Das letzte Geschenk von caperpri ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Das letzte Geschenk Er lag ihr die ganzen Wochen mit diesem Spielzeug in den Ohren. Nach dem aufstehen, bevor sie ihn in den Kindergarten brachte, wenn sie ihn wieder abholte und selbst die Gute-Nacht-Geschichte fiel dafür aus. Es raubte ihr den letzten Nerv, brachte sie zum Rand der Verzweiflung und ließ sie aufstöhnen, wann immer sie an einen Spielzeugladen vorbei kam. Was ihr geliebter Sohn wollte? Einen großen Weihnachtsmann mit roten, übermalten Wangen, weißen Zähne, die sich deutlich vom Rauschebart abhoben und bei seinem Grinsen fröhlich hervor blitzten. Warum er das wollte, war ihr unbegreiflich, eventuell hatte es etwas mit seinen Sandkastenfreund zu tun, oder... Die vielbeschäftigte Geschäftsfrau wusste es nicht mehr, und der Grund für dieses Geschenk war auch schon längst in den Hintergrund gerückt, ging es doch nur noch um den erbitterten Kampf zwischen Mutter und Sohn, zwischen schenken und besorgen. Das Telefon klingelte, riss sie aus ihren Gedankenkreislauf und zeigte mal wieder, wie schwer es war, Kind und Arbeit zu verbinden. Holen sie bitte ihren Sohn ab, hieß es nur und die Frau musste springen. Musste von ihren bequemen Stuhl hüpfen, ihre Stifte, die Unterlagen ihrer Arbeit hastig in die graue, jedoch viel zu kleinen Designertasche quetschen und sich mit halb angezogener Jacke entschuldigend von ihren Chef verabschieden. Vom warmen, beheizten Raum in die Kälte draußen. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, ließen die paar braunen Strähnen, welche sich aus ihrer strengen, aber eleganten Hochsteckfrisur, an ihr kleben, ihr in die Augen fallen. Blinzeln. Fast hätte sie einen Mann angerempelt, der den engen Korridor von ihrem Büro bis zum Fahrstuhl für sich einnehmen wollte. Doch sie wich gewitzt aus, auf den Zehen ihrer Absatzschuhen trippelnd, halb an der Wand klebend. Niemand konnte sie aufhalten, weder Fahrstuhl, sie nahm die Treppen, noch der Motor ihres Wagens, welcher sich just in dem Moment entschied, den Geist aufzugeben, indem sie den Schlüssel umdrehte. Drei Wutanfälle, und 20 Minuten später, quetschte sich die Braunhaarige zwischen den Leibern Einkaufswütender und deren Taschen vorbei, hinaus aus der Bahn, die Treppen hinab. Gleich war sie da, gleich konnte sie ihren Sohn abholen, ihn in die Arme schließen und sehen, was er hatte. War er etwa krank? Heute morgen hatte ihr Sprößling leicht gehustet, hatte sie es auf die leichte Schulter genommen? Die Tür des Kindergartens knallte auf, als sie eintrat, die dunklen Augen gefüllt mit Angst und Sorge. Angst um ihren Sohn, Sorge um ihre Arbeit. Die Arbeit, die sich zur Weihnachtszeit ins unermäßliche steigerte, zum einen durch die Krankheiten der anderen, zum anderen durch ihre eigenen Fehlzeiten. Den Tagen, an denen sie am Bett des Kleinen wachte und betete, dass sein Hustenanfall nur die Konsequenz dessen war, was man nicht machte; hysterisch nach Geschenken kreischen und Apfelsaft trinken, nur um enttäuscht festzustellen, dass man sie nicht erhörte. Manchmal dachte sie sogar, das man sie versuchte zu bestrafen, so wie jetzt. Jetzt in diesem Moment in der Umkleide. Ihr heißgeliebter Sohn saß, mit Jacke, Handschuhen und mehr, freudestrahlend auf der Bank, wippte mit halb angezogenen Schuhen auf und ab und unterhielt sich gut gelaunt mit einem anderen Kind. Erst, als seine Mutter sich räusperte schaute er auf, zog eine schmollende Miene und schien gar arg krank zu sein. ''Mom, Mooooom.'' Ihr Sohn zog dieses Wort dramatisch lang, und schlug die Augen nieder, hielt sich den Bauch und schielte alle paar Sekunden wehleidig nach oben. Währenddessen könnte seine Mutter nur entgeistert auf ihn hinab blicken, sich fragen, warum sie angerufen wurde. ''Ich hab mich übergeben und mir tut ganz doll der Bauch weh, ganz doll.'' Ihr 'Kleiner' war nicht dumm, man konnte sich übergeben und trotzdem ein paar Minuten später Lachen und Spaß haben. SIE musste dennoch angerufen werden, herhetzen und ihn abholen. Seufzen. Die Frau konnte einfach nicht mehr. Wann war Weihnachten endlich vorbei? Das Fest hatte noch nicht einmal angefangen und dennoch... ''Binde dir die Schuhe zu und komm.'' Jetzt konnte sie eh nicht mehr zurück auf Arbeit, konnte sie sich wenigstens den Rest des Tages nehmen und sich entsp... ''Hast du es schon besorgt?'', ihr Sohn, plötzlich gar nicht mehr krank, sprang in seinen Winterstiefeln um sie herum und versuchte dabei jede schmuddelige Schneepfütze mit zu nehmen, die er kriegen konnte. Erst jetzt hatte die Frau bemerkt, dass der gestern gefallene Schnee fast vollkommen geschmolzen ist, und nur noch als grauen Matsch, vermischt mit Steinen und Streusalz an ihren Absätzen klebte und bei jeden Schritt knirschte. ''Was soll ich besorgt haben?'', sie konnte ihm schon längst nicht mehr folgen, aber wann konnte sie das überhaupt mal? Um ehrlich zu sein, manchmal nickte sie einfach nur noch. Wer wusste schon wo der Zusammenhang zwischen Ninjas und Decken bestanden, zwischen Animes und Comics und... Sie kam da schon lange nicht mehr mit, all die Dinge, die er im Fernsehen aufschnappte und nachplapperte, die Mühe, die es machte ihm zu erklären, dass man nicht alles was man hört wiederholt. Die Anstrengungen ihn zu überzeugen, dass es keine gute Idee war mit den Christmaskugeln jonglieren zu lernen, oder dass es wichtig war sich das zu wünschen, was man auch wirklich... ''Das Geschenk! Ich will den Weihnachtsmann.'' Und jetzt fing es wieder an. ''Nein'', sichtlich gereizt war ihre Antwort mittlerweile. Die Frau schnaufte, versuchte ihren Sohn endlich an die Hand zu bekommen, damit er nicht rückwärts in jemanden rein laufen konnte. ''Warum nicht?'' Ja warum eigentlich nicht? Sie hatte noch immer keine Antwort, als der Rabauke schon weiter sprach. ''Meine Freunde kriegen alle einen, und ich will auch.'' Tiefes einatmen. Die Braunhaarige blieb stehen, beäugte ihren Sprößling, das dunkle wirre Haar, welches unter der roten Weihnachtsmütze hervor lugte, und bis aufs letzte in ihrer Beschaffenheit ihren glich, die ebenfalls dunklen Augen, die Gesichtszüge. Wie konnte ihr süßer Junge, der sie sonst zu jeder Angelegenheit mit selbstgebastelten Kleinigkeiten überraschte, und wie ein Engel in ihren Augen war, zumindest manchmal, so ein Satansbraten sein? Was war an Weihnachten so anders, dass sich jedes Kind in eine Art Mini-Monster verwandeln musste, welches nur eines machte? Nerven, ganz entsetzlich Nerven. Wo war der Junge, der noch vor ein paar Monaten versucht hatte ihr Tee zu kochen, als sie selbst krank war? Resignation war das einzige, was noch etwas brachte, zumindest ließ es die Aussicht zu, ein halbwegs ruhiges Fest zu genießen. Noch ehe ihr Sohn wieder anfangen konnte zu quängeln, lenkte sie endlich ein. ''Ja, ich habe es dir gekauft.'' Hatte sie nicht, doch um des Friedens Wille würde sie es. Sie würde am 24. mit all den anderen Spätzündlern einkaufen gehen, sich durch die engen Gänge pressen, während aus den Shoplautsprechern blechernd 'Merry Christmas' erklang. Sie würde in langen Schlangen stehen, sich um die letzten Spielsachen streiten, und verzweifelt das nächste Kaufhaus aufsuchen, nur um zurück geschickt zu werden und erneut anzustehen. Sie würde einen erbitterten Kampf um den letzten Spielzeugweihnachtsmann führen, entnervt, frustriert, aber siegreich hervor gehen und ihren Sohn am Abend schenken. Blieb nur zu hoffen, dass er dieses Jahr sein Geschenk nach einen Tag nicht wieder vergaß. Aber was sollte sie das dann noch stören, dann war alles erstmal vorbei und es würde fast ein Jahr dauern, bis der Streß von vorne los ging. Welch freudiges Ereignis zu jeden Weihnachten, vielleicht sollte sie sich an diesem einen großen Glühwein gönnen, nur so zur Entspannung. *Ende* ©caperpri Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)