Eiskalte Blicke von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 6: Überraschungen ------------------------- Kaiba hatte nicht erahnen können, dass ihn der Anblick der blau-weißhaarigen Schönheit so fesseln konnte wie in dem Moment, als sie sich das neue Kleid anlegte; ein weißes Wickelkleid, das von einem goldenen Band um die Hüften festgehalten wurde und sich perfekt um den schmalen Körper legte. Die Art wie sie sich anzog war beinahe so schön wie der Anblick ihres entblößten Körpers. Nur schwer konnte er sich von diesem Bild, das sich ihm gerade bot, abwenden, aber er hatte noch Akten und Unterlagen, die er bis heute Abend durchgehen musste. Der Gedanke daran bereitete ihm jetzt schon Kopfschmerzen, doch er konnte die Arbeit nicht länger hinauszögern, wie er es bereits die letzte Woche getan hatte, als er damit beschäftigt war, sein Vorhaben genaustens zu planen. Es arbeitete nur so in seinem Kopf, dass Kaiba kaum Zeit fand, sich auf die Firma voll und ganz konzentrieren zu können. „Ich denke, es wird nicht lange dauern“, sagte Kaiba, während er sich sein dunkelgrünes Hemd zuknöpfte und über die Schulter hinweg zu der jungen Frau sah, die sich auf den Rand des Bettes gesetzt hatte und abwesend aus dem Fenster blickte. Bei seinen Wort drehte sie sich, wie aus einem Tagtraum erwachend, um – ihre Augen waren nicht ganz so intensiv wie sonst, aber das Blau strahlte noch immer eine Unruhe aus, die für Kaiba unergründlich war. „In der Zwischenzeit“, fuhr er fort, „kannst du dich gerne umsehen.“ „Überall?“, hauchte sie fragend und erhob sich. „Solange du dich nicht von meinem Grundstück entfernst, ist es mir egal, wo du dich aufhältst.“ Kaiba hatte dafür gesorgt, dass die Zimmer seines Bruders verschlossen waren. „Es wird mir nicht schwer fallen, dich zu finden“, fügte er mit einem Grinsen hinzu, das die blau-weißhaarige Schönheit nicht sehen konnte. Er verließ den Raum, klappte die Tür zu und tat einen tiefen Atemzug; dieser Duft, dachte er und schloss einen kurzen Augenblick die Augen, bevor er sich gewahr wurde, was er da eigentlich tat. Erschrocken riss er die Augen auf und hastete eilig in Richtung Büro. Die Arbeit war genau das Richtige, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wenn nur nicht dieser Duft wäre... __________________________________ ~Perspektivenwechsel~ Mokuba Kaiba Mokuba Kaiba hatte es einfach nicht mehr aushalten können. Er ahnte, dass an Setos vermeintliches Treffen etwas faul sein musste. Seinen kleinen Bruder wegzuschicken war sonst nicht seine Art, daher musste der Ältere ein Geheimnis vor ihm verbergen oder zumindest irgendetwas im Schilde führen, das er seinem jüngeren Bruder nicht erzählen konnte...oder wollte? Es musste mehr dahinter stecken, so viel stand fest. Am frühen Morgen fasste Mokuba schließlich den Entschluss, gegen den Willen seines Bruders, das ViSeP-Turnier, das bereits im vollen Gange war, abzubrechen und auf dem schnellsten Weg zur Kaiba-Villa zurückzukehren. Dort angekommen wollte er seinen großen Bruder zur Rede stellen. Doch was ihn erwartete, sprengte jede seiner vorherigen Phantasien. „Wer bist du denn?“ Mokuba stand mit weit aufgerissenen Augen im Flur und blickte zu der Schlafzimmertür seines älteren Bruders, aus der eine junge Frau mit langen blau-weißen Haaren hinaustrat. Ihre Kleidung erinnerte ihn an die Statue einer griechischen Göttin, die nur von ihrer geraden – fast steifen - Haltung überboten wurde. Sie klappte die Tür zu und drehte sich zu ihm um; wobei ihr Haar in Strähnen von den Schultern fiel und Mokuba bei diesem Anblick leicht errötete. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals eine so schöne und zugleich anmutige Frau gesehen zu haben, dass es ihm schwer fiel, seinen Blick nicht auf sie zu lenken. „Mein Name ist Kaori Kugeka“, der Klang ihrer Stimme war bloß ein kühler Hauch. Ihre Art wie sie die Worte aussprach, war ruhig und Mokuba hörte aus ihr eine gewisse Distanz heraus, die ihn keineswegs störte, sondern viel mehr die Neugier in ihm weckte. „Ich bin Mokuba, Setos Bruder“, er kam auf die blau-weißhaarige Frau, die sich als Kaori vorgestellt hatte, zu und als er direkt vor ihr stand galt seine Aufmerksamkeit den zwei tief stählernen Augen, die ihn von oben herab ansahen, dass er nicht anders konnte als zu lächeln. „Es freut mich, dich kennenzulernen, Mokuba“, sagte sie schließlich und lächelte zaghaft zurück, als fiele es ihr schwer ein freundliches Gesicht aufzusetzen. „Ich habe nicht gewusst, dass du auch Zuhause bist.“ Wie ein Schlag kehrten Mokubas Gedanken, die er während der Heimreise hatte, zurück und er gab einen tiefen Seufzer von sich. „Mein Bruder weiß auch nicht, dass ich hier bin. Er meinte, er hätte ein super wichtiges Meeting, bei dem er mich unbedingt aus dem Haus haben wollte...ach ja, wo steckt Seto eigentlich?“ „In seinem Büro. Ein paar geschäftliche Dinge erledigen.“ „Wirklich?“, blinzelte der Schwarzhaarige, „und ich dachte, er hätte seine Geschäfte nur als Ausrede vorgeschoben, um mit dir alleine sein zu können.“ Für Mokuba stand fest, dass diese junge Frau der eigentliche Grund war, warum sein älterer Bruder ihn zu dem ViSeP-Turnier geschickt hatte. Eigentlich freute er sich für seinen Bruder. Mokuba war sowieso der Meinung, dass Seto zu viel arbeitete und sein gesamtes Leben auf die Firma konzentrierte, ohne einmal zur Ruhe zu kommen. Aber wieso hatte ihm sein großer Bruder nicht erzählt, dass er eine Freundin hatte? Noch nie hatte er sich so ausgeschlossen gefühlt wie in diesem Moment. Mokuba konnte einfach nicht verstehen, wieso Seto ein so großes Geheimnis daraus machte und ausgerechnet vor ihm etwas verheimlichte. Dabei dachte er immer, der einzige zu sein, dem Seto vertraute. „Also hat er dich alleine zurückgelassen?“ „Er meinte, es wird nicht lange dauern.“ „Hm“, Mokuba wusste, was die Worte bei seinem Bruder bedeuteten, wenn es um die Arbeit ging. „Bevor er dich hier versauern lässt“, meinte der Schwarzhaarige, während er die Hände in die Hüften stemmte, „werde ich dir ein wenig das Haus zeigen. Oder hast du schon alles gesehen?“, fügte er hastig hinzu. Er hatte nicht bedacht, dass sich Seto womöglich schon seit längerer Zeit mit dieser Frau traf und während seiner Abwesenheit zu sich nach Hause eingeladen haben könnte. „Ich habe mich noch nicht umsehen können. Ich würde mir gerne von dir das Haus zeigen lassen.“ Erleichterung tat sich in Mokubas Gesicht auf; Erleichterung, die der blau-weißhaarigen Schönheit nicht verborgen geblieben war. Sie liefen gemeinsam durch den weitläufigen Flur. Dabei plapperte der Schwarzhaarige fröhlich und wurde immer offener gegenüber der jungen Frau, für die er auf Anhieb Sympathie entwickelt hatte, ohne genau den Grund zu wissen. Er zeigte ihr den Garten, die Schwimmhalle, die Gästezimmer, während er von seinen Eindrücken erzählte, als er die Kaiba Villa das erste Mal von außen gesehen hatte; krampfhaft hatte er sich an seinen großen Bruder geklammert, während er das Gefühl hatte, dass die riesigen Mauern bloß ein weiterer Kerker waren – nur luxuriöser und schöner als die grauen Gemäuer des Waisenhauses, in dem sie gelebt hatten, bevor sie von Gozaburo Kaiba adoptiert worden waren. „Das wäre dann fast alles“, Mokuba setzte sich auf die Treppe der Vorhalle und starrte zur Decke hinauf, als ihm ein Gedanke kam: „Einen Raum hätten wir noch. Ich weiß zwar nicht, ob es dich interessiert, aber wir könnten uns noch Setos speziellen Raum ansehen, in dem er seine größten Errungenschaften aufbewahrt.“ Die blau-weißhaarige Frau nickte. Er brachte sie bis zum Ende des Flures und blieb vor der letzten Tür stehen. „Dieser Raum ist so etwas wie ein Heiligtum“, sagte er, während er aus seiner Hosentasche einen Schlüsselbund herauszog. „Es ist lange her, seit Seto diesen Raum das letzte Mal betreten hat. Er redet nicht gerne von der Vergangenheit und schließt alles ein, was damit zu tun hat – einschließlich diesem Raumes.“ Er hielt einen silbernen Schlüssel in die Höhe, der kleiner war als die anderen und steckte ihn schließlich ins Schloss. Nachdem er den Schlüssel gedreht und die Tür geöffnet hatte, trat er einen Stück zu Seite, um der jungen Frau Platz zu machen. „Du hast vielleicht davon gehört, dass mein Bruder der beste Duel Monsters Spieler der Welt war.“ Langsam trat sie in das Zimmer. Als erstes fielen die Pokale auf, die sich in den Regalen - der Größe nach sortiert – stapelten und das grelle Licht der Deckenbeleuchtung reflektierten, dass der Anblick in den Augen brannte. Gegenüber der Trophäensammlung hingen in Glas geschützte Karten, die in den verschiedensten Farben funkelten und die Wand vollständig darunter verdeckten. „Ich kenne dieses Kartenspiel“, sagte Kaori und fuhr mit der Fingerspitze über das dünne Glas, „eure Firma stellt die Hologramme her. Ich habe nicht gewusst, dass er ebenfalls spielt.“ Sie betrachtete eine Karte, sodass die Glasscheibe ihre Augen widerspiegelte; Mokuba mochte ihre Farbe und die Tiefgründigkeit ihrer Blicke, mit denen sie einen oder etwas anblickten. Auf eine für ihn unerklärliche Art fühlte er sich durch diesen Blick sicher und geborgen. Trotz der Kühle, die in ihnen steckte – oder vielleicht gerade deshalb, er wusste es nicht genau - fühlte er etwas Vertrautes, etwas von dem er glaubte, aus der Vergangenheit zu kennen, es verloren zu haben und lange Zeit in Vergessenheit geraten war... Es störte ihn nicht, dass ihm diese Frau fremd war, es spielte auch keine Rolle, dass sie kaum ein Wort geredet hatte und er noch nichts über sie in Erfahrung bringen konnte. Vielleicht lag darin ihr Zauber. „Na ja“, sagte der kleine Schwarzhaarige schließlich, nachdem ihm bewusst wurde, dass die Blicke der jungen Frau auf ihm ruhten, „er spielt schon lange nicht mehr-“ Der Jüngere hielt inne. Er wusste, dass sein älterer Bruder schlecht auf dieses Thema zu sprechen war – zumindest wenn es um seine letzte Niederlage ging, die Seto dazu gebracht hatte, mit dem Kartenspielen aufzuhören und nie wieder ein Wort darüber zu verlieren. „Zeigst du mir wie es geht?“ Verwundert sah er sie an. „Klar, wenn du magst.“ ___________________________________________ ~Perspektivenwechsel~ Seto Kaiba Das Telefon klingelte schrill in seine Ohren. Genervt sendete der Chef der Kaiba Corporation Todesblicke an den Apparaten. Das war bereits das fünfte Mal, dass ihn irgendwelche Leute von seiner eigentlichen Arbeit abhielten, von der er beabsichtigte, sie schnellst möglichst hinter sich zu bringen. Er riss den Hörer von der Station und knurrte ein knappes „Ja“, dass seine Sekretärin ihre gewohnt piepsende Stimme einsetzte: „Mr. Kaiba, ich habe einen wichtigen Anruf für Sie.“ „Das konnte ich mir bereits denken“, erwiderte Kaiba im sarkastischen Ton, „sagen Sie ihm, dass ich an den Wochenenden nicht zu sprechen bin.“ „Aber der Herr in der anderen Leitung meinte, es sei wichtig.“ „Und welcher Herr?“, fragte er, obwohl es ihn wenig interessierte, welcher dieser vielen Wichtigtuer meinte, eine wichtige Angelegenheit mit ihm an einem Samstagnachmittag besprechen zu müssen. „Ein Herr Beko Kugeka von Alexis Industries.“ Stille. Sekunden vergingen, die dem jungen Firmenchef wie eine Ewigkeit vorkamen. Er war in einer Starre gefangen, die ihn dazu zwang tausend Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, um nur noch Platz für eines zu haben. „Stellen Sie durch“, sagte er und trommelte mit den Fingern seiner freien Hand auf den frisch polierten Schreibtisch. Als Kaiba die tiefe Bassstimme des Firmenbosses von Alexis Industries hörte, konnte er das Schlagen seines eigenen Herzens wahrnehmen, das wie wild an seine Brust hämmerte. Ein neuartiges Gefühl machte sich in Kaiba breit – und es gefiel ihm ganz und gar nicht. „Mr. Kaiba, entschuldigen Sie, dass ich Sie an einem Samstag belästige, aber ich hielt es für besser, meinen Anruf nicht länger hinauszuzögern.“ „Womit kann ich Ihnen helfen?“ Die fröhliche Stimme am anderen Ende der Leitung passte nicht zu dem Bild, das sich in Kaibas Kopf gebildet hatte. „Wie ich erfahren habe, war meine Tochter bei Ihnen.“ „Ich erinnere mich“, entgegnete er knapp. „Normalerweise halte ich mich aus ihren Geschäften heraus. Sie weiß was sie tut und betreut unsere Kunden immer zu höchster Zufriedenheit. Umso mehr wundert es mich, dass sie Sie nicht von unserer Agentur überzeugen konnte. Ich hoffe, sie hat Sie nicht auf irgendeine Weise verärgert oder kompromittiert.“ „Keineswegs, Mr. Kugeka. Ich brauchte nur etwas Bedenkzeit hinsichtlich einer Kooperation mit Alexis Industries“, antwortete Kaiba und spürte wie sich die Erleichterung in seinem ganzen Körper ausbreitete. „Nun, ich möchte Sie keinesfalls bedrängen“, begann Mr. Kugeka im knallharten Geschäftston, „aber ich kann Ihnen versichern, Mr. Kaiba, dass Sie keine geeignetere Firma als die unsere finden werden. Die Zufriedenheit unserer Kunden hat höchste Priorität und ich garantiere Ihnen, dass niemand Ihr Produkt besser vermarkten kann als Alexis Industries.“ Das Werbeunternehmen besaß viele namenhafte Kunden, von denen Kaiba wusste, dass sie ihre hohen Verkaufszahlen zu einem Großteil Alexis Industries zu verdanken hatten. Eine Zusammenarbeit kam ihm daher nicht abwegig vor, zumal er bereits in der Vergangenheit darüber nachgedacht hatte, zu Alexis Industries zu wechseln. „Lassen Sie mir die nötigen Dokumente zukommen. Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen und Ihnen meine Entscheidung nächste Woche mitteilen.“ „Ich bin mir sicher, dass Sie die richtige Entscheidung treffen werden, Mr. Kaiba.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)