Giniro no Sora von Schangia (One Shot Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Wer den Tod fürchtet, will immer so elegant wie möglich sterben -------------------------------------------------------------------------- Katsura Kotarou hatte sich in seinem Leben noch nie vor etwas gefürchtet. Seit er denken konnte, plante er mindestens ein halbes Dutzend Schritte voraus, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Er war gedanklich bereits so viele unsinnige, realitätsferne Szenarien durchgegangen (die letzten Endes nicht eingetreten waren), nur um von seinen Gegnern nicht überrascht werden zu können, dass er manches Mal fast schon ein wenig enttäuscht war, wenn alles reibungslos und ohne Zwischenfälle verlief. Planung gab ihm Sicherheit. Wenn er schon vorher wusste, wie er sich in jeder nur irgendwie möglichen Situation verhalten sollte, musste er nicht fürchten, überrascht und getötet zu werden. Der Tatsache, dass er auf alles vorbereitet war, verdankte er einen Großteil seiner bisherigen Erfolge, und auch wenn ihn einige dafür verspotten mochten, würde er nichts daran ändern. Selbstverständlich hatte er auch seinen Tod bereits bis ins kleinste Detail durchgeplant. Er wäre ein Narr, wenn er das nicht getan hätte; ein inkonsequenter, leichtsinniger Narr, der die letzte große Inszenierung seines Lebens sonst dem Zufall überlassen hätte. Wenn seine Zeit gekommen war, wollte er wie ein wahrer Samurai durch seine eigene Klinge sterben. Er wollte so sterben, wie es Shouyou-sensei versagt geblieben ist. ›Wenn du genug Zeit hast, über einen eleganten Tod nachzudenken, warum lebst du dein Leben nicht stattdessen elegant bis zum letzten Atemzug?‹ Es war nicht so, dass Katsura einen besonders ausgeprägten Todeswunsch hatte. Ganz im Gegenteil; nichts bereitete ihm so großes Unbehagen, als über sein eigenes Dahinscheiden nachzudenken. Doch wenn sein Leben irgendwann enden würde, wollte er nach Möglichkeit für sein Land und seine Überzeugung sterben, angefüllt mit Stolz und ohne jede Reue. Katsura wollte nichts von dem bereuen, das er je getan hatte. Aus Reue und Hass wuchsen Monster, und als Monster konnte er nicht das beschützen, das ihm am Herzen lag. Das Leben eines Monsters war hässlich und nicht wert, beschützt, geschweige denn gelebt zu werden. Katsura Kotarou zweifelte nicht an dem, was er tat. Wenn er zweifelte, bedeutete es das Ende. Aber manches Mal lauerte das Ende so beängstigend nahe hinter ihm, dass er sich die Frage stellte, ob es nicht sowieso alles umsonst war. In solchen Momenten war er froh, einen Gefährten an seiner Seite zu wissen, mit dem er über alles reden konnte. »Elizabeth?« Katsura legte das Dokument, das er bis eben gelesen hatte, vor sich auf den Tisch und wartete einen Moment, ehe er weitersprach. »Wenn ich sterbe, dann hänge meine Leiche so hoch, dass mich alle sehen können.« Elizabeth schaute von der Zeitung auf, legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. Als er merkte, wie ernst es Katsura war, faltete er die Zeitung zusammen und schenkte ihm seine gesamte Aufmerksamkeit. »Sie sollen sehen, was ich erreichen wollte. Sehen, was ich nicht imstande war zu erreichen.« Seine Stimme wurde leiser. »Sie sollen sehen, wofür ich mein Leben gegeben habe.« Elizabeth schien kurz zu überlegen, schrieb dann hastig auf ein Schild und hielt es hoch. ›Ein heroischer Tod.‹ Darauf lächelte Katsura bitter und richtete den Blick durch das Fenster nach draußen. »Vielleicht auch einfach nur der Tod eines Feiglings, der nicht bis zum Ende überleben konnte.« Er nahm sich Zeit damit, die Welt draußen zu betrachten, die so viel friedlicher wirkte als all das, womit er sich in diesem Raum beschäftigte. Als Katsura schließlich wieder zu Elizabeth sah, hielt der bereits das nächste Schild hoch. ›Feiglinge sind meist die, die am längsten überleben.‹ Darauf überlegte er lange, ließ sich Zeit mit seiner Entgegnung. »Macht es mich zum Feigling, dass ich mich keinem Kampf gegen die Shinsengumi stelle?« Katsura wusste nicht, ob er sich Elizabeths unzufriedenen Gesichtsausdruck nur einbildete oder nicht. In jedem Fall schien er sehr viel energischer auf das Schild zu schreiben als sonst üblich. ›Gute Anführer lassen ihre Männer nicht in den sicheren Tod rennen.‹ »Es ging mir nie darum, ein guter Anführer zu sein«, antwortete er gedehnt und richtete den Blick gen Boden. »Es ging niemals darum, andere Männer in einen Krieg zu führen, den sie ohne mich vielleicht gar nicht als ihren ansehen würden.« Wenn Elizabeth gekonnt hätte, hätte er bestimmt mit den Augen gerollt, dessen war Katsura sich sicher. Dementsprechend wenig überraschte ihn das nächste Schild. ›Wenn dich das so sehr belastet, schneide dir den Bauch auf.‹ Fast hätte er gelacht. So oft schon hatte er davon gesprochen, sich wie ein ehrenhafter Samurai den Bauch aufzuschlitzen. Meistens dann, wenn all seine geplanten Möglichkeiten damit endeten, dass er dem Feind in die Hände fallen würde. Oder zumindest wenn er dachte, dass dies der Fall sein würde. Denn egal, wie ausführlich Katsura plante, unfehlbar war er nicht, das wusste er. Aber manchmal – auch das wusste er – hörte er auf zu kämpfen, obwohl er noch eine Chance auf den Sieg hatte. »Meine Zeit ist noch nicht gekommen. Ich kann noch nicht sterben.« Ein schwaches Lächeln fand den Weg auf sein Gesicht, als er das Dokument vor sich wieder zur Hand nahm. »Danke, Elizabeth.« Sein Freund nickte knapp und widmete sich wieder seiner Zeitung. Es war nicht das erste Mal, dass sie dieses Gespräch führten, und allmählich wurde er des Themas müde. Für Katsura aber war es jedes Mal von allergrößter Wichtigkeit. Er musste sich vergewissern, dass das, was sie tagtäglich taten, einem Zweck diente. Dass als die Leben, die sie beendeten, nicht sinnlos genommen wurden. Dass sie nicht einfach nur Mörder waren, sondern für das Wohl ihrer Heimat kämpften. Katsura Kotarou hatte sich in seinem Leben noch nie vor etwas gefürchtet. Außer vielleicht davor zu sterben, ohne damit irgendetwas erreichen zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)