Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 18: ------------ Ich spürte die Wärme die mich umgab, fühlte mich geborgen – ich liebte das Gefühl. Es fielen Sonnenstrahlen auf meine Haut und ich hörte eine sanfte Stimme, die meinen Namen rief. Was für ein schöner, beruhigender Traum, dachte ich. Seit langem eine Nacht ohne Ängste und Tränen. „Josephine...“, hörte ich wieder diese sanfte Stimme. Ich stöhnte auf als im nächsten Moment auch schon die Kopfschmerzen einsetzten. Ich wandte mich in meinem Bett, wollte noch ein wenig weiterschlafen und wickelte mich enger in die Bettdecke ein. Nie wieder, schwor ich mir. Ich würde nie wieder Alkohol trinken. „Josephine?“ Das konnte jetzt aber kein Traum mehr sein, oder? Ich drehte meinen Kopf langsam zur anderen Seite und öffnete mein linkes Auge einen Spalt. Viktor stand in der Tür und sah mich an. „Ja?“, gab ich mit kratziger, schlaftrunkener Stimme zurück. Er deutete auf seine Armbanduhr „Musst du nicht arbeiten?“ Ich stöhnte auf. Dann schloss ich wieder meine Augen, drehte mich auf den Rücken und zog die Bettdecke über meinen Kopf. „Wir haben erst um elf Uhr Teammeeting“, nuschelte ich halb schlafend, halb gähnend in die Bettdecke. Ein Moment war es still und ich driftete wieder ab. „Es ist halb elf, Kleine.“ Ich gähnte wieder. Halb elf? Super, dann kann ich noch eine halbe Stunde schlaf- „Scheiße“, fluchte ich und riss im nächsten Moment die Bettdecke weg. Warum hatte dieser verfluchte Wecker nicht geklingelt? Hatte ich ihn überhaupt gestellt? Ich wusste es nicht und im Moment war es mir auch egal. Ich versuchte den stechenden Schmerz in meinem Kopf zu ignorieren als ich hochschnellte, mir Sachen zum Anziehen schnappte und an Viktor vorbei marschierte. „Rufst du mir ein Taxi, Viktor?“ „So gut wie erledigt“ , erwiderte er ruhig. Kurze Zeit später stand ich im Flur und zog gerade meine Jacke an als ich das Taxi hupen hörte. „Tut mir schrecklich leid Viktor, aber kannst du dich vielleicht um Wotan kümmern?“, fragte ich ihn zögernd. „Mach dir mal keinen Kopf. Hab ich schon erledigt, während du noch geschlafen hast.“ Er lächelte mich väterlich an und drückte mir eine kleine Box in die Hand. Ich sah ihn verwirrt an. „Frühstück für unterwegs“, erklärte er kurz. Ich umarmte ihn dankbar, musste dabei aber aufstöhnen. Die Bewegung war eindeutig zu hektisch für mich gewesen. „Vielleicht solltest du dich krank melden?“ „Auf keinen Fall“, wehrte ich ab und öffnete die Tür. „Erst betrinke ich mich und dann kann ich deswegen nicht arbeiten? Das macht sich bestimmt gut in meiner Personalakte neben dem Anschießen und Duellieren von Kollegen und Tatverdächtigen.“ Ich schenkte ihm ein schiefes Lächeln und verschwand aus der Tür. „Bis heute Abend“, rief er mir hinterher. Ich hob die Hand zur Verabschiedung. Mein Kopf war noch nicht bereit, dass ich irgendwas irgendwem zurufen konnte. Ich hoffte in der Box von Viktor waren Kopfschmerztabletten. Im Taxi gab ich dem Fahrer die Adresse. Karin informiere ich per SMS, dass ich auf dem Weg war, mich aber verspäten würde. Um etwas zur Ruhe zu kommen atmete ich einmal tief durch und sah die Box auf meinem Schoß an. Aspirin, dachte ich erleichtert als ich die Box öffnete. Ich betrachtete den Inhalt und musste Schmunzeln. Viktor war wirklich ein Engel. Es sah aus wie ein Lunchpaket für ein Schulkind. Abgesehen von den Tabletten natürlich. Als sich meine Kopfschmerzen wieder pochend ankündigten, nahm ich dankbar eine Tablette. Ich machte die Box wieder zu und packte sie in meine Tasche. Von dem Essen würde ich die nächsten Stunden nichts runter bekommen. Ich schloss meine Augen und lehnte mich an das Fenster. Als ich aufgewacht war, hatte ich das Gefühl, dass die Geschehnisse von gestern Abend nur ein Traum waren. Je mehr die Kopfschmerzen nachließen und ich über den gestrigen Abend nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich ein ernsthaftes Problem hatte. Hatte ich wirklich Fritz geküsst? Nein. ER hatte mich geküsst. Auch wenn ich den Kuss erwidert hatte, ich durfte nicht zulassen, dass dieser Ausrutscher das Verhältnis zwischen Fritz und mir verkomplizierte. Es hatte sich doch gerade erst die letzten Wochen so gut entwickelt. Es musste einfach daran gelegen haben, dass der gestrige Tag so emotional war und der Alkohol sein übriges dazu beigetragen hatte. Ich hoffte, dass Fritz es genauso sehen würde. Es wäre besser, daraus keine große Sache zu machen. Wir sollten kurz drüber reden, aber damit sollte es auch erledigt sein. Ich hoffte, dass es dann wieder so ungezwungen wie vorher sein würde. Ich fühlte mich in der momentanen Situation unwohl und ich wollte mich schnell wieder in die bekannte, komfortable Zone begeben. Ich merkte, dass ich nervös wurde, wenn ich über das Thema nachdachte. Und das gefiel mir gar nicht. Den Rest der Taxifahrt verbrachte ich damit mir zu überlegen, wie ich das Thema Fritz gegenüber ansprechen und was ich ihm sagen sollte. Einigermaßen zufrieden bezahlte ich den Fahrer und stieg aus dem Taxi. Als ich vorsichtig die Tür zum Besprechungsraum öffnete, hörte ich, das der Chef bereits die Teambesprechung begonnen hatte. Er unterbrach seinen Satz und schaute mich mit hochgezogener Augenbraue an als ich mit einer entschuldigenden Geste eintrat. „Josephine“, begrüßte er mich. „Schön, dass Sie auch den Weg zu uns gefunden haben.“ „Tut mir leid, Chef“, sagte ich und schloss die Tür hinter mir. Ich sah mich kurz im Raum um als ich Alex kichern hörte. Ich sah zu ihm. Er hob zur Begrüßung seine Hand ein Stück an und schenkte mir ein schiefes Lächeln. Ich rollte meine Augen. Ich konnte mich auf dumme Sprüche einstellen, sobald das Teammeeting vorbei war. Ich steuerte einen der freien Plätze an. Ewald sah mich mitfühlend an. Er musste vermutlich heute Morgen genauso einen Kater haben wie ich, während Karin mich mit einem vielsagenden Lächeln bedachte. Ich setzte mich neben sie. „Na, geht´s dir gut?“, flüsterte sie mir zu. „Ja, alles Bestens“, murmelte ich. Herr Gott, ich war doch nicht die Einzige, die gestern Alkohol getrunken hatte. Unser Chef hatte erneut mit seinen Erläuterungen begonnen. Ich versuchte ihm zuzuhören. Einen Moment zögerte ich zwar, sah dann aber zu Fritz, der zurückgelehnt in seinem Stuhl saß, die Arme vor der Brust verschränkt und den Chef fixierte. Ich war mir sicher, dass er meine Blicke bemerkte. Aber er reagierte nicht darauf und schien mich völlig zu ignorieren. Was war das denn? War er etwa sauer auf mich? Ich kannte diesen abweisenden Gesichtsausdruck von ihm. Aber ich hatte nicht erwartet ihn heute zu sehen. Es verwirrte mich. Warum war er sauer auf mich? Das konnte nicht sein. Er hatte mich geküsst und nicht ich ihn. Aus meiner Sicht hatte er keinen Grund dafür. „Gut“, sagte der Chef und klatschte einmal in seine Hände. Das brachte mich aus meinen Gedanken und ich sah wieder den Chef an. „Wo wir jetzt vollzählig sind, können wir ja endlich zum wichtigsten Thema kommen. Ich möchte Fritz in unserem Team wieder herzlich willkommen heißen. Ich denke, dass ich für alle sprechen, wenn ich sage, dass es eine Erleichterung ist ihn wieder dabei zu haben. Wir können froh sein, dass es so glimpflich ausgegangen ist, sowohl der Vorfall, wie auch die Untersuchungen.“ Der Chef machte eine kurze Pause und sah Fritz an. Der nickte ihm zu als wenn er ihm die Zustimmung für etwas geben würde. „Wie mit Fritz besprochen, sind wir uns beide einig, dass wir gerne mit dem ganzen Team die weiteren Informationen teilen wollen. Es lässt sich so einfach besser arbeiten. Also Fritz wird zunächst nur im Innendienst arbeiten. Da es noch einige Formalien zu klären gibt. Sobald wir damit durch sind, kann er wieder in den Außendienst. Er wird weiterhin für unbestimmte Zeit zu Sitzungen bei Herrn Dr. Wöller gehen. Zwar nicht mehr täglich, aber einmal in der Woche.“ Schweigend sah der Chef eine Weile auf die Akte vor sich. „Es gab einen Eintrag in die Personalakte und eine Art Probezeit wurde verhängt. Sorgt bitte alle dafür, dass die nächsten zwölf Monate keine unnötigen Komplikationen entstehen. Fritz kann schon für Kleinigkeiten Probleme bekommen. Ich möchte kein Disziplinarverfahren für dieses Team haben. Die letzten Monate waren schon ereignisreich genug. Unterstützt euch also gegenseitig, wenn mal wieder bei dem einen oder anderen das Temperament durchgehen möchte.“ Er sagte es mit Nachdruck und sah dabei jeden vom Team einmal an. „Haben wir uns verstanden?“ Alle stimmten ihm zu. „Gut“, sagte er. „Dann will ich niemanden länger von der Arbeit abhalten. Das Teammeeting ist für heute beendet.“ Ewald und Karin verließen zuerst den Raum. Alex sprach noch vorne mit dem Chef. Ich sah zu Fritz. Er saß noch in seinem Stuhl und machte keine Anstalten aufzustehen. Wollte er vielleicht doch mit mir reden und wartete nur, dass die anderen der Raum verließen? Das würde ich verstehen. Ich wollte auch nicht, dass die anderen etwas erfuhren. Das würde alles nur unnötig verkomplizieren. Am wenigsten wollte ich mir die Sprüche von Alex oder Ewald antun. Ich stand auf und ging auf Fritz zu. Er sah noch immer zu Alex und unserem Chef, die gerade ihr Gespräch beendeten und zur Tür gingen. „Fritz, hast du einen Moment Zeit?“, fragte ich und sah ihn an. Ich konnte sehen, dass er seinen Kopf nur widerwillig zu mir drehte. Dann blickte er mich an. Seine Augenbrauen waren leicht zusammengezogen und er sah ernst aus. Er schwieg. Dieser Blick beunruhigte mich. Warum sagte er nichts? „Fritz?“, hörte ich die Stimme vom Chef. „Ich wäre dann jetzt soweit.“ Fritz wandte seinen Blick nur langsam von mir ab, als er nickte und aufstand. Er legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich hab mit dem Chef noch was zu besprechen. Vielleicht passt es ja später“, sagte er in einem übertrieben höflichem und gleichzeitig distanziertem Tonfall. Dann ging er an mir vorbei. Das war jetzt irgendwie... unerwartet. *** „Machst du schon los?“, fragte mich Ewald, als ich anfing meine Sachen zusammen zu räumen. „Du weißt doch wie das ist. Wer spät anfängt, kann auch früh aufhören.“ Wir hatten keinen Fall und ich war müde. Ich sah also keinen Grund den Feierabend noch weiter raus zu zögern. Zumal ich mich eh nicht konzentrieren konnte. Fritz hatte mich den ganzen Tag gekonnt ignoriert. Zumindest kam es mir so vor. Anders konnte ich mir das nicht erklären. Er hatte sich in der Mittagspause ausgeklinkt, „weil er noch was Wichtiges erledigen musste“, ohne dass ich ihn noch abfangen konnte. Es war nicht so, dass ich darauf brannte das Thema anzusprechen. Ich würde es lieber stillschweigen einfach unter den Tisch kehren. Aber mein Kopf ließ es nicht zu. Und es wurde nicht besser. Und gerade jetzt, wo Fritz mich auch noch ignorierte, war es wie eine Dauerschleife in meinem Kopf. Ich hoffte, dass ich das Thema kurz ansprechen konnte und dann wieder fähig wäre mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Jedes Mal wenn der Name `Fritz´ fiel musste ich wieder an die Worte von gestern denken. Ich spürte wieder die Wärme der Umarmung, die Hitze des Kusses und auch meine Reaktion darauf. Ich fühlte mich unsicher, wenn ich daran dachte. Ja, beinahe panisch. Ich wollte, dass es wie vorher war. Ich wollte nicht, dass es die ganze Zeit in meinem Kopf rum schwirrte. Ich war vorhin in sein Büro gestürmt und wollte ihn zwingen mit mir zu reden, wollte es endlich hinter mich bringen, aber nur Alex hatte mich ein wenig verwirrt angesehen. „Der ist doch beim Psychologen. Er muss heute und morgen noch hingehen und ab Montag ist es dann nur noch einmal pro Woche“, hatte Alex mir erzählt. Frustriert war ich wieder an meinen Schreibtisch zurückgekehrt. Dann würde ich wohl oder übel morgen erst mit ihm reden können. Vielleicht hatte er ja morgen bessere Laune. Was soll´s, dachte ich und schnappte mir meine Jacke. Es war Zeit für den Feierabend. Ich ging über den Flur und schnappte mir noch einen Kaffee für unterwegs. Ich war todmüde. Aber wenigstens hatte ich keine Kopfschmerzen mehr. Gerade als ich meine Hand Richtung der Tür zum Treppenhaus ausstreckte, wurde sie von der anderen Seite geöffnet. „Oh... Hey“, sagte ich erstaunt, als mir plötzlich Fritz gegenüberstand. Ich hatte nicht erwartet ihn heute noch einmal auf dem Revier zu sehen. Er sah mich genauso überrascht an, wie ich ihn. Dann versteinerte sich jedoch sein Gesicht in Bruchteilen von Sekunden. Er wollte an mir vorbei gehen, aber ich hielt ihm am Arm fest und zog ihn in den Flur. Ich blickte ihn ernst an. „Ich muss mit dir reden“, ließ ich ihn ohne Umschweife wissen. Er sah mich etwas zögernd an. Nein, dachte ich. Ich würde jetzt nicht zulassen, dass er sich wieder eine Ausrede einfallen ließ. Er sah aus, als ob er nach einem Ausweg suchte. Ich schüttelte meinen Kopf und verstärkte meinen Griff um seinen Arm. „Du wirst jetzt Zeit für mich haben. Der Chef ist nicht mehr da und Alex scheint dich nicht zu erwarten, also komm mir nicht damit, dass du jetzt nicht reden kannst“, sagte ich um ihn alle Karten aus der Hand zu nehmen. Etwa so hatte es ihm wohl schon auf der Zunge gelegen, denn er zog die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust, als er ein wenig Abstand von mir nahm. Ich ließ seinen Arm los. Er sah mich schweigend an und ich konnte wieder seine Kieferknochen arbeiten sehen. Ich atmete einmal durch. Jetzt oder nie, dachte ich. „Ich wollte bloß was klarstellen... wegen gestern...“, begann ich. In meinen Kopf hatte ich mir schon alles zurecht gelegt, was ich ihm sagen wollte. Er als Mann hatte es vielleicht nicht nötig darüber zu reden, aber ich war eine Frau. Und ich musste darüber reden, um damit abschließen zu können. „Bielefeld“, unterbrach mich Fritz in einem harten Ton. Er schwieg einen Moment und sah sich im Flur um. Dann atmete er einmal langsam frustriert aus. „Was willst du klarstellen wegen gestern?“, fragte er mich in einem leisen, aber eindeutig erhitztem Tonfall. Er klang beinahe ein wenig bedrohlich. „Also gestern...“, begann ich. „Der Kuss... Ich wollte nur sicherstellen, dass wir uns einig sind, dass das keinerlei Bedeutung hat...“ Es war nicht ganz das, was ich sagen wollte. Aber irgendwie herrschte Leere in meinem Kopf. Fritz Blick veränderte sich im selben Moment. Er wirkte augenblicklich kühler und seine Lippen hatten sich zu einer festen schmalen Linie verzogen. „Und jetzt willst du mir sicherlich erklären, dass es gewiss daran gelegen hatte, dass der Tag so euphorisch war und dass der Alkohol Schuld ist an den Ereignisse von gestern...“ „Jaa...“, sagte ich etwas zögernd. Wir hatten doch die gleichen Gedankengänge, oder? Aber dieser Unterton von ihm verwirrte mich. Irgendwas stimmte daran nicht. Was war denn sein Problem? Ich wollte noch was sagen, aber er schnitt mir das Wort ab. „Und wir sind ja Kollegen und wollen nicht, dass sich irgendwas unnötig verkompliziert, oder?“, fuhr er fort. „Alex und die anderen, würden das bestimmt nicht verstehen, richtig? Also ist es wohl besser, wenn wir das Thema vergessen, denn es war ja nur ein Versehen. Ist es das, was du mir sagen wolltest?“ „Fritz“, begann ich etwas zögernd. „Ich habe gehofft, dass du der gleichen Meinung bist. Ich hatte mich schon gewundert, warum du mir aus dem Weg gehst.“ „Ich bin dir nicht aus dem Weg gegangen“, gab er zurück, sah mich dabei aber nicht an. Ich blickte ihn skeptisch an. „Doch das bist du“, entgegnete ich. Warum benahm er sich denn so? Er steckte seine Hände in die Hosentasche, als er mich wieder ansah. „Und selbst wenn, warum über ein Thema reden, über dass es offensichtlich nichts zu sagen gibt, wenn wir ja beide einer Meinung sind“, sagte er und hatte dabei einen scharfen Ton. Irgendwie konnte ich ihm gerade nicht folgen. Ich zog meine Augenbrauen hoch. „Sage mal, streiten wir uns gerade, weil wir einer Meinung sind oder verstehe ich da was falsch?“ Ich konnte wirklich keinen Grund dafür sehen. Er hatte doch genau das gesagt, was ich ihm auch sagen wollte. Wir waren uns also einig, oder? „Warum sollten wir uns streiten?“, gab er zurück und klang dabei beinahe schnippisch. „Das frage ich mich auch!“ Meine Stimme hatte sich etwas verschärft. „Bielefeld, du bist manchmal so-“ Er stockte für einen Moment. Wieder atmete er frustriert aus und fuhr sich mit einer Hand durch das Gesicht. „So, was?“, fragte ich ihn. Er ging einen Schritt auf mich zu und umfing meinen Oberarm mit seiner Hand. Gerade als er weitersprechen wollte, ging die Tür auf. Fritz und ich starrten beide zur Tür, als uns ein bekanntes Gesicht etwas entfernt ansah. „Josephine“, sagte Sophia euphorisch. Sie kam auf mich zu und sah auch kurz zu Fritz. „Du bist ja auch hier.“ Fritz nickte ihr knapp zu während er meinen Arm los ließ. Sie wandte sich wieder zu mir. „Ich bin so froh, dass ich dich hier gefunden habe. Dieses Gebäude ist wie ein Labyrinth.“ „Warum bist du denn hier?“ „Es geht um Falk“, sagte sie etwas zögernd und sah von Fritz zu mir. „Er hat mehrfach versucht dich zu erreichen. Aber irgendwie scheint das nicht zu klappen. Deswegen bin ich hier.“ Sie lächelte mich zögernd an. Hatte Herr Altenburg etwa seine Schwester hierher geschickt? Und was war so dringend, dass es nicht warten konnte? Zumindest hat er genug Verstand, mich nicht hier auf dem Revier aufzusuchen. Ich musste wieder an die Worte vom Chef denken. Es durfte nicht der Verdachte aufkommen, dass irgendwelche Deals mit Herrn Altenburg geschlossen wurden um Fritz unbeschadet aus der ganzen Sachen raus zu holen. Und ja, er hatte auch heute wieder versucht mich zu erreichen. Ich hatte mir vorgenommen ihn anzurufen, sobald ich Zuhause bin, weil ich vermeiden wollte das Gespräch auf dem Revier zu führen. Mir gefiel es auch gar nicht, dass Fritz davon schon wieder erfuhr. Ich konnte sehen, wie er sich anspannte. Ich bemühte mich um ein Lächeln. „Ja, tut mir leid. Ich war die letzten Tage ziemlich beschäftigt, was wollte er denn von mir?“ „Das solltest du wohl besser ihn selbst fragen...“ Sie zögerte einen Moment. „Aber ich wollte euch nicht unterbrechen...“ Sie sah von Fritz zu mir. „Das ist schon ok“, sagte ich. „Fritz und ich haben alles geklärt und ich wollte eh Feierabend machen.“ Ich sah zu Fritz. Er sah mich schweigend an. Die Augenbrauen waren noch immer zusammengezogen und seine Stirn legte sich in Falten. Seine Lippen bewegte sich, als ob er etwas sagen wollte. Dann bildete sein Mund jedoch eine schmale Linie. „Wir haben doch alles geklärt, oder?“, fragte ich Fritz. Er antwortete mir nicht und ich ging einen Schritt auf ihn zu. „Fritz? Haben wir noch was zu besprechen?“, fragte ich nach. „Offensichtlich nicht...“, presste er hervor, drehte sich um und marschierte in Richtung Büro. Ich konnte sehen, dass sein Hände zu Fäusten geballt waren. „Hab ihr euch gestritten?“, fragte mich Sophia. Fritz war schon aus unserem Sichtfeld verschwunden. „Irgendwie sieht er echt sauer aus“, sagte sie nachdenklich. Ich sah in die Richtung in die Fritz gegangen war. „Eigentlich nicht“, sagte ich halb zu mir selbst. Aber langsam war ich mir nicht mehr so sicher. Ich verstand ihn einfach nicht. War mir schon wieder was entgangen? Ich drehte mich zu Sophia und zwang mich zu einem Lächeln. „Mach dir mal keine Sorgen. Der kriegt sich schon wieder ein. Ihm läuft regelmäßig ne Laus über die Leber. Wollen wir?“ Wir gingen zum Ausgang. Ich sollte mich jetzt auf das Gespräch mit Herrn Altenburg konzentrieren. Er schuldete mir noch einige Erklärungen. *** „Eines muss ich dir noch sagen“, begann Sophia als wir die letzten Stufen zur Wohnung hinaufstiegen. „Falk weiß nicht, dass ich dich mitbringe.“ „Hat er dich nicht geschickt?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, hat er nicht.“ „Aber warum bist du dann aufs Revier gekommen?“, fragte ich verwundert. „Ich habe mitbekommen, dass er dich nicht erreicht hat. Er war seit gestern so schlecht gelaunt, dass ich es nicht mehr ausgehalten habe. Hast du schon einmal mit einem schlecht gelaunten Bruder zusammengewohnt? Auch noch einen, der gerade Urlaub hat, während du versuchst für die Uni zu lernen? Es ist nervig!“ „Ist er wegen mir schlecht gelaunt?” Langsam reichte es mir mit den ganzen übellaunigen Männern um mich rum. Sie drehte den Schlüssel im Schloss rum als sie mich ansah. „Das glaube ich nicht. Aber auf jeden Fall kann ich nicht lernen, wenn er so drauf ist. Irgendwas beschäftigt ihn. Aber er redet nicht drüber. Es sei dienstlich, sagt er.“ Sie rollte mit den Augen und drehte sich wieder zur Tür. Sophia betrat die Wohnung. Ich folgte ihr. „Falk“, rief sie als sie die Schlüssel in eine Box im Flur legte und ihre Schuhe auszog. „Bin wieder da.“ Ich blieb im Flur an der Tür stehen. Wenn er mich nicht erwartet hatte, passte es ihm vielleicht auch gar nicht. Ich hörte Schritte, die sich dem Flur näherten. „Wird aber auch langsam Zeit, warum kannst du eigentlich ni-“ Herr Altenburg kam aus der Küche in den Flur und blieb erstaunt stehen, als er mich sah. „Hallo“, sagte er eindeutig überrascht. Ich sah ihn ebenfalls erstaunt an. Ich erkannte ihn kaum. Er hatte eine Küchenschürze um, lässige Kleidung, wildes ungekämmtes Haar und Bartstoppeln. Auf der Straße hätte ich ihn nicht erkannt. Das war nicht der akkurate Ermittler im Anzug, wie ich ihn bei der ersten Befragung kennen gelernt hatte. Ich hob meine Hand zur Begrüßung. „Ihre Schwester hat mich eingesammelt. Sie scheinen schlechte Laune zu haben.“ Er beäugte seine Schwester mit einer hochgezogenen Augenbraun. „Das hat sie gesagt?“ „Ja, dass hat sie“, entgegnete ich trocken. Sophia grinste ihren Bruder an, der sie weiterhin düster anblickte. Sie ging auf ihn zu und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Gerne geschehen, Bruderherz. Nun kannst du endlich aufhören zu schmollen und wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung zu laufen.“ „Was?“, sagte er empört. Sie drehte sich von ihm weg. „Ich bin dann mal in meinem Zimmer.“ Sophia hob ihre Hände in die Luft. „Endlich lernen“, rief sie mit übertriebener Euphorie aus und ließ mich im Flur stehen. Ich sah ihr einen Moment nach. Herr Altenburg räusperte sich und ich wandte meinen Blick zu ihm. Er sah mich zögernd an. „Ich kann auch gehen, wenn es gerade nicht passt.“ „Nein“, sagte er entschieden. Dann blickte er mich freundlicher an. „Bleiben Sie, bitte. Ich wollte mit Ihnen reden.“ Ich folgte ihm in die Küche und nahm in der Sitzecke platz. Es war eine schöne, helle und geräumige Küche. „Kann ich Ihnen vielleicht etwas zu trinken anbieten?“ „Ein Wasser“, entgegnete ich. „Warum wollten Sie mit mir reden?“, fragte ich, nachdem er selber auf einem Stuhl platz genommen hatte. Er sagte einen Moment nichts, sah nur auf seine Tasse, die er in der Hand hielt. Dann stellte er sie ab und sah mich an. „Sind Sie sauer auf mich?“, fragte er mich. Ich sah ihn etwas verwundert an. „Wie kommen Sie darauf?“ „Wegen der Jobanfrage“ Ich wusste immer noch nicht, was ich von der ganzen Sache halten sollte, aber sauer war ich deswegen nicht. Solange es keine Probleme verursachte, gab er für mich auch keinen Grund darauf übermäßig zu reagieren. „Ich muss zugeben, dass ich verwundert war. Mein Chef übrigens auch. Und Sie müssen zugeben, dass Sie diese Anfrage zum wirklich unmöglichstem aller Zeitpunkte gestellt haben.“ Es klang ein Tadel in meiner Stimmte mit. Ich war mir sicher, dass er ihn gehört hatte. Er räusperte sich. „Ich muss wirklich diese ganze Sache entschuldigen“, begann er. „Mein Chef hat mich gestern angerufen. Ich befürchte, dass es zu einem Missverständnis gekommen ist.“ Herr Altenburg klag etwas gequält. „Mir ist natürlich bewusst, wie das für Ihren Chef aussehen musste. Ich war leider im Urlaub, sonst hätte ich vermutlich meinen Vorgesetzten noch stoppen können. Aber ich hatte vor dem Urlaub erwähnt, dass ich gerne einen Fall mit Ihnen zusammen aufarbeiten würde, wenn die Sache mit Ihrem Kollegen geklärt wäre. Damit meinte ich aber nicht, direkt danach. Das sah mein Chef offensichtlich anders.“ „Sie wissen also, dass das Verfahren von Fritz eingestellt wurde?“, fragte ich nach. „Ja“, begann er. „Wie gesagt, ich habe gestern mit meinem Chef telefoniert. Er hat mich über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft informiert. Leider hat er das zum Anlass genommen, gleich bei Ihrem Chef anzurufen. Das tut mir wirklich leid.“ „Herr Altenburg, machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Wenn es keine Absicht war und es niemandem geschadet hat, sehe ich keinen Grund für eine Entschuldigung. Außerdem hat mein Chef Ihrem Vorgesetzten offensichtlich eine Absage erteilt.“ Auf den Lippen von Herrn Altenburg spiegelte sich ein leichtes Lächeln wieder. „Ja“, bestätigte er mir. „Auch DAS hat mir mein Chef erzählt. Er war nicht sehr erfreut darüber.“ Dann sah er mich aber wieder ernst an. „Die Absage“, begann er. „Ich hoffe wirklich, dass ich noch einmal eine Anforderung stellen kann, wenn sich alles ein wenig beruhigt hat.“ Ich hörte, dass es keine Frage war. Es war für ihn eine Tatsache, dass er mich noch einmal anfordern würde. Wie lange würde das wohl dauern? Hatte er überhaupt die Zeit dafür? Wir bemühten uns doch Fälle immer zeitnah zu lösen. Ich sah ihn einen Moment nachdenklich an. „Können Sie den Fall nicht mit jemand anderem bearbeiten? Dann wäre es für Sie möglich sofort damit zu starten.“ Er schüttelte den Kopf und sah mich entschlossen an. „Nein. Es muss mit Ihnen sein.“ Ich stutzt bei der Aussage. „Warum?“, fragte ich. „Warum muss ich es sein?“ Er schwieg einen Augenblick, sah wieder auf seine Tasse. „Herr Altenburg“, ermahnte ich ihn. „Finden Sie nicht auch, dass ich wissen sollte, warum ich diesen Fall annehmen soll?“ Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück während er mich fixierte. „Ich habe Ihre Ermittlungsmethoden der letzten Fälle studiert. Sie sind für mich die Einzige, die für diese Ermittlung in Fragen kommt.“ Warum wirkte er so angespannt? Warum war ihm dieser Fall so wichtig? Ich wurde misstrauisch. Seine körperlichen Reaktionen sprachen Bände, auch wenn er versuchte sie zu unterdrücken. Mich erinnerte die Situation an unsere erste Begegnung. Nur das wir dieses Mal die Rollen getauscht hatten. Ich stellte die Fragen und er suchte nach passenden Antworten. Wenn ich ihn so ansah, konnte ich sehen, dass er jemand versuchte zu beschützten. Es ging hier nicht um irgendeinen Fall. Er war in irgendeiner Form persönlich damit verbunden. Und genau das weckte mein Interesse. Ich verengte meine Augen als ich mein Glas Wasser abstellte und mich zu ihm vorbeugte. „Worum geht´s hier wirklich?“, fragte ich ihn. „Um den Fall“, beharrte er und haftete seinen Blick an mir fest. „Ok“, erwiderte ich gedehnt. Mir reichte die Antwort natürlich nicht. „Warum geht es in dem Fall?“ „Um Mord an einem Kriminalbeamten“, sagte er mit leiser, bedächtiger Stimme. „Ein toter Polizist?“, fragte ich überrascht. „Ich habe nichts dergleichen gehört“, fuhr ich fort. So was hätte doch Wellen geschlagen. Davon hätte ich doch hören müssen. „Von diesem Fall konnten Sie nichts gehört haben, er ist ca. drei Jahre alt.“ „Immer noch ungeklärt?“, fragte ich und lehnte mich wieder etwas in meinem Stuhl zurück, nahm ein Schluck Wasser. „Ich gebe Ihnen alle Informationen die mir zur Verfügung stehen, wenn ich weiß, dass Sie bereit sind sich mit dem Fall zu beschäftigen. Aber bis dahin kann ich nicht über Details sprechen.“ „Wieso?“, harkte ich nach. „Liegt die Akte unter Verschluss?“ Eigentlich sollte ich die Antwort kennen. „Wie alle internen Untersuchungen“, bestätigte er. „Fänden Sie es nicht auch schlimm, wenn jeder einfach an interne Ermittlungen gelangen könnte?“ „Und Sie können diese Akten alle einsehen?“, fragte ich ihn. „Ich leite die Abteilung für interne Untersuchungen, Frau Klick. Natürlich kann ich.“ Ich nickte als ich mich ein Stück zu ihm vorbeugte. „Warum gerade diesen Fall?“ Welchen Grund hatte er einen drei Jahre alten Fall wieder neu aufzurollen. Gab es neue Beweise? „Er ist ungelöst...“, begann er. Ich unterbrach ihn. „Herr Altenburg, ich bitte Sie... So funktioniert das nicht. Es gibt zig ungelöste Fälle, die in den Archiven liegen. Warum also gerade dieser?“ Er schwieg eine Weile, sah mich dann ernst an. „Ich kannte die Person“, gab er zu. Das hatte ich mit gedacht. „Frau Klick, ich habe jemanden versprochen, dass ich mir den Fall noch einmal ansehen würde. Ich bin mir sicher, dass der Fall zu lösen ist.“ „Ich weiß nicht, ob ich wirklich dafür die Richtige bin, Herr Altenburg.“ Ich wusste nicht, ob ich überhaupt helfen konnte. Jeder Tag der verging erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fall ungeklärt blieb. Ich verstand, warum er glaubte, dass ich helfen konnte. Aber ich wollte keinen Fall annehmen, der vielleicht eine Privatangelegenheit war. Er senkte seinen Kopf ein wenig, fuhr sich über den Bart und hielt an seinen Schläfen inne als er sie einige Male leicht massierte. Er versuchte es zu verstecken, aber ich konnte sein trauriges Lächeln sehen. Mit leiser Stimme wandte er sich wieder an mich, ohne mich dabei direkt anzusehen. „Haben Sie nicht auch alle möglichen Dinge in Bewegung gesetzt und jede Chance genutzt um Herrn Munro zu helfen? Ist es verkehrt zu versuche den Personen in seiner Umgebung zu helfen?“ In seiner Stimme lag keine Wertung. Ich musste ihm zustimmen. Ich hatte alles mir mögliche getan, um Fritz helfen zu können. Und ich hätte noch viel mehr getan, wenn es notwendig gewesen wäre. Alles nur, damit Fritz nicht ins Gefängnis musste. Ich fuhr mir nachdenklich über die Stirn. Da hatte er mich wohl an der Angel. „Wenn ich entscheiden soll, ob ich den Fall annehme oder nicht benötige ich mehr Details.“ „Wirklich?“, fragte er mich. Ich konnte Hoffnung in seinen Augen sehen. „Ich habe nicht gesagt, dass ich den Fall annehme. Ich habe nur gesagt, dass ich mir die Details angucke und dann entscheide, ob es mir möglich ist überhaupt zu helfen. Das letzte Wort liegt eh bei meinem Chef und der hat mir schon gesagt, dass in nächster Zeit, solange Herr Munro im Innendienst arbeitet, keine Fremdeinsätze gestattet werden.“ „Das versteh ich natürlich. Ich will auch nicht, dass Ihr Team Probleme bekommt. Momentan liegt mir die Akte auch noch nicht vor. Ich muss sie selber erst im Archiv beantragen. Ich würde mich bei Ihnen melden, sobald mir die Akte vorliegt. Wäre das in Ordnung?“ Ich nickte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob das Ganze wirklich eine so gute Idee war. Ich dachte an die Worte vom Chef. Aber Herr Altenburg hatte mich nicht aufgefordert ihm zu helfen. Er hatte gefragt, ohne Zwang oder Druck auszuüben. Ich verstand ihn und kannte das Gefühl. Ich würde mir zumindest den Sachverhalt ansehen. Der Fall war drei Jahre alt. Es würde wohl an dem Stand nichts ändern, wenn die Akte noch ein wenig liegen würde, bis ich Zeit dafür reif war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)