Weiße Taube von Hielo (Gefühle) ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel Zwei: Gelegenheit ------------------------------------ ~Gelegenheit~ „Kleine Gelegenheiten sind häufig der Anfang großer Unternehmen.“ - Demosthenes (Athenischer Redner) Die Halle, aus welcher er trat, war kalt und der graue Marmor glitzerte im Abendrot fast bedrohlich. Gewöhnlich würde er solch einen Anblick mit einem positiveren Term oder einer Metapher beschreiben, doch heute war ihm nicht danach. Er saß auf einem der Balkone und schaute ruhig in den riesigen Hofgarten hinaus, beobachtete die Bäume im Wind, das pastellfarbene Rot des Meeres in einiger Entfernung und die emsigen Menschen, welche wie Ameisen auf den Straßen herumschwirrten. Auf seinem Schoß lag ein kleines, blaues Buch. Die Lust zum Lesen war ihm allerdings vergangen und stattdessen dem Verlangen zum Nachdenken gewichen. Sein Kopf kreiste vor lauter Überlegungen und sein Puls wurde schneller, als er zarte Schritte hinter sich hörte. „Nanu, Euch hatte ich hier nicht erwartet. Was sucht Ihr zu dieser Stunde auf dem Balkon?“ Es war eine feminine Stimme, welche ihm nur allzu bekannt war. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und seine Zunge formte die erwartete, kokette Bemerkung. „Auch ein beschäftigter Geist, wie der meine, benötigt mal einen Moment der Ruhe. Und was ist dazu besser geeignet, als die frische Abendbrise auf den königlichen Balkonen?“ Schlagartig wurde ihm bewusst, warum er eigentlich hier gesessen hatte. Die eben entfleuchte Lüge legte die Wahrheit nun kristallklar auf den Rand seiner Brille. Er hatte gewartet. Er hatte auf sie gewartet, unbewusst. Dies hier schien die Gelegenheit zu sein, die das Schicksal ihm zugespielt hatte. Die Gelegenheit seine Entscheidung in die Tat umzusetzen. Ein überaus wichtiger Moment. „Wie wahr.“, fuhr die sanfte Stimme fort und trat neben ihn, um ebenfalls das Abendrot zu bewundern. Oder die Stadt, oder die Bäume, oder das Meer. „Der Wind ist zu dieser Jahreszeit ein willkommener Gast.“ Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Eine kleine Geste, die ihn fast verrückt machte. Wie sollte er diese Gelegenheit ergreifen? Wie sollte er sagen, was ihm auf der Seele brannte und ihm ein ums andere Mal die Luft abschnürte? Gerade ihm, dessen Beruf es war Worte geschickt zu seinen Gunsten einzusetzen. Doch wenn es um sie ging, war alles anders. War er selbst anders. Es war wie ein Kloß in seinem Hals, dick und hässlich und behindernd und er schaffte es einfach nicht ihn zu umgehen und zu sagen, was er wollte. Stattdessen saß er hier, mit ihr und starrte in die Vegetation. Es war eine Schande. So durfte es nicht weitergehen, schließlich hatte er seine Entscheidung getroffen. Die logische Entscheidung. Die beste Entscheidung. Nachdem er das Buch auf die Bank gelegt hatte und aufgestanden war, heftete sich sein Blick sofort an sie. An ihre schmale Gestalt, an ihr Haar, welches in der untergehenden Sonne wie Gold schimmerte und an ihr wunderschönes Gesicht. Es lag etwas göttliches in diesem Bild. Wann hatte es angefangen, ernst zu werden? Wann waren die Gefühle aufrichtig geworden und nicht bloß gespielt, um Eindruck zu schinden? Wann hatte er sich so bedingungslos in sie verliebt? Es verwirrte ihn zusehens. Jeder weitere Gedanke in diese Richtung schmerze und veranlasste seinen Verstand dazu sich ihm Kreis zu drehen, wie ein Kinderspielzeug. Vielleicht war er sogar ein Kind. „Ich muss mit dir sprechen.“, entkam es ihm endlich. Keine Formalitäten, nur das, was gesagt werden musste. „Es ist wichtig.“ Sie fuhr herum und das Gold legte sich wie ein Schleier um ihre Schultern und ihre Brust. „Bitte?“ Das Wort klang ebenso unsicher, wie er sich fühlte. Wieder dieser schreckliche Begriff. Die Frage, die er nun stellte, sollte seine und ihre Zukunft besiegeln. Deswegen erlaubte er sich einen kurzen Augenblick Ruhe, bevor er ansetzte, um sie zu stellen. Er wusste, was es bedeutete, auf so vielen Ebenen. Nicht zuletzt auf der seines Herzens. Und so kniete er nieder und nahm zärtlich ihre Hand in seine. Die Gelegenheit musste genutzt werden. „Willst du meine Frau werden?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)