Freundschaftsband von Tammix (Durch die Kraft des Bands der Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 9: Selbstzweifel und deren Gegenmaßnahmen ------------------------------------------------- Selbstzweifel und deren Gegenmaßnahmen Nach einem langen Sprint, in welchem ich durch die Anstrengung halb sterbe, sehe ich die Häuser Serenitias. Kurz bleibe ich stehen, um zu Atem zu kommen und ich würde mir gerne meine Seiten halten, die so sehr stechen, als hätte mir jemand ein Messer durch die Hüfte gerammt. Allerdings trage ich in meinen Armen das immer noch ohnmächtige Karnimani. Ein Blick auf ihn zeigt mir, dass es ihm wirklich schlecht geht. Er ist ganz blass und seine Brust hebt sich nur flach. Mit einem weiteren Blick auf Lin-Fu, die auch eher nach Luft schnappt, als wirklich zu atmen, seufze ich und renne weiter der Route nach, die mich schlussendlich nach Serenitia bringen wird. Dorthin, wo es Hilfe für Karnimani gibt. Ich darf nur nicht vorher zusammenbrechen. Alles dreht sich, ich sehe kaum noch wo ich hin gehe, weil alles schwankt und flackert. Ich spüre, dass Lin-Fu mich zu stützen versucht, aber auch sie ist zu kaputt. Das Atmen fällt mir schwer, dabei wäre doch gerade Sauerstoff das, was mir helfen würde. Aber meine Brust ist so eng, dass Atmen ist so anstrengend. Ich will mich nur noch irgendwo hinlegen und schlafen. Die Häuser, an denen ich vorbeistolpere, drehen sich und jedes Mal wenn ich mich an einer Hauswand abstützen will, steht das Haus auf einmal nicht mehr da, sondern ein paar Meter weiter. Ich kann nicht mehr. Mein ganzes Sichtfeld flackert, ich höre nur noch ein immer lauter werdendes Rauschen und ich bin so müde. Noch einen Schritt schwanke ich nach vorne, dann wird alles um mich herum schwarz. Das erste, was ich wieder spüre, ist der weiche Untergrund auf dem ich liege. Dann höre ich die Stimmen. Die eine ist männlich und links an meiner Seite, die andere ganz eindeutig weiblich und zu meinen Füßen. Und… sie unterhalten sich. „Wissen sie vielleicht, wie lange sie noch schlafen wird, Schwester Joy?“ „Das kann ich nicht sagen, tut mir leid. Ihr Körper braucht Zeit, um sich von dieser Überanstrengung zu erholen. Sie könnte jederzeit aufwachen, genauso gut aber auch noch Stunden schlafen.“ „Ich verstehe. Dann werde ich hier warten, wenn sie es erlauben.“ „Natürlich mein Junge. Gib mir bitte Bescheid, wenn sich irgendetwas an ihrem Zustand verändert. Ich muss mich jetzt wieder um ihre Pokémon kümmern.“ „Dann sollten sie gehen, Schwester Joy. Ich gebe ihnen Bescheid, wenn sich etwas tut.“ Ich höre sich entfernende Schritte und ein Seufzen links von mir. Ich runzele die Stirn. Durch das laute Rauschen in meine Ohren dringen die Worte nur langsam in meinen Geist und noch langsamer verstehe ich ihre Bedeutung. Die Frau hat etwas von Überanstrengung gesagt. Und von Pokémon… Meine Pokémon… Karnimani… …und … …Lin-Fu… KARNIMANI! Mit einem lauten Aufkeuchen schlage ich die Augen auf und fahre hoch. Augenblicklich dreht sich alles vor meinen Augen, ich schließe sie wieder und presse mir meine Fäuste an die Schläfen, die so sehr dröhnen, als würde dahinter einer mit dem Presslufthammer arbeiten. Verzweifelt stöhne ich auf. Was ist passiert? Plötzlich spüre ich warme Hände, die mich sanft an den Schultern fassen, und zucke zurück. Wieder reiße ich die Augen auf und sehe, wie ein Junge durch mein Zusammenzucken ebenfalls zusammenfährt und dann einige Schritte zurück tritt. „Ganz ruhig. Du hast es geschafft. Du bist hier in Sicherheit. Sieh dich um. Dir droht keine Gefahr“, meint er dann und sieht mich beschwörend an. Immer noch sind meine Augen von dem Schock weit aufgerissen und ich atme hektisch, aber ich tue automatisch was der Junge mir sagt. Das erste, was mir auffällt, ist, dass ich auf einem weichen, weißbezogenen Bett liege. Ein schweifender Blick durch den Raum zeigt mir, dass es hier sonst eher weniger möbliert ist. Außer einem Schrank und einem Tisch mit zwei Stühlen befindet sich sonst nichts mehr in dem Raum, außer zwei Türen, wobei eine von ihnen nur angelehnt ist. Bis auf ein großes Fenster, das aber durch blassgelbe Vorhänge verdunkelt ist, ist nichts mehr zu sehen. Da spricht der Junge wieder mit mir und ich wende mich ihm zu. Er ist älter als ich, wenn auch nicht mehr als ein paar Jahre. Und er ist hübsch. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Frauenwelt ihm zu Füßen liegt. Er hat helle Haut und ein spitzes Kinn, sein Gesicht wird von hellbraunen Haaren umrahmt und durch seinen Pony blitzen mir ebenso braune Augen freundlich entgegen. Plötzlich fällt mir auf, dass der Junge wohl mit mir redet, so aufgeregt, wie sich sein Mund bewegt. „ - gehe kurz Schwester Joy holen. Leg du dich - “ Aber da fällt mir auch schon ein, was ich eigentlich machen sollte, nämlich nach meinen Pokémon sehen, und schwungvoll schlage ich die Decke zurück und schwinge die Beine aus dem Bett. Dabei fällt mir gar nicht auf, dass ich nicht meine Sachen trage, sondern irgendeinen weißen Patientenkittel. Ich will aufstehen, doch stattdessen knicken mir die Beine weg und der Boden kommt mir entgegen. Entsetzt presse ich die Augen zusammen, mache mich auf den Aufprall gefasst, doch – der bleibt aus. Überrascht öffne ich die Augen und finde mich an die Brust des Jungen gepresst wieder. Verwirrt blinzle ich aus blauen Augen zu ihm hoch, weil noch immer bunte Flecken vor meinen Augen tanzen, und der Junge wird aus unerfindlichen Gründen rot im Gesicht. Verlegen räuspert er sich und drückt mich wieder auf mein Bett. „Du sollst noch liegen bleiben. Ich gehe jetzt Schwester Joy holen und du bleibst in diesem Bett liegen.“ Dann macht er Anstalten, aus dem Raum zu gehen, doch das kann ich nicht zulassen. „Warte“, flüstere ich heiser, doch zum Glück hört der braunhaarige mich und guckt mich neugierig an. „Wo … wo bin ich?“, flüstere ich wieder. Zu mehr Lautstärke fehlt mir irgendwie die Kraft. Der Junge lächelt sanft. „Du bist im Pokémon Center von Serenitia. Ich habe dich hier her gebracht, nachdem ich dich und deine Pokémon bewusstlos am Rand Serenitias gefunden habe.“ Jetzt fällt mir alles wieder ein! Die Wiesor, die Flucht! Karnimani! Panisch reiße ich die Augen auf. Geht es ihm gut? Der Junge scheint meine Panik zu bemerken und richtig zu deuten, denn er beruhigt mich sofort. „Keine Sorge, deinen Pokémon geht es soweit ich weiß gut. Schwester Joy und Ohrdoch kümmern sich um die beiden. Du musst dir also keine Sorgen machen.“ Dann will er wieder aus der angelehnten Tür drehten. „Ich hole jetzt Schwester Joy, die wird dir all deine Fragen beantworten.“ „Warte!“ Seufzend dreht der Brünette sich ein weiteres Mal zu mir, dann lächelt er aber geduldig. „Danke dass du mich hier her gebracht hast – ähm.“ Fragend sehe ich ihn an. „Oh verdammt, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, nicht wahr? Das tut mir leid. Also ich heiße Zac. Und du brauchst mir nicht zu danken, dass hätte bei eurem Anblick wohl jeder getan, der zufällig vorbeigekommen wäre.“ Damit dreht er sich wirklich um und tritt endgültig aus der Tür. Ich dagegen lasse mich seufzend ins Kissen zurücksinken. Schon kurz darauf wird die Tür wieder aufgestoßen und Schwester Joy rauscht in den Raum. Sofort tritt sie an mein Bett und leuchtet mir mit einem Stab in die Augen, während sie meint: „Bist du also endlich wieder aufgewacht, Svenja?“ Verwirrt sehe ich sie an. Woher weiß sie meinen Namen? Schwester Joy lacht und drückt mir dann einen Schein in die Hand. „Dein Trainerpass. Auf dem steht dein Name drauf.“ Kur sehe ich drauf, dann nicke ich verstehend und stecke den Pass ein. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“, frage ich mit inzwischen wieder etwas kräftigerer Stimme. „Wir haben jetzt viertel nach 10, um kurz vor acht wurdest du bewusstlos hier eingeliefert. Also mehr als zweieinhalb Stunden.“ Kurz stocke ich, dann frage ich vorsichtig: „Und… Karnimani? Und Lin-Fu?“ „Um Karnimani kümmert sich derzeit noch Ohrdoch. Es war wirklich gut, dass du ihn so schnell wie möglich her gebracht hast, auch wenn die Überanstrengung für dich ebenfalls negative Folgen hatte. Aber er hat durch die Wunden viel Blut verloren. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn Zac euch nicht hergebracht hätte. Aber du brauchst dir keine Gedanken zu machen, Karnimani wird wieder. Allerdings sollten wir uns noch mal über die Funktion eines Pokéballs unterhalten, meine Liebe. Der Pokéball ist zum Transport und zum Schutz seines Pokémons. Es war richtig, dass du ihn nicht in seinen Ball zurückgerufen hast, als er schon so verwundet war. Für den Vorgang wäre er zu dem Zeitpunkt schon zu geschwächt gewesen, allerdings hättest du es gar nicht erst bis dahin kommen lassen dürfen und ihn schon viel früher in den Schutz seines Balls rufen müssen. Du bist schließlich seine Trainerin und hast dementsprechend die Verantwortung für dein Pokémon!“ Ich will etwas sagen, will mich verteidigen, will ihr erklären, das Karnimani seinen Ball hasst und sich nicht zurückrufen lässt, aber Schwester Joy lässt mich gar nicht zu Wort kommen. „Ich hoffe, du hast aus deinem Fehler gelernt.“ Dann atmet sie tief durch, wie um sich zu beruhigen und sagt dann: „Lin-Fu geht es dagegen schon wieder hervorragend. Sie hatte sich wie du ebenfalls sehr überanstrengt. Wenn du willst, kann ich dein Pokémon zu dir bringen.“ Wild nicke ich und sehe Schwester Joy dankbar an. Die lächelt und ruft dann lauter: „Du kannst sie reinlassen, Zac!“ Die Tür öffnet sich und mein Lin-Fu rennt durch die Tür. Als sie mich auf dem Bett liegen sieht, schreit sie glücklich „Fu!“ und springt mit einem Satz auf meine Brust. Mir entfeuchte ein leises „Uff“, Lin-Fu ist nicht gerade leicht, dann schließe ich mein Pokémon in meine Arme und drücke sie glücklich an mich. Ich bin so froh, dass es ihr gut geht und sie durch meinen Fehler keinen dauerhaften Schaden davon getragen hat. Als meinen Blick wieder von Lin-Fus Schulter löse, sehe ich Schwester Joy und Zac, die uns beide lächelnd beobachten. Als die Schwester bemerkt, dass ich sie ansehe, sagt sie: „Du bist hier in einem der Zimmer des Pokémon Centers. Es steht dir solange zur Verfügung, wie du willst. Ich lasse euch jetzt mal wieder alleine, dir scheint es ja augenscheinlich besser zu gehen. Wenn Karnimani sich soweit erholt hat, dass ihr wieder zusammen weiter reisen könnt, gebe ich dir Bescheid. Ich denke aber, dass das noch heute der Fall sein wird. Ohrdoch tut alles, um den Blutverlust auszugleichen und die Wunden zu versorgen. Es werden also keine Schäden, vermutlich noch nicht mal Narben zurückbleiben.“ Sie lächelt, doch dann wird sie wieder ernst. „Das hätte aber auch ganz anders ausgehen können, wenn Zac euch nicht gefunden hätte. Ich hoffe, das wird dir für deine weitere Reise eine Lehre sein.“ Dann dreht sie sich um und lässt uns allein. Zac steht immer noch in der Tür, ganz rot im Gesicht wegen dem was Schwester Joy gesagt hat, Lin-Fu klammert sich an meinen Hals und schnurrt zufrieden und ich? Ich habe riesen Schuldgefühle. Ich drücke meine Nase fest gegen Lin-Fu und merke dabei gar nicht, wie ich stumm zu weinen anfange. Ich bin so froh, dass Lin-Fu nicht durch mich zu Schaden gekommen ist. Still rollen mir salzige Tränen über die Wangen. Wenn einem meiner Pokémon etwas passiert wäre, hätte ich mir das nie verzeihen können. Schwester Joy hat Recht, ich habe nicht gut genug auf die beiden aufgepasst. Einer guten Trainerin hätte so was nicht passieren dürfen. Ergo, ich bin keine gute Trainerin. Vielleicht sollte ich einfach wieder heimgehen. Ich schaffe es ja noch nicht mal über die erste, kurze Route ohne einen Schwerverletzten. Laut schluchze ich auf und presse Lin-Fu näher an mich. Die sieht mich verwundert an, bevor sie sich vorbeugt und mir die Tränen von der Wange leckt. „Nicht Lin-Fu, lass das“, meine ich leise und versuche sie wegzudrücken. Doch das lässt Lin-Fu nicht zu, sie schleckt einfach weiter meine Backe ab, dann sieht sie mich mit schräggelegtem Kopf an und fragt mit sanfter Stimme: „ Lin Lin-Fu Lin?“ Wieder schluchze ich auf und drehe mich weg, damit sie meine Tränen nicht sieht. Sie sollte sich keine Sorgen machen, ich sollte mich um sie kümmern, schließlich bin ich die Trainerin und Lin-Fu ist mein Pokémon, nicht umgekehrt. „Schwester Joy hat Recht. Das ihr verletzt wurdet ist meine Schuld“, bringe ich stockend hervor. Ich richte die Augen auf den Boden, als ich es laut ausspreche: „Ich bin eine schlechte Trainerin.“ Lin-Fu faucht entrüstet, dann höre ich nur noch, wie etwas durch die Luft zischt und im nächsten Moment … hat sie mich geohrfeigt?! Fluchend halte ich mir die brennende Wange und fahre schockiert zu Lin-Fu herum, die mich fast schon wütend ansieht. „Fuck, was sollte das!? Hast du den Verstand verloren? Ich meine, vermutlich habe ich es verdient, nachdem was du und Karnimani wegen mir schon durchmachen musstet, aber … man, das tat weh!“ Lin-Fu sieht mich wütend an, sie zittert praktisch, dann beginnt sie tief luftholend mit einer wahren Schimpftirade: „Li Lin Lin-Fu, Fu Fu Lin-Fu, Lin-Fu! Lin-Fu, Lin Li Lin Lin-Fu, Fu Lin-Fu, Lin-Fu Lin-Fu! Fu Lin Lin-Fu, Lin-Fu, Lin-Fu!“ „Ich stimme deinem Pokémon zu“, unterbricht auf einmal Zacs Stimme Lin-Fus Redeschwall. Ich zucke zusammen. Das Zac ja immer noch in der Tür steht und uns zusieht, habe ich ja völlig vergessen. „Du verstehst, was ihr Problem ist?“ „Also was Lin-Fu genau sagt, verstehe ich nicht nein, aber es wird auch so ganz deutlich, findest du nicht? Sie ist ganz offensichtlich nicht der Meinung, dass du eine schlechte Trainerin bist oder dass das ganze deine Schuld war. Und ich stimme ihr da zu. Zumindest beim ersten, dass zweite kann ich schlecht beurteilen, da ich die Geschichte nicht kenne.“ „Wie willst du denn beurteilen, ob ich eine gute Trainerin bin oder nicht? Du kennst mich doch gar nicht“, flüstere ich und sehe wieder weg. Aus dem Augenwinkel sehe ich allerdings, wie Zac sich auf mich zubewegt und dann auf mein Bett setzt. Automatisch ziehe ich die Knie an meine Brust und lege meine Arme darum, sodass ich mich selbst umarme und mein Gesicht zwischen Armen und Beinen verstecken kann, damit mich niemand ansieht und ich niemanden sehe. „Okay, du willst also wissen, woher ich weiß, dass du keine schlechte Trainerin bist?“, fragt er und zieht dabei Lin-Fu auf seinen Schoß, die sich das gefallen lässt. „Ich kenne viele Trainer, gute, weniger gute und wirklich schlechte Trainer. Du zählst nicht zu den schlechten Trainern. Soll ich dir ein paar Gründe aufzählen, warum nicht?“ Ich schweige, was Zac wohl als Aufforderung ansieht, weiterzureden. „Also gut, dann fangen wir mal an. Eins der wichtigsten Merkmale eines guten Trainers ist, dass er sich um sein Pokémon kümmert. Dass er sich um sie sorgt und die Pokémon vor seine eigenen Bedürfnisse stellt. Und das tust du. Du bist die ganze Route 50 durchgerannt und hast dabei Karnimani getragen, um ihn so schnell wie möglich ins Pokémon Center zu bekommen. Du hast dich für seine Gesundheit aufgeopfert und deine eigene aufs Spiel gesetzt. Und auch als du aufgewacht bist- deine ersten Gedanken galten dem Wohl deiner Pokémon. Das ist das wichtigste Kriterium eines guten Trainers. Alles andere kommt dann von ganz alleine. Aber das war nicht der einzige Grund, der mich glauben lässt, dass du eine gute Trainerin bist. Du übernimmst auch Verantwortung. Für deine Fehler und für deine Pokémon und deren Fehler. Du suchst den Grund, warum etwas falsche gelaufen ist und das nicht bei deinen Pokémon, sondern bei dir. Denn ein Pokémon ist immer nur so gut wie sein Trainer. Meist liegen die Fehler bei den Menschen, nicht bei den Pokémon. Und du hast dir gleich an die eigene Nase gegriffen und deinen Pokémon keinen Vorwurf gemacht für das, was passiert ist. Besser noch, du bist nicht nur bereit, deine Fehler zu erkennen, du willst auch aus ihnen lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Auch das macht einen guten Trainer aus. Aber nicht nur. Das was mich schlussendlich überzeugt hat, war nicht dein Handeln, denn sowas kann man immer vortäuschen. Nein, was mich am Ende überzeugt hat, war Lin-Fu. Ihre Entrüstung, als du meintest, dass alles deine Schuld wäre und du eine schlechte Trainerin wärest. Lin-Fu muss wirklich in dich und deine Fähigkeiten vertrauen, sonst hätte sie nicht so vehement versucht, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Denn das ist das was einen guten Trainer ausmacht. Es geht nicht darum, was andere in dir sehen. Es reicht, dass deine Pokémon dich für einen guten Trainer halten. Und das tut Lin-Fu eindeutig. Und darum auch ich.“ Sanft streicht er Lin-Fu über den Kopf, dann schmunzelt er. „Und hätte Schwester Joy gesehen, wie entsetzt Lin-Fu gerade eben war, dann hätte sie das mit der schlechten Trainerin sofort zurückgenommen.“ Ich blinzle überrascht. Während Zac geredet und immer mehr Gründe aufgezählt hat, warum ich eine gute Trainerin sein soll, sind meine Tränen langsam versiegt und auch der riesige Berg an Schuldgefühlen, der mich praktisch unter sich begraben hat, ist geschrumpft. Als er dann auch noch das mit Schwester Joy sagt, muss ich tatsächlich fast grinsen und dann überrasche ich uns alle – am meisten mich selbst – indem ich mich spontan an seinen Hals werfe und fest umarme. „Danke. Danke dass du mir das gesagt hast und mich so aufgebaut hast. Danke, dass du uns her gebracht hast, als wir zusammengebrochen sind. Danke für einfach alles, Zac!“ Dann erst realisiere ich, was ich gerade tue und mit hochrotem Kopf ziehe ich mich wieder ans eine Ende des Bettes zurück. Als ich Zac ansehe, ist der mindestens so rot im Gesicht wie ich, dann räuspert er sich, kratzt sich im Nacken und meint: „Ähm … ja … nicht… nichts zu danken.“ Lin-Fu löst die peinliche Spannung, indem sie einen Satz von Zacs auf meinen Schoß macht und sich an mich schmiegt. Lächelnd wende ich mich meinem Pokémon zu. „Und dir danke ich auch ganz besonders. Danke, dass du so ein Vertrauen in mich hast, obwohl wir ja erst seit kurzem zusammen reisen.“ „Lin“, antwortet sie mir sanft, dann streicht sie über meine Wange, die sie vorhin geohrfeigt hat, und sieht mich dann fragend und reuevoll an. „Keine Sorge, es tut nicht mehr weh. Und ich bin auch nicht böse auf dich. Eher dankbar. Scheint, als hätte ich ein bisschen Schmerz und ein paar klare Worte gebraucht“, erwidere ich mit einem halben Grinsen. Die Backe tut zwar immer noch etwas weh, aber Lin-Fu hat das ja nicht mit bösen Absichten, sondern für mich getan, von daher kann ich ihr nicht böse sein. „Ich hätte noch eine Idee, wie ich dir zeigen kann, dass du keine schlechte Trainerin bist“, unterbricht Zac schließlich Lin-Fus und meine Knuddelaktion. „Ach ja und wie?“, frage ich ihn lächelnd. Meine schlechte Stimmung ist inzwischen dank den beiden verschwunden und auch mein Kopf ist nicht mehr rot und heiß wie eine Tomate. „Ein Kampf zwischen uns beiden. Kämpfe sind schließlich eine wichtige Zutat im Leben eines Trainers, nicht wahr?“ „Ein Kampf?“, wiederhole ich und beiße mir überlegend auf die Unterlippe. Eigentlich geht es mir ja soweit wieder gut, ich will aber auch nicht übertreiben. Und ob Lin-Fu sich auch schon wieder fit genug für einen Kampf fühlt? Doch mein Kampf Pokémon überzeugt mich ganz schnell, indem sie mich mit großen Augen bettelnd ansieht und dabei heftig mit dem Kopf nickt. Lachend streiche ich ihr über den Kopf und willige dann in den Kampf ein. Zac lächelt daraufhin und will schon aufstehen, doch ich halte ihn auf. „Unter einer Bedingung. Ich erzähle dir, wie es hier zu dem allem überhaupt kam. Dir als unserem Retter steht es ja wohl am meisten zu, das zu erfahren.“ Der Braunhaarige wird wieder rot, aber er nickt und setzt sich wieder hin. Also fange ich an zu erzählen, was alles auf Route 50 passiert ist. Mehr als eine halbe Stunde braucht es, um Zac alles genaustens zu erklären, da er mich oft genug unterbricht. Doch schließlich scheint seine Wissbegierde gestillt zu sein und ich habe ihm fast alles von den letzten zwei Tagen erzählt. Nur nicht, dass ich in der Sendung `Traveltrainers ´mitmache, denn das darf ich ja nicht erwähnen. Ich glaube zwar nicht, dass hier Kameras sind, immerhin ist das hier ein Zimmer und da darf nicht gefilmt werden, allerdings wollen die Zuschauer vermutlich auch wissen, was nach meiner Ohnmacht mit mir passiert ist. Es ist ohnehin schon peinlich genug, dass ich im Fernsehen das Bewusstsein verloren habe. Und wie ich mich kenne, wird das nicht das letzte Mal gewesen sein. „Wow, also dafür, dass du erst seit kurzem Trainerin bist, hast du schon einiges erlebt“, meint Zac schließlich. „Wie viel Uhr ist es denn eigentlich?“ Ich werfe einen Blick auf meine hellblaue Armbanduhr und antworte: „Schon viertel vor zwölf, warum?“ Wie vom Bibor gestochen springt Zac auf und ruft dann: „Na dann kein Wunder. Tut mir leid Svenja, aber bevor wir gegeneinander kämpfen, MUSS ich etwas essen. Ich sterbe praktisch vor Hunger.“ Ich kichere leicht, merke dann aber, dass ich selbst auch Hunger habe. Also stehe ich auf und erst da fällt mir zum ersten Mal so richtig auf, dass ich ja immer noch nur diesen weißen Patientenkittel trage. Und der ist leicht transparent. Mit brennenden Wangen sehe ich auf und sehe nur noch, wie Zac sich auf den Absatz umdreht, aus dem Zimmer stürmt und mit Schwung die Tür hinter sich zuzieht. Fast möchte ich über die peinliche Situation lachen, doch ich verkneife es mir und ziehe stattdessen schnell meine Sachen, die ordentlich gefaltet und scheinbar auch gewaschen auf einem Stuhl liegen, an. Dann gehe ich mit Lin-Fu an meiner Seite zu Zac vor die Tür, schließe mit dem Zimmerschlüssel, den der Brünette mir gibt, die Tür ab und gemeinsam gehen wir die Treppe nach unten ins Erdgeschoss. Hier ist der Tresen, hinter dem Schwester Joy steht und die neuankommenden Trainer begrüßt und dahinter befindet sich die Krankenstation, wo sie die verletzten Pokémon pflegen. Links sind einige Tische und ein Buffet aufgebaut, an der Wand hängt ein Flachbildfernseher und durch die verglaste Wand kommt man auf das Kampffeld und in den Garten des Pokémon Centers. Rechts stehen einige Computer und Telefone, sowie ein Aufzug, der ins Untergeschoss des Pokémon Centers führt. Dort ist der Wohnbereich von Schwester Joy und Ohrdoch, aber auch sowas wie die Intensivstation des Pokémon Centers. Dort werden Pokémon hingebracht, die länger hier bleiben müssen, weil sie so schwer verletzt sind und deshalb unter ständiger Beobachtung stehen müssen. Wenn Pokémon ins Untergeschoss verlegt werden, ist das meist kein gutes Zeichnen. Gleich darauf kommt mir der erschreckende Gedanke, ob Karnimani vielleicht dort unten liegt. Schaudernd folge ich Zac, der fast schon zum Essbereich rennt, so ausgehungert scheint er zu sein. Während ich für Lin-Fu etwas zu Essen organisiere, hat Zac schon mal einen Tisch für uns reserviert und deckt sich jetzt großzügig im Buffet ein. Als ich mit gefülltem Futternapf zum Tisch zurückkehre, an dem Lin-Fu auf mich gewartet hat, sitzt Zac schon mit einem zum Bersten gefüllten Teller und einem Glas Milch an diesem. Als ich den Inhalt des Tellers sehe, muss ich schmunzeln. „Sagtest du nicht, dass du Hunger hast, Zac?“ „Ja, hab ich doch auch.“ „Und warum hast du dann nur Süßigkeiten auf deinem Teller? Du willst mir doch nicht sagen, dass du das Zeug gegen deinen Hunger isst“, frage ich neckisch. „Hey!“, empört der Brünette sich. „Das ist erstens mal meine Sache, wie ich mich ernähre. Ich liebe eben Süßes über alles und hier im Pokémon Center sind die Sachen fast so gut, wie meine eigenen. Und zweitens habe ich ja nicht nur Süßigkeiten genommen“, erklärt er mir und deutet dann demonstrativ auf ein kleines Schälchen, was mit Salat gefüllt ist. „Siehst du?“ Ich muss lachen und antworte: „Oh ja, Verzeihung, tut mir leid, dass ich deinen Riesen Berg an Salat übersehen habe.“ „Das sollte es auch“, meint er, bevor er in ein Törtchen beißt. „Sonst kann es passieren, dass ich dich als Rache gleich im Kampf fertig mache.“ „Das will ich sehen“, lache ich und gehe dann ebenfalls zum Buffet, nachdem ich Lin-Fu ihr Futter hingestellt habe. Schlussendlich entscheide ich mich für einen gemischten Salat, nur größer als der von Zac, und eine Kürbissuppe sowie Magostbeerensaft. Der Saft schmeckt einfach nur traumhaft süß und erfrischend, obwohl der erste Schluck auch immer von einer Bitterkeit begleitet wird, die dann aber schnell von der unglaublichen Süße verdrängt wird. Es ist und bleibt mein Lieblingsgetränk. Zufrieden essen wir drei, wobei ich es nicht lassen kann, Zac immer wieder wegen seiner offensichtlichen Süßigkeitensucht aufzuziehen. Er versucht sich auch nur halbherzig zu verteidigen, was mich noch mehr zum Lachen bringt. Ich habe das Gefühl, dass das seine Absicht ist, denn immer wenn meine Gedanken zu Karnimani wandern und ich ernster werde, macht oder sagt er irgendwas Lustiges und ich muss wieder lachen. Schließlich sind wir aber doch alle fertig und satt und so räumen wir den Tisch ab für die Trainer, die nach uns kommen werden. „Sag mal, wie alt bist du überhaupt Zac? Ich weiß eigentlich gar nichts über dich, außer deinen Namen. Und das du mich gerettet hast, natürlich.“ Wieder wird er leicht rot um die Nase, aber er beginnt bereitwillig zu erzählen, während wir unser Geschirr Weg räumen. „Also ich komme aus Eyeres, gar nicht so weit von hier, wenn man sich traut, die Routen zu verlassen und querfeldein zu reisen. Und ich bin 16, aber in drei Monaten werde ich 17. Momentan bin ich noch auf meiner Reise und trainiere mein Taubsi, damit er bald so stark wird wie meine anderen Pokémon. Darum werde ich auch gleich mit Taubsi kämpfen, stell dich schon mal drauf ein. Und wenn ich gerade Zeit und Lust habe, dann backe ich viel. Das habe ich von meinen Eltern, sie haben eine Konditorei.“ „Na, dann kein Wunder, dass du sehr auf die Kuchen abfährst“, lache ich und wende mich dann an Lin-Fu. „Hast du gehört, Zac wird mit seinem Taubsi kämpfen. Denkst du, dass du das schaffst?“, frage ich sie besorgt, doch Lin-Fu nickt heftig. Sie scheint ganz wild auf den Kampf zu sein. Kein Wunder, es wird ihr erster Kampf gegen einen Trainer sein. Und meiner auch, wenn man mal meine Mutter außen vor lässt. Aber ich bin definitiv aufgeregter und unsicherer als mein Pokémon. Und das darf nicht sein. Als Trainerin muss ich immer den Überblick und die Kontrolle behalten. Auch über meine Gefühle. Wie um es mir zu beweisen, frage ich: „Also Zac, wie wär’s, wenn wir jetzt kämpfen?“ „Nur zu gern.“ Damit dreht er sich um und will durch die Verandatür auf das Kampffeld des Pokémon Centers treten, bleibt aber stehen, als ich ihm nicht folge. Mein Blick ist auf Schwester Joy gefallen und sofort kehrt die Sorge um meinen Starter zurück. „Geh schon mal vor Zac. Ich muss noch kurz mit Schwester Joy sprechen“, rufe ich ihm über die Schulter zu. Der Junge nickt wissend und dreht sich wieder um, wobei er schon einen Pokéball zückt. „Schwester Joy“, rufe ich, sobald ich am Tresen angekommen bin. „Svenja. Wie schön, dich auf den Beinen zu sehen. Was kann ich für dich tun?“ „Wie geht es Karnimani?“ „Ohrdoch kümmert sich um ihn, wir haben wir ihn nach unten verlegt, dort ist es ruhiger und er kann sich ausschlafen. Warte kurz, ich frage Ohrdoch, wie lange sie glaubt, dass er sich noch erholen muss, bevor wir in wieder in deine Obhut übergeben.“ Damit drückt sie auf einen Knopf und spricht schnell in ein Mikrophon an ihrem Tresen. Kurz darauf hören wir beide die Stimme Ohrdochs aus dem Lautsprecher. „Ohrdoch, Ohr Ohrdo Ohrdoch „Danke Ohrdoch“, sagt Schwester Joy ins Mikro, dann lässt sie den Knopf los und wendet sich an mich. „Also, Ohrdoch hat mir gesagt, dass Karnimani schläft, um sich zu erholen. Aber sie meint, dass er mit jeder Minute kräftiger werden würde. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.“ Ich will ihr schon danken, doch dann stutze ich. „Moment, siekönnen wortwörtlich verstehen, was Ohrdoch gesagt hat?“ Schwester Joy blinzelt verwirrt. „Natürlich. Würde ich es nicht verstehen, gäbe das ganz schöne Probleme bei der Behandlung der Pokémon, meinst du nicht?“ „Vermutlich“, murmele ich und frage mich still, wie sie die Sprache der Pokémon gelernt hat. Lernt man das, wenn man eine Schwester Joy werden will? Erhält man dann Unterricht ala `Was will das Pokémon eigentlich von mir? ´ Oder versteht sie Ohrdoch nur, weil sie so lange zusammen arbeiten und sich so gut kennen? Schließlich zucke ich mit den Schultern, das kann ich ja auch wann anders herausfinden und frage stattdessen: „ Können sie sagen, wie lange es noch dauern wird, bis ich Karnimani wieder haben kann?“ „Wir haben jetzt zehn vor eins. Ich denke, um zwei dürfte Karnimani wieder fit genug sein, dass ihr weiter reisen könnt, solange du mir versprichst, dass du ihn heute und morgen nicht kämpfen lässt.“ „Das verspreche ich ihnen. Aber mit Lin-Fu darf ich doch wieder kämpfen, oder?“ Kurz überlegt Schwerster Joy und betrachtet mein Kampf Pokémon, bevor sie ihre Einwilligung gibt. „Solange ihr es nicht übertreibt!“ „Keine Sorge. Aber… warum haben sie Karnimani nach unten verlegt? Sie sagten doch, es würde ihm besser gehen“, frage ich besorgt und muss an meine Befürchtung von vorhin denken. „Oh keine Panik, das haben wir nur gemacht, weil er sich dort unten besser ausschlafen kann. Dort unten ist es ruhiger, kühler und dunkler. Außerdem ist Ohrdoch sowieso die meiste Zeit unten, weil sie sich um einige verletzte wilde Pokémon kümmert. Also keine Sorge, das ist nur der Einfachheit halber so.“ „Ach so. Dann danke ich Ihnen, Schwester Joy.“ Schwester Joy lächelt, dann gehe ich mit Lin-Fu zu Zac nach draußen, der schon auf uns wartet. Nachdem sich jeder von uns beiden in sein Trainerfeld gestellt hat, ruft Zac mir zu. „Bist du bereit Svenja?“ Ich sehe zu Lin-Fu, dass kampfbereit auf dem Feld steht und mir zunickt, und erwidere: „Wir sind bereit.“ „Na dann los! Der Kampf beginnt!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)