The Angel who kills von abgemeldet (Azrael Chronicles) ================================================================================ Kapitel 3: A gift for the wife of the boss ------------------------------------------ Die Hände tief in den Hosentaschen seiner schwarzen, zerrissenen Röhrenjeans vergraben, schlängelte er sich durch den riesigen Einkaufspark und streifte mit seinem Blick die Auslagen der Geschäfte. Zwar wusste er, was er der Frau des Bosses im Vorjahr zum Hochzeitstag besorgt hatte, aber trotzdem war das wohl eher Zufall als Talent gewesen. Er hatte es gesehen, mitgenommen und eigentlich behalten wollen, bis ihn die Verzweiflung des Bosses dazu trieb, es ihm für seine Frau mitzugeben. Dabei wirkte die adrette Dame auf dem gerahmten Foto, das auf dem Schreibtisch stand nicht gerade wie jemand, die schweren Silberschmuck trug. Aber dass der Schein täuschen konnte, wusste er durch seine Arbeit nur zu gut, und auch durch sich selbst. Menschen hatten sich schon oft in ihm getäuscht. Ihn für einen netten Buchhalter, einen schussligen Klempner oder für einen souveränen Sicherheitsbeamten gehalten, und noch einiges mehr. Aber am Ende kam immer die Erkenntnis, dass er derjenige war, der ihnen ihr Leben nahm und die Fassungslosigkeit zusammen mit dem Ausdruck des verraten werden amüsierte ihn jedes Mal aufs Neue. „Ähm...was genau suchen wir eigentlich?“, kam es zögerlich hinter ihm und er blickte kurz über seine Schulter zu Yong Tae, der hinter ihm her schlich wie ein verängstigter Hund. Er antwortete nicht, sondern sah wieder nach vorne, um nicht aus versehen irgendwelche Leute anzurempeln, während er darüber nachdachte, was sie nun eigentlich genau suchten. „Was würdest du deiner Frau zum Hochzeitstag schenken?“ „Ich...bin nicht verheiratet.“, kam es etwas verwirrt zurück und er gab einen abschätzenden Laut von sich. Das wusste er natürlich und es war eine rein obligatorische Frage gewesen. Warum der Junge alles so ernst nehmen musste, würde er vermutlich nie verstehen. Diesem schien sein Fehler in der Antwort ebenfalls aufzufallen, da er begann, hilflos mit den Händen zu gestikulieren, als er über die Schulter zu ihm blickte, und vor sich hin zu stammeln. „Ich weiß nicht. Schmuck vielleicht oder...irgendetwas das sie gebrauchen kann.“ Diese Ideen waren ihm natürlich auch schon in den Sinn gekommen. Aber da es Schmuck schon letztes Jahr gab und er nicht wusste, was die Frau gebrauchen konnte, brachten ihn diese Denkansätze nicht wirklich weiter. Im Prinzip hieß das nichts anderes, als dass er weiter durch die Einkaufsmeile laufen und überlegen musste, was dieser Frau eventuell gefallen könnte. Dabei hätte er sich wirklich etwas Besseres an einem freien Tag vorstellen können, als sich durch überfüllte Läden zu winden. Er hatte gehofft, dass Yong Tae als bisher normal lebender Mensch ihm bei diesem Problem vielleicht helfen konnte. Stattdessen hatte er fünfzehn Minuten vor dem Eingang gewartet und seine Laune war enorm in Richtung Keller gewandert, bis der Junge abgehetzt und schwer atmend die Straße überquert und vor ihm angehalten hatte. Der einzige Grund, warum er ihm nicht diverse Knochen gebrochen hatte war der, dass sie sich in der Öffentlichkeit befanden und er den Jungen unversehrt lassen musste, solange dessen Vater brav seine Schulden abstotterte. „Und was würdest du deiner Freundin schenken, wenn du eine hättest?“ Dass Yong Tae Single war, war nicht zu übersehen. Er hing nicht mal zwei Mal am Tag an seinem Handy, war mit den Gedanken nicht abwesend und er blickte Mädchen, die ihn anlächelten, immer schüchtern an. Allein das verriet ihm, dass der Junge definitiv nicht vergeben war. Obwohl er bezweifelte, dass der Junge überhaupt schon jemals eine Freundin gehabt hatte. Wie genau er auf diesen Gedanken kam, konnte er nicht sagen, es war eher eine Art Gefühl, die ihm das vermittelte, und auf sein Gefühl konnte er sich bisher stets verlassen. „Ähm...ich weiß nicht.“ Er stieß ein Seufzen aus und stempelte im selben Moment den Jungen als hoffnungslosen Fall ab, was die Frauenwelt betraf. So schüchtern wie dieser war, bräuchte es vermutlich ein ganzes Gestapokommando um ihn dazu zu bewegen, ein Mädchen anzusprechen. Seine Gedanken, die um ein passendes Geschenk kreisten, wurden jäh unterbrochen, als er am Rande seines Bewusstseins ein dumpfes Geräusch und einige Beschimpfungen hörte. Normalerweise hätte ihn das nicht gestört und er wäre einfach weiter gegangen, wenn nicht die Präsenz schräg hinter ihm verschwunden wäre, weshalb er sich umdrehte. Seine Augen suchten die sich drängelnden Menschen ab und er brauchte nicht lange, um Yong Tae wiederzufinden, an die Brüstung des Rolltreppenhauses gelehnt und eingeschüchtert von zwei Kerlen ungefähr in seinem Alter, die aussahen, als hätte sie ein Blinder angezogen. Er selbst trug auch hin und wieder Baggys und weitere T-Shirts, aber das, was diese Gestalten dort trugen, war in seinen Augen pure Geschmacksverirrung und eine Zumutung für jeden, der sie ansehen musste. Am liebsten hätte er sich wieder umgedreht und wäre weiter gegangen, um diesen Anblick nicht länger ertragen zu müssen, tat es aber nicht, sondern hielt auf Yong Tae und die beiden Bengel zu. Es gab nicht besonders viel, dass man an ihm als positiv bewerten konnte, was seine Persönlichkeit anging. Ein Punkt war jedoch, dass er es nicht leiden konnte, wenn eine Mehrzahl von Individuen auf Schwächere los ging, was im Allgemeinen schon ein Witz war, denn er tötete. Ob nun direkt von vorne oder aus dem Hinterhalt war ihm egal, das Hauptziel lag darin, seinen Auftrag auszuführen und dafür war ihm so ziemlich jedes Mittel recht. Außer eben seiner Beiden selbst auferlegten Regeln. Wenn er es genau nahm, war das auch der Grund, warum Yong Tae keinen einzigen Kratzer hatte, denn er betrachtete ihn als Unschuldigen. Jeden Anderen hätte er für seine Dummheit und Unerfahrenheit schon längst ein bisschen durch die Mangel gedreht. Bei dem Grüppchen angekommen, steckte er seinen Arm zwischen den beiden Jungs hindurch, schnappte sich das Handgelenk von Yong Tae und zog ihn mit einem Ruck in seine Richtung, was diesen zum Stolpern brachte und dazu, sich an ihm festzuhalten, was er missbilligend in Kauf nahm. „Ey Püppchen, was willst du?“, gab der Größere der Beiden von sich, der offenbar an einem Akneproblem litt, was ihn dazu verleitete, angewidert das Gesicht zu verziehen. Yong Tae schob sich bemüht unauffällig hinter ihn, während er selbst immer noch dessen Handgelenk festhielt und die beiden Gestalten mit einer Mischung aus Ekel und Langeweile musterte, aber nicht auf die Frage antwortete. Aufgrund seines Aussehens hatte er sich schon viele Spitznamen anhören müssen, bevor die Leute eines Besseren belehrt worden waren, weshalb ihm solche Spitznamen, die offensichtlich Beleidigungen darstellten, nichts ausmachten. „Ich will hier nicht den ganzen Tag verbringen.“, wandte er sich an seinen unfreiwilligen Schützling und dieser nickte einfach nur, wenn auch immer noch eingeschüchtert. Er musterte das leicht markante Gesicht, mit dem minimalen Bartschatten, der sich darauf abzeichnete und den braunen Augen, die ihn verängstigt ansahen, und fühlte sich aus irgendeinem Grund leicht beleidigt. Seiner Ansicht nach müsste dem Jungen klar sein, dass ihm nichts schlimmes zustoßen konnte, solange er bei ihm war. Zumindest nichts Schlimmes, das von anderen Personen ausging, was sich bestätigte, als die Typen nach ihm griffen und er dem Kleineren mit einem Tritt die Beine wegschlug und im selben Moment seinen Ellenbogen in den Magen des Anderen rammte, so dass dieser sich zu seinem Kollegen auf den Boden gesellte. Ohne noch einen Blick auf die Beiden zu verschwenden setzte er sich wieder in Bewegung und zog Yong Tae ein Stück hinter sich her, bevor er dessen Handgelenk wieder frei gab und die Hände wieder in den Hosentaschen vergrub. Er konnte ein leise gemurmeltes 'Danke' hinter sich hören, gab jedoch nur ein unfreundliches Murren von sich, bevor er sich eines Besseren besann und ein kaltes „Bleib in meiner Nähe.“ seine Lippen verließ. Sie passierten weitere Geschäfte und uninteressante Waren, bis er abrupt stehen blieb und sich einem Schaufenster näherte, ehe er davor stehen blieb. Er betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die filigranen, silbernen Kerzenständer und wiegte unbewusst den Kopf leicht hin und her, während er versuchte sich zu erinnern, welche Farben und Formen es im Esszimmer seines Bosses gab. Zwar war er nicht oft bei dem Boss zu Hause gewesen, nur hin und wieder, wenn es sich nicht vermeiden ließ, da er sich in dieser familiären Umgebung unwohl fühlte, aber er hatte ein gutes Gedächtnis. Wenn er sich konzentrierte, konnte er sich genau an den weißen Kamin mit den feinen Verschnörkelungen erinnern und an die silbernen Kronleuchter, die von der Decke über dem Tisch hingen. Er wusste auch noch, dass ein Blumenarrangement auf dem Kaminsims gestanden hatte und ansonsten nichts mehr, außer ein Familienfoto. Würde man links und rechts je einen dieser Kerzenständer aufstellen, würde das bestimmt hübsch aussehen. Noch im selben Moment in dem er das dachte, verzog er angewidert über sich selbst das Gesicht und wandte sich an Yong Tae. Zumindest wollte er das, blickte aber ins Leere, weshalb er ein Zischen von sich gab, als er den Jungen ein paar Meter weiter vor einem anderen Schaufenster stehen sah und auf ihn zu schritt. Er blieb kurz hinter Yong Tae stehen und lehnte sich leicht zur Seite um an dessen Schulter vorbei in das Schaufenster zu blicken, nur um festzustellen, dass dieser eine filigrane Kette aus Silber betrachtete, deren Anhänger zwei Flügel waren, die einen roten Stein umschlossen und festhielten. Also vielleicht doch eine Freundin, oder eher eine Angebetete, die noch nichts von ihrem Pech wusste? „Ich sagte: Bleib in meiner Nähe.“, kam es frostig über seine Lippen und brachte den Anderen dazu, sichtlich zusammen zu zucken, bevor er sich ans Herz fasste und sich zu ihm umdrehte. Kurz herrschte Stille, ehe der Junge eine Entschuldigung murmelte als er sich umdrehte und wieder auf den Laden mit den Kerzenständern zuging und ihn betrat. Yong Tae wartete gut sichtbar vor dem Schaufenster, was er selbst wirklich begrüßte. Als er den Laden wieder verließ, blickte er in das ratlose Gesicht seines Schützlings, der ein zweifelndes „Kerzenständer?“, von sich gab. Ein Murren verließ seine Lippen, bevor er schnaubte. „Sie passen zur Einrichtung.“ Diese Tatsache brachte ihm ein Nicken des Jüngeren ein und er schnaubte kurz, während er gleichzeitig mit den Schultern zuckte. „Und im Notfall kann sie einen Einbrecher damit erschlagen.“ „A....“ Er war sich sicher, dass der Junge gerade seinen Namen aussprechen wollte, sich aber aufgrund der Menschenmenge eines besseren besann, es nicht tat und stattdessen den Mund hielt. Kurz blieben sie noch stehen, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und Yong Tae ihm folgte. Sie steuerten auf den Ausgang des Einkaufsparks zu, während er innerlich erleichtert war, diesen 'Auftrag' erledigt zu haben. Sie schlängelten sich durch die Menschenmenge im Erdgeschoss, die hier noch größer war als in den oberen Etagen, da sich hier die ganzen Touristen tummelten. Während er darauf achtete niemanden anzurempeln, bekam er am Rande mit, wie Yong Tae zurückfiel und rollte missbilligend mit den Augen. Gerade als er sich umdrehen wollte, um zu sehen wo der Junge blieb, konnte er ein minimales Zusammenzucken nicht verhindern, als eine Hand nach dem Rückenteil seiner Jacke griff und sich zögerlich daran festhielt. Kurz sah Azrael über die Schulter und in das beschämte Gesicht des Jungen, der den Boden offensichtlich gerade für äußerst interessant zu halten schien. Anstatt also etwas zu sagen, setzte er sich wieder in Bewegung und ließ zu, dass sich Yong Tae an seiner Jacke festhielt, um ihn nicht in der Menschenmenge zu verlieren. „Wie bist du her gekommen?“, fragte er, als sie das Gebäude verlassen hatten und zündete sich eine Zigarette an, während der Junge zögerlich die Finger von seiner Jacke nahm und sie unbeholfen in die Hosentasche schob. „Mit dem Bus.“ Azrael nickte und stieß den Rauch aus, bevor er mit dem Kopf in Richtung Parkplätze nickte und dem Jungen deutete ihm zu folgen. „Du fährst mich?“ Auf diese Frage gab er nur einen bestätigenden Laut von sich, während er sich fragte, nach was es sonst aussah. Natürlich hätte er dem Jungen eine Antwort geben können, die diesem aber sicherlich nicht gefallen hätte. Er stellte die Tüte mit den Kerzenständern im Kofferraum ab und schwang sich danach auf den Fahrersitz seines Aston Martin DBS, während Yong Tae auf dem Beifahrersitz Platz nahm und sich anschnallte. Nachdem er den Motor angelassen hatte, wartete er, bis eine Mutter mit drei Kindern hinter ihm seinen Wagen passiert hatte, bevor er zurück setzte und das Gaspedal leicht antippte, was den Wagen schon dazu brachte, nach vorne zu preschen. Während sie die Straßen von Seoul entlang fuhren, beobachtete er den Jungen hin und wieder aus dem Augenwinkel, der stocksteif auf dem Beifahrersitz saß und sich nicht sonderlich viel bewegte. „Zu schnell?“, hakte er deswegen nach einer gewissen Zeit nach und bekam als Antwort eine Verneinung, weshalb er Yong Tae wieder ansah, als er an einer roten Ampel halten musste. „Das Auto ist bestimmt teuer.“, kam es gemurmelt neben ihm und er sah den Jüngeren an, während er sich eine Zigarette anzündete. „344.745 Won.“, kommentierte er und zuckte vor Schreck leicht zusammen, als Yong Tae in einer Stimmlage aufkreischte, von der er der Meinung war, dass sie nur für Frauen reserviert war. „Wie viel zur Hölle verdienst du damit, Leute umzubringen?“, kam es fassungslos von dem Jungen und Azrael sah wieder auf die Ampel, die immer noch rot anzeigte, weshalb er ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte. „Einiges.“ „Ja, offensichtlich!“ Die Reaktionen von Yong Tae amüsierten ihn, wenn dieser losgelöst war und offenbar verdrängte oder vergaß, mit wem er sprach. Er nahm es dem Jungen auch nicht übel, da dieser mit der ganzen Situation, laut Frau Kang, absolut überfordert war. Er war der Meinung, dass sein Arbeitsaufwand auch nicht gerade gering war, allerdings hielt er es nicht für nötig, das zu erwähnen. Wenn der Junge angeblich sowieso schon überfordert war, wollte er ihn nicht noch mehr überfordern und unfreiwillig dafür sorgen, dass dieser vielleicht irgendetwas Dummes tat, das seinen Auftrag gefährdete, ihn möglichst unversehrt am Leben zu erhalten. Denn wenn es etwas gab, das er nicht leiden konnte, war es, einen Auftrag zu versauen. Zwar war ihm das in seiner Laufbahn erst einmal passiert, aber dieses eine Mal war einmal zu viel. Als die Ampel wieder auf Grün umschaltete, gab er wieder Gas und überholte zwei Wagen, die vor ihm fuhren, da ihm das Ganze einfach zu langsam ging. Zwar litt er nicht gerade unter Zeitdruck, aber er verabscheute es schon aus Prinzip, weniger als die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu fahren. Aus dem Augenwinkel blickte er wieder zu Yong Tae und verzog herablassend den Mund. „Deine Anspannung nervt.“ Der Junge bewegte sich kurz, nur um dann wieder wie ein Stein sitzen zu bleiben, bevor Azrael ein leises „Was ist, wenn ich den Wagen dreckig mache?“, hörte. Es war in seinen Augen wirklich lächerlich, dass Yong Tae sich darüber Sorgen machte, den Wagen eventuell dreckig zu machen, zumal er sich fragte, womit. „Es ist ein Auto.“ „Ein teures Auto!“, hielt der Jüngere dagegen und er zuckte mit den Schultern. „Aber immer noch ein Auto.“ Er spürte, wie der Junge sich etwas entspannte und entspannte sich unweigerlich selbst etwas, als er an der nächsten Kreuzung abbog, am Rand des Gehwegs hielt und den Motor ausschaltete. Yong Tae sah aus dem Fenster, bevor er ihn ansah und er zurück blickte. „Du weißt, wo ich wohne?“ Die ganze Fahrt über schien es dem Jungen nicht aufgefallen zu sein, dass er ihn kein einziges Mal nach dem Weg fragte, was ihn um ehrlich zu sein tatsächlich belustigte. Der Kleine war so damit beschäftigt gewesen, seinen Wagen nicht verdrecken zu wollen, dass ihm das überhaupt nicht aufgefallen war, und dementsprechend geschockt war die Reaktion auch. Er sah Azrael aus großen, braunen Augen an und schluckte schwer. „Ich weiß auch deinen Weg zur Uni, deinen Lehrplan, deine Lieblingsplätze, deine Essgewohnheiten, wie deine Freunde heißen und dass du jeden Sonntag um 10 Uhr mit deiner Oma telefonierst und das durchschnittlich drei Stunden. Pass also auf, was du tust.“ Der Junge war erstaunlich blass geworden und er selbst zog an seiner Zigarette, während er ihn beobachtete und dieser wieder schwer schluckte. „Was weißt du eigentlich nicht?“ „Den Grund, warum du in der Woche fünf Rollen Klopapier brauchst. Du bist allein!“, kam es wie aus der Pistole geschossen, auch wenn er wirklich nicht der Typ für solche Bemerkungen war. Natürlich waren auch seine Gedankengänge manchmal etwas sinnlos und meistens sarkastisch, aber für gewöhnlich blieben diese Bemerkungen in seinen Gedanken und fanden ihren Weg nicht nach draußen. „Du...“, stieß Yong Tae aus, während er ihn ungläubig ansah und dann anfing, durch den Wagen zu gucken, nur um seinem Blick ausweichen zu können. Während der Junge im Wagen umhersah, rauchte er seine Zigarette auf und schnippte sie aus dem Wagenfenster, ehe er sich im Sitz zurück lehnte und den Anderen abwartend ansah. Yong Tae schien zu verstehen, was er von ihm wollte, da er nur nickte, schief lächelte und dann die Wagentür öffnete und ausstieg, bevor er sie hinter sich wieder zu schlug und unbeholfen auf dem Gehsteig stehen blieb. Azrael ließ den Motor seines Wagens wieder an und blickte kurz in den Seitenspiegel, bevor er das Fenster der Beifahrerseite herunter ließ und sich leicht hinüber lehnte, um den Jungen ansehen zu können. „Schließ dein Badezimmerfenster ab. Das verhindert zumindest, dass gewöhnliche Einbrecher deine Wohnung betreten.“ Der Mund des Jungen klappte auf und Azrael sah kurz wieder in den Seitenspiegel, bevor er auf die Fahrbahn schoss und in den Rückspiegel blickte, wo ihm Yong Tae immer noch mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck und offenem Mund hinterher sah, was ihn dazu brachte, seine Mundwinkel zu einem belustigten Grinsen nach oben zu ziehen, bevor er um die nächste Ecke bog. Zu Hause angekommen parkte er seinen Wagen in der Tiefgarage und stieg die Treppen nach oben ins Erdgeschoss, wo er seine Post aus dem Briefkasten holte und seiner alten Nachbarin höflich zunickte. Er betrat seine Wohnung und warf die Schlüssel auf die Kommode und die Jacke auf die Ablage der Garderobe, während er seinen Weg ins Wohnzimmer fortsetzte und sich auf das Sofa fallen ließ und die Schuhe abstreifte, bevor er die Füße auf die Armlehne legte und sich ausstreckte. Zwar war er Koreaner, aber er legte keinen Wert darauf, seine Schuhe bereits im Eingangsbereich auszuziehen und tat es auch ansonsten nicht. Die meisten Menschen, deren Wohnungen und Häuser er betrat, überlebten nicht lange genug, um sich über diese Unhöflichkeit aufregen zu können. Yong Tae hingegen zog jedes Mal, wenn sie die Wohnung betraten, sofort seine Schuhe aus. Vermutlich auch als Angst, seinen weißen Teppich zu ruinieren, der einen Großteil des Wohnzimmers einnahm. Nachdem er die Post kurz durchgegangen war, die nur aus Werbung zu bestehen schien, warf er sie auf den Glastisch und nahm sein Handy zur Hand. Während des Einkaufens hatte er dieses auf lautlos geschaltet, um ungestört seinen Auftrag zu erfüllen. Und inzwischen hatte er vier Whatsapp Nachrichten bekommen, die alle von Mi Hae stammten, die ihn ungeduldig fragte, ob er heute noch etwas mit ihr unternehmen würde. Kurz hörte er in sich hinein, bevor er ihr antwortete, dass er heute keine Zeit hätte und ziemlich beschäftigt wäre. Zurück kam kurze Zeit später ein trauriger Smilie. Er warf sein Handy ebenfalls auf den Glastisch, während ein genervtes Schnauben über seine Lippen kam. Warum Mi Hae so viel Aufmerksamkeit brauchte, war ihm schleierhaft, aber anscheinend war jede Frau so. Einer der Gründe, warum er eine engere Beziehung niemals vermissen würde. Eine Weile lag er noch auf seinem Sofa, bevor er beschloss duschen zu gehen und sich auf den Weg ins Badezimmer machte. Während das warme Wasser über seinen Körper lief, der zwar durchtrainiert, aber bei weitem nicht muskulös war, betrachtete er durch die Scheibe der Duschkabine seinen Rücken in dem leicht beschlagenen Spiegel und fuhr sich über die Narben an den Schulterblättern. Wären diese Narben nicht der Grundstein seiner Flügel gewesen, hätte er sie vermutlich noch mehr gehasst als sowieso schon. So aber waren sie der Grundstein, aus dem Azrael geboren wurde, während sein früheres Ich in der ewigen Dunkelheit unter der Erde ruhte. Von diesem früheren Ich war nichts mehr übrig geblieben, außer der Erinnerungen mancher Menschen, und er bedauerte es auch nicht. Aus seinen Gedanken wurde er gerissen, als sein Handy auf der Ablage anfing zu klingeln und 'Miss California' spielte. Ohne zu zögern, da nur eine einzige Person diesen Klingelton hatte, nahm er den Anruf entgegen, auch wenn er sich dafür halb aus der Dusche hängen musste, damit sein Handy nicht nass wurde. „Du wolltest doch schon immer mal nach Bali.“, kam es vom anderen Ende der Leitung und seine Augenbraue wanderte nach oben. Um genau zu sein hatte er einmal erwähnt, dass Bali bestimmt ein nettes Urlaubsziel war, was aber nicht hieß, dass er selbst nach Bali wollte. „Ich dusche noch fertig und komm dann vorbei.“, murrte er ins Handy, bevor er auflegte und seinen Oberkörper wieder unter den warmen Wasserstrahl beförderte. Als er mit dem Duschen fertig war, sich abgetrocknet hatte und sich für eine weinrote Röhrenjeans und ein schwarzes Hemd entschieden hatte, schlüpfte er in seine Springerstiefel und schnappte sich die Autoschlüssel, ehe er die Wohnung verließ. Sein Weg führte ihn in die Tiefgarage, wo er in seinen Wagen stieg und den Weg zur Villa seines Bosses antrat. Als er Seoul verlassen hatte, schaltete er das Radio an und 'Snow Whites Poison Bite' tönte aus den Boxen mit dem Song 'The End of Prom Night'. Seine Finger trommelten im Takt des Beats auf das Lenkrad, während er der Autobahn einige Kilometer folgte und sie dann verließ, um über eine verlassene Landstraße zu fahren, wo er nach einigen Kilometern auf eine kleine Waldstraße abbog und ihr bis zum Ende folgte. Sein Weg endete an einem großen, schmiedeeisernen Tor und er hupte zwei Mal hintereinander, bevor das Tor sich in Bewegung setzte und sich so weit öffnete, dass sein Wagen hindurch passte. Das Tor fiel mit einem Krachen wieder in seine Verankerung, gerade als er aus dem Wagen gestiegen war und er blickte kurz zurück, um aus Gewohnheit die Umgebung nach etwas zu überprüfen, das hier nicht hin gehörte. Sein Gefühl sagte ihm, dass alles in Ordnung war, aber das abscannen seiner Umgebung war so tief verankert, dass er es einfach tun musste, bevor er die Treppen zu der imposanten Eingangstür nach oben ging. Was auch immer ihn für ein Auftrag erwartete, er hatte das Gefühl, er müsste sich Sommer taugliche Klamotten besorgen, was im Anbetracht der Flügel auf seinem Rücken schwer werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)