Finsterer Seelenmond mit Sahnehaube von CreamOverMoon (oder: Der dunkle Lord und die süße Schnitte) ================================================================================ Kapitel 14: Kapitel 14 - Der göttliche Funke (CreamOverMoon) ------------------------------------------------------------ Kapitel 14 - Der göttliche Funke Mit einem leisen Schmunzeln beobachtete sie den Reisetrupp. Soeben hatte sie einen Teil ihrer göttlichen Energie auf die wandernden Menschen hernieder regnen lassen; oder, um ganz genau zu sein, auf einen bestimmten Menschen und vor allem auf einen bestimmten Dämon. Kurz noch besah sie sich das Schauspiel und ging sicher, dass ihre Magie auch dort ankam, wo sie ankommen sollte, ein zartes Pflänzchen mitten in das von Eis umschlossene Herz des Dämons, bevor sie kehrt machte. Es war sicherer, das Ganze nun aus der Entfernung zu beobachten. Schicksal würde wahrlich staunen, war sie doch diejenige, die Liebes Macht, jeden noch so schwach vorhandenen Hauch von Zuneigung in jedem noch so kalten Herz zu wecken, immer nur belächelte. Goldene kalte Augen folgten aufmerksam jedem Schritt, den die junge Miko tat. Missmutig stapfte sie hinter seinem vermaledeiten Halbbruder her und die Wut über sein kindisches Verhalten war ihr deutlich anzumerken. Sesshoumaru konnte sie sogar riechen. Angewidert zog er seine Nase kraus, warum mussten Menschen auch immer so verdammt emotional reagieren und dies auch noch mit ihrem ganzen Sein? Dennoch konnte ihre Wut diesen betörenden Duft nach Lotusblüten nicht vertreiben. Der Daiyoukai versuche unablässig sein inneres Biest in die Schranken zu weisen, welches bei diesem Geruch sofort zu einem zufrieden brummenden Etwas mutierte. Grauenvoll! Geräuschlos und mit gebührendem Abstand sprang er von Ast zu Ast, direkt den Waldweg entlang, den die Gruppe um Inuyasha auf dem Weg nach Musashi nahm, um die alte Miko Kaede zu beerdigen. Wieder einmal wurde ihm bewusst, wie schwach die Menschen doch waren. Wenn es in diesem Schneckentempo weiterginge, dann würden sie das Dorf erst am übernächsten Tag erreichen. Man konnte nur hoffen, dass die Dorfbewohner die Leiche schon gefunden und entsprechend aufgebahrt hatten... Der Daiyoukai wollte sich den Geruch gar nicht ausmalen, es war immerhin schon einige Tage her. Viel schlimmer als der Gestank schwacher Menschen war der toter Menschen. Innerlich schüttelte er sich vor Ekel, in solchen Momenten war er geradezu dazu geneigt, sein Dasein als Hundedämon zu verfluchen, denn diese feine Nase hatte sowohl Vorteile als auch Nachteile. Einer dieser Nachteile machte sich gerade wieder in einer Windböe bemerkbar. Lotus. Wie sehr er diesen Geruch hassen wollte und es dennoch einfach nicht konnte. Wie eine Kette hatte er sich um sein inneres Biest gelegt und besänftigte es. Ein abfälliges Schnaufen war zu hören. Hunde – solch treudoofe Viecher! Und ausgerechnet er gehörte zu dieser alt ehrwürdigen Rasse. Sesshoumaru verbannte diese ins Lächerliche abdriftenden Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Schritte der Miko. „Oi, jetzt macht mal schneller, sonst kommen wir nie in Musashi an!“, rief Inuyasha mit einem Schulterblick nach hinten. Er war wie immer sichtlich genervt von dem langsamen Vorankommen seiner menschlichen Begleiter. Leichtfüßig sprang er von dem Ast, auf dem er eben noch gewartet hatte, vor seine Reisetruppe und tippte ungeduldig mit den nackten Zehen in den sandigen Weg. Ein missmutiger Blick zierte sein Antlitz und um seinem Ungemach noch mehr Ausdruck zu verleihen, hatte er seine Arme abweisend vor seiner Brust verschränkt. Kagome seufzte und Sango warf einen müden Blick zu dem Rudelführer. Seit dem Morgengrauen waren sie unterwegs und mittlerweile hatte die Sonne den Zenit schon überschritten. Kagome kniff leicht die Augen zusammen, als sie zur Sonne starrte. Es durfte wohl früher Nachmittag sein. Von dem von dem Hanyou vorgegebenen harschen Marschschritt war sie müde und ausgelaugt, durchgeschwitzt und ausgehungert. Mit einem Seitenblick zur Dämonenjägerin holte sie sich die Bestätigung, dass sie damit nicht alleine war. Ein resignierter Blick erreichte sie von Sango, mitsamt einem leichten Kopfschütteln. Es war verdammt noch mal Hochsommer und Inuyasha trieb sie wie Vieh durch die Gegend! Der Houshi besah sich die beiden traurigen Gestalten und entschied sich dafür sich für das schwache, weibliche Geschlecht einzusetzen – ganz so wie es ihm sein Dasein als enthaltsamer und äußerst hilfsbereiter Mönch gebot. Sofort stellte er sich stark an Sangos Seite und warf ihr einen ermutigenden Blick zu. Skeptisch suchte sie des Mönchs Gesicht nach einer Regung ab. Diese kam zwar nicht, wie erwartet, dennoch zierte im nächsten Augenblick ein roter Handabdruck die nun sehr gut durchblutete Wange von Miroku. Hatte sein Gesicht nicht wie erwartet reagiert, seine - „verfluchte“ - Hand tat es. Der junge Mann lächelte verlegen und rieb sich unauffällig über die pochende Gesichtshälfte, während Sango nur ein verachtendes Schnauben für ihn übrig hatte. „Inuyasha, wir sollten eine kurze Pause einlegen“, wagte sich der Mönch dennoch mutig vor und schenkte der Angebeteten neben sich noch einen entschuldigenden Blick. Denn auch er war müde. Unermüdlich prasselte die heiße Sonne auf sie nieder und hinterließ ihre Hitze in unangenehm schwitzigen Schlieren auf der Haut. Miroku ging ein paar Schritte und blieb direkt vor dem Hanyou stehen und blickte ihm erwartungsvoll entgegen. Die Luft schien zu stehen und als er leicht Atem holte, roch er sich selbst. Angewidert presste er seine Lider aufeinander – er hatte ein dringendes Bad nötig und er wollte gar nicht wissen, wie sich die Frauen fühlen mochten. Dieser Hochsommer war aber auch unerbittlich. Inuyashas Nase zuckte durch die Luft und kurz zog er seine Augenbrauen angewidert zusammen. „Pah, wenn's denn sein muss!“, maulte er auch sogleich los. Verärgert wandte er sich vom Weg ab und schritt in Richtung Wald. Eigentlich wollte er schnellstmöglich in Musashi sein um alles hinter sich zu bringen und die Jagd auf Naraku wieder zügig aufzunehmen – doch dieser menschliche Geruch war selbst für seine Halbdämonen-Nase zu viel. „Da hinten ist ein kleiner Fluss, da in der Nähe machen wir Rast“, sagte der Weißhaarige. „ Aber nur kurz! Wir haben nicht alle Zeit der Welt!“, setzte er noch ungeduldig hinterher. Ergeben folgten ihm Kagome und ihre Freunde. In der Regel fand er immer einen sicheren Rastplatz und mit etwas Glück war sogar ein Flüsschen in der Nähe, so wie heute, in dem sie ihre erhitzte Haut und vielleicht sogar die erhitzten Gemüter abkühlen konnten. Mit Schrecken dachte Kagome an den Morgen zurück, als sie abermals versucht hatten, Inuyasha davon zu überzeugen, dass Tessaiga ihr Schwert war und sie alleine entscheiden durfte, wer sie damit beschützte. Noch immer wollte es nicht in ihren Kopf, dass Schicksal offenbar Sesshoumaru als ihren persönlichen Beschützer auserwählt hatte. Es war ihr ein Rätsel, wie sie mit solch einem kühlen Zeitgenossen in der Lage sein sollte Naraku zu besiegen und das Juwel vom Antlitz der Erde zu tilgen. Immerhin musste sie dem Beschützer ihr vollstes Vertrauen entgegen bringen – wenn das nicht der Fall wäre, würde Tessaiga wohl kaum funktionieren. Der alte Inu no Taisho hatte es für Izayoi schmieden lassen. Die Menschenfrau hatte den Daiyoukai von ganzem Herzen geliebt; nur deshalb konnte er sie mit Tessaiga beschützen oder das Schwert gar berühren und führen, obwohl es aus seinem Reißzahn geschmiedet worden war. Gedankenverloren trottete sie hinter Inuyasha her und dachte über die Liebe nach. Ob wohl Liebe nötig war, damit sie das Schwert einem Beschützer zusprechen konnte? Sofern sie den Gedankengang des alten Herrn der Hunde verfolgte, war dies der logische Schluss. Aber sie liebte doch Inuyasha und nicht Sesshoumaru. Wie zur Hölle sollte sie das ändern? Wollte und konnte sie das überhaupt? Der Hanyou war ihr ans Herz gewachsen, keine Frage. Aber Liebe war so ein starkes Wort, so ein starkes Gefühl. Kurz schweiften ihre Erinnerungen an die zahllosen Situationen, in denen er sie allein gelassen und Kikyo nach gerannt war und unbarmherzig auf ihren Gefühlen herumgetrampelt hatte. Doch Kikyo hatte sie verraten – schlug Inuyashas Herz trotzdem noch für sie? Wenn ja, konnte sie dann einfach so aufhören ihn zu lieben, wenn sie ihn denn überhaupt je wirklich geliebt hatte? Plötzlich sah sie kalte, goldene Augen vor ihrem inneren Auge. Der Daiyoukai hatte gesagt, dass er sie nicht hasse, sie sei ihm egal. Konnte so jemand wie er denn überhaupt lieben? Nun, wenn er nur ein wenig von seinem Vater hatte... vielleicht. Immerhin hatte der Dämon sie nicht umgebracht. Mit einer Gänsehaut dachte sie an den kurzen Moment im Fluss zurück, wie er unverhohlen ihren Körper mit seinen roten Augen abgetastet hatte, wie seine Haut die ihre berührt hatte und wie eine eigenartige Spannung in der Luft lag, kurz davor, sich in einem Gewittersturm zu entladen. Sofort machte ihr Herz einen kleinen, verräterischen Sprung. Doch gleich machte sich wieder Schwermut in ihr breit... Er war so, weil Schicksal es wollte, es war nicht seine freie Entscheidung. Sicher könnte er sie niemals lieben. Er selbst sprach von verachtenswerten, schwachen Kreaturen, wenn er an Menschen dachte. Gefühle machten schwach und Menschen hatten zu viele davon. Ihr Herz verriet ihre innere Zerrissenheit, denn es schlug mit einem Mal merklich schneller und unregelmäßiger, als sie versuchte ihren Gefühlen auf den Grund zu gehen. Da Inuyasha das Schwert nach wie vor benutzen konnte, musste sie wohl ihn lieben... oder? Wie kam diese Frau, die sich selbst Schicksal nannte, nur auf diese völlig abstruse Idee, dass Kagome sich überhaupt in Sesshoumaru verlieben können würde – und warum, zur Hölle, schlug ihr Herz auf einmal schneller, wenn sie an den hochgewachsenen Youkai dachte?! Vor lauter Nachdenken hatte sie gar nicht bemerkt, dass sich der Hanyou, um den unter anderem gerade ihre Gedanken kreisten, an einem umgefallenen Baumstamm niedergelassen hatte. Tollpatschig wie die junge Miko war, rannte sie prompt gegen diesen Koloss von Baum. Mit einem sehr undamenhaften, lauten Fluch und einem lauten Knall landete sie im Dickicht hinter dem morschen Stück Holz. Und weil sie immer das Glück gepachtet hatte, handelte es sich selbstredend um einen Dornenbusch. „Kagome!“, rief Sango erschrocken aus und rannte sofort zu ihrer besten Freundin, während Inuyasha sich umdrehte und hinter sich langte. Mit einem Ruck zog er Kagome am Handgelenk hoch und schob sie auf den Baumstamm, auf dem er saß. Einige verirrte Blätter hatten es sich in ihrer nunmehr an ein Vogelnest erinnernde Haarpracht gemütlich gemacht und ein sehr unschöner, verwirrter Ausdruck hatte sich in ihrem rötlich verfärbten Gesicht breit gemacht. Die Dämonenjägerin ließ einen sorgenvollen Blick über den nunmehr mit unzähligen Kratzern übersäten Körper ihrer Freundin wandern. „Alles ok?“, fragte Inuyasha belustigt und versuchte nicht mal sein schadenfrohes Grinsen zu verstecken, bevor Sango auch nur den Mund aufmachen konnte. Es war aber auch einfach nur zu amüsant, die Miko in einem solch derangierten Zustand zu sehen und er wurde es nie müde, sie deswegen zu necken, war sie doch der Tollpatsch in Person. Abermals zog er seine Lippen ein Stückchen nach oben, bemüht darum, nicht in Gelächter auszubrechen, während sein Gesicht vor Erheiterung bereits rot anlief. Kagome nahm es wütend zur Kenntnis und blickte ihn aus zornig funkelnden Augen an. Sango ahnte Böses, doch hatte der Halbdämon auch nichts anderes verdient, offenbar sah Inuyasha nicht einmal, dass Kagome verletzt war! „Mach Platz!“, schallte es dann auch schon unverkennbar und sehr lautstark durch den Wald. Damit erhob Kagome sich mit abweisendem und kühlem Blick, zog ihren Rucksack auf dem Rücken zurecht und lief mit arrogantem Schritt um den Baumstamm herum, weiter in das Dickicht; der dumpfe Aufprall Inuyashas erreichte ihre Ohren schon gar nicht mehr. Nur Sango konnte die Enttäuschung und Verletzung aus ihrer Stimme hören. Dieser blöde Baumstamm hatte die Miko vollkommen aus ihren Gedanken gerissen. Mit sorgenvollem Blick folgten ihr die braunen Augen Sangos, doch wagte sie sich nicht, Kagome zu folgen; konnte sie sich doch denken, dass ihre Freundin nun allein sein wollte. Erst gestern hatte sie von all den Geschehnissen nach ihrem vorübergehenden Tod erfahren und das Geheimnis um Tessaiga war gelüftet worden. Inuyasha kam damit leider gar nicht zurecht und Sango hatte so die Befürchtung, dass sich Kagome darum nun sehr viele Gedanken machte. Immerhin hatte sich auch die Dämonenjägerin unzählige Gedanken um das sagenumwobene Schwert gemacht und war zu dem Schluss gekommen, dass Liebe der Schlüssel sein musste. Sie würde zwar auch gerne ein kurzes Bad im Fluss nehmen, doch nach einem Blick in die lüsternen Augen des Mönchs, der sie mit den Augen bereits auszuziehen schien, verwarf sie diesen Gedanken ganz schnell wieder. Stattdessen blitzte sie Miroku aus schmalen Augen warnend an, richtete ihren Kimono und machte sich daran ein wenig Essbares zu suchen. Ihr Bad würde wohl noch warten müssen. Dafür wurde der unbeholfene Aufprall des Hanyou von einem amüsiert dreinschauenden goldenen Augenpaar verfolgt. Die Miko lief von dannen, genau in Richtung des kleinen Flusses, der durch den Wald floss. Sesshoumaru beobachtete sie aufmerksam und folgte ihr schließlich lautlos. Letztendlich war er dazu verdammt, sie zu beschützen, ob er nun wollte oder nicht. Ein leises Knurren entwich seiner Kehle bei dieser Erkenntnis, die ihn abermals traf. Was bildete diese Frau sich eigentlich ein, die sich selbst Schicksal nannte?! Kurz drohte ihn die Wut über diese sogenannte Göttin zu übermannen, doch genau in diesem Augenblick sah er, wie sich Kagome mit einem Seufzen am Flussufer niederließ und langsam ihre Schuhe und Socken auszog. Sofort fielen ihm die zahlreichen kleinen Kratzer auf ihrer sonst so makellosen Haut auf. Abwesend ließ sie ein gelbfarbiges, riesiges Etwas neben sich plumpsen und streckte schließlich ihre nackten Füße in das kühlende Nass. Sesshoumaru beäugte das riesige, unbekannte Ungetüm skeptisch, ließ seinen Blick jedoch gleich wieder zu der Schwarzhaarigen wandern. Direkt am Flussrand ließ er sich geräuschlos auf einem Ast etwa zwei Meter über dem Boden nieder, und konnte sie so aus nächster Nähe betrachten. Seine Augen folgten dem Weg ihrer Füße, über die zerkratzten Beine und blieben letztendlich an ihrem Gesicht hängen. Ihr Blick war dumpf und sehr in sich gekehrt. Über was sie wohl nachdachte? Prüfend sog Sesshoumaru die Luft um sich herum tief in seine Lungen und überließ es den Rezeptoren in seiner Nase sowie den entsprechenden synaptischen Verbindungen die einzelnen, wichtigen Gerüche herauszufiltern. Eine Woge aus grauer Traurigkeit umgab die hübsche Miko. Sie wirkte zerrissen und abwesend. Kagome starrte in das seichte, nur langsam dahinfließende Wasser des klaren Flusses. Leise konnte er ihren unregelmäßigen Herzschlag hören, der wohl ihre widersprüchlichen Gedankengänge wiedergab. Sofort schlug sein inneres Biest aufgebracht Alarm – die Miko durfte nicht traurig sein und schon gar nicht zerrissen! Ein tiefes Knurren entwich seiner Kehle. Dieses gottverdammte Schicksal! Wenn sie nicht eine Göttin wäre, hätte er ihr schon längst den zierlichen und arroganten Hals umgedreht. Wie konnte sie es nur wagen, ihn, beziehungsweise sein inneres Biest, an einen Menschen zu binden?! Mit Grauen nahm er wahr, dass sein Herzschlag kurz aussetzte, nur um dann ein wenig schneller vor sich hin zu pochen, als er das Menschenweib betrachtete. Liebe schwebte auf ihrer rosa Wolke und betrachtete das Geschehen voller Genugtuung. Sogleich würde sie Schicksal abholen und dem Schauspiel beiwohnen lassen. Amüsiert kicherte sie sich ins Fäustchen und freute sich schon darauf, Schicksal endlich einmal begreiflich zu machen, wie wichtig die Liebe war und welche Berge sie versetzen konnte. Mit einem kleinen Fingerschnippen ließ sie noch einen winzig kleinen Funken ihrer Energie in Richtung des Daiyoukais fliegen – sicher war sicher und dieser Dämon war so stur, dass es selbst ein Eisenamboss mit Raketenantrieb nicht durch seine Mauer, die er um sein Herz gebaut hatte, schaffen würde. Ein Blitzen fuhr durch Sesshoumarus stechenden Blick. Seit bestimmt schon zehn Minuten starrte er die traurige Frau am Flussrand an und mit jeder Sekunde wurde sein inneres Biest unerträglicher und sein Herzschlag unregelmäßiger. Irgendwie musste er es doch zum Schweigen bringen! Diese innere Unruhe machte ihn zornig. Der sonst so beherrschte Dämon kämpfte gerade um seine eiserne und unübertroffene Selbstbeherrschung – wohlgemerkt nur deshalb, weil eine junge Miko einfach nur traurig und gedankenverloren an einem Fluss saß. Das musste aufhören, er musste sein Biest so schnell wie möglich beruhigen! Nicht, dass er etwas gegen einen Ausbruch gehabt hätte. Doch die Schneise an Tod und Verwüstung, die dieser unausweichlich nach sich ziehen würde, würde ihn wohl letztendlich Tessaiga kosten, da die Miko doch der Schlüssel zum Erbe seines Vaters war. Ihr Tod war daher leider keine Option. Er wollte sie zwar gefügig machen, um das sagenumwobene Schwert zu erhalten und es musste deshalb echt aussehen. Jedoch war es nicht geplant, dass sein eigenes Gefühlsleben derart ins Wanken geriet. Ein abwertendes Schnauben verließ seinen Mund, während er mit aller Macht versuchte seinen rationalen Verstand zu bewahren, der unerbittlich gegen diese unbekannten Gefühle und sein unruhiges Biest ankämpfte. Entschlossen stieß er sich von dem Ast ab und landete leichtfüßig hinter der Miko, die ihn scheinbar nicht bemerkt hatte. Leichtsinniges Menschenweib! Er wollte sich schon mit einem kalten Knurren bemerkbar machen, da fiel ihm wieder ein, dass er vor wenigen Momenten noch darüber sinniert hatte, dass sie ja der einzige Weg war, an Tessaiga heran zu kommen, und dass sie ihm dafür vertrauen musste. Mit absichtlich lauten Schritten ging er langsam um sie herum und ließ sich neben ihr im Gras nieder. Kagome erschrak, als etwas hinter ihr raschelte. Sofort fuhr ihre Hand zu dem Bogen, der neben dem gelben Rucksack auf dem Boden lag und ihr Kopf zuckte herum, nur um auf zwei weiß bekleidete Beine zu blicken. Im nächsten Moment schon war Sesshoumarus Gesicht auf Augenhöhe und Kagome zog scharf die Luft ein; sofort gefror ihre Bewegung, nur Zentimeter schwebte ihre Hand über dem Bogen. Augenblicklich schlug ihr Herz schneller. Was wollte er hier? War er ihnen die ganze Zeit gefolgt? Sesshoumaru erwiderte stoisch ihren Blick, kaltes Gold traf auf warmes Braun. Stille breitete sich zwischen dem ungleichen Paar aus und ungewollt hielt Kagome den Atem an. Zu sehr saß ihr noch der Schreck des letzten Zusammentreffens in den Gliedern. Ob er wieder grob werden würde? Der Daiyoukai bemerkte ihre Aufregung, er konnte sie förmlich riechen und hier Herz pochte so laut gegen ihren Brustkorb, dass es den Anschein hatte, als würde das wertvolle Organ daraus springen wollen. Doch er blieb still, saß ihr einfach nur gegenüber und hielt ihren Blick. Unmerklich verlor er sich ganz langsam in dem warmen Braun. Je länger er still saß und sie einfach nur betrachtete, umso ruhiger wurde die Miko. So langsam wurde ihr bewusst, dass er ihr nichts tun wollte; wenn, dann hätte er es längst getan. Träge sickerte diese Erkenntnis in ihren wie leer gefegten Kopf. Die Gedanken von eben waren vergessen und ihr Blick wurde mutiger, neugieriger. Nun mehr interessiert denn ängstlich sah sie ihm tief in die Augen und schien etwas zu suchen. Sesshoumaru lobte sich innerlich für seine Taktik, wusste er doch genau, dass seine ruhige Art, wenn gewollt, nach dem ersten Schockmoment etwas äußerst Beruhigendes an sich hatte. Erfreut nahm er die Wandlung in ihren Augen wahr und konnte seinen Blick nun nicht mehr von ihr nehmen. Kagome indes bemerkte am Rande ihres Geistes, dass Sesshoumarus Augen ein klein wenig heller und leuchtender als Inuyashas waren. Dunkel-goldene Sprenkel waren um die schlitzartige Iris angeordnet und verliehen seinem Blick eine undurchsichtige Tiefe. Der Rand ihres Blickfeldes wurde immer dunkler und ihre ganze Aufmerksamkeit wurde durch ein raubtierhaftes Leuchten an Ort und Stelle gehalten. Gebannt starrte sie in das warme Gold... Moment! Warmes Gold? Seit wann konnte der kaltherzige Daiyoukai einen warmen Blick sein eigenen nennen?! Er riss die junge Miko aus ihrer Starre und sie stieß ruckartig die Luft aus, von der sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie sie angehalten hatte, während sie zurück wich. Das Plätschern des Wassers um ihre Füße, verursacht durch ihre ruckartige Bewegung, riss auch den Youkai aus seinen Gedanken. Sofort setzte sein rationaler Verstand wieder ein und er verfluchte sich innerlich dafür, in diesem Blick beinahe ertrunken zu sein. Dieser Sesshoumaru ertrank niemals in Menschenaugen, schon gar nicht in denen der Miko! Dennoch, allein um seines Zieles willen, rückte er sachte näher an sie heran. Denn er hatte sehr wohl erkannt, dass nicht nur er in ihren Augen beinah ertrunken war, seine Chance war gekommen, Vertrauen aufzubauen. Abermals machte Kagomes Herz einen beherzten Sprung außerhalb des Taktes. Nur am Rande fragte sie sich, wo das auf einmal herkam – denn sie verspürte überhaupt keine Angst. „Wa... was willst du hier?“, brachte sie schließlich mühsam im Flüsterton heraus. Sesshoumarus Augen wandten sich dem gegenüberliegenden Flussufer zu. Eine ganze Weile sagte er nichts. Kagome rechnete schon gar nicht mehr mit einer Antwort, als er plötzlich Luft holte. „Dir Gesellschaft leisten.“ sagte er monoton. Eh? Was sollte das denn nun? Sichtlich verwirrt suchte Kagome nach Anzeichnen eines Scherzes in der teilnahmslosen Miene des Youkais, doch dieser starrte einfach nur weitere gerade aus. Nun, dann musste sie doch ihren Mut zusammen nehmen, denn ganz offensichtlich beliebte es dieser Sesshoumaru nicht zu scherzen. „Und, ähm, warum, wenn ich fragen darf?“, fragte sie und blickte ihn mit unverhohlener Neugierde an. Dennoch konnte sie eine gewisse Nervosität nicht unterdrücken und ein leichtes Flattern machte sich in ihrer Magengrube breit. Also, das war doch albern! Seit wann war sie so nervös in der Gegenwart Sesshoumarus?! Sicher, er war ein eiskalter, menschenverachtender und mordender Dämon, aber sie war immerhin eine Miko und nicht nur irgendeine! Sie war die Shikon-Miko und besaß daher erstaunliche Kräfte, die im Notfall sogar einen Daiyoukai niederstrecken konnten! Würde sie sie nur beherrschen... Traurig senkte sie den Kopf. Sie hatte kaum Gelegenheit gehabt bei der alten Kaede etwas zu lernen, immerzu waren sie auf der Suche nach den Splittern, hatten kaum Zeit für Pausen. In den kurzen Phasen, die sie im Dorf Musashi verbrachten, musste sie ja doch die meiste Zeit zurück in ihre Epoche. Sie hätte so gerne mehr von der alten Miko gelernt statt in ihrer Zeit unsinnig in der Schule herumzusitzen. Wer brauchte schon Analysis?! Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und sie musste mehrmals mühsam schlucken, um ihn loszuwerden. Sie hatte die alte Frau sehr geschätzt und sehr gern gehabt. Der Daiyoukai beobachtete sie mehr oder minder interessiert aus dem Augenwinkel. Wie konnte ein Mensch nur in dieser kurzen Zeitspanne von lediglich ein paar Sekunden so viele Emotionen ausstrahlen? Dies würde ihm wohl immer ein Rätsel bleiben. „An was denkst du, Miko?“, fragte er daher gerade heraus, dennoch mit dem ihm eigenen mitschwingenden Desinteresse in der Stimme. Es interessierte ihn nicht wirklich, redete er sich ein, doch Frauen mochten gute Zuhörer. Kagome sah auf und suchte seinen Blick. Ob sie es ihm erzählen konnte? Sicher würde er sie auslachen. Dennoch, sie fühlte sich plötzlich so sicher und behütet in seiner Gegenwart. Die Angst war seit geraumer Zeit wie weggeblasen und die Ruhe und Gelassenheit, die er ausstrahlte, übertrug sich automatisch auf sie. „An Kaede, und dass sie mir nun nie wieder etwas wird beibringen können“, flüsterte sie traurig. Eine einsame Träne, die sie trotz aller Anstrengung nicht zurück hatte halte können, bahnte sich ihren Weg durch ihren Augenwinkel und rann langsam ihre Wange hinab. Plötzlich spürte sie eine warme Hand an ihrem Kinn. Sanft, aber bestimmt hob er Gesicht und blickte ihr in die Augen, während er mit einem Daumen die Träne hinfort wischte. Er sprach nicht ein Wort, starrte einfach nur kühl in ihr Gesicht. Kagome erwiderte den Blick überrascht und wurde sich auf einmal der Nähe zu ihm bewusst. Nervös schluckte sie und befeuchtete in einem unbewussten Akt ihre leicht geöffneten Lippen mit ihrer Zunge. Ihr Denken setzte mit einem Mal komplett aus und sie sah nur noch ihn und das plötzlich so warme Feuer in seinen Topas-Augen. Sesshoumaru wusste nicht warum, aber just in diesem Moment fühlte es sich einfach nur richtig an. Sobald das salzige Nass an seine empfindliche Hundenase gedrungen war, konnte er nicht mehr widerstehen. Sein inneres Biest übernahm einfach komplett die Kontrolle und sein Verstand wurde mal eben in die hinterste Ecke seines Geistes zum illustren Umtrunk eingeladen. Verwundert sah er sich selbst die klauenbesetzte Hand heben, diese an ihr Kinn legen, ihren Kopf anheben und fragte sich, wann sein Verstand aufgegeben hatte. Umgehend versank er in der wohligen Wärme ihrer Augen. Ihm war kaum bewusst, dass er sein Gesicht dem ihren langsam näherte, seine Kontrolle war mit einem Mal dahin. Er wollte sie nur noch beschützen, vor allem Übel dieser Welt bewahren und sie nur für sich haben. Gespannt betrachtete Schicksal das Schauspiel und musste Liebe unweigerlich und sehr säuerlich ihren Respekt zollen. Offenbar konnte das alte Schmalzbirnchen doch etwas! Voller Vorfreude rieb sie ihre Hände aneinander und hielt den Atem an. Gleich, gleich war der Moment gekommen, der Geschichte schreiben würde! Sie vergaß sogar ihren mittlerweile kalten Kaffee, der diesmal tatsächlich sofort mit Keks serviert worden war. Liebe hingegen saß selig lächelnd neben ihr und begutachtete ihr durchaus gelungenes Werk mit vollster Zufriedenheit, während sie genüsslich an einem Tee schlürfte. Sobald sie sich küssten, würde das klitzekleine Pflänzchen, das jeden noch so versteckten Anschein von Liebe fand, in Sesshoumarus Herz anfangen zu wachsen. Sie würde diesen Moment Jahrhunderte, ach was, Jahrtausende unter Schicksals arrogantes Näschen reiben können! So abgelenkt und alle Augen auf diesen epochalen Moment gerichtet, entging Schicksal das hämische Grinsen von Gier und Niedertracht, die ein paar Tische weiter saßen und mit gefährlich glitzernden Augen die beiden selbstzufriedenen Göttinnen beobachteten. Die ganze Welt schien für einen kurzen Moment still zu stehen als sich die Lippen des Daiyoukais denen der Shikon-Miko langsam näherten. Das Knacken eines Astes jedoch durchschnitt die absolute Stille und ließ sie erschrocken auseinander fahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)