Ich bin bereits tot von Flordelis (John-Cleaver-Reihe) ================================================================================ Prolog: Prolog: Sie haben uns gefunden. --------------------------------------- „Was würdest du aufgeben, um ein Begabter zu werden?“ Die Verlockung eines unbesiegbaren Königs, ausgesprochen von der Stimme eines Mörders, in einer kalten Winternacht, in der Garage einer Leichenhalle. Ein schwarzhaariger junger Mann von 17 Jahren, der vor der Entscheidung seines Lebens stand, der allein mit seiner Intelligenz die Aufmerksamkeit dieses Königs auf sich gezogen hatte, dem gerade alles versprochen wurde, was er sich jemals erträumt hatte. Und doch waren da Zweifel, die ihn davon abhielten, diese Entscheidung zu treffen. „Du musst einfach nur das Richtige aufgeben.“ All die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, trafen immer wieder auf einen zerbrochenen Spiegel. Ein Badezimmer voller Blut. Der schrecklichste Anblick seines Lebens, den er vergessen wollte, am besten für immer. Er müsste ablehnen, er wusste das. Es war nicht gut, er kannte die zerstörten Existenzen. Jene, die der König Begabte nannte, die sich selbst aber vielmehr als Verfluchte oder Verwelkte sahen. Eine solche stand neben ihm, bat ihn, das Angebot nicht anzunehmen. Ein Häufchen Elend, einst so mächtig wie ein Gott und nun nicht viel mehr als ein zerrütteter Geist in einer verrottenden Hülle, so wie er es bei vielen anderen, die von ihm getötet worden waren, beobachtet hatte. Aber vielleicht … nur vielleicht würde es bei ihm anders werden. Also schloss er die Augen und hieß den endlosen, unzerstörbaren Frieden willkommen. „Bist du bereit? Wir müssen uns mit einigen Leuten treffen.“ Zur selben Zeit, viele tausend Meilen entfernt, stand ein anderer junger Mann, der dem ersten ähnelte, ebenfalls vor einer lebensverändernden Situation. Er kniete, inmitten von schwarzen, öligen Pfützen, im Eingangsbereich seines Hauses. Neben ihm lag der Körper seines Vaters, aus den länglichen Wunden, die in seine Brust geschlagen worden waren, floss noch mehr von dieser Substanz, statt rotes Blut, wie es eigentlich zu vermuten gewesen wäre. „Kieran ...“ Ein verzweifeltes Schluchzen, das die Stille durchbrach, ein schweres Atmen. Es war nicht der junge Mann, der weinte, er starrte einfach nur. Wartete auf etwas, das nicht eintrat, was er nicht verstehen konnte. „Es wird nicht funktionieren. Er hat sie mir genommen.“ Mit einer kraftlosen, unbestimmten Bewegung, deutete er zu einer der Lachen hinüber. Der junge Mann, der Kieran genannt worden war, schüttelte mit dem Kopf, unwillig, diese Wahrheit einzusehen, sie zu akzeptieren, doch er sagte immer noch nichts, hörte dafür die folgenden Worte umso deutlicher: „Du musst fliehen. Sie wissen von dir. Und sie werden dich suchen. Nimm alles aus der Schublade und lauf. Sie dürfen weder dich, noch etwas aus dieser Schublade jemals finden.“ Nur eine halbe Stunde, nachdem der Körper seines Vaters ebenfalls zu einer solchen Pfütze geworden war, lief Kieran mit einer Sporttasche über der Schulter quer durch die Stadt. Er wagte kaum, den Bus oder irgendein anderes Fortbewegungsmittel zu nehmen, wechselte die Straße so oft wie möglich und vermied es, irgendjemanden anzusehen. Jeder Passant, der ihm begegnete, kam ihm verdächtig vor, auch wenn er keiner seiner Verfolger war. Als er schließlich vor dem Haus ankam, das sein Ziel war, atmete er kaum merkbar auf, wobei sein Atem als weißer Lufthauch vor ihm sichtbar wurde – und es dadurch sehr wohl merkbar wurde. Wenige Sekunden später befand er sich bereits im Haus, lief eilig zu dem gesuchten Stockwerk hinauf und blieb dort wieder vor einer bestimmten Tür stehen. Sie war geöffnet, ein junger Mann, ein Freund, stand mit verschränkten Armen gegen den Rahmen gelehnt und sah ihn amüsiert schmunzelnd an. „Kieran, welch glücklichem Umstand verdanke ich deinen Besuch?“ Noch immer ein wenig atemlos dauerte es einen kurzen Moment, bevor er antworten konnte. In dieser Zeitspanne gelang es seinem Gegenüber, die Situation einzuschätzen, worauf sein Blick ernst wurde, aber er sagte nichts mehr. Das überließ er dafür gänzlich Kieran, der endlich zu Atem gekommen war: „Sie haben meinen Vater umgebracht. Sie haben uns gefunden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)