, wie ein schwertartiges Pokémon seine Klinge gegen Karnimanis Kehle presst. Dieser steht mit weit aufgerissenen Augen da, seine Nüstern beben und er scheint es nicht wagen zu wollen, sich zu bewegen. Kann ich gut verstehen. Bevor ich auch nur irgendwie reagieren kann, holt das Schwert aus und zielt dabei in Richtung von Karnimanis Hals. Allen Mächten sei Dank duckt sich Karnimani rechtzeitig, sonst … das will ich mir gar nicht vorstellen. Die Klinge sieht jedenfalls verdammt scharf aus. Wütend faucht Karnimani es an und das Pokémon schwebt tatsächlich einige Meter von uns weg. Allerdings scheint es nicht eingeschüchtert zu sein, sondern uns viel eher zu analysieren. „Okay, Karnimani. Hör mir zu, bitte. Dieses Pokémon will offensichtlich einen Kampf, also werden wir ihm einen geben. Aber wir können nicht gewinnen, wenn wir zwei gegeneinander kämpfen. Das haben die vergangenen Kämpfe gezeigt. Also lass uns etwas anderes ausprobieren, ja? Lass uns zusammen arbeiten. Gemeinsam können wir diesen Kampf gewinnen. Den Fall vorhin konnten wir auch nur gemeinsam überstehen, dann schaffen wir diesen Kampf auch. Gemeinsam.“ Mir fällt nichts mehr ein, mit dem ich ihn überzeugen könnte und so sehe ich ihn einfach nur bittend an. Und Karnimani erwidert den Blick, überlegend. „Bitte, Partner“, flüstere ich flehend. Und das scheint irgendwas in Karnimani zu berühren, denn er sieht mich noch einen Moment an, bevor er leicht nickt, ohne meine Augen aus seinem Blick zu lassen. Dann springt er vor mich, wie um mich zu beschützen und wie das die meisten Pokémon bei ihren Trainern in Kämpfen machen. „Karnimani“, wispere ich überwältigt, denn er zeigt mir ja gerade, dass er auf das hören wird, was ich ihm im Kampf sage. Tränen schießen mir in die türkisfarbenen Augen. Doch da wirft Karnimani mir einen Blick zu, der deutlich sagt, ich soll mich zusammen reißen, sonst überlegt er sich das Ganze nochmal. Entschlossen nicke ich ihm zu, stelle mich gerade hin und rufe: „Karnimani, Silberblick auf das Schwert.“ „Bitte“, setze ich leise hintendran, als Karnimani sich nicht gleich rührt. Als hätte Karnimani nur auf dieses Bitte gewartet, macht er einen Satz auf das Schwert zu und wirft dem in der Luft schwebenden Pokémon von unten einen bedrohlichen Blick zu. Das scheint das Schwert aber nicht im Geringsten zu kümmern, stattdessen schwebt es etwas höher, wo es einige Male auf der Stelle hüpft, bevor es seine Klinge an der Schwertscheide wetzt. Großartig, jetzt sieht die Klinge noch schärfer und blutlustiger aus als vorher. „Karnimani, Aquaknarre. Hol es aus der Luft“, fordere ich ihn auf und füge schnell ein „Bitte“, hinzu, als er wieder nicht direkt reagiert. Vielleicht braucht er diese Bitte, damit es für ihn nicht nach einem Befehl klingt, dem er sich ja offensichtlich nicht unterwerfen will. Und durch das `Bitte´ wird deutlicher, dass er die Wahl hat, entweder das zu tun, was ich ihm sage oder eben nicht. Dieses `Bitte´ gibt ihm die Freiheit, die er so sehr braucht. Wenn das alles ist, dann kann ich das, denke ich, gut umsetzen. Ich musste es nur erstmal herausfinden. Karnimani spannt seinen Körper an, dann öffnet er sein Maul und daraus schießt ein Wasserstrahl auf das schwebende Schwert zu. Dummerweise lässt sich dieses einfach zur Seite fallen und weicht so dem Angriff aus. Dann wendet es ab und fliegt auf Karnimani zu. „Graa!“ „Das ist deine Chance. Setz schnell Aquaknarre ein, Karnimani, bitte!“ Erneut speit die Wasserechse eine Aquaknarre, doch das Schwert wirft sich zur Seite weg und weicht wieder aus. Aber wenigstens haben wir so seinen Angriff unterbrochen. Nun schwebt es einige Meter über dem Boden auf der Stelle und sieht uns ohne zu blinzeln einfach nur an. Vielleicht überlegt es, wie es weiter vorgehen soll. Diese Zeit lasse ich ihm aber nicht. „Bitte, Karnimani, Aquaknarre.“ Noch einmal pumpt mein Starter eine Unmenge an Wasser aus dem Speicher in seinem Inneren, den alle Pokémon, die Wasserattacken nutzen können, besitzen, und dieses Mal ist das Schwert nicht schnell genug – vielleicht war es noch zu sehr in seine Gedanken vertieft. Jedenfalls trifft die Aquaknarre das Pokémon und durch den Druck wird es nach hinten gedrängt. Als Karnimani die Attacke nicht weiter aufrechterhalten kann, immerhin hält er dabei die Luft an, und der Wasserstrahl versiegt, sehen wir das Schwert, wie es uns wütend und triefnass ansieht. Die Wassertropfen rinnen nur so seine Klinge hinab. Ob es rosten würde, wenn es so nass bliebe? „Mokles!“, brüllt es wütend und saust auf Karnimani zu. „Kratzer, Karnimani, bitte!“ Und mein Partner scheint zu verstehen, denn er wartet bis zum letzten Augenblick, bevor er dem Schwert aus dem Weg springt und über dessen Klinge kratzt. Die Krallen auf dem Metall erzeugen ein ekelhaftes Geräusch, wodurch es mir kalt den Rücken runter läuft und auch Karnimani faucht, bevor er einen Satz zurück macht. Keinen Moment zu früh, denn genau da schlägt das Schwert schon zu. Doch so trifft es nichts weiter als Luft. Da der Kratzer dem Schwert anscheinend nichts anhaben konnte, ist es entweder nicht effektiv, auch wenn ich nicht weiß welchen Typen es hat, sondern nur vermuten kann, oder es hat eine gute Verteidigung. An ersterem kann ich nichts ändern, an letzterem schon. „Silberblick, bitte!“ Karnimani wirft dem Schwert wieder einen bitterbösen Blick zu, doch erneut lässt sich das Schwert davon nicht beeindrucken. Es schwebt stattdessen ein wenig in die Höhe und lässt auf einmal einen eklig lauten, kreischenden Ton erklingen, der mich verzweifelt die Ohren zu halten lässt. Ich glaube, mein Trommelfell zerspringt gleich. Hoffentlich hören das keine anderen wilden Pokémon, sonst bekommen wir hier gleich wütende Gesellschaft! Während ich mir noch verzweifelt die Ohren zuhalte, nutzt das verdammte Schwert diesen Moment um anzugreifen. Arceus sei Dank ist Karnimani schon wieder aufmerksam genug und stemmt sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tackleattacke. Schließlich, als klar wird, dass gerade keiner die Oberhand in diesem Drücken hat, schwebt das Schwert nach oben und Karnimani stolpert ein paar Schritte nach vorne, weil plötzlich der Gegendruck weg ist. Diesen Moment nutzt das Schwert aus, um sich einfach auf Karnimani fallen zu lassen, mit dem Knauf voraus. Zum Glück, ansonsten hätte das Schwert meinen Partner aufgespießt! So donnert es auf den Kopf von Karnimani, der schmerzverzerrt aufheult, kopflos nach dem Gegner schlägt und sich dabei die andere Pfote auf den Kopf legt. Hoffentlich gibt das keine Gehirnerschütterung oder sowas. „Karnimani, alles okay?“, frage ich besorgt und erhalte ein leises Knurren als Antwort, während mein Partner sich schwankend wieder aufrichtet. Da ich diese Geste als Ja interpretiere, rufe ich anschließend: „Okay, dann bitte Aquaknarre, Karnimani.“ Mit einem Keuschen pumpt Karnimani den Wasserstrahl nach oben, zielt auf das Schwert, was einige Meter vor ihm in der Luft schwebt und… trifft meterweit vorbei. Hat er etwa wirklich eine Gehirnerschütterung und sieht nicht mehr richtig? Das wäre verdammt schlecht. Das Schwert lässt ein metallisches Geräusch ertönen, was fast wie ein höhnisches Kichern klingt, bevor es auf Karnimani losfliegt, ausholt und meinen Partner hart in die Seite trifft. Karnimani stolpert zur Seite, dann fällt er über seine Füße und stürzt zu Boden. „Karnimani!“, schreie ich erschrocken auf und will zu ihm rennen, bleibe aber lieber stehen, um nicht dem Schwert in die Quere zu kommen, sonst schlitzt es mich vielleicht noch auf. „Steh auf, bitte!“ Am Boden liegend hat Karnimani doch keine Chance. Zum Glück kommt Karnimani schnell wieder auf die Beine, sonst hätte das Schwert ihn womöglich noch attackiert, während er am Boden liegt. Aber trotzdem zittert sein ganzer Körper vor Schwäche. Und er scheint wirklich nicht richtig sehen zu können, sonst wäre er dem Angriff gerade eben doch ausgewichen. Ich muss mir schnell etwas einfallen lassen. „Karnimani, Partner, du siehst nicht richtig. Also, lass mich deine Augen sein. Hör auf die Anweisungen, die ich dir gebe und setz dann Aquaknarre ein, bitte.“ Karnimani nickt langsam und spannt seinen Körper an, wohl um wieder Wasser aus seinem Mund zu schießen. Doch er zielt in die falsche Richtung. „Höher und ein bisschen weiter rechts!“ Karnimani korrigiert seine Zielrichtung, die Aquaknarre kommt und ich muss zur Seite springen, um nicht selbst getroffen zu werden. „Noch höher, aber die Richtung ist gut!“ Mein Partner legt schon fast den Kopf in den Nacken und hält die Aquaknarre noch immer aufrecht, doch die Ausdauer lohnt sich. Denn plötzlich trifft er das Schwert, was einfach mitgerissen wird und irgendwo hinter mir gegen einen Baum kracht. „Graaamoookleees“, keucht es, bevor es das Auge schließt und klappernd zu Boden fällt. Haben wir gerade unseren Kampf gewonnen, indem Karnimani tatsächlich auf mich gehört hat? Ich kann es kaum glauben und kneife mir selbst kurz in den Arm, aber außer dem Schmerz und dem roten Fleck auf meinem rechten Unterarm bleibt alles gleich. Dann muss das hier wirklich echt und kein Traum sein! Wahnsinn! All die Anspannung, die ich während dem Kampf empfunden habe, fällt von mir ab und meine Knie beginnen sogar zu zittern, als könnten sie mich nicht mehr halten. Ich sehe in Karnimanis rotbraune Augen und kann mir ein glückliches Aufschluchzen nicht verkneifen. Ich habe es tatsächlich geschafft! Karnimani hat in einem Kampf auf mich gehört und wir haben den Kampf gewonnen. Genau, wir! Nicht ich allein, sondern Karnimani und ich, wir, zusammen, als Team! Ich habe zeitweise wirklich nicht mehr geglaubt, dass das möglich sein würde. Aber jetzt ist es so. Nun kann ich mich wirklich nicht mehr auf den Beinen halten, ich sinke einfach auf den Boden und Tränen des Glücks fluten meine türkisblauen Augen und fließen mir über die Wangen bis zu meinem spitzen Kinn, von wo aus sie in meinen Schoß tropfen. Meine langen Haare sind mir vor mein Gesicht gefallen, sodass ich nichts um mich herum sehe. Dafür höre ich umso mehr das fragende „Mani?“ und muss ein weiteres Mal aufschluchzen. Bis vor kurzem hätte es Karnimani noch nicht gekümmert, ob es mir schlecht geht, es wäre ihm egal gewesen. Aber jetzt ist es anderes. Jetzt steht er vor mir und SORGT sich um mich! Ich sehe hoch und blicke in das Gesicht meines Partners, der seinen Kopf verwirrt leicht schief gelegt hat. Unter Tränen lächle ich ihn an, was ihn nur noch mehr zu verwirren scheint. „Es ist alles in Ordnung, Karnimani. Ich bin nur so glücklich. Ich meine, wir haben diesen Kampf gewonnen. Und zwar, indem wir zusammen gekämpft haben und nicht gegeneinander.“ Schniefend hole ich Luft, da durch das Weinen meine Nase wie verrückt läuft. „Danke für dein Vertrauen in mich, Partner.“ Karnimani sieht mich einen Moment nur starr an, bevor sein rechter Mundwinkel sich leicht hebt- er lächelt mich an. Das ist das erste Mal, dass er mir gegenüber fröhliche Gefühle zeigt. Nun kann ich mich wirklich nicht mehr zurückhalten. Bevor er reagieren kann, habe ich ihn an mich gezogen und halte ihn mit einer Hand fest, während ich ihm mit der anderen Hand über den schuppigen Kopf fahre. Kurz verspannt sich Karnimani, bevor er mit einem Seufzer nachgibt und die Berührung zulässt. Das Glück explodiert in meinem Magen und nun perlen meine Tränen sogar auf Karnimanis Schuppen und laufen an ihm zu Boden. Ich war mir nicht sicher, ob er meine Berührungen noch einmal akzeptieren würde. Das vorhin nach dem Sturz war eine sehr spezielle Situation, wir waren beide vor Schock und Erleichterung wie gelähmt und völlig von der Rolle, aber das ist jetzt nicht mehr der Fall. Und trotzdem lässt er sich von mir anfassen! Es ist unglaublich. Doch nach einigen Momenten wird ihm dieser Körperkontakt wohl zu viel. Er beginnt sich in meinem Arm zu winden und sofort lasse ich ihn los, sodass er einige Schritte von mir weg machen kann. Ich will ihn ja auch nicht überfordern, immerhin ist er solche Berührungen nicht gewöhnt, weil er sie bei niemandem zugelassen hat. Natürlich erträgt er sie da nicht so lange. Aber ich bin dankbar für jede Sekunde, die er mir geben kann. Nichts davon hätte ich jemals erwartet und es macht mich einfach nur so unfassbar glücklich, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Der Moment wird allerdings zerstört, als wir von oben die Rufe von Lin-Fu hören. Ich sehe zu ihr hoch und merke, wie sie ungeduldig winkt und wohl will, dass wir wieder zu ihr hochkommen. Schnell sehe ich mich um und bemerke einen Trampelpfad, der uns den Fels, den wir vorhin heruntergefallen sind, wieder hochführt- und somit zu Lin-Fu. Ich forme meine Hände zu einem Trichter und rufe meinem Kampf-Pokémon zu: „Da ist ein Weg, dem wir folgen werden. Wir kommen zu dir hoch. Bleib du einfach da stehen und pass auf dich auf, Lin-Fu. Wir sind so schnell bei dir wie wir nur können.“ Besänftigt nickt Lin-Fu und ich drehe mich zu Karnimani. Lächelnd sehe ich ihn an und er erwidert meinen Blick. „Na, dann lass uns da hochgehen, bevor Lin-Fu noch zu uns runterspringt und uns an den Ohren da hoch schleift.“ Das leise, aber amüsierte Schnauben vernehme ich mit Genugtuung. Es scheint ihm wieder gut zu gehen, die Verwirrung durch den Schlag auf den Kopf scheint schon wieder abgeklungen zu sein und so machen wir uns auf den Weg. Wie durch ein Wunder kommen wir oben bei Lin-Fu an, ohne dass wir ein einziges Mal auch nur ein wildes Pokémon sehen, geschweige denn, dass uns eins angreift. Als Lin-Fu sieht, wie ich mich aus einem Gebüsch kämpfe- zum Ende hin wurde der Trampelpfad sehr unübersichtlich- stößt sie einen erleichterten Schrei aus, rennt auf mich zu und umarmt mich so heftig auf Höhe meiner Oberschenkel, dass ich tatsächlich fast hinterrücks umfalle. Dann habe ich mein Gleichgewicht aber wieder im Griff und streiche ihr beruhigend über den befellten Kopf. „Mir geht es gut, Lin-Fu. Es ist nichts passiert. Alles in Ordnung.“ Lin-Fu tritt einen Schritt zurück, um mich begutachten zu können, was mich zum Lachen bringt. Sie ist wirklich sehr beschützerisch, wenn es um mich geht. „Mir geht es gut, wirklich, Lin-Fu“, versuche ich sie zu beruhigen. „Aber was ist mir dir? Gab es Probleme, während du hier oben alleine warst?“ „Fu“, antwortet sie Kopfschüttelnd und lächelt mich dann breit an. Das Lächeln verschwindet allerdings sofort aus ihrem Gesicht, als hinter mir das Gebüsch raschelt und gleich darauf Karnimani aus diesem tritt und sich neben mich stellt. Lin-Fu knurrt wütend und ich sehe überrascht, wie sich ihr Gesicht verfinstert. „Lin-Fu, was-?“, will ich verblüfft wissen, doch da springt Lin-Fu schon mit einem wilden Schrei nach vorne und bevor ich oder Karnimani reagieren können, hat sie ausgeholt und Karnimani eine Ohrfeige verpasst. Fassungslos sehe ich dabei zu, wie Karnimani sofort aggressiv faucht, Lin-Fu erwidert das ebenso wütend, dann gehen die beiden auf einander los und reißen und beißen einander, begleitet von lautem Geschrei. Was zur HÖLLE TUEN meine Pokémon da?! Sie sind in einem Team, sie sollten miteinander kämpfen! Stattdessen scheint es, als wollten sie sich zerfleischen! Warum, verdammt?! „Aufhören! Sofort aufhören! Alle beide!“ Lin-Fu stoppt sofort in ihrem neuen Versuch, Karnimani anzugreifen, als sie mein Gebrüll hört. Stattdessen sieht sie mich verwirrt an und legt alle Aufmerksamkeit auf mich. Bei Karnimani funktioniert das Geschrei leider nicht so gut. Er scheint mich, gefangen in seiner Wut, gar nicht zu hören, sieht nur, dass Lin-Fu ihre Verteidigung fallen gelassen hat und stürzt sich mit einem triumphierenden Knurren auf sie. Lin-Fu geht zu Boden, doch bevor Karnimani sie noch einmal angreifen kann, hat Lin-Fu eine Rückwärtsrolle gemacht und ist wieder auf den Beinen. Wieder fixiert sie ihren `Feind´ und fletscht lautlos die Zähne. Das sieht verdammt angsteinflößend aus, aber Karnimani scheint diese Geste nur noch mehr zu provozieren. Bevor einer der beiden wieder den anderen angreifen kann, stelle ich mich zwischen meine zwei Pokémon. Lin-Fu bleibt sofort erschrocken stehen, Karnimani aber nicht. Er rennt auf mich zu. Seine Augen glühen schon leicht rot, er befindet sich zwar nicht im Blutrausch, da er Lin-Fu zum Glück nicht so sehr verletzen konnte, aber er ist auch nicht mehr ganz bei sich. Aus Reflex hebe ich meine Arme, um ihn aufzuhalten, während ich flehe: „Karnimani, hör auf! Komm zu dir, bitte!“ Meine Worte scheinen ihn nicht zu berühren, aber im auf mich zu rennen fällt sein Blick auf meinen linken Unterarm, an dem man immer noch Karnimanis Biss erkennen kann, der inzwischen dunkelblau ist. Stolpernd wird Karnimani langsamer, seinen Blick immer noch auf den Biss konzentriert, bevor er schnaufend kurz vor mir zum Stehen kommt. Mit weit geöffneten Augen sieht er mich von oben bis unten an und ich bemerke, wie er nach einigen Sekunden erkennt, wer da vor ihm steht und wen er fast angegriffen hätte- zum zweiten Mal. Heftig blinzelt er, bevor seine Augen wieder zu ihrer normalen Farbe zurückfinden und er verwirrt fragt: „Karnimani?“ Erleichtert atme ich tief aus- ich habe gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte- und schlucke gegen den Kloß an, der sich in meinem Hals gebildet hat. Für einen Moment habe ich mich wieder auf die Wiese vor Lady Dianas Hütte zurückversetzt gefühlt. Ich dachte wirklich, dass Karnimani mich jetzt wieder angreifen würde. Aber das hat er nicht. Er hat sich wieder beruhigt und dass durch meinen Anblick. Bzw. durch den Anblick der Verletzungen, die er mir zugefügt hat. Er muss wirklich große Schuldgefühle haben, wenn diese ihn in seinem Rausch erreichen können und meine Worte nicht. „Es ist alles in Ordnung, Karnimani. Ich bin froh, dass du dich wieder beruhigt hast. Das hast du sehr gut gemacht.“ Stolz lächle ich auf ihn herab und er sieht erstaunt zu mir auf. Dann wende ich mich aber um und sehe nun stattdessen Lin-Fu an, die immer noch hinter mir steht. Fällt ihr Blick auf mich, sieht sie sehr schuldig aus, doch sieht sie Karnimani an, wird ihr Gesicht zu einer wütenden Fratze. „Was bitte sollte das, Lin-Fu?!“, verlange ich laut zu wissen und lenke Lin-Fus Aufmerksamkeit wieder auf mich. Sofort macht diese sich etwas kleiner und sieht fast … eingeschüchtert aus. Mache ich ihr etwa Angst? Da ich das natürlich auch nicht will, atme ich tief aus und versuche mit diesem Luft rauslassen auch alle wütenden Gefühle von mir abfallen zu lassen. Dann wiederhole ich meine Frage, aber diesmal in sanfterem Ton. Lin-Fu sieht gleich weniger ängstlicher aus. Sie macht sich groß, bevor sie Karnimani wieder einen Killerblick der ersten Klasse zuwirft. Dann legt sie los. „Lin Lin-Fu! Fu Lin-Fu Fu Lin Lin Fu Fu!… Fu Lin-Fu! Lin-Fu Fu Lin!“ Dabei fuchtelt sie wild mit ihren Pfoten, wobei sie immer wieder auf verschiedene meiner Narben und Verletzungen und dann auf Karnimani deutet. Hinter meinem Rücken höre ich Karnimani leise knurren. Allerdings klingt er nicht wütend, sondern als müsste er sich gerade etwas anhören, was ihm nicht besonders gut gefällt, von dem er aber weiß, dass er nicht wiedersprechen kann, weil es die Wahrheit ist. Und ich kann mir nur zu gut denken, was das für eine Wahrheit sein soll. „Genug.“ Gebieterisch halte ich die Hand nach oben und Lin-Fu stoppt irritiert in ihrer Tirade. „Es reicht, Lin-Fu.“ Durchdringend sehe ich sie an, bevor ich mich so hinstelle, dass ich meine beiden Pokémon ernst ansehen kann. „Ihr werdet mir jetzt zu hören. Ihr beide. Denn was ich sagen werde, ist von äußerster Wichtigkeit und ich will das ein für alle Mal geklärt haben.“ Noch einmal sehe ich ihnen in die Augen, um mir ihre volle Aufmerksamkeit zu sichern. „Karnimani hat mich angegriffen und verletzt, das ist richtig, und ja, einige dieser Narben werden mich wohl für immer begleiten und auch beeinträchtigen. ABER … das ist nicht seine Schuld. Er konnte nichts für diesen Angriff, er hatte sich nicht unter Kontrolle, weil er im Blutrausch gefangen war. Er wollte mich nicht verletzen und es tut ihm sehr leid, dass merke ich allein an seinem Verhalten. Und Karnimani, ich mache dir auch keine Vorwürfe. Du kannst nichts dafür. Dass hätte jedem Pokémon im Blutrausch passieren können, auch dir, Lin-Fu. Karnimani, ich gebe dir nicht die Schuld, für das, was passiert ist und ich dulde nicht, dass du ihm Vorhaltungen machst, Lin-Fu. Genauso wenig wie ich will, dass du dir für immer Vorwürfe machst, wenn du mich ansiehst, Karnimani. Ich weiß, dass es schwer ist und wir, Karnimani, und ihr beide keinen besonders guten Start miteinander hatten, aber können wir nicht versuchen, einander zu akzeptieren und miteinander zu kämpfen, statt immer nur gegeneinander?“ Einen Moment hole ich Luft und sehe den zweifelnden Blick, den sich meine Pokémon zu werfen. „Es würde so vieles einfacher machen, wenn wir einander unterstützen würden. Denn so sollte es eigentlich laufen, wisst ihr? Wir sind ein Team. Wir sollten zusammen arbeiten. Denn alleine kämpft es sich längst nicht so gut wie mit Freunden in seinem Rücken, die einen unterstützen. Also lasst uns zusammen kämpfen. Als Team. Als Freunde.“ Auffordernd sehe ich meine zwei Pokémon an, die sich immer noch skeptisch beäugen, bevor Lin-Fu die Erste ist, die ergeben aufseufzt. Mit einem letzten Blick zu mir geht sie einen Schritt auf Karnimani zu, der sie kritisch betrachtet, dann reicht sie ihm ihre Pfote. Sekunden, die wie Jahre erscheinen, starrt Karnimani auf diese ihm hingestreckte Pfote. Ein Friedensangebot zwischen diesen zwei Streithähnen und ich bete darum, dass Karnimani es annimmt, nachdem Lin-Fu jetzt schon den ersten Schritt gemacht hat. Schließlich bleckt die Wasserechse genervt die Zähne, doch er nimmt die ihm geboten Pfote für einen Moment, bevor sich die Beiden loslassen, als hätten sie sich an dem anderen verbrannt und gehen sofort wieder auf Abstand zueinander. Ein Grinsen, so breit, dass es fast mein Gesicht sprengt, erscheint auf eben diesem. Das war ein verdammt großer wichtiger Schritt für mein Team. Mir ist natürlich klar, dass die beiden noch keine Freunde sind, möglicherweise werden sie das nie, aber ich habe wenigstens das Gefühl, als würden sie sich nicht mehr gleich an die Kehle gehen, wenn ich mich mal kurz umdrehe. Ich denke, dass sie einander als Teammitglied akzeptiert haben und das ist ein riesen Fortschritt. Wahnsinn, wie sich die Verhältnisse zu und zwischen meinen Pokémon an nur einem Tag verändern können! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)