Schlange stehen von Caliburn (Adventskalender 2014) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Piep! Die große Ritterburg mit all den darin enthaltenen Kleinteilen und Figuren, zu denen auch ein schwarzer Ritter mit einem Stoffumhang und ein zwanzig Zentimeter großer Plastikdrache zählten, wurde über die Verkaufstheke geschoben. Piep! Direkt danach folgte der rosafarbene Campingbus, in dessen Innerem sich viele, teils winzige, Accessoires befanden. Die dazugehörige Puppe musste man natürlich extra kaufen, sofern sie sich nicht schon im Besitz des beschenkten Kindes befand. Alashe seufzte und stieg dabei von einem Bein auf das andere. "Ich habe es dir doch gesagt", begann sie, nicht zum ersten Mal an diesem Tag, zu nörgeln. "Wir hätten die Geschenke schon im November oder noch eher kaufen sollen." Sie drückte das große blaue Plüschpferd, auf dessen Rücken sich zwei Flügel befanden, und pustete frustrierte in dessen buntgefärbte Mähne. Doch Daniel schenkte ihr nur ein amüsiertes Lächeln und zuckte kurz mit den Schultern. "Aber dann hätten wir diese wunderbare Stimmung nicht genießen dürfen." "Wunderbare Stimmung?", echote die junge Frau. "Wir stehen hier bereits seit über einer viertel Stunde in der Schlange vor der Kasse. Trotz der verdammten Kälte draußen, schwitze ich bereits unter meinen Kleidern und mir tun die Beine weh. In der ganzen Mall wird man von den verschiedensten Weihnachtsliedern zur selben Zeit beschallt, was nebenbei bemerkt echt scheiße klingt, man wird ständig von diesen Parfümtussis mit ihren Düften", das letzte Wort betonte sie mit einer extra großen Portion Sarkasmus: "angegriffen und zudem ist es in jedem Laden bis zum bersten voll." "Ist doch schön." Halbherzig trat Alashe ihrem Sandkastenfreund gegen das Bein und wand sich anschließend von ihm ab. Gemeinsam gingen sie ein paar Schritte weiter nach vorne, nachdem der nächste Kunde abkassiert worden war. Piep! "Was wünscht du dir eigentlich zu Weihnachten?", wollte Daniel plötzlich wissen und brach somit das Schweigen. Die dunkelhäutige Frau blickte den etwas älteren Mann an und zog nach einem kurzen Moment den schwarz roten Schal über die Nase und Blickte zu Boden. "Das ist ein Geheimnis." Erneut liefen sie ein paar weitere Schritte auf die Kasse zu. Vor ihnen zog ein kleines Mädchen, es war sicher nicht älter als fünf oder sechs Jahre gewesen, an der Hand seiner Mutter und deutete mit dem Zeigefinger auf ein gelbes, mausartiges Stofftier. "Das da, Mama. Das da wünsche ich mir vom Weihnachtsmann." Piep! Daniel stellte die Verpackung der Autorennbahn, an der die Hersteller praktischerweise einen weißen Plastiktragegriff angebracht hatten, auf den Boden ab und streckte sich mit den Armen noch oben hin durch, wobei er seinem Rücken ein leises Knacken entlockte. "Stimmt schon, sonst überraschen wir uns ja immer gegenseitig damit. Nur möchte ich dieses Mal etwas finden, dass dir zu einhundert Prozent gefällt." Leise murmelte Alashe etwas vor sich hin und drückte dabei den blauen Pegasus an sich. "Hm? Was war das?" "Ich sagte", sie sah ihn mit ihren dunkelbraunen Augen direkt an, ehe sie den Blick wieder nach vorne richtete: "dann mach doch einfach wieder ein paar deiner Kekse für mich." Daniel begann zu grinsen. "Etwa die mit dem Zuckerguss oder doch lieber die mit der Schokoglasur?" "Beide." Sein Lächeln wurde breiter und er nahm die Slotcar-Packung wieder zur Hand, als es erneut ein paar Schritte vorwärts ging. "Buntes Streusel oder silberne Zuckerperlen?" Die junge Frau zog sich den Schal aus dem Gesicht und rückte das Plüschtier in ihren Händen in eine andere Position, da ihr langsam die Arme vom langen halten schmerzten. "Am besten alles, was du so da hast." "Okay, okay." Piep! Ein Mann, es war schwer zu sagen ob er sich ordentlich warm eingekleidet hatte oder doch einfach nur dick war, drängte sich an ihnen vorbei, da er offenbar keine Lust mehr verspürte in der Schlange zu stehen. "Wenn wir uns beeilen", begann Alashe: "dann verpasse ich vielleicht meine Sendung nicht." Daniel blickte die etwas jüngere Frau ein wenig verwundert an. "Was redest du da? Ich sagte doch, dass ich Geschenke kaufen will." "Aber das haben wir doch. Für deine beiden kleinen Geschwister ist gesorgt, oder nicht?" "Ja, schon", bestätigte er. "Sie werden noch ein paar Süßigkeiten dazu bekommen, denke ich. Aber für Mom und Dad will doch auch noch etwas kaufen." "Was?" "Und Grandma und Grandpa darf ich auch nicht vergessen." Er legte den Kopf schief und ging in Gedanken eine imaginäre Liste der Personen durch, denen er noch etwas besorgen musste. "Ob sich Jason über dieses neue Pre-Sequel-Spiel wohl freuen würde?" "Was ist nur los mit dir?", jammerte die dunkelhäutige Frau. "Wieso kannst du nicht wie andere Menschen auch einfach online Geschenke kaufen?" "Erstens", Daniel hielt seinen Zeigefinger vor ihrem Gesicht hoch. "Ich habe dir vor ein paar Minuten gesagt, dass ich diese wundere Stimmung liebe." Sein Mittelfinger gesellte sich zum ersten dazu und gemeinsam bildeten sie nun, auch wenn unbeabsichtigt, das Peace-Zeichen. "Zweitens: Mag ich deine Gegenwart." Alashe stieg die Hitze in den Kopf. Allerdings redete sie sich ein, dass es an der stickigen Luft lag, die in dem Laden, dank der vielen Menschen, herrschte. "Und Drittens", er ließ die Hand sinken, anstatt den Ringfinger zu heben und drehte sich einmal langsam um die eigene Achse. "Die anderen Menschen, von denen du eben gesprochen hast, sind doch auch hier." Piep! Es war nicht mehr weit bis zur erlösenden Kasse. Abgesehen von der Mutter mit ihrer Tochter, waren nur noch ein älteres Ehepaar vor ihnen gewesen die aber scheinbar ohne viel Tamtam endlich das Geschenk für ihr Enkelkind kaufen wollten. Die junge Frau sah ihren Kindheitsfreund an. Als er ihren Blick bemerkte, drehte sie sich weg und spielte mit der Regenbogenmähne des Pferdes. "Wenn wir schon einmal beim Thema sind, was hättest du denn gerne unter dem Weihnachtsbaum liegen?" Irgendwo hinter ein paar Regalen fing ein Kind an zu brüllen. Höchstwahrscheinlich weil die Eltern es aus dem Laden zerren wollten, ohne ihm vorher ein Spielzeug zu kaufen. "Also sowas schon mal nicht." Er lächelte und tänzelte ein wenig von dem einen Bein auf das andere. "Hach", gab Alashe gespielt mürrisch von sich. "Selbst wenn ich wöllte, du weißt, dass ich das nicht kann." Sie knuffte ihn mit der Faust in die Seite. "Jetzt sag schon." "Hm, vielleicht ein gutes Buch. Oder ein cooler Film." Ihre Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. "Riesenroboter und Monster?" "Riesenroboter und Seemonster", korrigierte Daniel sie. Als die Mutter mit ihrem Kind abkassiert worden war, traten beide vor die Theke und Kassieren begrüßte sie freundlich. In dem Moment kam ein etwas jüngerer Mann und setzte sich an andere Kasse. "Kasse zwei ist jetzt geöffnet", sagte er und sofort drängten die Leute hinter ihnen zum ihm hin. Alashes Gesicht sprach Bände. "Weißt du", die dunkelhäutige Frau lehnte auf dem Sicherheitsgeländer und blickte auf den von vielen Lampen erleuchteten Parkplatz. Zu ihren Füßen standen mehrere Einkaufstaschen aus den verschiedensten Läden. "Du hast mir noch immer nicht gesagt, was du dir wünschst." Daniel stellte nur die zwei Beutel ab, die er in der rechten Hand trug. In der linken hielt er weiterhin die Verpackung der Autorennbahn über dem Schnee, damit dieser die Pappe nicht durchweichte. "Ich habe eigentlich schon bekommen was ich will." "Bitte?" Er legte den Kopf in den Nacken und blickte in den Nachthimmel, aus dem unaufhörlich dicke Schneeflocken herabfielen. "Du hast mir gezeigt, dass du großen Stress für mich in Kauf nimmst." Alashe zog sich den Schal über die Nase und stocherte mit dem Absatz ihres Winterstiefels im Weiß herum. "Ach, das ist doch nicht der Rede wert. Du kennst mich, wenn ich es nichts gibt worüber ich mich aufregen kann, rege ich mich eben darüber auf." "Es freut mich, dass du das sagst." Er nahm die Taschen wieder zur Hand und stellte sich neben sie. "Morgen besorgen wir die Geschenke für deine Familie." "Was?!" Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)