Dunkelstes Reich von Flordelis ================================================================================ Zweite Welt der Zuflucht – Klar, lass uns spielen. -------------------------------------------------- Unter anderen Umständen hätte Faren dieses Haus bestimmt gemocht. Es war erfüllt von einem angenehmen Geruch, der ihn an Kieran erinnerte. Aber auch an Cathan und Granya, als ob alle Gerüche der kleinen Familie hier miteinander vereint wären, um ein Heim zu bilden. Das erinnerte ihn an die Wohnung seiner Eltern, ein unangenehmer Ort, verbunden mit furchterregenden Erinnerungen, die er gleich wieder zu verdrängen versuchte, indem er sich weiter auf das Haus konzentrierte. Die Bodendielen und die Treppe waren aus dunklem Holz gefertigt, die angenehm fürs Auge waren. Als er den Kopf in den Nacken legte, konnte er bis zu den Dachbalken hinaufsehen, buntes Licht fiel dort durch ein Fenster, das wohl aus Buntglas bestehen musste, und malte wundersame Muster auf die oben liegende Wand, die er von hier unten nicht so recht sehen konnte. Von dort oben war aber auch ein melodisches Summen zu hören, das an das Lied von zuvor erinnerte, mit dem er das Siegel auf der Tür gebrochen hatte. Am oberen Treppenabsatz, zwischen dem kunstvoll geschnitzten Geländer, glaubte er, eine schemenhafte Gestalt zu erkennen, aber als er sie genauer mustern wollte, war sie bereits wieder verschwunden. Dennoch wusste er, dass es nicht nur seiner Einbildung entsprungen war. Alles in diesen Welten war von Kieran geschaffen worden und das alles zu einem Zweck. Doch statt dieser Erscheinung in den ersten Stock zu folgen, wo das Summen noch immer erklang, sah er sich erst einmal genauer im Erdgeschoss um. Nach rechts führte ein Durchgang ins Esszimmer, links ins Wohnzimmer. Ersteres war dem Zweck entsprechend einfach eingerichtet, mit einem Tisch, mehreren Stühlen und auch ein Geschirrschrank. Im anderen Zimmer fiel ihm zuerst der modern aussehende Flachbildfernseher auf, vor dem ein dunkles Sofa, ein dazu passender Sessel und ein niedriger Glastisch standen. Er war versucht, sich hinzusetzen und sich auszuruhen, aber ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass dafür keine Zeit blieb. Also folgte er doch dem Summen nach oben und ignorierte die Zimmer, aus denen nur Stille kam. Er bog um die Ecke und kam vor einer weißen Tür zu stehen, die nur angelehnt war. Faren warf vorsichtig einen Blick hinein. Zuerst entdeckte er ein Bett aus weißem Holz, direkt gegenüber der Tür. Es war frisch bezogen mit schneeweißer Bettwäsche, den Duft des Waschmittels roch er bis zu seiner Position. Dann sah er zu der Gestalt, die auf dem Boden kniete. Es war ein Junge, möglicherweise um die acht Jahre, mit schwarzem Haar, der ihm den Rücken zuwandte, so bemerkte Faren aber zumindest rasch, dass er eine schwarze Jeans und einen roten Kapuzenpullover trug. Eine Kleidung, die er Kieran gar nicht zugetraut hätte, auch nicht als Kind. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass Kieran während des Summens damit beschäftigt war, ein Bild zu malen. Ein großes Blatt Papier befand sich vor ihm auf dem Boden, neben ihm waren mehrere Wachsmalstifte zu sehen. Gerade legte Kieran den roten Stift auf dem Boden ab, ehe er sich den schwarzen nahm und damit weitermalte. Um ihn nicht zu erschrecken, betrat Faren vorsichtig den Raum, umrundete den Jungen und ging dann vor ihm in die Knie. „Hallo. Was malst du denn da?“ Kieran hielt nicht einmal für eine Sekunde inne, der schwarze Stift glitt über das Papier. „Ein Bild von dir.“ Selbst als Kind war seine Stimme schon derart melodisch gewesen, wie Faren feststellte. Aber er konnte das gerade nicht wirklich genießen, da ihn etwas anderes irritierte: „Aber wir kennen uns doch gar nicht, wie kannst du da ein Bild von mir malen?“ „Du bist ein lästiger Vollidiot“, erwiderte Kieran darauf. „Natürlich kenne ich dich.“ Für einen kurzen Moment war Faren verwundert über diese Antwort. Nicht wegen der Bezeichnung lästiger Vollidiot, die kannte er bereits, sondern weil der junge Kieran über ihn Bescheid wusste. Aber dann rief er sich wieder ins Gedächtnis, dass er sich in dem Unterbewusstsein seines Freundes befand und hier natürlich jeder ihn kannte. Schließlich hielt Kieran inne und richtete den Oberkörper auf, so dass Faren ihm endlich ins Gesicht sehen konnte. Als Kind war Kieran wirklich süß gewesen, noch ohne seine Emo-Frisur, dafür mit einem neugierigen und offenen Blick in den Augen – und sein Lächeln war so bezaubernd, dass man ihm sofort mindestens ein Eis kaufen wollte. „Ich mag dich trotzdem“, verkündete der Junge da bereits. „Willst du mit mir Verstecken spielen?“ Eigentlich hatte er dafür absolut keine Zeit, aber er konnte dem Blick nicht widerstehen. Außerdem war es gut möglich, dass ihm das hier weiterhalf. „Klar, lass uns spielen.“ Kierans braune Augen leuchteten begeistert auf. Hastig erhob er sich. „Gut, du bist mit suchen dran. Ich verstecke mich, während du zählst.“ Faren stand ebenfalls wieder auf, drehte sich um, schloss die Augen und begann zu zählen. „Eins. Zwei. Drei ...“ Hinter sich hörte er, wie Kieran hastig davonrannte, seine Schritte entfernten sich rasch, bis sie verstummten. Sie hatten nicht ausgemacht, wie weit Faren zählen sollte, deswegen hörte er bereits nach zehn wieder auf und öffnete die Augen. Zuerst wollte er auf die Uhr sehen, um zu wissen, wie viel Zeit ihm noch blieb – aber sein Blick fixierte sich auf die Wand ihm gegenüber. Als er hereingekommen war, das wusste er noch genau, war die Tapete noch makellos weiß gewesen. Nun standen, mit schwarzer Wachsmalkreide aber Worte dort: Sieh dir das Bild an. Es war unmöglich, dass der junge Kieran es geschrieben hatte, seine Schritte waren zu schnell in der Ferne verstummt. Also musste es von dem Kieran stammen, wegen dem er hier war und er konnte diesen Worten vertrauen. Er drehte sich um und hob das Bild vom Boden auf, um es genauer zu betrachten. Der Großteil des Blattes war mit einem schwarzen Stift ausgemalt worden, lediglich ein runder Bereich in der Mitte war noch mit etwas anderem bedeckt. Zu sehen war eine Figur, die ihn erschreckend an sich selbst erinnerte, auch wenn sie derart stilisiert war, wie es sich für eine Kinderzeichnung gehörte. Aber vielleicht glaubte er auch nur, sich zu erkennen, weil Kieran das zuvor behauptet hatte. Die Gestalt lag auf einer der schwarzen Flächen, aber das wohl eigentlich weiße Hemd war teilweise rot, als wäre es in Blut getränkt worden. Während er sich darauf konzentrierte, bemerkte er plötzlich, dass die schwarze Fläche sich zu bewegen begann und deswegen musterte er sie genauer. Die Farbe waberte, als wäre sie eine Flüssigkeit oder Nebel – und plötzlich tauchte am Rand des weißen Kreises etwas auf. Es war etwas Grünes, das kaum zu sehen war, da es im nächsten Moment bereits das Maul öffnete und damit glänzende silberne Zähne präsentiert, die derart rasiermesserscharf waren, dass sie den Körper des gemalten Faren mit einem Biss in zwei teilten. Der echte betrachtete das machtlos, unfähig, wegzusehen, obwohl es ihm vorkam, als wäre längst jegliches Blut aus seinem Körper gewichen und er müsste eigentlich schon bewusstlos auf dem Boden liegen. Dabei wusste er nicht, was ihn mehr verstörte: dass sich das Bild bewegte oder das Motiv an sich? Mit einem weiteren Happs verspeiste das Monster dann auch noch den Rest von dem gemalten Faren, ehe es wieder verschwand. Zurück blieb nur eine rote Pfütze. Schlagartig kehrte das Leben wieder in ihn zurück. Er ließ das Blatt los, als hätte er sich daran verbrannt. Während es sanft zu Boden schwebte, hörte er ein leises Kinderlachen, das durch das Fenster einzudringen schien. Als Faren hinaussah, entdeckte er einen Wald, durch den ein Pfad führte – und Kieran rannte diesen gerade entlang. „Es wird wohl Zeit, dass ich suchen komme“, murmelte Faren. Mit großen Schritten machte er sich auf den Weg ins Erdgeschoss, wo er eine Glastür fand, die hinter das Haus führte. Grauer Nebel hüllte den Boden ein, aber von hier aus konnte er jenseits der Bäume den Umriss eines Gebäudes erkennen. Warum er es von oben nicht gesehen hatte, war ihm unverständlich, aber er war nicht hier, um die geltenden Regeln der Optik zu hinterfragen, also machte er sich rasch auf den Weg, Kieran über den Pfad zu folgen. Der Wald an sich erschien ihm unheimlicher, als er sein sollte. Von überall her schienen ihn Augen anzustarren, körperlose Stimmen versuchten, ihm Dinge einzuflüstern, die ihn an den Rand der Verzweiflung zu drängen versuchten, obwohl er nicht einmal die genauen Worte verstand. Formlose Hände, Klauen gleich, zogen und zerrten an ihm, aber wann immer er sich umsah, waren es nur die kahlen Äste der Bäume, an denen er vorbeirannte, die sich noch dazu kein Stück bewegten. Faren beeilte sich, diesen Wald hinter sich zu bringen und kam bald vor dem Gebäude an, das er vorhin gesehen hatte. Das spöttische Lachen, das durch das Unterholz zu hallen schien, ignorierte er dabei, das war sicher besser für seine mentale Gesundheit. Das Gebäude vor ihm war eine alte, stillgelegte Fabrik, genau solche wie jene, in denen er früher oft übernachtet hatte. Die staubigen, dunklen Fenster waren zu einem großen Teil bereits zerstört, trotzdem herrschte im Inneren Dunkelheit, dem Eingang fehlte jede Tür und die Bretter, die dazu verwendet worden waren, Schaulustige davon abzuhalten, einzutreten, lagen nutzlos und mit Moos überwuchert auf dem Boden. Dadurch gab es auch nichts, was Faren daran hinderte, hineinzugehen. Nach wenigen Schritten wurde er Teil der Dunkelheit, besonders als sich der Eingang doch noch hinter ihm verschloss. Hinterfrage es nicht!, ermahnte er sich. Dafür hast du gar nicht die Zeit, denk an Kieran! Also bahnte er sich blind einen Weg durch die Finsternis. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, hielt die Arme nach vorne und zur Seite ausgestreckt, in einem Versuch, etwas zu finden, an dem er sich orientieren konnte. Die Stille lastete schwer auf seinen Ohren und ließ ihn nur das Rauschen des Bluts durch seinen Körper hören. Seine Augen waren weit aufgerissen, schafften es aber einfach nicht, sich so weit an die Dunkelheit zu gewöhnen, dass er zumindest Schemen oder Umrisse erkennen könnte. Plötzlich fand sein tastender Fuß keinen Grund mehr, weswegen er ihn wieder zurückzog, um auf dem Boden zu bleiben. Er beugte sich vor, blickte hinab – und entdeckte dabei ein Glühen weit unter sich. Aber er war sich nicht sicher, ob er herausfinden wollte, worum es sich handelte. Während er überlegte, ob er eine Technik kannte, mit der er hinabgelangen könnte, hörte er bereits eine leise Stimme, die aus dem Dunkeln an sein Ohr drang: „Warum springst du nicht einfach?“ Es lief ihm kalt den Rücken hinunter, wie der Finger des Todes, der seine Wirbelsäule entlangstrich, als er diese Stimme erkannte: Es war seine eigene. Während er sich daran erinnerte, wann er das wohl einmal gesagt hatte, baute sich vor ihm eine geisterhafte Szenerie auf. Er sah sich selbst auf dem Balkon seiner Mutter, kurz nach seiner Rückkehr zu ihr. Lucastas Tod war zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange her gewesen, sein Leben hatte in diesem Moment keinen Sinn mehr gemacht – und dann war er dort auf diesem Balkon gestanden, um eine Zigarette zu rauchen. Etwas, das er seit damals inzwischen nicht mehr tat. Er hatte nur hinabgesehen, ohne jeden Grund – und dann war ihm dieser Gedanke gekommen. „Warum springst du nicht einfach?“ Da waren keine Argumente gewesen, die dagegen sprachen, nichts, was ihn noch an diese Welt binden sollte und doch war er geblieben. Rein aus Prinzip, denn solange sein Unterbewusstsein ihm nicht „Spring einfach“ sagte, sondern es als Frage formulierte, war er nicht bereit, aufzugeben. Mit dieser Erkenntnis zerfiel die Szenerie wieder und war zurück in der Dunkelheit. „Dann spring“, forderte eine Stimme, die nicht seine eigene war. „Spring und finde heraus, wie du deine Flügel entfaltest.“ Es war eindeutig jene von Kieran, nicht die des Jungen, nicht die der Illusion, der er in der Bahn gegenübergesessen war. Es war eine Erinnerung an einen Satz, den er tatsächlich einmal gesagt hatte – und Faren beschloss, ihn wirklich beim Wort zu nehmen. Damit machte er einen Schritt nach vorne und ließ sich einfach in die Tiefe stürzen. Die Dunkelheit umfing ihn, hieß ihn willkommen und versprach ihm hier die Ruhe, die er sich schon ewig gewünscht hatte. Unter anderen Umständen hätte er sie auch akzeptiert, aber hier ging es um Kieran – und das bedeutete, dass er nicht aufgeben durfte. Wirbelnde Pistolen erschienen in seinen Händen. Er packte sie und gab damit ungezielte Schüsse in die Dunkelheit ab. Das Mündungsfeuer zerriss den schwarzen Schleier für den Bruchteil einer Sekunde, offenbarte vogelartige Wesen, die ihn umkreisten und auf ihn zustürzen wollten. Immer wieder gab er Schüsse ab, jedes Mal fanden die Kugeln ihr Ziel und zerfetzten die Wesen, ohne dass er das beobachten konnte, es war lediglich zu spüren, wie die Entitäten um ihn herum schwanden. Mit jedem schwindenden Wesen kam es ihm vor, als verlangsamte sich sein Fall, so dass er schließlich nur noch schwebte und sanft auf dem Boden aufkam. Schlagartig schwanden alle anderen Entitäten und dafür erhellte nun Licht, das von keinerlei Quelle zu kommen schien, die Höhle, in der er sich befand. Die Wände dieses kreisrunden Raumes waren mit vertrockneten Ranken überwuchert, die sich scheinbar verzweifelt geradezu am Mauerwerk festkrallten, als fürchteten sie, jederzeit abgerissen werden zu können. Direkt vor ihm, nur wenige Schritte entfernt, stand der junge Kieran, der ihn stolz lächelnd ansah. „Du hast mich gefunden. Gut gemacht.“ Faren konnte darauf nichts erwidern, da seine ganze Aufmerksamkeit viel zu sehr von dem im Beschlag genommen wurde, was sich neben Kieran, direkt in der Mitte des Raumes, befand. Eine riesige Pflanze wuchs von dort aus dem Boden, schien sogar der Kernpunkt aller Ranken zu sein. Der baumstammdicke Stängel endete in einer gekrümmten roten Blüte, die auf den ersten Blick an Lippen erinnerte – und als die Blätter sich für einen kurzen Moment öffneten und dabei messerscharfe Zähne entblößten, zeigte sich ihm auch, dass der Vergleich gar nicht so abwegig war. „Aber es ist trotzdem zu spät.“ Kierans Worte lenkten Farens Aufmerksamkeit wieder auf diesen zurück. „Was meinst du da-?“ Im selben Moment senkte sich die Pflanze über Kieran und verspeiste den Jungen in einem Zug. „Kieran!“ Sein erschrockene Ruf hallte von den Wänden wider und vertrieb schlagartig die Stille Zurück blieb das Echo seiner Stimme, gemischt mit dem Knirschen der Knochen, während das Wesen kaute. In Farens Inneren schien sich in diesem Moment ein schwarzes Loch aufzutun, das alles verschlang, sämtliche Empfindungen und Emotionen – abgesehen von Wut. Diese durchzog seinen gesamten Körper mit Flammen und ließ ihn endlich lebendig werden. Mit einem Schrei stürzte er sich auf das Pflanzenwesen, eine Sense entstand dabei in seinen Händen, um seinen Kampfeswillen zu unterstützen. Eine mit Stacheln bewährte Ranke schoss aus dem Boden, versuchte Faren mit einer gelangweilten Bewegung beiseitezustoßen. Mit einem einfachen Sprung begab er sich auf die Ranke und rannte diese entlang, ein wildes Funkeln in den Augen, die nur ein Ziel kannten. Das Wesen stieß derweil einen Schrei aus, worauf sich erneut zahlreiche dieser vogelähnlichen Monster um Faren versammelten. Bei diesen Lichtverhältnissen konnte er sehen, dass ihr Gefieder schmutzig-braun war, die Schnäbel gebogen wie die eines Geiers, die Beine so lang wie die eines Straußes, aber der Körper an sich war viel kleiner. Unter anderen Umständen hätte Faren das alles gern genauer eruiert, aber dafür hatte er keine Zeit. „Geht weg von mir!“, fauchte er. Ein heller Blitz zuckte und traf alle Vögel auf einen Schlag, worauf sie sich wieder auflösten. Die Ranke zuckte, während Faren noch immer auf ihr entlanglief, versuchte erfolglos, ihn abzuschütteln. Kurz bevor er das Ende erreicht hatte, schwang er die Sense, worauf der Großteil der Ranke abgetrennt wurde. Der schmerzerfüllte Schrei der Pflanze schmerzte in Farens Ohren und fachte seine Wut weiter an. Er stieß sich von dem kümmerlichen Rest der Ranke ab und wirbelte in der Luft noch einmal seine Sense, ehe er diese dem Wesen entgegenschleuderte. Die Waffe drehte sich, unabhängig von ihm, immer weiter, traf auf das Pflanzenwesen – und zerteilte dieses sauber in zwei Hälften. Faren landete wieder auf dem Boden, während das leidvolle Klagen des Gegners verstummte und die Überreste in erstaunlicher Geschwindigkeit vertrockneten und sich dann in Staub verwandelten. „War es das schon?“, fragte Faren knurrend. „Du frisst Kieran und hast nicht mehr zu bieten als das?“ Natürlich hatte das Wesen nicht den echten Kieran gefressen, Faren wusste das, und doch stach es ein wenig in seiner Brust, beobachtet zu haben, wie er gestorben war. Ohne etwas dagegen tun zu können … Dafür war der Kampf viel zu kurz gewesen, keine Herausforderung, nicht im Mindesten, und doch war er unfähig gewesen, Kieran zu helfen. Ganz genau wie vor einem Jahr, eigentlich genau wie immer. Er schaffte es einfach nie, ihm zu helfen. Kurzentschlossen entlud er seinen Frust mit einem Tritt gegen den großen Aschehügel, der sich gleich darauf teilte und etwas anderes zum Vorschein brachte. Faren ging in die Knie und hob vorsichtig das Buch auf, das dort lag. Trotz seiner Wut durfte er nicht vergessen, dass er aus einem bestimmten Grund hier war, damit so etwas wie eben nicht noch einmal geschah. Und aus diesem Grund musste er alles untersuchen, was ihm hinterlassen wurde. Es war ein Kinderbuch, das erkannte er sofort. Auf dem Cover war ein schwarzer Hase, umringt von mehreren weißen, zu sehen. Vorsichtig pustete er die Asche weg, um auch den Titel lesen zu können: Little Blacky und die ungewisse Zukunft. Er runzelte die Stirn über diesen Titel und öffnete das Buch. Doch er hatte kaum einen Blick auf die erste Seite geworfen, da wurde er von einem Lichtstrahl abgelenkt, der sich einen Weg hereingebahnt hatte. Er blinzelte mehrmals, bevor ihm bewusst wurde, dass dieses Licht durch die Wand fiel. Da die Ranken an dieser Stelle vertrocknet waren, konnte er nun einen Riss im Mauerwerk erkennen, den das Licht nutzte, um ihm den Weg zu zeigen. „Ich weiß schon“, murmelte er. „Ich habe nicht viel Zeit, nicht wahr, Kieran?“ Damit schloss er das Buch wieder, worauf sich dieses in glitzernde Funken auflöste. Faren lächelte unwillkürlich, dann folgte er dem Lichtstrahl, um wirklich weiterzukommen, während gleichzeitig eine geisterhafte Stimme zu erzählen begann: „Es war einmal ein schwarzer Hase, der zwischen lauter weißen Hasen lebte ...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)