Über Erzengel von tenshi_vl ================================================================================ Kapitel 1: Der 4. Erzengel -------------------------- Luzifer schlenderte mit Michael durch einen Himmel. Die Brüder besprachen gerade die Erschaffung einer neuen Spezies, als Raphael auf sie zuflog. „Luzifer!“, rief er. Raphael war zwar kein Küken mehr, aber ein ausgewachsener Engel war er auch noch nicht. Jeder wusste, dass seine Flügel noch zu klein für seine Grösse waren, was in einigen witzigen Flugszenen endete. Jedenfalls hatten sowohl Luzifer als auch Michael immer ein offenes Ohr für ihren kleinen Bruder, auch wenn der Michael Luzifer klar vorzog. Daher war Luzifer auch überrascht, als sein kleiner Bruder nach ihm suchte. „Raphael, was ist los?”, fragte der schwarzgeflügelte Erzengel den Jüngeren. Raphael grinste leicht, immer noch ausser Atem von der Anstrengung, die das Fliegen für ihn bedeutete. „Es ist Vater. Er will dich sehen und zwar sofort.“ Michael und Luzifer waren beide überrascht von diesen Worten. „Vater will mich sehen?“, fragte Luzifer irritiert nach. „Hat er dir gesagt warum?“, wollte Michael wissen. Raphael schüttelte nur den Kopf. Er wandte sich nun wieder eher an Michael als an Luzifer: „Nein, hat er nicht. Er hat nur betont, dass es dringend ist.“ Luzifer seufzte, breitete seine Schwingen aus und schoss in den Himmel so schnell er konnte. Er liebte es mit seinem Vater Zeit zu verbringen. Er liebte seinen Vater mehr als alles andere. Er dachte lange darüber nach, weshalb sein Vater ihn so plötzlich dringend sehen wollte. Es schien etwas sehr wichtiges zu sein. Zum Glück gab es keinen Engel im Himmel, der es auch nur ansatzweise mit seiner Geschwindigkeit aufnehmen konnte. Nur wenige Momente später kam Luzifer im Himmel seines Vaters an. Er betrat ihn etwas unsicher und rief: „Vater? Du wolltest mich sehen?” „Ja, Luzifer, das wollte ich. Bitte, komm näher. Ich habe ein Geschenk für dich“, verkündete sein Vater. Luzifer war überrascht. Ein Geschenk für ihn? Er näherte sich seinem Vater, neugierig was es sein könnte. „Wirklich? Ein Geschenk?“ Sein Flügel zuckten fröhlich, als er versuchte einen Blick auf das zu erhaschen, was in den grossen Händen seines Vaters lag. Sein Vater lachte, als er die Ungeduld des Erzengels bemerkte. „Hier, öffne deine Arme, mein Sohn“, forderte er. Luzifer tat, wie ihm geheissen wurde, und sein Vater legte ein kleines Bündel aus goldenen Federn in seine Hände. Luzifer brauchte einen Moment um zu begreifen, dass er einen Babyengel hielt. Die kleine Kreatur kuschelte sich in seine sechs winzigen Flügel. Er schlief fest und packte unbewusst einen von Luzifers Daumen. Auf seinem Kopf waren ein paar dunkelblonde Locken und er hatte runde Bäckchen. Luzifer verliebte sich auf den ersten Blick in den kleinen Engel. Er lächelte auf das winzige Küken hinab und sah dann wieder zu seinem Vater auf. Sein Vater lächelte den Erzengel stolz an und sagte: „Er ist dein kleiner Bruder und von nun an wird er dein Schützling sein. Pass auf ihn auf und zieh ihn gross. Es ist eine ziemliche Verantwortung, aber ich vertraue darauf, dass du es schaffst, mein Sohn. Weisst du schon, wie du ihn nennen willst?” Luzifer lächelte seinen kleinen Bruder an. „Gabriel.“ Kapitel 2: Albträume -------------------- „Luci”, murmelte der kleine Erzengel durch den schmalen Türspalt. Er hatte einen Albtraum gehabt und jetzt hatte Gabriel Angst wieder einzuschlafen. Der kleine Erzengel war nur drei Engeljahre alt und er hatte sein Lieblingsplüschtier in seinen Armen. Es war ein goldenes Einhorn mit schwarzen Flügeln. Er hatte es selber zusammen mit seinen Brüdern hergestellt. Als sein Bruder nicht reagierte, schlich er sich in den Raum und ging ein wenig näher. Ein bisschen lauter dieses Mal fragte er: “Luci?” Immer noch keine Reaktion. Gabriel sprintete ein bisschen und sprang dann. Er flatterte mit seinen winzigen Flügeln ein paar Mal, schaffte es auf das Bett zu schweben, bevor er fiel und auf Luzifers Bauch krachte. Der Grössere atmete scharf aus. „Gabriel“, knurrte er und setzte sich auf, wodurch Gabriel von seinem Schoss fiel. Schläfrig und genervt blickte Luzifer seinen kleinen Bruder an. “Ich habe dir doch gesagt, wir können morgen wieder spielen. Jetzt geh schlafen.” Gabriel starrte Luzifer mit seinen riesigen goldenen Augen an. Er wirkte traurig und ein wenig verängstigt. Bei dem Anblick seufzt Luzifer und begriff, dass mit Gabriel etwas nicht stimmte. „Hey, Gabe, ich bin dir nicht böse. Tut mir leid. Wieso bist du hergekommen?” „Ich hatte einen schlimmen Twaum“, erklärte Gabriel und blickte auf seine kleinen Hände hinab. Luzifer lächelte sanft und legte eine Hand auf Gabriels goldene Locken. „Keine Sorge, Kleiner. Es war nur ein Traum. Du weisst, ich würde niemals zulassen, dass dir irgendwas passiert, nicht wahr?“ Gabriel nickte leicht, hatte aber eigentlich immer noch Angst alleine in sein eigenes Nest zurückzukehren. „Möchtest du lieber in meinem Bett heute Nacht schlafen?“, offerierte Luzifer und bei diesen Worten sah Gabriel auf, strahlend vor Glück und nickte eifrig. „In Ordnung, komm her, Kleiner.“ Luzifer legte sich wieder hin und Gabriel kuschelte sich eng an ihn. Luzifer legte beide Arme um den kleinen Engel und lächelte. Gabriel brauchte nicht mehr als zehn Minuten und schlief wieder fest ein. Dieses Mal ganz ohne Albträume. Kapitel 3: Sein Erster Trick ---------------------------- Gabriel war erst eineinhalb Jahre alt, als Luzifer ihn das erste Mal allein in Michaels Obhut zurückliess. Luzifer hatte einen wichtigen Auftrag in seiner Funktion als Erzengel und musste deshalb seinen geliebten kleinen Bruder bei seinem grossen Bruder zurücklassen. Er wuschelte durch die Haare des kleinen Engels, während er Michael zuflüsterte: „Wenn du ihm nur ein Haar krümmst, werde ich dich persönlich umbringen.“ Mit diesen Worten flog der schwarzgeflügelte Erzengel los zu einem anderen Himmel in einiger Entfernung. Michael sah auf das kleine Küken in seinen Armen hinab und lächelte. Es gab noch nicht viele Engel im Himmel und Michael wusste, dass der Knirps in seinen Armen der letzte Erzengel sein würde. Gabriel sah ihn mit seinen grossen goldenen Augen verwirrt an und Tränen begannen sich in seinen Augen zu bilden. „Luci?“, wimmerte der Kleine. Michael wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte nicht, dass Gabriel weinte und wiegte ihn deshalb vorsichtig hin und her. „Hey, nicht weinen, Gabriel, ich bin doch da. Michael, komm, du kennst mich.” Gabriel nahm eine Handvoll von Michaels langen blonden Haare und zog daran. „Urgh-“, entwich es Michael und Gabriel kicherte. „Mickey!”, zwitscherte das Küken und begann an dessen Haar zu saugen. Michael seufzte und lächelte aber doch ein wenig. Der winzige Erzengel war einfach zum niederknien. Naja, jeder Babyengel war niedlich, aber irgendwie kam ihm Gabriel einfach noch süsser vor. Michael setzte sich ins Gras, Gabriel sass in seinem Schoss. „So, was willst du jetzt machen?“, fragte er seinen kleinen Bruder. Gabriel stand auf und versuchte, etwas herumzulaufen. Seine Flügel waren bereits ziemlich gross, grösser als die Flügel anderer Engel seines Alters. Gabriel stolperte über einen davon und fiel zu Boden. Michael sah sofort besorgt auf, doch Gabriel krabbelte sofort wieder auf seine Füsse und tapste hinter einem Schmetterling her. Der Kleine lachte, als er versuchte das bunte Insekt zu fangen. Michael lächelte bei der Unschuld, die sein kleiner Bruder noch hatte, bis Gabriel erneut über einen seiner goldenen Flügel stolperte und den Hügel hinab fiel. Michael schoss sofort hoch und flog zu seinem kleinen Bruder hinüber, der am Fuss des Hügels lag und weinte. Eines seiner Knie und seine beiden Hände waren aufgeschürft und Blut floss an seinem kleinen Bein hinab. „Gabriel, bist du ok?“, erkundigte sich Michael panisch. Gabriel schluchzte bitterlich, bevor er stotterte: „E-Es tut we~eheee, Mikey! Luuuuuci!!!!” Das Weinen des kleinen Erzengels war herzzerreissend. Michael nahm den Kleinen in seine Arme und versuchte ihn zu beruhigen: „Hey, es wird alles wieder gut, keine Sorge. Lass es mich heilen.” Gabriel streckte seine immer noch schmerzenden Hände aus. Michael nahm sie in seine grösseren und hielte seinen kleinen Bruder in wenigen Sekunden. Aber auch wenn seine Wunden jetzt geheilt waren, wollte der Kleine nicht aufhören zu weinen. „Was ist los, Gabriel? Es tut dir doch nicht noch irgendwas weh?” Gabriel schniefte und weinte: „Ich vermisse Luci!“ Michael zuckte zusammen. Was konnte er denn jetzt nur tun? Seine Gedanken rasten, bis ihm endlich etwas einfiel, was Raphael ihm vor einer Weile mitgeteilt hatte. „Gabriel, willst du Süssigkeiten?“ Der kleine Erzengel schniefte, blickte Michael aber wieder an, Interesse funkelte zum ersten Mal in seinen Augen. „Was sin Süsseiten?“ Michael lächelte sanft und liess einen Lutscher in seiner Hand erscheinen. „Wieso versuchst du es denn nicht? Es ist süss und du kannst es essen.“ Er überreichte den roten Lollipop seinem kleinen Bruder, der ihn mit seinen kleinen Händen nahm, wobei er immer noch versuchte herauszufinden, was es genau war. Die Neugierde gewann dann doch und Gabriel leckt vorsichtig daran. Es schmeckte unglaublich süss und völlig anders als seine Ambrosia, die er sonst zu sich nahm und Gabriel liebte es. Er lutschte eifrig daran und summte vergnügt, alle Tränen und Schmerzen waren vergessen. Michael lächelte seinen kleinen Bruder zufrieden an, der wieder fröhlich schien. Gabriel brauchte nicht mehr als ein paar Minuten um den Lollipop aufzuessen und betrachtete dann traurig das leere Stäbchen. Er runzelte die Stirn missbilligend und blickte zu Michael auf, ehe er fragte: „Mea?“ Der Ältere sah auf ihn hinab. „Ich weiss nicht, ob das wirklich so eine gute I-„ „MEA!“, rief Gabriel gereizt. Michael sah ihn völlig überrascht an. Er hatte seinen niedlichen kleinen Bruder noch nie so fordernd gesehen. „Nein Gabriel. Es gibt nicht mehr“, stellte Michael klar. Gabriel funkelt ihn schelmisch an. Der junge Erzengel schmollte und Michael versuchte ihn wieder zu besänftigen: „Hey, sei doch nicht böse auf mi- AU!“ Etwas Hartes traf Michael am Kopf. Er drehte sich um, um zu sehen, was es war. Da lag ein Lutscher. Noch einer traf Michaels Kopf und dann noch einer. Er wandte seine Augen zum Himmel und bemerkte, dass es Süssigkeiten regnete. Er nahm den kichernden, kleinen Erzengel in seine Arme und eilte zum nächstgelegenen Baum um dort Schutz zu suchen. Verblüfft blickte er seinen kleinen Bruder an, der glücklich an einer roten Zuckerstange lutschte. Wie konnte so ein kleiner Engel schon so starke, magische Fähigkeiten haben? Natürlich war er als Erzengel prädestiniert um stärker und schneller als normale Engel zu sein. Aber es war doch faszinierend die Kräfte eines jungen Erzengels aufblühen zu sehen. Er lächelte seinen kleinen Bruder stolz an. Gabriel schlief in Michaels Armen ein, die Zuckerstange steckte immer noch in seinem Mund. Sein ganzer Körper war mit der klebrigen, roten Flüssigkeit bedeckt und ihre Umgebung war unter Süssigkeiten begraben. Michael sah auf, als er das Rascheln von Flügeln hörte. Luzifer landete neben ihm und betrachtete die Süssigkeiten, in denen er knietief stand. „Was ist pa-“, begann Luzifer, hörte dann aber auf, als er Gabriel sah. „Was hast du ihm getan?!”, fuhr Luzifer seinen Bruder an und entliess Gabriel aus Michaels Armen, wobei er hinab auf das Gesicht seines kleinen Bruder sah. Michael gluckste amüsiert. “Keine Sorge, es ist kein Blut. Es ist nur Zucker. Ich glaube, ich hab heute einen Fehler gemacht. Ich habe Gabriel heute Süssigkeiten gezeigt und naja“, er deutete auf die Berge von Süssigkeiten um sie herum, „das war seine Reaktion.“ Luzifer atmete erleichtert auf. Er blickte seinen älteren Bruder entschuldigen an. „Tut mir leid, ich war einfach etwas schockiert. Ähm, und entschuldige bitte, was Gabriel hier angerichtet hat. Es ist unglaublich, wie stark er ist. Ich glaube, ich nehme ihn jetzt besser mit nach Hause. Vielen Dank, Michael.” Michael lächelte: „Keine Sorge, du weisst doch, dass ich Gabriel auch liebe. Ich werde hier das Aufräumen übernehmen, pass du auf ihn auf.“ Und mit diesen Worten flog Luzifer los. Er hielt seinen kleinen Bruder so gut er konnte, während er mit Höchstgeschwindigkeit durch den Himmel schoss. Schon bald kam er in seinem Nest an, wobei es im Moment ihr Nest war, da Gabriel noch zu klein warum ein eigenes zu haben. Verschlafen öffnete Gabriel seine Augen und er lächelte breit, als er Luzifer sah. „Luci“, zwitscherte er glücklich. Luzifer lächelte zu seinem Schützling hinab. „Hey, Gabe, hattest du einen schönen Tag mit Michael?“ Gabriel nickte eifrig und wollte seinen grossen Bruder knuddeln, als der zurückzog. „Was los?“, fragte er, die Trauer war klar auf seinem Gesicht abzulesen. Luzifers Herz setzte einen Schlag aus. „Nicht ist los, Kleiner. Aber du bist wirklich klebrig und ich will dich erst sauber machen.“ Er hatte Recht. Nicht nur Gabriels Gesicht, sondern auch die Hälfte seines Körpers und dessen Flügeln waren mit der klebrigen Speichel-Süssigkeiten-Mischung bedeckt. Gabriel schmollte ein wenig, liess sich aber von Luzifer ohne Gegenwehr waschen. Klebrige Flügel zu haben war wirklich ein widerliches Gefühl, deshalb war Gabriel auch glücklich, als sie wieder ganz sauber waren. Sie glitzerten, als wären sie aus purem Gold gemacht. Luzifer nahm den kleinen Erzengel wieder in seine Arme hoch und ging mit ihm zusammen ins Bett. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Er legte sich hin und Gabriel kuschelte sich eng an ihn. „Nachti, Luci“, meinte der Kleine gähnend. “Gute Nacht, Gabe”, antwortete Luzifer und lächelte seinen kleinen Bruder an. Er schlang seine Arme um ihn und legte dann seine Flügel über sie beide, ehe sie einschliefen. Kapitel 4: Grüne Flügel ----------------------- Luzifer sass in seiner Bibliothek und brütete über ein paar Schriftrollen. Er hatte nicht mehr viel Zeit um sich um diese Dinge zu kümmern, da Gabriel in den letzten Wochen wirklich fordernd gewesen war. Der kleine Erzengel hatte damit begonnen, seine magischen Fähigkeiten zu entdecken und auszutesten, wobei er soviel wie möglich von Luzifer lernen wollte. Das heisst, solange er nicht Luzifer selber verhexen wollte. Alles in allem war Luzifer glücklich herauszufinden, dass Raphael im Moment etwas Freizeit hatte. Es war leicht in zu überzeugen, dass er für ein paar Stunden auf Gabriel aufpassen solle, damit Luzifer seine Arbeit solange nachholen konnte. Es war nicht so, als würde Luzifer Gabriel nicht mögen. Ganz im Gegenteil. Er liebte seinen kleinen Bruder über alles, aber manchmal brauchte er ein paar Minuten für sich selber, ohne dass der nervige kleine Erzengel um ihn herumschwirrte und halbgegessene Süssigkeiten in seine Haare und Flügel klebte. Nach nur zwei Stunden hörte Luzifer laute Schritte und Rufe draussen im Gang. Er versuchte den Lärm zu ignorieren und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, aber es überraschte ihn nicht wirklich, als die massivhölzernen Türen aufschlagen und er seinen Bruder schreien hörte: „LUZIFER!“ „Ja, hallo Raphael, was willst du? Ich bin nämlich etwas beschäftigt, weisst du?“, gab Luzifer zurück ohne seine Augen von seiner Arbeit abzuwenden. „Du- Dein kleiner Teufelsbraten! Hast du ihm denn gar keine Manieren beigebracht?! Ich meine, sieh mich mal an!“, schrie Raphael, wobei er schon fast weinte. Daraufhin nahm Luzifer den Blick doch von seiner Arbeit, ehe er aufsah, um zu sehen, was seinen Bruder so ausrasten liess und was er dann sah, liess ihn auflachen. Die eindrucksvollen, normalerweise silbernen Flügel des Erzengels waren nun grasgrün mit pinken Punkten. Luzifer versuchte sich zusammenzureissen so gut es ging, aber es war hart nicht laut loszulachen. Raphael liebte seine Flügel und er konnte den Witz ganz offensichtlich nicht ertragen. Nach einem kurzen Moment, hatte Luzifer sich wieder unter Kontrolle und antwortete mit einem leichten Kichern: „Oh, naja, so schlimm ist das ja nun auch nicht. Gabriel hat das getan? Wirklich faszinierend, wie seine Kräfte von Tag zu Tag wachsen.“ „Oh ja, wirklich faszinierend. Willst du mich verarschen?! Er hat meine verdammten Flügel ruiniert! Luzifer, meine Flügel!“ Der Erzengel war ganz offensichtlich ausser sich vor Wut. Luzifer grinste. „Ach komm, das ist doch Kindermagie. Das kannst du doch ganz leicht rückgängig machen.“ Raphael zischte zwischen seine Zähne hindurch: „Glaubst du wirklich, dass ich das nicht versucht habe, Blödmann? Es funktioniert nicht. Ich habe keine Ahnung, was der Giftzwerg angestellt hat, aber ich kann es nicht rückgängig machen.“ Seufzend stand Luzifer auf. „Also, wo ist Gabe?” „Er sitzt draussen im Gras. Er hat so eine Art gigantischen Schokohasen geschaffen…“ „Danke, dass du auf ihn aufgepasst hast, Raphael“, grummelte Luzifer und verliess seine Bibliothek dann. Er ging nach draussen, wo er einen drei Meter hohen Osterhasen aus Schokolade vorfand. Dort war ein Loch im Boden des Hasen und Luzifer begriff, dass Gabriel sich wohl darin aufhielt. Er klopfte an die Wand aus massiver Schokolade und erklärte: „Hey, Gabe, ich bin’s. Komm mal raus, dann können wir uns etwas unterhalten.“ Ein kleiner Kopf tauchte in dem Loch auf, völlig mit Schokolade bedeckt. Gabriel, dessen goldene Locken momentan braun von der Schokolade waren, war mittlerweile 4 Jahre alt war. Er grinste seinen grossen Bruder breit an. „Luci!“, zwitscherte er fröhlich und krabbelte aus seiner Schokoladenfestung. Er setzte sich ins Gras und sah erwartungsvoll zu seinem Bruder auf. Luzifer seufzte und setzte sich zu seinem Bruder. Er lächelte den kleinen Sonnenschein an, der vor ihm sass. Gabriel schaffte es immer ein Lächeln auf das Gesicht seines grossen Bruders zu zaubern. „Gabriel, du weisst doch, dass ich dich bei Raphael gelassen habe, weil ich heute viel arbeiten muss?“ „Ja, ich weiss.” „Und warst du ein braver kleiner Engel in der Zeit?“ „Na klar. Ich bin doch immer ein braver Engel, nicht wahr?“ „Warum hast du dann Raphael Flügel gefärbt? Das war gar nicht nett.“ „Nein, aber es war lustig. Er ist ein alter Griesgram“, kicherte der kleinen Erzengel. „Was hat er denn getan um das zu verdienen?“ Es fiel Luzifer wirklich schwer sich zu kontrollieren und nicht wieder in schallendem Gelächter auszubrechen. Raphael hatte einfach zu lächerlich ausgesehen. „Erst hatte er mir meinen Beutel mit Süssigkeiten weggenommen und wollte ihn einfach nicht zurückgeben. Und dann hat er sich auch noch über meine Flügel lustig gemacht“, schmollte der Kleinere. „Hey, deshalb musst du doch nicht traurig sein. Du weisst, dass du wunderschöne Flügel hast. Und was du getan hast, war wirklich beeindruckend. Nicht nur, dass er unglaublich dämlich aussieht, er kann es noch nicht mal selbstständig rückgängig machen. Du bist wirklich schon sehr stark, stärker als manch ein ausgewachsener Engel.“ Gabriel strahlte stolz. Luzifer lächelte erneut. Sein kleiner Bruder war wirklich unglaublich niedlich. „Aber du hättest das deinem Bruder nicht antun dürfen. Raphael ist wirklich aufgebracht, also würdest du deinen kleinen Trick bitte wieder rückgängig machen, Gabe?“ Gabriel schien schwer nachzudenken. Dann zuckte er mit den Achsen und lächelte Luzifer an. „Ja ich mach es rückgängig. Kann ich nachher wieder mit dir kommen? Ich will nicht mehr bei Raphi sein. Er ist blöd.“ „Entschuldige, aber ich hab noch einiges zu tun. Wieso bleibst du nicht hier und verbringt noch etwas Zeit mit diesem Schokomonster, das du erschaffen hast? Oder spiel was mit Raphael. Ich bin mir sicher, dass du einiges von ihm lernen könntest.“ Gabriel schmollte erneut. Er sah zu seinem Bruder hinauf und seufzte. „Na gut. Glaubst du wikich, dass er mit mir spielt?“ Luzifer grinste vergnügt. Gabriel war zwar schon stärker als ein normaler, ausgewachsener Engel aber er hatte trotzdem manchmal Probleme damit zu sprechen. „Jaja. Na komm, lass uns Raphael endlich von diesen schrecklichen Flügel befreien, in Ordnung?“ Mit einer kleinen Bewegung seiner Hand war Gabriel wieder sauber und Luzifer nahm die Hand seines kleinen Bruders. Die beiden kehrten in Luzifers Bibliothek zurück, wo Raphael immer noch vor sich her schmollte. Raphael funkelt Gabriel an, sagte aber nichts aufgrund des bösen Blicks, den Luzifer ihm zuwarf. Raphael wusste genau, dass Luzifer ihn zusammenschlagen könnte und würde, sollte er Gabriel etwas antun. Gabriel liess Luzifers Hand los und ging zu Raphael hinüber. „Entschuldige, Raphi“, murrte der kleine Erzengel nicht ganz freiwillig und versetzte die Flügel des Älteren wieder in ihren Ursprungszustand. „Danke, Gabriel”, seufzte Raphael, „Ich schätze, wir werden wohl noch etwas Zeit miteinander verbringen?“ Er adressierte eher Luzifer als Gabriel, welcher einfach nur nickte. Raphael seufzt erneut und nahm Gabriel mit sich nach draussen. Luzifer kehrte wieder zu seiner Arbeit zurück, nachdem seine kleinen Brüder das Zimmer verlassen hatten. Es würde wohl immer noch eine gute Stunde dauern, bevor er fertig würde, aber seine Gedanken wanderten immer zu seinem jüngsten Bruder. Gabriel war draussen, sass im Gras und sah zu Raphael auf. Der Erzengel sass einfach nur da, er hatte keine Ahnung, was er mit dem Kind machen sollte. „Was willst du machen, Gabriel?“ Der Kleine dachte kurz nach, bevor er antwortete: „Ich will fliegen! Raphi, flieg mit mir!“ Raphael seufzte, musste aber ein wenig lächeln. Sein kleiner Bruder war wirklich niedlich. Er stand auf und hob seinen kleinen Bruder hoch. Er hielt in fest in Händen und flog dann schnell los. Gabriel streckte seine Arme aus und kicherte, während der Wind durch seine Haare und Flügel strich. Raphael flog ziellos umher, bevor er noch mehr Flügelrascheln über sich vernahm. Er musste sich nicht umwenden, um zu wissen, wer es war. Diese Gnade war einmalig. Er landete und wartete darauf, dass sein Bruder es ebenfalls tat. Er händigte Gabriel schnell an Luzifer aus, murmelte: „Bye, Gabriel“ und verschwand bevor Luzifer noch irgendetwas sagen konnte. Luzifer knurrte etwas und sah dann zu seinem kleinen Bruder hinab. „Und, alles in Ordnung bei dir?“ „Luci!”, zwitscherte das kleine Küken fröhlich. Er nickte eifrig. „Jaja, Raphael ist mit mir rumgeflogen. Aber er ist nicht halb so schnell wie du… Luci, wann kann ich endlich fliegen lernen?“ Diese Frage überraschte Luzifer nicht wirklich. Sein kleiner Bruder hätte ihm wegen dem fliegen lernen schon seit Monaten in den Ohren gelegen. Luzifer seufzte lächelnd: “Tut mir leid, Kleiner, aber dafür bist du einfach noch zu jung. Es wäre viel zu gefährlich. Ich werde es dir beibringen, wenn du älter bist, versprochen.“ Der Jüngere schmollte. „Aber meine Flügel sind doch schon richtig gross!“ Luzifer musste zugeben, dass das wahr war. Gabriels Flügel wuchsen schneller als der Rest von ihm. Manchmal hatte der kleine Engel deshalb Probleme mit dem Gleichgewicht. Luzifer flog einfach los zurück zu ihrem Nest. Gabriel hatte zwar ein eigenes mittlerweile, aber er verbrachte trotzdem die meiste Zeit in Luzifers. Gabriel kuschelte sich an den Älteren, denn die kalte Zugluft schmerzt ihn. Luzifer flog so schnell er konnte, wobei er versuchte, seinen kleinen Bruder mit seinen Armen gegen den Wind abzuschirmen. Bald landete er und versuchte Gabriel mit seinen Armen und Flügel zu wärmen, während er zum Bett hinüber lief. Gabriels Gnade befand sich noch im Wachstum, deshalb benötigte er noch Nahrung und Schlaf. Und auch wenn Luzifer nicht schlafen musste, tat er es doch gerne von Zeit zu Zeit. Er konnte seine Batterien schnell wieder auffüllen und hatte etwas Ruhe vor Gabriel. Er legte den kleinen Erzengel aufs Bett und legte sich selber ebenfalls hin. Innerhalb von Sekunden hatte Gabriel sich an ihn gekuschelt, so gut er konnte. Er war unglaublich kalt und Luzifer legte sofort Arme und Flügel um ihn. „Gabriel, alles in Ordnung?“, fragte Luzifer besorgt nach. Gabriel blickte den anderen müde an und murmelte: „Ja, ich bin einfach müde. Zu kalt und zu langer Tag.” Er gähnte und schloss seine Augen. Luzifer lächelte den winzigen Erzengel in seinen Armen an und schlief schon bald darauf ebenfalls ein. Kapitel 5: Das Schnabeltier --------------------------- Der mittlerweile sechsjährige Gabriel sass schmollend neben seinen drei älteren Brüdern. Sie alle waren vollkommen in ihre Arbeit vertieft und ignorierten den Jüngsten. Nachdem er ein paar Mal laut gestöhnt hatte ohne Aufmerksamkeit zu erregen, stand Gabriel auf und schlendert zu seinem grossen Bruder. Er begann damit, an Luzifers Robe zu zupfen, während er motzte: „Luci, Luci, Luuci, Luu~uuci! Ich bin gelangweilt, mach was.” Nach ein paar Minuten und mindestens zweihundertmaligem Zupfen, seufzt Luzifer und warf seinem Bruder einem wütenden Blick zu. Sobald er in die grossen, goldenen Augen sah, seufzt er resigniert und fragte: „Ja, um Himmels Willen, was willst?” „Ich bin gelangweilt. Was machst du da?“ „Wir erschaffen neue Spezien für die Erde, Gabriel“, erklärte Michael ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Gabriel konnte nicht erkennen, an was er gerade herumbastelte. „An was arbeitest du denn, Luci?“ Der kleine Erzengel war immer fasziniert von der Arbeit seines grossen Bruders. Luzifer lächelte ein wenig, als er seinen kleinen Bruder ansah. „Wieso siehst du es dir nicht einfach selber an“, schlug der ältere vor. Er beugte sich hinab und zeigte dem kleinen Engel, woran er arbeitete. In seinen Händen lag eine kleine Ente. Gabriel war geradezu verzückt. Er hatte noch nie etwas Derartiges gesehen. „Es sieht nicht wirklich lebendig aus“, bemerkte Gabriel nach einer Weile. Luzifer lachte: „Natürlich sieht es nicht lebendig aus, das ist es ja auch nicht. Es ist nur ein Prototyp.“ Gabriel dachte für einen Moment nach und nickte dann langsam. Er stand schweigend da für ein paar Minuten und liess Luzifer wieder zu seiner Arbeit zurückkehren. Angestrengt dachte er für ein paar Momente nach. Nach fünf Minuten begann er wieder damit, an der Robe seines grossen Bruders zu zupfen. Luzifer brummte genervt, sah ihn noch einmal an und zischte: „Ja, was?“ Der junge Erzengel lächelte und fragte: „Ähm, kann ich auch eines machen?“ „Was? Nein, du bist ein Kind. Du kannst doch nicht einfach eine neue Spezies erschaffen“, verneinte Luzifer. „Wieso nicht? Ich kann das auch machen. Bitte?“ „Nein, du-“ Luzifer seufzte. Wann immer sein Bruder ihn mit seinen grossen Kulleraugen ansah, konnte er einfach nicht anders, als ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Er gab nach: „Na schön, da hast du. Nimm den Lehm und tobt dich aus.“ „Juhu! Danke Luci!“, zwitscherte der Kleine, nahm den Lehm, den sein Bruder ihm reichte, an und rannte davon. ***** Ein paar Stunden später hatte Luzifer seinen neuen Tierprototypen fertig, als Michael sich zu ihm umwandte und beiläufig bemerkte: “Glaubst du nicht, dass es etwas leise ist? Wo ist dein kleines Anhängsel hin verschwunden?” Luzifer sprang sofort auf. Er hatte ihn völlig vergessen. „Mist, Mist, Mist, MIST! Ich habe ihn total vergessen. Wo ist er hingegangen?! Gabriel?!“, rief Luzifer, der langsam hysterisch wurde. Raphael musste sein Grinsen verstecken, während Michael den anderen besorgt mutierte. Luzifer flog los, während er den Namen des anderen immer wieder laut rief. Es dauerte nicht mehr als zwei Minuten um den Kleinen zu finden. Gabriel sass unter einem Baum, mit Erden bedeckt und hielt etwas Unförmiges in den kleinen Händen. Er schien völlig in seinen Gedanken versunken zu sein. „Gabriel, da bist du ja“, erklärte der ältere Erzengel erleichtert. Gabriels Kopf schoss hoch. Luci!“, zwitscherte der Kleine, als er seinen Bruder erkannte. „Schau mal, was ich gemacht habe!“ Stolz streckte er seine Arme aus um die Lehmfigur darin zu offenbaren. Es schien den Körper und Schwanz eines Bibers zu haben, doch sein Schnabel war der einer Ente. Luzifer kratzt sich etwas am Nacken und versuchte zu lächeln, als er sich erkundigte: „Gabe, was ist das?“ „Es Ähm… Naja, ich hab nicht keinen Namen. Aber es ist die Spezies, die ich erschaffen habe! Ich habe sie ganz alleine gemacht. Naja, deines hat mich auf die Idee gebracht“, gab er zu. Sein stolzes Lächeln verschwand langsam und er sah traurig zu seinem Bruder auf. „Du magst es nicht, oder?“ Luzifer Magen zog sich zusammen. Er lächelte zu seinem kleinen Bruder hinab. „Natürlich mag ich es! Es ist das erste, was du selber gemacht hast. Ich bin mir sicher, dass Vater es auch auf der Erde erlauben wird.“ Bei diesen Worten strahlte Gabriel vor Stolz. „Glaubst du das wirklich?“ „Natürlich.” Luzifer strubelte durch die Haare seines kleinen Bruders. „Aber es braucht noch einen Namen.“ Hm… Ich mag den Sch-Laut, also irgendwas mit Sch… Vielleicht Schnabeltier, schliesslich hat es ja einen Schnabel!“ Der kleine Erzengel kicherte amüsiert. Er hatte wirklich Freude an seiner eigenen Schöpfung und hörte nicht auf dessen Namen wieder und wieder zu sagen. „Schnabeltier”, seufzt Luzifer, “Klar, das passt zu dem Ding. Komm, wir zeigen es Vater.“ Gabriel kletterte in Luzifers Arme, wobei er immer noch sein Schnabeltier festhielt und Luzifer flog los. Es dauerte nicht mehr als zehn Minuten bis sie bei ihrem Vater ankamen. „Luzifer liess seinen kleinen Bruder runter und wollte eintreten, als ihm auffiel, dass sein Bruder ihm nicht folgte. Luzifer wandte sich um und fragte sich, was mit seinem Bruder jetzt nicht stimmen könnte. „Gabe, was ist denn los?“ “E- Es ist nur…”, stammelte der Kleine unsicher. „Du wirst bei mir bleiben, nicht? Du wirst mich nicht allein lassen, oder?“ Luzifer lächelte sanft und kniete sich zu seinem kleinen Bruder hin. Er sah in Gabriels Augen und beruhigte ihn: “Nein, keine Angst, ich werde mitkommen. Aber du hast doch nicht etwa Angst vor Vater, oder?“ “Nein… Vielleicht ein bisschen? Was, wenn er mich auslacht? Oder wenn er mein Schnabeltier nicht mag?“ “Hey, du weisst doch genau, wie nett Vater ist. Er würde dich nie auslachen. „Ich bin sicher, dass er dein Schnabeltier lieben wird“, versuchte Luzifer Gabriel aufzubauen. Der kleine Erzengel schluckte einmal, nahm die Hand seines grossen Bruders und betrat dann seines Vaters Raum. Gott sah auf um die angenehme Überraschung zu bemerken. „Luzifer, und auch der kleine Gabriel! Meine geliebten Söhne, kommt herein. Was habe ich diesen Zwischenfall zu verdanken?” Luzifer blickte zu seinem Bruder hinab und lächelte ihn Aufmunterung an. Langsam aber stetig ging Gabriel auf seinen Vater zu. Er zeigte ihm sein Schnabeltier unsicher. Gotts ah hinab und lächelte. „Nana, was haben wir denn da?” „Gabriel hat es selbst gemacht“, erklärte Luzifer, als sein kleiner Bruder nicht selbstständig sprach. “Wirklich? Du hast ganz alleine eine eigene Spezies geschaffen? Du bist doch erst sechs, Gabriel. Das ist wirklich unglaublich. Ich bin stolz auf dich.“ Gabriel strahlte stolz bei den Worten seines Vaters und sein Lächeln wuchs übers ganze Gesicht, als sein Vater durch die goldenen Locken seines Sohnes strich. „Also, was ist es?“, wollte Gott dann wissen. “Schnabeltier”, quiekte Gabriel ohne wirklich darüber nachzudenken. „Können wir es behalten?” Er sah seinen Vater mit seinen riesigen, goldenen Augen an. Luzifer betrachtete seinen Vater sorgfältig, unsicher ob er nun das kleine Herz seines Schützlings brechen würde oder nicht. Gott allerdings lächelte nur, hob das Schnabeltier hoch und belebte es, während er verkündete: „Ja, natürlich werden wir es behalten. Es ist ein Meisterwerk, mein Sohn. Wir werden es einfach nach Australien legen, genauso wie die anderen –Ähm- Dinge.“ Gabriel kicherte vergnügt und kuschelte sich an die grossen Beine seines Vaters. Luzifer ging zu ihnen hinüber und hob seinen kleinen Bruder hoch. Gott streichelte über Kopf und Flügel des kleinen Erzengels, bevor er die beiden verabschiedete: „Kommt und besucht mich, wann immer ihr wollt. Ihr seid immer willkommen, meine Söhne.” Er sah kurz zu Luzifer, der seinen grossherzigen Vater dankbar anlächelte, ehe er mit seinem kleinen Bruder davonflog. “Also, Vater ist immer nett und er will mein Schnabeltier behalten! Juhu!”, zwitscherte der Kleine fröhlich, als sie in Richtung ihres Nests flogen. Kapitel 6: Gutenachtgeschichte ------------------------------ Einmal mehr musste Luzifer auf die Erde hinab mit einem Auftrag, weshalb er Gabriel in Michaels Obhut übergab. Gabriel war mittlerweile sechs Engeljahre alt und glücklich etwas Zeit mit seinem ältesten Bruder zu verbringen. „Bruder, vielen Dank, dass du ein paar Tage auf den Kleinen aufpasst. Du weisst, ich habe viel zu tun, also wird es ein paar Tage dauern“, erklärte Luzifer seinem Bruder und umarmte ihn flüchtig. Danach kniete er sich hin und wuschelte durch Gabriels goldene Locken. Er forderte: „Und du tust dein bestes, dich gut zu benehmen, ok? Sei nett zu Michael und ich bin schon bald wieder da.“ Gabriel sah zu ihm auf und umarmte Luzifer kurz, wobei er ein Schluchzen unterdrückte. „Bitte komm schnell wieder nach Hause! Ich werde ein braver Engel sein“, versprach der Kleine und trat wieder einen Schritt zurück. „Klar”, versicherte Luzifer und stand dann wieder auf, bevor er abhob. Nach wenigen Sekunden war der Erzengel am Horizont verschwunden. Michael lächelte und beugte sich zu seinem kleinen Bruder hinab. „Also, was willst du denn jetzt machen?“ Gabriel dachte kurz stark nach, ehe er vorschlug: „Vielleicht können wir was spielen?“ „Natürlich“, stimmte der Ältere zu, „Hast du schon eine Idee was?“ „Wie wär‘s mit Fangen?“ Michael grinste und tippte seinem kleinen Bruder an die Stirn. „Du bist dran“, neckte er und begann langsam zu rennen, da sein kleiner Bruder ja noch nicht fliegen konnte. „Unfair!“, motzte Gabriel, ehe er hinter seinem Bruder herrannte. Die beiden rannten mehrere Stunden lang herum, ehe sie sich auf den Boden fallen liessen. Gabriel atmete schwer und schien vollkommen erschöpft zu sein, als er sich hingeworfen hatte. Michael lächelte und hob seinen kleinen Bruder hoch. „Komm, wir bringen dich wohl besser ins Bett.“ „Aber ich bin doch gar nicht müde“, erwiderte der Kleine gähnend und kuschelte sich in Michaels Arme. „Natürlich bist du das nicht.“ Michael hob ab und flog zu seinem Nest, wo er Gabriel auf ein riesiges, rotes Kissen legte. Das Küken kuschelte sich sofort hinein. „Na dann, gute Nacht“, wünschte Michael und wollte den Raum verlassen, als sein kleiner Bruder murmelte: „Bitte geh nicht…“ Michael seufzte und kehrte zurück, ehe er sich neben den anderen hinsetzte. „Na gut, Was willst du?“ „Könntest… Könntest du mir eine Geschichte erzählen?” „Oh, ich glaube nicht-“ „Bitte, bitte?” Der ältere Erzengel seufzte. Schön”, gab er nach, wie immer, und dachte kurz nach, ehe er vorschlug: „Wie wär's, wenn ich dir die Geschichte eines Ticksters erzähle?* „Trickster?“ „Ja. Weisst du, Trickster sind sowas wie Halbgötter. Sie können Dinge aus dem nichts erschaffen und dann wieder verschwinden lassen. Ausserdem haben sie einen schrecklich schnellen Stoffwechsel, weshalb sie sich ausschliesslich von Süssigkeiten ernähren“, erklärte Michael. Gabriel kicherte. „Genau wie ich!” „Vielleicht ein bisschen. Aber sie sind weniger stark. Ausserdem spielen sie gerne mit ihren Opfern, ehe sie sie töten.“ „Das ist brutal.“ „Ja, aber sie sind auch ziemlich unterhaltsam. Ich werde dir die Geschichte von Loki erzählen, dem nordischen Trickstergott. Weisst du, damals gab es einen Gott, der Baldur hiess. Er wurde von seiner Mutter über alles geliebt und das machte Loki neidisch, weil er Baldurs Mutter ebenfalls mochte. Ausserdem hasste er Baldurs Bruder Thor, deshalb mochte er ihn also nicht.“ „Würde ich auch nicht.“ Michael gluckste amüsiert. „Möglich. Jedenfalls, seine Mutter Frigg liebte ihn so sehr, dass sie sicher gehen wollte, dass er nicht getötet werden könnte. Deshalb hat sie jede Kreatur, jede Waffe und jede Pflanze dazu gebracht, ihr zu schwören, dass sie Baldur niemals verletzen würden. Der einzige, der zu schwach und unwichtig wirkte um jemanden verletzen zu können, war ein Mistelzweig. Diese Nachricht liess Loki im ersten Moment wahnsinnig, schliesslich fand er keinen Weg um den nervenden Widersacher loszuwerden, bis er den kleinen Mistelzweig fand. Er ging zu Baldurs blindem Bruder Hödur und wollte, dass der mit dem Mistelzweig auf seinen Bruder schoss unter dem Vorwand, dass er ihm Baldurs Unverwundbarkeit demonstrieren wollte. Hödur schoss und tötete seinen Bruder.“ Gabriel grinste. „Das war aber ziemlich gemein. Ich mag Loki”, erklärte der Kleine. Michael wuschelte durch die Haare des Engels. „Kleiner Sadist“, neckte er ihn, „Also, versuch jetzt zu schlafen.“ Gabriel nickte und kuschelte sich noch einmal in sein Kissen, ehe er langsam einschlief. In dieser Nacht träumte der kleine Erzengel von nordischen Göttern, Mistelzweigen und Süssigkeiten. Kapitel 7: Mausern ------------------ Eines Tages sass Luzifer in seinem Nest und las in einer alten Schriftrolle, als er ein leises Wimmer hörte. Sofort sprang er auf und sah sich in seinem Zimmer um, doch da war niemand. Dann öffnete sich die Tür und der neunjährige Gabriel kam schniefend hinein. Luzifer fühlte sich sofort krank, als er das ganze Blut an Gabriels Händen, Flügel und wahrscheinlich auch Rücken bemerkte. Eine Spur aus Blut und Federn wurde von dem Küken hinterlassen, wo auch immer er hinging. „L-Luci, es tut weh!“, wimmerte er und watschelte näher. Luzifer näherte sich seinem Bruder und kniete sich neben ihn hin. „Hey, beruhig dich. Du mauserst dich nur. Das hast du doch auch schon ein paar Mal gemacht, erinnerst du dich?“, versuchte der Ältere ihn zu beruhigen. „Ja, aber es tut viel mehr weh als sonst und es blutet“, erklärte der Junge schluchzend. „Lass mich da mal einen Blick draufwerfen“, forderte Luzifer. Sein Bruder gehorchte sofort und wandte ihm den Rücken zu. Luzifer musterte den anderen genau, liess seine Hand vorsichtig durch die verbleibenden Federn gleiten. Nach einem Moment begriff er: “Gabe, ich glaube, du kriegst deine Flugfedern. Die sind um einiges stärker, länger und schärfer als deine bisherigen.“ Gabriel wandte sich zu ihm um. „Wirklich?” „Ja, ich bin mir sicher. Du bist eigentlich ein Jahr zu früh, weisst du“, gab Luzifer zu, einmal mehr überrascht von seinen kleinen Bruder. „Komm, ich kenne da etwas, was es dir weniger schmerzhaft machen wird.“ Der Ältere stand wieder auf und streckte seine Hand seinem kleinen Bruder zu, der sie sofort annahm. Die beiden Brüder gingen gemeinsam ins Badezimmer, wo Luzifer Gabriel in die grosse Badewanne hob, bevor er nach der Duschbrause griff. Er machte das warme Wasser an und begann dann damit, die Flügel seines kleinen Bruders zu reinigen. Langsam rieb er die Federn von den Flügel seines kleinen Bruders. Nach einer Weile war das ganze Blut und alle alten Federn verschwunden. „So, schon viel besser. Wenn du willst, kann ich dir auch noch eine Creme auftragen“, schlug er dann vor. Gabriel seufzte und nickte stumm. Luzifer lächelte und schnappte sich den Kleinen. Er nahm ihn mit in sein Schlafzimmer, wo er den Jüngeren auf das weiche Bett setzte und dann eine blaue Tube heraufbeschwor. Nachdem er eine grosse Menge weisser Creme in seine Hand gedrückt hatte, begann er damit, die kleinen Stummel seines Bruders zu massieren. Sofort entspannte Gabriel sich und als Luzifer fertig geworden war, war das Küken fest eingeschlafen. Der Erzengel lächelte sanft und seufzte, ehe er sich einfach zu dem Kleineren legte und ihn dann an seine Brust zog. Gabriel lag an ihn gekuschelt da und Luzifer schloss die Augen, ehe auch er etwas einschlief. Am nächsten Morgen wurde Luzifer vom anderen geweckt. „Luci, Luuuci, sieh her!“, rief der Jüngere aufgeregt. Der Erzengel seufzte und setzte sich auf, ehe er den anderen betrachtete. Sechs riesige, goldene Flügel waren auf Gabriels Rücken gewachsen, kein Vergleich mehr zum Flaum davor. Der Blonde lächelte und streichelte seinem Bruder kurz durch die Haare. „Wow, die sind wirklich wunderschön geworden“, erklärte er mit einem Grinsen, welches Gabriel stolz erwiderte, „Dann können wir uns ja jetzt dem Fliegen widmen.“ Kapitel 8: Menschen ------------------- „LUUUUUUUUUUUUUUCI!!!!”, rief eine aufgeregte Stimme fröhlich. Luzifer rieb sich die Schläfen. Gabriel war mittlerweile zwar schon fast ein ausgewachsener Engel, aber manchmal benahm er sich einfach immer noch wie in Kind. Der blonde Erzengel versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, als die Tür aufschwang und Gabriel hineineilte. Auf seinem Gesicht hatte er dasselbe dämliche Grinsen, welches er immer hatte, wenn er aufgeregt war. Und er war es jetzt mit Sicherheit. “Luci! Hast du es gehört?!“, versuchte der Jüngere das Interesse seines Bruders zu wecken. Luzifer seufzte und sah auf. „Was gehört?”, erkundigte er sich ungeduldig. „Vater hat was Neues gemacht!“ „Vater hat etwas erschaffen?”, wiederholte der Erzengel überrascht. Gott hatte seit mehreren Jahrhunderten nichts geschaffen, daher wurde die Neugierde des Erzengels natürlich sofort geweckt. „JA! Man, du solltest mir besser zuhören. Es soll wohl die Arbeit mehrere hundert Jahre sein.“ „Wirklich?“, erkundigte sich Luzifer und stand auf, „Also? Was ist es?“ „Sie werden Menschen genannt. Kümmerliche, kleine Gestalten, aber witzig anzusehen.“ „Ist das so…“ „Ja, Homo Sapiens Sapiens oder sowas… Offensichtlich haben sie gegen alle anderen Spezies gewonnen und sollen die Erde beherrschen.“ Luzifer ging um seinen Tisch herum und stand nun vor seinem kleinen Bruder. „Zeig sie mir.“ Gabriel grinste. „Ich wusste doch, dass du das sagen würdest“, bemerkte der Jüngere und ging dann voran, hinaus aus Luzifers Arbeitszimmer, bevor er seine sechs goldenen Schwingen ausbreitete. Er warf Luzifer ein breites Grinsen zu und schoss dann in den Himmel. Es war schon einige Jahre, dass Luzifer hatte schneller fliegen können als Gabriel, er konnte nicht einmal mit seinem kleinen Bruder mithalten und Gabriel liebte es. Endlich konnte er mal etwas besser als sein Bruder. Er landete im Garten Eden, wenige Sekunden bevor Luzifer es ihm gleichtat. „Wieso sind wir im Garten?“, fragte der Ältere. Gabriel lächelte und erwiderte: “Ich schätze, Dad wollte sie in seiner Nähe.” Der blonde Erzengel musterte die beiden Menschen misstrauisch. Das Paar sass einfach nur da und schenkte den Engeln keinerlei Beachtung. „Können sie uns etwa nicht sehen?“, mutmasste Luzifer. „Nein. In unserer wahren Gestalt sind wir unsichtbar für sie. Offenbar ist unsere Gestalt und Stimme zu viel für sie, deshalb beschützt Dad sie hier drinnen. Und, was hältst du von ihnen?“ „Was soll ich sagen…“, gab Luzifer leise von sich und sah der blonden Frau zu, wie sie den braunhaarigen Mann küsste. „Sie wirken etwas dreckig und… chaotisch.“ Gabriel lachte. “Ja, das habe ich von dir erwartet. Eigentlich sind sie einfach haarlose Affen.” „Kleine Schlamm-Affen“, gluckste Luzifer. Plötzlich erstarrten die beiden, als die mächtige Stimme ihres Vaters durch ihr Bewusstsein rang. Er rief sie zu seinem Thronsaal und die beiden Erzengel schwangen sich sofort in die Lüfte. Obwohl sie nicht mehr als sein paar Sekunden brauchten, standen Michael und Raphael bereits dort. „Was hat denn so lange gedauert?”, zog der Älteste die beiden auf. „Wir waren im Garten”, erklärte Gabriel grinsend. Ihr Vater hob seine Stimme und die Erzengel verstummten sofort. „Meine Söhne, ich habe euch aus einem ernsten Grund hergerufen. Ich will, dass ihr alle eure Treue gegenüber den Menschen schwört. Ich will, dass ihr euch vor ihnen verneigt, sie als euch überlegen akzeptiert und mehr liebt als mich.“ Die vier Erzengel sahen vollkommen überrascht zu ihrem Vater auf. Michael war der erste, der die Initiative ergriff und vortrat. „Mein älterster Sohn. Knie nieder und schwöre.“ Michael tat wie er geheissen wurde. Er fiel auf ein Knie, bevor er versprach: Ich schwöre meinen Gehorsam gegenüber der Menschenrasse. Ich schwöre, sie zu lieben und zu respektieren, sogar mehr als dich, Vater.“ Nun folgte Raphael schnell dem Beispiel seines Bruders und warf sich zu Boden. „Ich verspreche, die Menschheit zu schützen und ihnen zu dienen, genauso wie du es wünschst, Vater“, fügte er hinzu. Gabriel sah unsicher zu seinem grossen Bruder hinüber, ehe auch er sich verbeugte. „Ich schwöre, wie meine Brüder es taten, die Menschheit zu lieben und ihr zu dienen. Ihr beizustehen und sie gegen jeden Feind zu verteidigen.“ Die drei Erzengel knieten, doch Luzifer konnte das einfach nicht. Sein Vater blickt ihn an, ehe er ihn aufforderte: “Nun, Luzifer, mein Sohn, du bist an der Reihe.“ „Nein“, erwiderte der Blonde leise. „Entschuldige, was?“, erkundigte sich ihr Vater. „Nein!”, wiederholte der Erzengel lauter und näherte sich seinem Vater. „Wie kannst du das sagen? Wie kannst du von mir erwarten irgendjemanden mehr zu lieben als dich?! Diesen widerlichen, dreckigen Dingern zu dienen. Sie sind uns nicht überlegen, sie sind nicht mal halb so gut wie wir!“ Gott seufzte traurig. „Luzifer, bitte, mach es dir nicht schwerer, als es ist und überdenke das nochmal.“ „NEIN! Ich werde mich ihnen NIEMALS beugen!“, rief Luzifer wütend und flog davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)