Zerfall von caperpri ((Deutsch und English)) ================================================================================ Kapitel 2: Kinderreigen ----------------------- *Kinderreigen* Sie saß allein in der Ecke des alten, rostigen Drahtzauneds, im Schatten der Bäume, geschützt vor den Blicken ihrer Mitschüler. Ihr kleiner Körper zitterte und verkrampft drückte sie ihre zierlichen Hände gegen ihren Mund. Kein Laut durfte ihren Lippen entweichen, nichts durfte sie zu erkennen geben. Nichts durfte sie verraten, denn ansonsten würden ihre Klassenkameraden wieder kommen, wieder kommen und sehen, wie schwach das kleine Mädchen war. Sie konnte ihre Stimmen noch genau in ihren Ohren hören, konnte hören, wie sie gehässig lachten und meinten, dass sie endlich die Verantwortung für das Leid der Klasse übernehmen muss. Das Leid, das sie doch immer verursachte, verursachte, indem sie mit jemandem befreundet war, der andere schlug und bespuckte. Was konnte sie dafür? Sie tat niemandem etwas, versuchte sogar zu helfen, doch das reichte den anderen nicht. Es reichte nicht und da sie dem Jungen, der all diese Gräueltaten verrichtete nichts anhaben konnten, zeigten sie immer auf sie und ließen sie dafür bluten. Das war viel einfacher. Eine Träne lief ihre Wange hinab und sie spürte, wie weitere folgten. Schluchzen. Sie konnte es nicht mehr unterdrücken, konnte den Schmerz, den sie in den paar Jahren ihres Lebens angesammelt hatte nicht mehr hinunterschlucken, konnte nicht mehr so tun, als wäre nichts. Wusste sie doch genau, dass etwas nicht stimmte, dass sich schon lange etwas in ihr geformt hatte, was nicht normal für ihr Alter war und niemals ausgesprochen werden sollte. Langsam bedeckte sie ihr Gesicht mit ihren Händen. Still sein brauchte sie nicht mehr, denn es war niemand mehr in ihrer Nähe. Niemand interessierte sich für das kleine, zitternde Mädchen, das da in ihrer Ecke saß und weinte. Niemand interessierte sich dafür, was mit ihr geschah, oder dass sie damit anfing, ihre Finger in ihre Haare zu vergraben, um sie herauszureißen. Schmerz. Es war das erste Mal, dass sie sich so etwas selber antat. Sie hatte davon gehört, hatte im Fernsehen mitverfolgt und begriffen, dass viele Menschen sich selbst verletzten, um sich besser zu fühlen, doch erst jetzt hatte sie es wirklich verstanden. Erst jetzt merkte sie, warum es sich so gut anfühlen sollte. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen und ihr Herz schlug wieder etwas schneller. Wie beruhigend es doch war, diesen Schmerz unter Kontrolle zu haben. Wie gut es tat, dass er den anderen, dieses Stechen in der Brust, diesen Schmerz doch so vollkommen ausblendete. Sie schaute wieder auf. Das Lächeln lag noch immer auf ihren Lippen, Tränen rannen weiter über ihre Wangen. Aber das war okay. Sollten sie es doch sehen. Sollten sie sie doch auslachen und sich darüber belustigen, dass würde ihr nichts mehr ausmachen. Jetzt nicht mehr. Die Kinder konnten ihr nichts mehr antun, nichts, das sie nicht verkraften könnte, und wenn sie sie doch einmal verletzen sollten, wusste sie nun, was sie zu tun hatte. Lachen überfiel das kleine Mädchen, lautes schallendes Lachen, das dumpf über den leeren Schulhof hallte und ihren Körper durchschüttelte, und dann tat sie es… Sie warf den Kopf zurück, schlug ihn so hart wie sie konnte gegen den rostigen Zaun und schloß genießend die Augen. Schmerz, was für ein schönes Gefühl. *ende* ©caperpri Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)