Ich wünsch mir... von DJ-chan ================================================================================ Kapitel 1: Ich wünsch mir... ---------------------------- Das kühle Wasser im Brunnen warf sanfte Wellen, als Kogyoku nachdenklich ihre Finger hindurch zog. Dieser Ort war schon fast mit magischer Stille erfüllt, obwohl er doch immerhin in der Stadt lag. Doch die Laute des geschäftigen Treibens reichten nicht bis hierher, viel zu lang waren sie durch die schmalen Gassen gewandert und hatten das Zentrum weit hinter sich gelassen. Ihr Ziel war dieser Brunnen gewesen, ein Wunschbrunnen, so hatte man ihr erzählt. Inmitten einer engen Häuserschlucht stand er, fast schon unscheinbar. Es war nicht mal ein richtiger Brunnen, der zum Fördern von Wasser gedacht war, sondern ein Zierbrunnen. Kogyoku fragte sich, ob man hier in der Gegend überhaupt einen Zierbrunnen benötigte, hielt sich aber nicht allzu lange mit diesem Gedanken auf. Viel wichtiger war doch, dass dieser Brunnen hier Wünsche erfüllen sollte! Zwar nur einen einzigen, aber immerhin! Ihre Lippen formten ein zartes Lächeln und sie wog vorsichtig das Goldstück in ihrer anderen Hand. Sie hatte sich auf der weißen, hüfthohen Mauer des Brunnens niedergelassen und dachte schon seit geraumer Zeit nach. Was sollte sie sich denn nun wünschen? Welcher Wunsch war der Richtige? Ein langsam immer hektischer werdendes Fächern störte ihre Konzentration. „Prinzessin, wir sollten uns beeilen. Immerhin dürften wir gar nicht hier sein…“, murmelte Kobun Ka nervös, aber auch leise, so als könnten laute Töne ein Unheil heraufbeschwören. Er stand mit einem knappen Meter Entfernung neben der jungen Frau, dachte aber nicht im Traum daran, sich ebenfalls niederzusetzen. Eigentlich hätten sie sich niemals so weit vom Palast entfernen dürfen. Was, wenn etwas passierte? Misstrauisch lugte er zu dem Durchgang, aus dem sie gekommen waren. Sie befanden sich in einer Sackgasse und das war dem langjährigen Berater der Prinzessin alles andere als Recht. „Kobun Ka, nun lass mich doch wenigstens ausreichend darüber nachdenken, was mein innigster Wunsch ist! Es wäre doch eine Schande, diese Chance zu verschwenden, findest du nicht auch?“ „Also ich finde, das hier ist reine Zeitverschwendung. Wenn ich gewusst hätte, das du so etwas Langweiliges machst, dann wäre ich lieber im Palast geblieben“ Empört über diese ruppigen Worte drehte sich die junge Frau ruckartig um: „Judar!“ Lange schon schwang fast jedes Mal, wenn sie diesen Namen aussprach, ein unterschwelliger, vorwurfsvoller Ton mit. So auch diesmal. Wieso auch sollte das, was sie tat, langweilig sein?! Der fast vollständig in Schwarz gekleidete Magi lachte bei dieser Tonlage nur auf. „Das ist doch ganz einfach! Wer ist denn auch so blöd und glaubt an einen Wunschbrunnen?“ Bislang war er federleicht neben ihr geschwebt, doch nun landete der junge Mann auf der Mauer des Brunnens. Dort tappte er ein paar Schritte entlang, wie ein Kind, das auf einem Balken balanciert. Kogyoku beobachtete stumm wie sein langer, schwarzer Zopf dabei wie ein Pendel hin- und herschaukelte. Dann endlich drehte er sich wieder um und blickte sie an. „Ist doch nur ein Haufen Steine mit Wasser drin. Mehr nicht. Wie sollten dadurch die Rukh oder das Schicksal beeinflusst werden?! Erklär mir das mal!“ Er stemmte die Hände in die Hüften und sah sie erwartungsvoll an. Aber eigentlich erwartete er gar keine logische Antwort. Sie interessierte ihn wahrscheinlich nicht einmal. Das einzige, was er sich erhoffte, war eine lustige Reaktion von Kogyoku. Belustigt beobachtete er, wie sich ihre Wangen vor Hilflosigkeit leicht röteten. Nur ein bisschen, aber das reichte schon aus um ihm ein süffisantes Grinsen zu entlocken. Sie bemerkte es und drehte sich schnell wieder zum Wasser hin. „Das tut nichts zur Sache, es wird funktionieren, das wirst du schon sehen“, vor lauter Trotz plusterte sie unbewusst ihre Backen ein wenig auf. Sie würde jetzt einfach ihren Wunsch formulieren und wenn er dann eintrat, dann würde Judar schon staunen! „Ich wünsche mir…“, setzte Kogyoku mit geschlossenen Augen an und hielt dabei das Goldstück besonders stark fest. „…einen wundervollen Ehemann!“, flötete Judar neckisch. Beinahe hätte die junge Frau vor Schreck das Goldstück fallen gelassen. „J…Judar…was?“, ihr Satz ergab herzlich wenig Sinn, aber zu mehr war sie gerade nicht imstande. Knallrot versuchte sie sich hinter den langen Ärmeln ihrer Robe zu verstecken. Gerade auf eine solche Reaktion hatte Judar gehofft. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen spazierte er zu ihr und beugte sich zu ihr hinab. „Aber Prinzessin, genau solch einen Wunsch werdet Ihr euch doch gerade überlegt haben, nicht?“, flüsterte er spöttisch und registrierte zufrieden, wie sie sich noch ein bisschen mehr hinter ihren mit Rüschen verzierten Ärmeln duckte. Dann war der Ausflug doch nicht so unerträglich langweilig, wie es gerade eben noch schien! Leicht zitternd hielt sie ihre Stellung ein paar Augenblicke lang. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen. „U…Und wenn schon! Das ist doch ein ganz normaler Wunsch!“ Ihre Stimme klang noch sehr wackelig, aber der Ärger darin war nicht zu überhören. „Aha. Und was macht ihn so normal?“, fragte Judar herausfordernd. Noch immer war er über sie gebeugt, sodass ihm auch ja keine ihrer Bewegungen entging. „Das…das ist doch sonnenklar! Alles andere kann ich beeinflussen! Ich…ich kann kämpfen! Jawohl! Aber…aber bei der Suche nach dem richtigen Mann braucht man eben Glück…“, den letzten Teil des Satzes flüsterte die junge Frau nur noch. Vorsichtig nahm sie die Ärmel beiseite und blickte auf einmal in zwei strahlend rote Augen. Der Magi war mittlerweile in Hocke gegangen und somit genau auf ihrer Augenhöhe. Dass ihre Gesichter nun so nah beieinander waren, dass sich ihre Nasen fast berührten, schien ihn nicht sonderlich zu stören. Viel interessanter war dieser scheue Ausdruck in ihren Augen, der ihn an ein aufgeschrecktes Reh erinnerte. Er wollte sie noch mehr aus der Reserve locken. „Und an welche Art von Mann hast du da gedacht?“, fragte er in einem redseligen Ton, fast so als hätte er gerade gefragt, welche Birnensorte ihre liebste sei. Wie erwartet begannen Kogyokus Lippen unkontrolliert zu wackeln und ihre Wangen wurden wieder schlagartig knallrot. Ein paar Sekunden lang starrte sie ihn fassungslos an und versteckte sich dann schnell wieder hinter ihrem Meer aus Rüschen. Diesmal hatte er es sogar geschafft, dass selbst ihre Ohren rot wurden. Er konnte sich ein zufriedenes Kichern nicht verkneifen. Langsam erhob er sich wieder und balancierte erneut ein paar Schritte auf der Mauer entlang. „Nun, wie wäre es mit Sindbad, dem König von Sindria?“, meinte er dabei und warf einen leichten Blick über die Schulter. Kogyoku senkte die Ärmel ein bisschen, damit sie über den Stoff hinweg sehen konnte. Er hatte also immer noch ihre Aufmerksamkeit. „Ich meine, du bist doch so furchtbar rot angelaufen, als du ihn das erste Mal gesehen hast!“ „D…Das kannst du gar nicht wissen! Du warst doch bewusstlos!“, platzte die Prinzessin heraus und ließ ihre Barrikade aus Stoff fallen. Ihr entsetztes Gesicht brachte den Magi zum Lachen. Wer hätte gedacht, dass er noch solchen Spaß haben würde? „Allein deine Reaktion hat es mir doch bestätigt, Dummchen“, meinte er nachdem er sich wieder beruhigt hatte. „Außerdem hast du die anderen Male, bei denen er anwesend war, auch immer so verliebt vor dich hin geglüht. So rot wie eine Tomate war dein Gesicht!“ Das war zwar ein wenig übertrieben, aber was machte das schon? Solange er Kogyoku noch ein bisschen länger necken konnte, war ihm jedes Mittel recht. Doch die junge Frau hatte genug gehört. Sie wollte sich nicht ständig von ihm ärgern lassen! Wütend sprang sie auf und deutete fuchtelnd auf Judar. „Sindbad ist eben ein redlicher Mann! Ein König! Anders als du! Höflich und Zuvorkommend! Ganz anders als du! Groß! Im Gegensatz zu dir! Mächtig! So mächtig, dass sogar du ihm hinterhergelaufen bist!“ Ihre Augen funkelten förmlich, während sie den Magi mit stechenden Blicken anvisierte. Auch die Stimmung des jungen Mannes hatte sich schlagartig verschlechtert. Wie konnte diese alte Schabrake es wagen, ihn mit Sindbad zu vergleichen?! Sein Blick wurde auf einmal eiskalt. „Du missverstehst da etwas gewaltig“, meinte er dann mit einer Tonlage, die so ruhig und klirrend kalt war wie winterliche Bergluft. „Ich bin ihm nicht hinterhergelaufen. Er ist nur gut genug mein Untertan zu werden. Er wird mir hinterherlaufen, verstehst du?“ So recht konnte Kogyoku Judars Worte zwar nicht verstehen, traute sich aber nicht mehr etwas zu entgegnen. So unterkühlt hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Langsam ließ sie ihre Hand sinken, die bis dahin immer noch auf den Magi gerichtet gewesen war. Die Stille zwischen ihnen wurde auf einmal unerträglich. Erst jetzt nahmen beide wieder das nervöse Fächern von Kobun Ka wahr, der schweigend das Spektakel beobachtet hatte. Dieses Geräusch brachte wieder Bewegung in Judar. Er räusperte sich theatralisch und begann zu schweben. „Wie auch immer. Es ist hier stinklangweilig. Keine Ahnung, warum ich überhaupt mitgegangen bin. Wenn Sindbad in ein paar Tagen vorbeikommt, dann werde ich ihn schon überzeugen und dann brauche ich mich auch nicht mehr mit diesen ganzen langweiligen Leuten hier beschäftigen“ Durch das Schweben hatte er sich eine erhöhte Lage verschafft, die seinen Blick auf Kogyoku schon fast herablassend anmuten ließ. „Und bis dahin werde ich mir die Zeit mit Hakuryu vertreiben, der ist im Übrigen tausend Mal interessanter als du!“ Mit diesen Worten flog er von dannen. Kobun Ka fühlte sich verdächtig an ein kleines, trotziges Kind erinnert, als er der Silhouette des Magis nachblickte. Die zwei zu beobachten war meistens schon ziemlich seltsam. Auch jetzt gerade. Die junge Frau hatte nun den Kopf leicht gesenkt und murmelte vor sich hin. Ein paar Satzfetzen, die bis zu dem Berater herüber klangen, vermittelten nichts Gutes. „…dieser Judar…“ „…ich bin also nicht interessant genug…“ Ihre Schultern bebten mittlerweile. Vielleicht sollte er versuchen sie zu beruhigen. Er trat einen Schritt auf sie zu: „Prinzessin…“ Doch seine Worte hatten nicht die erwünschte Wirkung. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und als sie aufsah war ihr Gesicht gerötet vor Zorn. Nur die kleinen Tränen in ihren Augenwinkeln verrieten, das Judar sie nicht nur wütend gemacht, sondern auch verletzt hatte. „Ich…Ich wünschte, dieser doofe Judar würde einfach mal eine Zeit lang kein Wort mehr herausbringen! Dann würde er endlich seinen frechen Mund halten!“, schrie sie beleidigt und pfefferte ihr Goldstück in den Brunnen. So heftig, dass es laut platschte und Wassertropfen weit davon spritzten. Fassungslos blickte Kobun Ka erst auf den Brunnen, dann auf seine Prinzessin. Diese wurde sich auf einmal ihrer absolut nicht königlichen Reaktion bewusst und schlug vor Schreck wieder die Ärmel ins Gesicht. Ein leises Wimmern bestätigte, dass sie ihre Tat auch schon bereute. Fast schon mitleidig beobachtete er sie. Dann atmete er leise ein und ging wiegenden Schrittes auf sie zu. Manchmal hatte seine Anstellung schon mehr Ähnlichkeiten mit den Aufgaben eines Vaters als denen eines Beraters. „Prinzessin, es ist schon spät. Wir sollten jetzt wirklich gehen“, seine leise, freundliche Stimme beruhigte die junge Frau ein bisschen. „Kobun Ka…mein Wunsch…“ „Keine Sorge, Ihr habt doch die Worte unseres Priesters gehört – dieser Brunnen ist kein Wunschbrunnen, also wird auch nichts geschehen“ Er lächelte sie so zuversichtlich an, wie er nur konnte. Eigentlich wollte er aber nur so schnell wie möglich weg. Im Palast gab es hundert wichtigere Dinge zu erledigen. Wichtiger, als das hier. Aber er brauchte nun mal das Vertrauen der Prinzessin. Und ganz sinnlos war dieser Tag auch nicht gewesen, immerhin hatte er nun einen konkreten Plan gefasst. Nach der Niederlage in Balbadd war Sindbad doch ein idealer Neuanwärter! Bis zu seiner Ankunft musste er unbedingt noch alles genauestens regeln! Mit Müh und Not konnte er sein Grinsen hinter dem Fächer verstecken. Das Mädchen hatte sich indes wieder gefasst. Vorsichtig tupfte sie noch die Tränen beiseite, bevor sie anmutig ihren Kopf erhob. „Gut, dann lass uns zum Palast zurückkehren“, bestimmte Kogyoku und ihr Blick war nun endlich erneut einer Prinzessin würdig. „Wie ihr wünscht, Prinzessin“ … Und so kam es, dass Judar während Sindbads Aufenthalt im Kou-Reich kein einziges Wort an ihn richten konnte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)